Protocol of the Session on February 21, 2019

[Beifall bei der AfD]

Mittlerweile geht es um nichts weniger als um die Frage, wie wir die Grundlagen für eine kritische Auseinandersetzung mit dem DDR-Unrecht bewahren und einen Rollback zu einer ahistorischen Verklärung der DDR verhindern können.

[Beifall bei der AfD]

Mit Entsetzen beobachten ehemalige Bürgerrechtler und Opfer der SED-Diktatur, wie die Entlassung von Hubertus Knabe jenen Kräften Tür und Tor geöffnet hat, denen die ganze Richtung der Aufarbeitung nicht passt – allen voran die DDR-Nostalgiker und ehemaligen Stasi-Kader. Kultursenator Lederer hat mit seiner Entscheidung vom September selbst der Betonfraktion um ISOR und GRH, sozusagen der Untoten der Stasi-Lobby, wieder neues Leben eingehaucht. In unüberbietbarer Heuchelei hängt sich zum Beispiel die GRH an das von der Kulturverwaltung und Marianne Birthler initiierte Narrativ von einem notwendigen Neuanfang in Hohenschönhausen an, wenn Ex-DDR-Vizegeneralstaatsanwalt Hans Bauer in einem Pamphlet der GRH, das im Dezember an die Fraktionen dieses Hauses verteilt wurde, einen Kulturwandel und eine Verwissenschaftlichung der Aufarbeitung einfordert. – Das ist wirklich Desinformation vom Feinsten, meine Damen und Herren! Als ob die Aufarbeitung, die sich Herr Bauer wünscht, in irgendeiner Weise wissenschaftlich wäre.

[Beifall bei der AfD]

Weitere Autoren dieser Art heißen Horst Schneider und Herbert Kierstein, alles alte Stasi-Fahrensleute, mit ihren Publikationstiteln wie „Das Gruselkabinett des Dr. Knabe(lari)“ oder „Drachentöter. Die ‚Stasi-Gedenkstätten‘ rüsten auf“. Horst Schneider schreibt zum Beispiel in seinem Pamphlet „Das Gruselkabinett des Dr. Knabe(lari)“, ich zitiere mit Erlaubnis des Präsidenten, dass:

diese DDR trotz all ihrer Fehler und Unzulänglichkeiten einen gesellschaftlichen Fortschritt darstellt, der Lichtjahre von der heutigen Gegenwart entfernt ist.

(Präsident Ralf Wieland)

[Heiterkeit bei der AfD]

Wer sich heute als Linker, als Sozialist oder Kommunist begreift, kann gar nicht anders, als sich auf diese DDR positiv zu beziehen.

[Zuruf von der AfD: Passiert ja! – Zuruf von der AfD: Hört, hört!]

Da passt es gut, dass im Theater Hebbel am Ufer vom 11. bis 17. März ein mehrtägiges Festival stattfindet unter dem Motto „Comrades, I Am Not Ashamed of My Communist Past“, also auf Deutsch: Kameraden, ich schäme mich nicht für meine kommunistische Vergangenheit – „Erinnerungspolitik 30 Jahre nach dem Fall der Berliner Mauer“. Bei so einem Motto darf auch Kultursenator Lederer nicht fehlen, der sich am 13. März mit Kritikern der Aufarbeitung unter dem Titel „Die DDR neu erzählen“ auf ein Podium setzt.

[Georg Pazderski (AfD): Hört, hört! – Zuruf von der AfD: Unfassbar! (AfD)]

30 Jahre nach dem Mauerfall sei angeblich Zeit für eine neue Perspektive, für eine Aufarbeitung der Aufarbeitung.

[Carsten Ubbelohde (AfD): Könnte ihm so passen!]

Hubertus Knabe hatte vor vielen Jahren schon in seinem Buch „Die Täter sind unter uns. Über das Schönreden der SED-Diktatur“ alles Notwendige dazu gesagt. Das, was heute verharmlosend als Neuanfang in Hohenschönhausen gefordert wird, hieß vor Kurzem noch beispielweise „Kampf gegen den imperialistischen Geschichtsrevisionismus“.

Hans Bauer lieferte auch das aktuelle Stichwort, wenn der GRH-Chef von dem Vormarsch rechtspopulistischer Kräfte in der Aufarbeitung schwadroniert, den es zu stoppen gelte. Dem folgte Klaus Lederer, als er letzte Woche bei der Ankündigung der Feierlichkeiten für den 30. Jahrestag des Mauerfalls darlegte, dass es ja eigentlich gar nichts zu feiern gebe – nicht wahr, Herr Lederer? –, weil mit dem Fall der Mauer der Siegeszug, wenn nicht der AfD, so doch der falschen, das heißt, der rechten Aufarbeitung und die vermeintliche Vereinnahmung der friedlichen Revolution durch nationalistische Kräfte begonnen hätten.

[Zuruf von der AfD: Unglaublich!]

Der Ruf der Wende „Wir sind das Volk!“ steht beim Kultursenator ohnehin unter Verdacht, weil angeblich rechts kontaminiert.

[Vereinzelt Heiterkeit bei der AfD]

Bei so viel Paranoia, meine Damen und Herren, ist es dann nur konsequent, wenn es im Frühjahr 2019 unter Federführung der Kulturverwaltung eine zweite Handreichung der mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus zum angeblichen Kulturkampf von rechts geben soll, diesmal zum Thema Aufarbeitung, Geschichts- und Erinnerungspolitik. Einen Vorgeschmack, was in dieser Bro

schüre drinstehen könnte, hat jetzt eine durch die Landeszentrale für politische Bildung geförderte, sogenannte Fachtagung der Amadeu-Antonio-Stiftung unter dem Titel „Der rechte Rand der DDR-Aufarbeitung“ am 14. Februar geliefert. Organisiert von Anetta Kahane, einer ehemaligen informellen Mitarbeiterin der Stasi, blies die Tagung unter dem Vorwand der Rechtsabweichung zum Angriff auf verdiente Persönlichkeiten der Aufarbeitung, wie Hubertus Knabe, Jörg Kürschner und Gerhard Finn.

[Christian Buchholz (AfD): Oh!]

In der Einladung hieß es unter anderem, ich zitiere mit Erlaubnis des Präsidenten:

Bei den Debatten um seine Entlassung ist in den Hintergrund getreten, dass Hubertus Knabe auch eine Scharnierfunktion zu den rechten Rändern der DDR-Aufarbeitung hatte.

Damit war die Katze aus dem Sack, und ein Teilnehmer der Tagung hat es auch ganz offen ausgesprochen, als er sagte: Die Frauen, die den Brief gegen den Gedenkstättenleiter geschrieben haben, müssten eine Auszeichnung erhalten, denn sie hätten es geschafft, was vorher niemandem gelungen sei, nämlich Knabe abzuschießen.

[Frank-Christian Hansel (AfD): Viele sind aber nicht mehr da, um das zu machen!]

Der Hauptvorwurf gegen Knabe ist also gar nicht mehr die angebliche Tolerierung sexistischer Strukturen, sondern eben jetzt die vermeintlich rechte Unterwanderung der Aufarbeitung. So soll unter dem Vorwand des Kampfes gegen rechts ein linkes Primat über den Aufarbeitungsdiskurs durchgesetzt werden. Das Ziel ist es, die Aufarbeitung des SED-Regimes in ein zweifelhaftes Licht zu rücken und die Zeitzeugenarbeit der Gedenkstätten in den ehemaligen Haftanstalten zu delegitimieren.

[Beifall bei der AfD – Beifall von Andreas Wild (fraktionslos)]

Dabei ist das Totschlagargument, mit dem die Aufarbeitung auf Linie gebracht werden soll, immer das gleiche, nämlich die fadenscheinige Behauptung, die Aufarbeitung sei von Rechten unterwandert. Deshalb muss jetzt der ominöse Neubeginn her, am besten unter Führung der Amadeu-Antonio-Stiftung, einer Art neuartigen heiligen Inquisition.

[Heiterkeit bei der AfD]

Doch dabei wird der Bock zum Gärtner gemacht.

[Beifall bei der AfD – Beifall von Andreas Wild (fraktionslos)]

Es darf nicht dazu kommen, dass diejenigen, die für die Stasi gespitzelt und denunziert haben, jetzt die Aufsicht über die Aufarbeitung bekommen – jedenfalls dann nicht, wenn wir den Erfolg der friedlichen Revolution 30 Jahre nach dem Mauerfall nicht leichtfertig aufs Spiel setzen wollen.

[Beifall bei der AfD – Bravo! von der AfD]

Wenn wir dies zuließen, liebe Kolleginnen und Kollegen, würden wir SED und Stasi zu einem späten Triumph verhelfen. Für uns gilt: Wer die kritische Aufarbeitung aufkündigt, verschiebt damit mutwillig die Grundachse der Bundesrepublik Deutschland und das Koordinatensystem des gesamten geeinten Deutschlands ein Stück weit Richtung DDR. Das käme einer Aufkündigung des nach wie vor unverzichtbaren antitotalitären Konsenses und einer Verhöhnung der Opfer gleich.

[Beifall bei der AfD – Beifall von Andreas Wild (fraktionslos)]

Es ist an Niedertracht nicht zu überbieten, Bürgerrechtler und Opfer des DDR-Unrechts mit den gleichen Vorwürfen der Diversion und der Rechtsabweichung erneut ins Abseits stellen zu wollen. Damit diese Opfer nicht ein zweites Mal stigmatisiert und pathologisiert werden, müssen wir die Aufarbeitung gegen übergriffiges Verhalten der Amadeu-Antonio-Stiftung und anderer verteidigen.

[Beifall bei der AfD – Beifall von Andreas Wild (fraktionslos), Jessica Bießmann (fraktionslos) und Kay Nerstheimer (fraktionslos)]

Die AfD steht jedenfalls fest an der Seite der Menschen, die in der DDR bespitzelt, verraten und drangsaliert wurden. Für uns gelten die Losungen von 1989 noch heute: Nie wieder Stasi-Methoden gegen Unliebsame! Nie wieder Diktatur! Nie wieder Rufmordkampagnen! Nie wieder Zersetzung! Nie wieder Bespitzelung! Und vor allem: Nie wieder Sozialismus!

[Beifall bei der AfD – Beifall von Andreas Wild (fraktionslos), Jessica Bießmann (fraktionslos) und Kay Nerstheimer (fraktionslos)]

Denn am Ende heißt es sonst wieder: Die Idee war ja gar nicht so schlecht, das wäre ja nach wie vor eine gute Sache, nur eben schlecht gemacht. Bis auf ein paar Schönheitsfehler alles halb so schlimm. – Nein, meine Damen und Herren! Wir müssen dieser falschen Legendenbildung rechtzeitig entgegentreten, bevor die Saat wieder aufgeht.

Voraussetzung und erster Schritt für die Fortführung einer kritischen Aufarbeitung ist aber natürlich zunächst einmal die Aufklärung der Umstände, die zur Entlassung von Hubertus Knabe geführt haben. Deshalb unterstützen wir ausdrücklich den Antrag der FDP-Fraktion zur Einsetzung eines Untersuchungsausschusses. Er bietet dafür eine gute Grundlage. Ich kann hier nur an die staatspolitische Verantwortung der CDU-Fraktion appellieren, Herr Dregger, ihre Aufgaben als größte Oppositionspartei auch anzunehmen und dem Untersuchungsausschuss zum Leben zu verhelfen.

[Beifall bei der AfD – Beifall von Andreas Wild (fraktionslos)]

Sie sollten wissen, liebe Kollegen von der CDU, die Verfolgten und Opfer des DDR-Regimes haben kein Verständnis dafür und werden es Ihnen nicht nachsehen, wenn Sie hier weiter tricksen oder gar kneifen. Wenn Sie nichts zu verbergen haben, können Sie diesem Untersuchungsausschuss guten Gewissens zustimmen. Und mal ganz ehrlich: Wenn Ihnen etwas in dem Antrag nicht passt, müssen Sie die einzelnen Kritikpunkte schon benennen und mit Änderungsanträgen konkretisieren.

[Beifall bei der AfD]

Freut mich, dass Sie nicken, Herr Dregger. – Helfen Sie dabei mit – das sage ich auch an die Adresse von SPD und Grünen – helfen Sie dabei mit, die Umstände der Entlassung von Hubertus Knabe aufzuklären und das Gespenst eines Rollbacks in der Aufarbeitung in die Schranken zu weisen.

Wir wollen herausbekommen, was wirklich passiert ist. Aber vor allem wollen wir auch nicht, dass die betroffenen Frauen ein zweites Mal missbraucht werden,

[Ha, ha! von der SPD und den GRÜNEN]

und zwar dieses Mal politisch. Dagegen sollte eigentlich niemand etwas haben. – Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit!

[Beifall bei der AfD – Beifall von Andreas Wild (fraktionslos) – Ülker Radziwill (SPD): An Peinlichkeit nicht mehr zu überbieten!]