Ein weiterer Schritt auf diesem Weg ist es, belastbare Zahlen zu bekommen. Eine der neuen Arbeitsgruppen der Strategiekonferenz hat sich ausschließlich mit diesem Thema beschäftigt. Das Ergebnis ist, dass im ersten Halbjahr 2019 Zahlen erfasst werden sollen. Das ist etwas, das seit Jahren von Aktiven in der Wohnungslosenhilfe gefordert wurde. Aufgrund der ausführlichen Diskussion mit allen Beteiligten gibt es jetzt einen Weg, der auch gegangen wird.
Aber, wie gesagt, es gibt viele Aufgaben, die angegangen werden müssen. Ich nenne mal einen Punkt, der in den Diskussionen in den letzten Tagen auch immer wieder angesprochen wurde. Es geht um die Versorgung wohnungsloser Menschen auch am Tage. Hier müssen wir auch in den Bezirken weiter um entsprechende Angebote werben. Es gibt Bezirke, die sind wirklich gut aufgestellt, wenn es um Tagesstätten für wohnungslose Menschen geht. Es gibt aber auch Bezirke, in denen es wirklich noch Potenzial gibt. Das müssen wir, der Haushaltsgesetzgeber, auch in den Verhandlungen zum nächsten Doppelhaushalt im Auge behalten und entsprechend finanzieren.
Obdachlosigkeit ist eine der wichtigsten sozialen Fragen in unserer Stadt. Wir haben mit den Ergebnissen der Strategiekonferenz die Möglichkeit, wirklich voranzukommen. Dazu gehört – ich sagte es schon am Anfang –, dass die 20 Jahre alten Leitlinien der Wohnungspolitik nun umfassend überarbeitet werden. Das kann aber nur als ressortübergreifende Aufgabe angegangen werden. Auch das zeigen die Ergebnisse der Strategiekonferenz. Zum Beispiel hat die Arbeitsgruppe zur medizinischen Versorgung deutlich auf Probleme hingewiesen. Eines davon ist z. B., dass Menschen, die bei uns auf der Straße leben, auch immer älter werden. Wir müssen uns also auch im pflegerischen Bereich mit dem Thema Obdachlosigkeit auseinandersetzen. Dazu gehört auch die Frage nach Pflegeplätzen für wohnungslose Menschen oder die Frage, ob man eine niedrigschwellige Pflege für Menschen ohne Wohnung auf der Straße hinbekommt.
Ein kleiner, wichtiger Schritt im Bereich Gesundheit ist bereits gegangen worden, und zwar mit der Errichtung einer Krankenwohnung zum 1. November 2018 durch den Caritasverband. Der gesamte Bereich ist ein Thema für die Gesundheitsverwaltung. Eine weitere Arbeitsgruppe hat sich mit dem Thema junge obdachlose Straßenkinder beschäftigt. Auch das ist leider eine wachsende Gruppe von Wohnungslosen bei uns in der Stadt. Die Ergebnisse der Arbeitsgruppe werden jetzt in anderen Gremien wie z. B. dem Landesjugendhilfeausschuss weiterbearbeitet. Hier muss die Jugendverwaltung ihren
Das waren einmal zwei Beispiele, die zeigen, dass Wohnungslosenpolitik eben nicht nur ein Thema für die Sozialverwaltung ist. Wir müssen diese große Aufgabe alle gemeinsam angehen. Wir müssen gemeinsam Verantwortung für die Menschen in dieser Stadt übernehmen. Wir müssen gemeinsam Lösungen finden und diese dann auch umsetzen. Wir müssen gemeinsam für ein soziales Berlin für alle streiten und arbeiten. Mit „alle gemeinsam“ meine ich Politik, Verwaltung, Haupt- und Ehrenamtliche – und natürlich die Betroffenen. Lassen Sie uns im Sinne der Menschen, die unsere Hilfe brauchen, miteinander Lösungen finden und umsetzen! – Vielen Dank!
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kollegen Abgeordnete! Werte Gäste auf der Zuschauertribüne! Es war nur eine Frage der Zeit, bis wir hier im Plenum – und noch dazu an solch prominenter Stelle, nämlich in einer Aktuellen Stunde – über die Wohnungslosenhilfe in Berlin debattieren würden, um gemeinsam zu überlegen, an welchen Stellschrauben gedreht werden muss, damit endlich eine spür- und auch sichtbare Besserung für die Berliner Bürger realisiert werden kann.
Zunächst möchte ich aber auch die Gelegenheit nutzen, um mich bei den vielen oft ehrenamtlichen Mitarbeitern zu bedanken, die sich tagtäglich bis an die Grenzen und darüber hinaus in der Wohnungs- und Obdachlosenhilfe engagieren.
Berlin steht, was das Thema Obdachlosigkeit betrifft, aber nicht erst seit gestern vor enormen Herausforderungen. Hier ist allen voran der Senat gefragt, zukunftsträchtige Lösungen zu entwickeln. Berlin wächst. Ja, das sehen wir an so vielen Stellen jeden Tag; eine Baustelle reiht sich an die nächste. Aber was wächst in Berlin auch? – Sprechen wir es aus: In Berlin wächst nicht nur die Zahl der Gebäude, sondern seit Jahren auch die Zahl der in Armut lebenden Bürger. Deshalb bedarf es dringend einer schonungslosen Analyse der Ursachen. Hier müssen wir endlich auch politisch ehrlich sein. Tabus darf es nicht geben, denn sie bringen diese Stadt keinen einzigen Schritt weiter. Der Berliner Bürger hat ein Anrecht
darauf, dass die Politik Probleme erkennt und zu lösen vermag. Ansonsten brauchen wir uns alle, die wir hier sitzen, nicht zu wundern, wenn der Wähler zusehends das Vertrauen in die Politik verliert.
Vergegenwärtigen wir uns deshalb zunächst einmal – rein auf Basis der veröffentlichten Zahlen – die Entwicklung der wohnungs- und obdachlosen Menschen in Berlin, wohlgemerkt ohne Hinzuziehung der Dunkelziffer. In der Behördensprache heißt das: Anzahl der kommunal bzw. ordnungsrechtlich untergebrachten Personen. – Die genauen Zahlen dürfen gerne in der Anfrage meines sehr geschätzten Kollegen Hanno Bachmann vom Juni 2018 nachgelesen werden.
Im Folgenden werde ich ob der besseren Veranschaulichung die Daten aber etwas runden. Demnach belief sich die Zahl der Wohnungslosen 2014 auf ca. 10 000 Personen, 2015 schon auf 17 000 und 2016 auf fast 31 000 Personen. Zum Stichtag, dem 31. Dezember 2017, waren fast 37 000 Personen betroffen. Der gesunde Menschenverstand sagt uns, dass die Zahl auch im Jahr 2018 mit Sicherheit nicht gesunken sein wird.
Die Zahl der bedürftigen Menschen hat sich also in nur vier Kalenderjahren fast vervierfacht – was für eine dramatische Entwicklung! Selbstverständlich erkenne ich da die Bemühungen des Senats an, wenigstens die größte Not zu lindern und zumindest einen warmen Schlafplatz irgendwie sicherzustellen. Allein – das sage ich hier ganz klar und deutlich –, es wir nicht ausreichen, weil wir längst an unsere Kapazitätsgrenzen gekommen sind.
Ja, es gibt Grenzen. Grenzen gibt es überall. Wer diesen Umstand nicht zu akzeptieren bereit ist, der kann wahrlich nur als Traumtänzer bezeichnet werden.
Über 1 000 Notschlafplätze der Kältehilfe von November bis März sind aller Ehren wert, aber bei der schieren Masse der unterzubringenden Menschen ist das dennoch nicht mehr als ein Tropfen auf den heißen Stein. Selbst die Verdopplung der im Haushalt vorgesehenen Mittel für die Wohnungslosenhilfe wird den Mehrbedarf nur schwer abfangen können.
Machen wir uns nichts vor! Diese gelobte Arbeitnehmerfreizügigkeit der EU hat auch ihre Schattenseiten, die in Berlin auf besonders traurige Weise deutlich werden. Deshalb gehört es auch zu einer ehrlichen Analyse, sich den Empfängerkreis der Wohnungs- und Obdachlosenhilfe genau anzuschauen. Hier gibt die regelmäßige statistische Auswertung der Notübernachtung bei der Berliner Stadtmission Auskunft, da die dort nächtigenden Personen auch nach ihrem Herkunftsland befragt werden.
Auffällig ist, dass nur ein Viertel der Befragten angibt, aus Deutschland zu stammen. Ein weiteres Viertel
stammt demnach allein aus Polen, das dritte Viertel aus Rumänien und Bulgarien; weitere 10 Prozent stammen aus dem Baltikum. Mithin kommen also über 60 Prozent der Bedürftigen aus osteuropäischen EU-Mitgliedsstaaten.
Nun lassen sich die Zahlen der Berliner Stadtmission natürlich nicht eins zu eins auf die Gesamtheit der wohnungs- und obdachlosen Menschen in Berlin übertragen. Einen deutlichen Hinweis auf eine Hauptursache liefern sie aber sehr wohl.
Eine verantwortungsvolle Politik muss sich daher fragen lassen, ob sie bei dem immer weiter steigenden Zuzug einfach so weitermachen kann wie bisher. Niemand kann den hier gestrandeten Bürgern – vornehmlich aus EUStaaten –, die auf der Suche nach Arbeit und einem besseren Leben in großer Anzahl nach Berlin kamen, einen Vorwurf machen. Es ist zutiefst menschlich, dass diese Menschen die bestehende Gesetzeslage für sich nutzbar gemacht haben.
Es ist aber genauso eine Utopie zu glauben, dass Berlin die Schwächsten der Schwachen der halben EU auf Dauer wird ohne Weiteres beherbergen können. Es braucht daher mehr Mut zur Wahrheit in unserer Stadt. Berlin wird die Herausforderungen der wachsenden Obdachlosigkeit nicht allein bewältigen können. Dafür braucht es eine gesamteuropäische Lösung.
Die europäische Freizügigkeit hat ihre Grenzen. Es war ein Fehler, diese – zumindest nach Osteuropa hin – so schnell fallenzulassen, –
und das vor allem vor dem Hintergrund, dass im Vorfeld, 2014, eine Vielzahl von Experten vor dem nach wie vor bestehenden ganz enormen Wohlstandsgefälle gewarnt hat. Die Folgen der damals schon absehbaren Armutsbinnenmigration sehen wir heute leider an fast jeder Straßenecke.
Die Ursachen für Berlins Anziehungskraft lassen sich in nüchternen Zahlen ausdrücken. Die Sozialleistungen für eine Familie mit drei Kindern in Bulgarien belaufen sich derzeit auf ca. 150 Euro im Monat; der Durchschnittlohn liegt bei etwa 400 Euro. Zum Vergleich: Ein deutscher Arbeitnehmer verdient im Durchschnitt ca. 2 800 Euro; die Sozialleistungen für eine Familie mit drei Kindern sind in Deutschland beinahe 20 Mal so hoch wie in Bulgarien.
Es ist also dringend erforderlich – und das ist als klarer Appell an die regierende Koalition im Land sowie im Bund zu verstehen –, dass man sich endlich mit den am
meisten in der Verantwortung stehenden EU-Herkunftsstaaten – also vorrangig mit Polen, Rumänien und Bulgarien – an einen Tisch setzt, um über großzügig angelegte und auch ausfinanzierte Rückführungsprogramme und Reintegrationsmaßnahmen von deren Staatsbürgern zu beratschlagen.
Zur harten Realität gehört es natürlich auch, anschließend bilateral wieder Einreisesperren zu vereinbaren. Es mag hart klingen, aber es ist dringend geboten, solche Maßnahmen zu verhängen und gegebenenfalls auch einen gewissen staatlichen Druck auszuüben. Diese Notwendigkeit hat inzwischen selbst ein grüner Bezirksbürgermeister erkannt, nämlich Stephan von Dassel, als er – bezogen auf eine möglicherweise unzureichende Rückkehrwilligkeit der betroffenen wohnungslosen Menschen – sagte:
Ich glaube, dann kann staatliches Handeln noch nicht aufhören. Und dann muss man Menschen gegebenenfalls nötigen, auch Deutschland wieder zu verlassen.
Das nennt sich Realpolitik. Andernfalls steht zu befürchten, dass Berlin in einigen Jahren – insbesondere im Winter – mit der Situation vollends überfordert sein wird, und damit ist niemandem mehr geholfen. Anderenfalls fürchte ich, dass sich die Berliner, wie jüngst im Sommer, an den Anblick von ganzen Zeltlagern von mehrheitlich osteuropäischen obdachlosen Menschen im Tiergarten gewöhnen werden müssen mit all seinen auch negativen Begleiterscheinungen wie Mord und Totschlag.
Werter Senat! Ich weiß genau, dass der von mir skizzierte Weg ein sehr langwieriger und steiniger sein wird und dass dieser so gar nicht in Ihr rot-rot-grünes Weltbild passen mag, geschweige denn, von Ihnen politisch gewollt ist. Aber schauen Sie sich doch den Erfolg Ihrer Maßnahmen an. Schaufensterprojekte wie „Housing First“ werden das Problem allein nicht lösen. Ihre Politik hemmt sogar den Wohnungsbau in Berlin. Das ist eine Tatsache, meine sehr verehrten Damen und Herren!
Mehr Beratungsstellen, Straßensozialarbeit und so weiter. All das wurde ausgebaut. Da gibt es auch von uns wenig zu kritisieren. Aber seien Sie doch endlich auch einmal zu sich selbst ehrlich. Diese Maßnahmen sind doch alle – und sie dienen lediglich dazu – dazu geeignet, Symptome zu bekämpfen und nicht das Problem an der Wurzel zu packen. Selbst wenn Sie Asylbewerberunterkünfte für obdachlose Menschen öffnen würden, wogegen Sie sich unbegreiflicherweise sperren – und da werfe ich Ihnen Scheinheiligkeit vor –, werden diese Plätze nicht im min
Sie tragen die Verantwortung für Ihr politisches Handeln, das vornehmlich von rationalen Überlegungen geleitet sein sollte und nicht von ideologischen Pippi-Langstrumpf-Phantasien.
Hören Sie endlich auf, Ihren Utopien von grenzenlosen Aufnahmekapazitäten nachzujagen. Stärken Sie die Wohnungslosenhilfe, indem Sie Menschen auch zur Rückkehr bewegen und dadurch den Bedarf senken. Ergreifen Sie Maßnahmen, um dem nicht zu negierenden Sogeffekt gezielt entgegenzuwirken.
Wir werden diese heiße Diskussion sicher, in jedem Fall auch aufgrund des mit dem in dieser Aktuellen Stunde verbundenen FDP-Antrags im Ausschuss noch intensiv weiterführen müssen. Die AfD-Fraktion wird sich wie gewohnt allen pragmatischen und vor allem realpolitischen Ansätzen nicht verschließen. – Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit!