Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen von der FDP! Vielen Dank, dass Sie den Koalitionsvertrag in Sachen Abschiebung so ausführlich zitiert haben.
Denn genau darum geht es, um einen Paradigmenwechsel, weg von diesem schäbigen Wettlauf der Abschiebungen, der im Moment zwischen den Bundesländern geschürt wird, angefeuert vom Bund. Das ist schäbig, was sie da tun, und das ist nicht gut.
Wir wollen hin zu einer Politik der Integration und der Partizipation für all diejenigen, die eine Bleibeperspektive haben, und der freiwilligen Rückkehr für diejenigen, die keine Chance mehr haben, einen Aufenthaltstitel zu bekommen. Es wundert mich übrigens, dass die Rechtsstaatspartei FPD, als die Sie sich so gerne begreifen, genau das ablehnt.
Sie wissen, welche dramatischen Szenen sich unter Henkel abgespielt haben, als Kinder aus den Schulen, nachts aus den Familien gerissen wurden, um abgeschoben zu werden.
Das Aufenthaltsrecht ist trotz mancher Verbesserungen durch eine einstmals rot-grüne Bundesregierung leider immer noch geprägt von einem obrigkeitsstaatlichen Verständnis. Migrantinnen und Migranten, geflüchtete Menschen werden nicht als gleichberechtigt begriffen, sondern als Bittsteller, als potenzielle Sicherheitsrisiken. Der Ordnungs- und Polizeigedanke im Aufenthaltsrecht
ist immer noch stärker als der der Öffnung, der Integration und Teilhabe – und das in einem Einwanderungsland, das die Bundesrepublik nun schon seit vielen Jahrzehnten ist und in Berlin gleich mal mehr. Zurzeit gibt es vor allem aus Unionskreisen jeden Tag neue Vorschläge zur Verschärfung des Aufenthaltsrechts, zur Anziehung der Abschieberegelungen, zur weiteren Schleifung des Grundrechts auf Asyl. Die Bundesregierung hat sogar McKinsey beauftragt, ein möglichst effizientes Abschieberegime zu entwickeln.
Ich glaube nicht, dass das die richtige Antwort ist, denn der Subtext Ihrer Vorschläge – und all dieser Vorschläge – ist: Ihr, die Geflüchteten, seid potenzielle Terroristen. Wir wollen euch so schnell wie möglich loswerden. – Verbunden mit den an vielen Orten immer noch schwierigen Unterbringungsbedingungen ist das genau die Botschaft, die es Islamisten leicht macht, Menschen zu ködern, die sich nicht angenommen fühlen.
Um es ganz deutlich zu machen: Jeder Terrorist ist selbst verantwortlich für seine Taten, dafür gibt es keine Entschuldigung. Aber man kann Rahmenbedingungen für Prävention schaffen, und deswegen ist es richtig, was der Senat verabschiedet hat – ein umfassendes Paket zur Präventionsarbeit, zur Deradikalisierungsarbeit, die Leute annehmen und sie nicht ausgrenzen und an die Seite schieben.
In Ihrer Begründung verweisen Sie auf den schrecklichen Terroranschlag auf dem Breitscheidplatz, der eine neue Lage schaffe. Der Berliner Senat hat sich mit der rot-rotgrünen Koalition verständigt. Personen, für die es konkrete Anhaltspunkte gibt, dass sie in terroristische Aktivitäten verwickelt sind oder solche planen, sollen in Abschiebehaft genommen werden. Das gilt freilich nur für ausländische Personen. Herr Geisel hat es gesagt: Von den 73 Personen, die von der Polizei in Berlin als Gefährder geführt werden, sind 80 Prozent deutsche Staatsbürger. Für sie kommt eine Abschiebehaft nicht in Frage.
Bleiben etwa 15 Personen. Für die anderen rd. 70 000 wollen wir den Paradigmenwechsel hin zu einem menschenrechtlich orientierten, humanitären Aufenthaltsrecht, das Abschiebungen vermeidet, Inhaftierungen
unbescholtener Menschen unterbindet und allen, die hier ankommen, ein rechtsstaatliches Verfahren ermöglicht.
Sehr geehrte Frau Schubert! Das Wort Kollegin möchte mir hier wirklich nicht über die Lippen kommen.
Ich habe mich mal ganz schnell mit Ihrem Lebenslauf beschäftigt. Sie haben Ihren politischen Lebensweg in der SPD angefangen, sind am Schluss bei den sogenannten Autonomen gelandet, und jetzt sitzen Sie hier in diesem Landesparlament. Das ist in einem freiheitlich-demokratischen Land letztlich Ihr Recht,
aber, und das will ich Ihnen nach dieser Rede sagen, die eine Unverschämtheit und eine Verleumdung einer Partei war,
die in diesem Land jahrzehntelang den Außenminister, den Vizekanzler und den Justizminister gestellt hat – eine Verleumdung ohnegleichen: Sie sind genau diese kleine, brüllende, keifende Minderheit in diesem Land,
die diese Gesellschaft, die hier für 50 Jahre Demokratie, Frieden und Rechtsstaat gesorgt hat, kaputtmachen will.
Moment! – Bevor ich Frau Schubert das Wort gebe, möchte ich Sie bitten, Herr Krestel, sich auch im Ton zu mäßigen. Das ist unparlamentarisch!
[Sven Rissmann (CDU): Das hätten Sie vorher aber auch mal sagen müssen! – (Katina Schubert) Zuruf von der FDP: Das kann doch wohl nicht wahr sein! Zurufe von der AfD und der FDP]
Herr Krestel! Es tut mir nun wirklich sehr leid, aber ich bin demokratisch gewählt, insofern können Sie mir sonst was vorwerfen; das ist alles nicht mein Problem. Wissen Sie, ich habe mich auf Ihren Redebeitrag bezogen. Ich habe mich auf Ihr Gebrüll bezogen, auf Ihre Zwischenrufe. Es wundert mich sehr, dass sich, wenn ich versuche darzulegen, was wir richtig finden, eine Partei wie die FDP, die sich demokratischen Prinzipien immer verpflichtet gefühlt hat, so aufführt. Das verwundert mich sehr, muss ich sagen.
Was meinen Lebenslauf angeht – darüber können wir nachher noch reden, kein Problem. Ich bin demokratisch gewählt, sorry!