Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Kollegen! Immerhin haben wir wieder ein bisschen Stimmung, aber das zeigt auch ein Stück weit die Emotionalität dieses Themas, und das ist auch vollkommen richtig.
Damit der eine oder andere sich erinnert, was denn eigentlich in dem Koalitionsvertrag steht, möchte ich die Koalitionsvereinbarungspassage aus dem FDP-Antrag zitieren:
Die Koalition hält Abschiebehaft und Abschiebegewahrsam grundsätzlich für unangemessene Maßnahmen und wird sich deshalb auf Bundesebene für deren Abschaffung einsetzen.
So steht es da drin. Dazu sage ich Ihnen: Wie realitätsfremd und blauäugig ist eine solche Forderung angesichts heutiger Zeit?
Lassen Sie mich ausreden, Frau Bayram! – Vor wenigen Monaten stand auf einem Flyer unserer Partei: Je suis Charlie! Pray for Paris! Je suis Bruxelles! Pray for Orlan
do! Weiter stand dort: Bitte nicht Berlin! – Kurze Zeit später folgten Würzburg, Ansbach, München. Wir wurden beschimpft, als Populisten gebrandmarkt. Der Alternative für Deutschland wurde vorgeworfen, Ängste zu schüren.
Dann kam Nizza, und schließlich, kurz vor Weihnachten, erreichte der islamistische Terror Berlin mit Toten und Verletzten, Opfern, die aus unserer Sicht nach wie vor viel zu wenig Gedenken erfahren.
Der Anschlag von Berlin hat uns schmerzlich vor Augen geführt, wozu eine desaströse Politik führt. Ein Täter, der als Gefährder und Straftäter bekannt war, mehr als 13 unterschiedliche Identitäten hatte und bereits in Abschiebehaft war, ein Täter, der in der Lage ist, in Deutschland einen Terroranschlag zu verüben und anschließend durch halb Europa zu reisen – Anis Amri hätte zum Zeitpunkt der Tat gar nicht in Deutschland sein dürfen!
Sein Asylgesuch wurde bereits Mitte 2016 abgelehnt. Bürokratische Hürden, nicht konsequent angewandte Gesetze hatten zur Folge, dass ein krimineller islamistischer Terrorist seine Tat planen und durchführen konnte.
Und diese Regierungskoalition fordert die Abschaffung der Abschiebungshaft und des Abschiebungsgewahrsams. Denken Sie, dass eine solche Person, wie Sie im Koalitionsvertrag fordern, eine unterstützte Rückkehr antreten wird, Frau Bayram?
Ja, ja! – Politik hat sich an der Realität zu orientieren und nicht in erster Linie an ideologisch bestimmten Ideen. Das ist der Fakt.
Was die Bevölkerung der Bundesrepublik Deutschland, insbesondere die Berliner brauchen, sind Lösungen zum Thema „Innere Sicherheit“. Langes Abwägen, Verhandeln wird hier niemanden weiterbringen. Kuscheljustiz und Low-Border-Forderungen sind im Jahr 2017 schlicht nicht mehr zeitgemäß.
Wir haben es nicht nur mit der Gefahr des islamistischen Terrors zu tun. Eines sage ich ganz ausdrücklich und unmissverständlich, ich hoffe, Sie hören mir zu, Frau
Schubert: Nicht jeder, der in den vergangenen Jahren einen Antrag auf Asyl gestellt hat, ist kriminell, ein Gefährder oder gar ein potenzieller Terrorist.
Es befinden sich allerdings unter den Asylantragstellern auch Personen, auf die diese Merkmale zutreffen. Dennoch müssen wir diesen Fakten völlig unideologisch ins Auge sehen. Es gab zu Beginn des letzten Jahres – nicht nur in Köln – massenhaft sexuelle Übergriffe in der Silvesternacht. Auch in diesem Jahr wäre die Anzahl der Straftaten weitaus höher, wenn nicht ein massives Polizeiaufgebot Schlimmeres verhindert hätte. Tausende Polizisten mussten im Bundesgebiet für die Sicherheit der Menschen sorgen. Dennoch kam es zu Übergriffen. Und eines sage ich ganz deutlich: Jede einzelne Tat ist eine Tat zu viel.
Wie sähen Sie es, werte Kollegen, wenn es Ihre Tochter, Ihren Sohn betreffen würde, wenn Ihre Tochter weinend nach Hause kommt,
weil sie von mehreren Personen begrapscht wurde? Kommt dann die Forderung nach mehr Integrationsmaßnahmen und unterstützender Rückführung oder doch eher nach Strafverfolgung und Abschiebung? Als Vater von drei Töchtern können Sie sich meine Antwort vorstellen.
Und wenn die Polizei einen ausgezeichneten Job macht, was in diesem Fall bedeutet, dass gezielte Überprüfungen von Personen eines gewissen Täterkreises vorgenommen und dadurch Straftaten verhindert werden, dann haben wir als Politiker schlicht und ergreifend Danke zu sagen und den Beamten den Rücken zu stärken.
Es ist nicht zielführend, in dieser Zeit eine Debatte um Begrifflichkeiten wie polizeiliche Kennungen wie „Nafris“ zu führen. Das schadet unseren Sicherheitskräften. Solche Debatten lähmen und demotivieren die Menschen, die am Tag und in der Nacht dafür da sind, uns, unsere Angehörigen, ja auch Ihre Kinder und Verwandten vor Übergriffen zu schützen. Um es kurz zu machen: Aus all diesen Gründen hält die Alternative für Deutschland den geplanten Paradigmenwechsel der rot-rot-grünen Koalition für unverantwortlich und schließt sich der Forderung der FDP an. – Ich danke Ihnen!
Vielen Dank, Frau Präsidentin! – Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ehrlich gesagt bin ich teilweise schon erstaunt über viel Emotion und wenig Sachkenntnis bei dem einen oder anderen Beitrag zu diesem Thema,
das an sich ein sehr ernstes und auch sehr wichtiges Thema ist. Ich will mal damit anfangen, dass ich den Antrag der FDP schon deswegen als eine eher auf Konflikt angelegte und nicht an sachlicher Debatte interessierte Anregung ansehe, weil da einfach steht: Willkür soll verhindert werden. – Wer schon so was im Titel hat und damit wahrheitswidrig Willkür unterstellt,
der muss sich doch ernsthaft fragen, welches Recht auf eine ehrliche, sachliche Debatte er damit für sich in Anspruch nimmt. Ich hoffe, dass es uns im Ausschuss gelingen wird, das Ganze inhaltreicher zu diskutieren, denn die Bevölkerung von Berlin erwartet tatsächlich, dass wir uns mit diesen Themen beschäftigen, dass wir um den Weg ringen, aber dass wir schon nicht damit beschäftigt sind, uns gegenseitig zu beschimpfen, sondern an den Problemen, die die Menschen beschäftigen, arbeiten.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, die noch nicht so lange im Parlament sind oder in der letzten Legislaturperiode zwischendurch mal nicht dabei waren! Es ist doch schon so, dass wir in der letzten Legislaturperiode auch Debatten zum Thema Abschiebung hatten. Wir haben als Fraktion ebenso wie die Linksfraktion beanstandet, dass Abschiebungen gegen Menschenrechte durchgesetzt wurden, weil es Herrn Henkel nur um die Zahl ging. Ihm waren die Menschenrechte und die Schicksale egal.
Das ist der Hintergrund, warum wir vom Paradigmenwechsel reden. Es ist doch nicht, lieber Herr Kollege von der FDP, der von Ihnen unterstellte Hintergrund, dass wir Bundesrecht nicht mehr achten wollen.