Protocol of the Session on September 27, 2018

Die Berliner Digitalwirtschaft – – Ich weiß, das sind so moderne Themen. Das ist schwierig, aber ich versuche dann doch, mit Ihnen darüber zu reden, weil es wichtig für die Stadt ist, über Digitalwirtschaft zu sprechen. Die Digitalwirtschaft ist inzwischen nämlich nicht mehr irgendetwas, was Menschen im „St. Oberholz“ in Mitte mit iPads oder Notebooks betreiben, das ist inzwischen ein starker Treiber unserer Wirtschaft und auch gerade der Industrie.

[Unruhe – Zuruf von Carsten Ubbelohde (AfD)]

Und wir wissen alle – – Herr Präsident! Können Sie vielleicht ein bisschen für Ruhe sorgen?

Einzelne Zwischenrufe müssen wir schon dulden.

Sonst muss ich so laut werden, und das mögen Sie auch nicht.

[Weitere Zurufe]

So, jetzt sind wir, glaube ich, mit den Zwischenrufen durch. Jetzt setzt die Senatorin fort!

Ich habe ja Zeit.

[Zuruf: Klasse!]

Ich habe ja Zeit, wenn sich die Jungs austoben möchten.

Die Digitalwirtschaft in Berlin – und das ist ein Glück für unsere Stadt – betrifft nahezu alle Branchen und auch die Industrie. Das ist die Chance, die für unsere Stadt besteht,

denn in der alten bundesrepublikanischen Wirtschaftsaufteilung war die Industrie eher im Süden, die Banken eher in Frankfurt, die Medien in München und in Hamburg. Durch die Umwälzung der Digitalisierung, durch die zweite Welle der Digitalisierung verändern sich auch diese Dinge. Wo sind die meisten Fintechs? – Sie sind nicht in Frankfurt. Sie sind in Berlin. Wo sind eigentlich fast alle Industrieunternehmen mit den Digital Units oder mit ihren Kubatoren oder Acceleratoren? – Sie sind alle in Berlin, weil sie wissen, dass wir sie partizipieren lassen wollen an dieser neuen zweiten Welle der Digitalisierung – die Industrie, die Banken, die Versicherungen –, die alle erfasst. Da müssen sie in Berlin sein und eben nicht woanders. Und das ist die große Chance für unsere Stadt.

Es geht nicht nur um die Industrie der Zukunft und die Produkte der Zukunft, es geht um moderne Produktionen hier in der Stadt. Und es gibt einige Sinnbilder und Leuchttürme, wo wir das heute schon sehen können. Es ist schon angesprochen worden, der Siemens-Innovationscampus: Siemens ein Traditionsunternehmen aus Berlin – das erste Berliner Start-up, würde man heutzutage fast sagen –, auf der einen Seite mit den klassischen alten Energiethemen ins Strudeln geraten; dort ist ein Interessensausgleich jetzt vereinbart worden mit einem gewissen Arbeitsplatzabbau in Berlin, auf der anderen Seite aber mit der Investition, die hier geplant wird, wo wir in permanenten Gespräch mit Siemens sind, wie wir diese Innovation nach Berlin holen können, um neue Arbeitsplätze der Zukunft hier zu schaffen. Das ist genau das, wo wir jetzt mittendrin sind, in der Transition von der Tradition, von der traditionellen alten Produktion hin zu neuen modernen Industrien hier in der Stadt. Siemens ist ein Sinnbild dafür. Wir haben eine lange Geschichte mit Siemens hier in der Stadt, und ich bin davon überzeugt, dass wir auch eine gute Zukunft gemeinsam haben werden.

[Beifall bei den GRÜNEN, der SPD und der LINKEN]

Wir machen unsere Hausaufgaben und setzen Schwerpunkte in unserer Wirtschaftspolitik. Das war in den Jahren davor nicht so üblich. Wir stärken unsere Cluster, die nachhaltige und klimafreundliche Investitionen tätigen. Um nur zwei zu nennen: Das Mobilitätscluster, eines der am stärksten wachsenden Cluster in der Region, von Start-ups bis zu produzierenden Unternehmen, wie Stadler beispielsweise, ist die ganze Palette an Unternehmen hier auf der InnoTrans dieses Jahr. Ich glaube, es sind fast 20 Prozent mehr Fachbesucher zu verzeichnen als in den letzten Jahren – eine boomende Branche, nicht zuletzt, weil die Städte wachsen, weil der öffentliche Nahverkehr überall gebraucht wird, weil überall die Zugverbindungen verstärkt werden. Und Berlin trägt mit der S-Bahnbestellung und mit der U-Bahnbestellung einen großen Teil dazu bei, dass das Cluster in der Stadt auch weiter gestärkt wird, für eine klimafreundliche, für eine nachhaltige und moderne Mobilität der Zukunft.

(Bürgermeisterin Ramona Pop)

Das zweite Cluster der Energietechnik, die Energiewende, schafft gemeinsam mit Digitalisierung ganz neue Möglichkeiten, und auch das sehen wir, wenn die großen Energieriesen sich von ihren klassischen Sparten trennen und auf erneuerbare Energien, auf Dezentralisierung, auf Digitalisierung ihrer Netze setzen, denn das ist die Zukunft. Und auch hier ist Berlin stark aufgestellt, wenn es um die Energieproduktion der Zukunft geht.

Wir haben unsere Hausaufgaben weiter gemacht, was den Masterplan Industrie angeht, der auch in den Jahren davor vor sich hindümpelte, wo Verbände, Kammern und Unternehmern sehr unglücklich gewesen sind, dass das nicht im Fokus der Wirtschaftspolitik der Vorgängerregierung gewesen ist. Wir haben den Masterplan Industrie gemeinsam mit allen Akteuren auf einen guten Weg gebracht und gehen jetzt in die Umsetzung. Wir haben die Internationalisierungsstrategie des Landes Berlin, die, glaube ich, bevor ich ins Amt kam, drei Jahre zwischen diversen Akteuren hin und her zerredet und zerstritten wurde, in den Fokus gebracht. Wir haben klare Zielländer benannt. Wir waren dieses Jahr bereits in China und sind dort tätig geworden und werden in den nächsten Jahren die Anbindung an die anderen Zielländer wie USA beispielsweise weiter stärken.

Wir arbeiten daran, dass Berlin vom Brexit profitiert. Da geht es nicht darum, mit irgendwelchen Werbegag-Autos durch London zu fahren, es geht da um Unternehmer, die international agieren und einen Zugang zum europäischen Markt brauchen und die sich überlegen: Gehe ich nach London, oder gehe ich woanders hin? – Und da London demnächst durch den Brexit keinen Zugang mehr zum europäischen Binnenmarkt haben wird, überlegen diese Unternehmen, woanders hinzugehen. Diese Rolle will Berlin gewinnen.

[Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN, der SPD und der LINKEN]

Frau Kollegin! Ich wollte Sie fragen, ob Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Luthe zulassen.

Lieber nicht! Danke sehr!

Nein! Gut!

Wir haben eine Strategie für das ICC auf den Weg gebracht, was bislang auch keine Vorgängerregierung ge

schafft hat, und sind da gemeinsam mit der BIM dabei, in die Vermarktung zu gehen. Auch da ist die Vorbereitung getroffen. Wir haben ein Tourismuskonzept auf den Weg gebracht. Vielleicht liest der eine oder andere von Ihnen auch überregionale Zeitungen: Letztlich gab es eine Titelgeschichte des „Spiegel“, wo andere Großstädte wie Rom, Amsterdam, Paris, Barcelona darüber sprachen, wie sie ihr Tourismuskonzept aufstellen, und alle sagen zum einen, wir wollen dezentraler werden. Der Bürgermeister von Rom lobt die Sehenswürdigkeiten außerhalb von Rom und sagt: Das echte italienische Leben findet nicht nur mitten in Rom statt. – Wir haben ein Tourismuskonzept auf den Weg gebracht, das auf die Lebensqualität für die Anwohner und Anwohnerinnen hier in der Stadt achtet, mit der Parkreinigung, die wir beispielsweise ausgeweitet haben, mit dem neuen Toilettenkonzept, das die Hotspots des Tourismus auch mit einbezieht und was vorher nicht der Fall gewesen ist, und weiteren Maßnahmen, die folgen werden.

Wir haben die Zukunftsorte miteinander vernetzt, und weil sich jemand über Buch gewundert hat: Buch ist gewerbeflächenmäßig komplett ausgebucht und voll. Wir gehen als Land Berlin, als Mehrheitsgesellschafter mit rein und investieren einen zweistelligen mittleren Millionenbetrag in Buch für ein neues Gründungszentrum und werden auch dort weitere Flächen für Ansiedlungen entwickeln. Das ist das, was wir tun. Wir haben unsere Hausaufgaben gemacht, denn alles, was die letzten Jahre liegengeblieben ist, haben wir in der Wirtschaftspolitik angepackt.

[Beifall bei den GRÜNEN, der SPD und der LINKEN]

Und wir investieren in die Zukunft. Ich habe es gerade schon gesagt: Das Jahrzehnt der Konsolidierung liegt hinter uns, und vor uns liegt das Jahrzehnt der Investitionen. Es wird ähnlich lange brauchen wie die Konsolidierungsphase, um die Investitionen auf den Weg zu bringen. Die unterlassenen Investitionen der Vergangenheit sind nämlich auch eine Form von Verschuldung, und das sehen wir heute. Wir haben in den Haushalten mehr als 2 Milliarden Euro pro Jahr für Investitionen eingeplant, und wir haben in SIWANA eine Rücklage für Investitionen. Es wird ein Jahrzehnt, in dem wir die Planungssicherheit für die Unternehmen zusichern und absichern können, damit das Geld auch investiert wird.

Aber es geht nicht schnell genug; es geht keinem von uns schnell genug. Die Dynamik in der Bauwirtschaft droht sich inzwischen selbst zu strangulieren und am eigenen Erfolg zu ersticken. Auch da brauchen wir deutlich mehr Kapazitäten – wir sind da im Gespräch mit der Bauindustrie –, damit es schneller vorangeht, damit die Investitionen schneller auf die Straße, in die Schulen, in die Krankenhäuser, in den ÖPNV kommen, damit sich diese Entwicklung nicht selbst abschnürt, sondern wir tatsächlich vorankommen. Wir sichern von unserer Seite zu, dass wir mit der Investitionssumme und der -höhe für die

(Bürgermeisterin Ramona Pop)

nächsten zehn Jahre mindestens so bleiben, und ich glaube kaum – wenn eine neue Regierung gewählt werden sollte; die Mehrheiten in den Umfragen sehen ja nicht danach aus –, dass irgendjemand an der Investitionsschraube drehen wird. Wir können das die nächsten zehn Jahre gewährleisten, aber auf der anderen Seite muss die Industrie auch die Kapazitäten erweitern, damit wir mit den Investitionen hier in der Stadt auch tatsächlich vorankommen.

Die Zahlen kennen Sie alle: Allein die drei großen Landesunternehmen investieren mehrere Milliarden – die BVG in die Erneuerung des Fuhrparks, in die Verlängerung von Tramstrecken, die Wasserbetriebe in die Gewässergüte hier in der Stadt und die Modernisierung des Kanalnetzes. Das alles kommt unserer Stadt zugute und zeigt auch, dass die Wirtschaftsdynamik bei den Menschen in der Stadt ankommt.

[Beifall bei den GRÜNEN, der SPD und der LINKEN]

Diese Dynamik ist eine einzigartige Erfolgsgeschichte für Berlin und bietet Entwicklungschancen für unsere Stadt. Aber wir wissen, dass mit diesem Wachstum auch Verantwortung einhergeht. Ja, wir sind gerade ein Stück weit – wenn man sagt, Berliner Geschichte entwickelt sich in Dekaden – an einem Scheidepunkt, wo Berlin die Möglichkeit hat zu zeigen, dass wir uns wirtschaftlich dynamisch so entwickeln können, ohne so zu werden wie andere Großstädte: ohne überteuerte Mieten, die sich keiner mehr in der Innenstadt leisten kann, die mit Luxustürmen praktisch entvölkert ist, wo Freiräume für neue Ideen und Kultur verschwinden, wo Grünflächen verschwinden, wo Vielfältigkeit verschwindet. Berlin hat die Chance zu zeigen, dass man sich entwickeln kann und trotzdem in der DNA so bleibt, wie wir Berlin kennen und lieben – dass eben kein richtungsloser und rücksichtsloser Boom hier stattfindet, sondern dem Wachstum eine Richtung gegeben wird.

[Beifall bei den GRÜNEN, der SPD und der LINKEN]

Deswegen muss diese Veränderung, dieses Wachstum gestaltet werden, und es muss allen zugutekommen. Denn nur dann wird akzeptiert, dass die Stadt sich verändert, wenn das Wachstum nicht etwas ist, was woanders stattfindet, sondern bei den Menschen hier in der Stadt auch ankommt.

Deswegen freue ich mich, dass wir 50 000 neue Arbeitsplätze mehr schaffen, und ich freue mich, den Mindestlohn auf 9 Euro die Stunde angehoben zu haben. Wir werden ihn mit der nächsten Vergaberechtsnovelle weiter erhöhen, weil das richtig ist, dass das bei den Menschen ankommt, dass das Geld bei den Menschen ankommt. Wir können keinem erklären, warum wir als Staat Aufträge nach außen vergeben und dabei schlechter bezahlen, als wir die eigenen Mitarbeiter bezahlen.

[Beifall bei den GRÜNEN, der SPD und der LINKEN]

Wir arbeiten im Mietenbündnis daran, dass die landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften die Mieten stabil halten, und wir schaffen bezahlbaren neuen Wohnraum mit dem Berliner Modell. Wir haben Mobilität für alle erweitert und ermöglicht, indem wir das Sozialticket vergünstigt und das Schülerticket für Berlinpassbezieher deutlich gesenkt haben. Mobilität darf auch an den Kleinsten nicht vorbeigehen. Auch wenn man als Kind nicht in der Stadtmitte wohnt, sollte man das Brandenburger Tor sehen können; das darf nicht am Geld scheitern.

[Beifall bei den GRÜNEN, der SPD und der LINKEN]

Ich bin davon überzeugt, dass so eine Politik den Zusammenhalt stärkt, und das ist die Basis einer erfolgreichen Wirtschaft in der Stadt. Das gilt im Übrigen auch umgekehrt.

Ja, wir haben noch einige Themen auf der Agenda: Das Thema Gewerbeflächen ist von allen angesprochen worden. Das Thema ist ein drängendes. Wir sind mit dem Ankaufsfonds unterwegs, auch Gewerbeflächen für das Land Berlin zu sichern. Flächen, ist gesagt worden – ich glaube, von Herrn Swyter –, sind neu zu erschließen. Da fällt mir eine im Norden der Stadt ein, nämlich Tegel, wo wir dringend auf das Freiwerden der Fläche warten, um dort einen neuen Technologiepark und Wohnungsbau zu organisieren. Insofern frage ich mich: Was wollen Sie eigentlich für einen Volksentscheid in Tempelhof anstoßen? Flugbetrieb in Tempelhof – oder was ist Ihre neue Idee, die Sie da haben? – Ich glaube, das ist nichts, was zur Stadt passt.

[Beifall bei den GRÜNEN, der SPD und der LINKEN]

Wir feiern nächste Woche den Tag der Deutschen Einheit, im kommenden Jahr 30 Jahre Mauerfall. Freiheit, Demokratie, Weltoffenheit, Liberalität – das sind die Berliner Markenkerne, das ist Berlin. So lebt Berlin, so wollen wir auch in Zukunft weiterleben. Wir wollen weiter, und wir sind dabei viele. Wir sind mehr, die gegen Ausgrenzung, gegen Rassismus und Antisemitismus in dieser Stadt arbeiten, und ich freue mich, dass Wirtschaftsvertreterinnen und -vertreter aus Berlin und aus Deutschland auf unserer Seite stehen, wenn es heißt: für eine moderne Einwanderungspolitik, für eine moderne Integrationspolitik, gegen Ausgrenzung, gegen Rassismus, gegen Antisemitismus! – Das ist die Basis für den Zusammenhalt und für eine gute wirtschaftliche Entwicklung.

[Beifall bei den GRÜNEN, der SPD und der LINKEN]

(Bürgermeisterin Ramona Pop)

Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Die Aktuelle Stunde hat damit ihre Erledigung gefunden.

Ich rufe auf

lfd. Nr. 2:

Fragestunde

gemäß § 51 der Geschäftsordnung des Abgeordnetenhauses von Berlin