Protocol of the Session on September 27, 2018

[Beifall bei der LINKEN und den GRÜNEN – Beifall von Frank Zimmermann (SPD) – Zuruf von Hildegard Bentele (CDU)]

Sie können gerne eine Zwischenfrage stellen, wenn Sie wollen! – Viertens bestehen die Probleme darin, dass der Bund offensichtlich seiner Verantwortung nicht nachkommt, was hauptsächlich daran liegt, dass das Kooperationsverbot nicht fällt, wofür in erster Linie die CDU verantwortlich ist, fünftens darin, dass verbeamtete und angestellte Lehrkräfte nicht gleichgestellt sind, obwohl sie die gleiche Arbeit leisten. Das betrifft die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall genauso wie die Rentenzahlung und vorherrschendes Dienstrecht. Dazu hat die Linksfraktion bereits im März 2013 den Antrag mit dem Titel „Berliner Schule attraktiv für angestellte Lehrerinnen und Lehrer machen“ gestellt, den Sie natürlich abgelehnt haben, Frau Bentele! Also da hätte man auch gegensteuern müssen, 2012 waren die Zahlen für die Kinderentwicklung klar. Wo bitte haben Sie in Ihrer Legislatur umgesteuert? Das können Sie mir gerne im Ausschuss dann noch erklären. – Wir werden den Antrag ablehnen.

[Beifall bei der LINKEN, der SPD und den GRÜNEN]

Vielen Dank! – Für die FDP-Fraktion hat der Kollege Fresdorf das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir befinden uns in einer Bildungskrise in der Stadt, eine Krise, die auch dadurch entsteht, dass wir einen großen Fachkräftemangel haben, aber diesen Fachkräftemangel haben wir auch, weil wir in einer Bildungskrise sind. Da beißt sich die Katze also in den Schwanz. Das eine bedingt das andere. Und nun ist es ganz natürlich, dass man sich Gedanken darüber macht, wie man den Beruf der Lehrerin oder des Lehrers attraktiver gestalten kann. Die CDU nimmt ein Werkzeug, das schon einige Hundert Jahre alt ist, holt es raus, packt es auf den Tisch und sagt: Darüber müssen wir reden. – Das kann man machen.

Der rot-rot-grüne Senat, die Koalitionsfraktionen nutzen ein anderes Werkzeug. Sie nehmen eigentlich was ziemlich Modernes, sie bieten den neuen Lehrerinnen und Lehrern, den Quereinsteigerinnen und Quereinsteigern in

(Stefan Franz Kerker)

der Schule Abenteuer an, ein großes Abenteuer, eine Art Adventure-Trip in die Schule. Sie müssen aufpassen, wenn sie reinkommen, dass ihnen nichts auf den Kopf fällt, weil die Wände bröckeln, die Decken kaputt sind. Sie müssen aufpassen, dass sie am Ende des Tages von Schülerinnen und Schülern nicht angegriffen werden, und können froh sein, wenn sie ohne Wunden und Kratzer am Körper oder der Seele die Schule jeden Tag verlassen. Das ist eine Sache, die man nicht machen kann.

[Beifall bei der FDP und der CDU]

Also lassen Sie uns darüber reden: Wie bekommen wir denn den Beruf der Lehrerin oder des Lehrers attraktiver? Wie können wir Quereinsteiger denn so mit den Werkzeugen ausstatten, dass sie auch in der Schule vom ersten Tag an erfolgreich arbeiten können? Was müssen wir da tun, um auch mit den Quereinsteigern ein vernünftiges Schulklima hinzubekommen? – Wir sind der Meinung, wir müssen uns zum einen die komplette Lehrerausbildung noch einmal anschauen. Wir denken, da sollten wir anfangen, den Beruf attraktiver zu machen, indem wir uns anschauen: Was brauchen denn Lehrer heutzutage wirklich an den Schulen in unserer Stadt? Welches Handwerkszeug müssen wir ihnen mitgeben? – Na klar brauchen sie eine fachliche Ausbildung, aber muss denn ein Mathematiklehrer wirklich ein Studium machen wie ein Diplom-Mathematiker? Am Ende ist es ja ein Master oder ein Bachelor. Ist das notwendig für Grundschulmathematik, dass ich den Kindern große Ableitungen erklären kann? – Ich glaube, nicht.

Wir brauchen andere Sachen: Ich muss gucken, dass ich den jungen, heranwachsenden Lehrerinnen und Lehrern auch das Thema Resilienz vermittele: Wie gehe ich mit Stress um? Wie gehe ich mit schwierigen Menschen und Situationen in der Schule um? Das ist ein Teil, wie ich den Beruf attraktiver machen kann, aber ich muss auch die Schule als Arbeits-, Lern- und Lehrort attraktiv machen.

[Beifall bei der FDP – Beifall von Regina Kittler (LINKE) und Stefanie Remlinger (GRÜNE)]

Ich brauche moderne Schulen. Ich brauche Schulen, wo ich in Arbeitsgruppen arbeiten kann, wo ich nicht nur mit Frontalunterricht arbeite, sondern moderne Unterrichtsmethoden anwenden kann. Dafür brauche ich moderne Räume. Dabei sind wir, ach nein, es wird noch geplant zu bauen. Das gab es ja noch nicht so ganz mit dem Schulneubau in der Stadt, aber ich denke mal, so 2023, 2024, 2025 werden wir dann die ersten Schulen bestimmt sehen,

[Stefanie Remlinger (GRÜNE): Ein bisschen schneller sind wir schon!]

wo dann auch moderner Unterricht in den Klassenräumen stattfinden kann. Aber wir brauchen auch einen vernünftigen Arbeitsplatz für die Lehrerinnen und Lehrer in den

Schulen. Sie brauchen einen eigenen Schreibtisch. Sie brauchen eine vernünftige Ausstattung.

[Beifall bei der FDP]

Wir brauchen schnelles Internet. Wir müssen den Lehrerinnen und Lehrern das gut Handwerkszeug geben. Sie müssen mit einem Laptop arbeiten können. Sie müssen mit Smartphones arbeiten können.

[Stefan Evers (CDU): Sagen Sie noch was zur Verbeamtung?]

Das muss funktionieren. So weit ist diese Stadt noch nicht, und damit sind wir kein attraktiver Arbeitgeber. Wir müssen uns das ganze Arbeitsumfeld von Lehrerinnen und Lehrern anschauen.

[Stefan Evers (CDU): Verbeamtung!]

Vor allem eines ist wichtig: Wenn Sie sich heute mit unseren Lehrkräften an den Schulen unterhalten, gibt es ein großes Problem, wo sie sich allein gelassen fühlen, und das ist, wenn sie verklagt werden, wenn Druck von den Eltern aufgebaut wird, wenn die Noten nicht so sind, wie die Eltern sich das vorstellen, wenn jede Kleinigkeit direkt in einem Rechtsstreit endet. Da fühlen sich die Lehrerinnen und Lehrer allein gelassen. Und würden Sie dann Lehrer werden, wenn Sie das Gefühl haben, ich kämpfe vergebens auf offener Flur? – Ich glaube, nicht.

[Stefan Evers (CDU): Da hilft die Verbeamtung!]

Sie brauchen Rückendeckung, und wir müssen uns überlegen, welche Benefits ich als Arbeitgeber den Lehrerinnen und Lehrern anbieten kann, was heute jedes moderne Unternehmen macht. Da sind wir in dieser Stadt auch noch nicht da, wo wir sein könnten.

[Beifall bei der FDP]

Am Ende, denke ich, sind wir alle gemeinsam hier in diesem Hause am Kampf um die Talente im Bereich der Lehrkräfte beteiligt, und wir müssen uns zusammensetzen, ergebnisoffen diskutieren, welche Werkzeuge wir nutzen wollen.

[Zuruf von Hildegard Bentele (CDU)]

Das kann die Verbeamtung sein, das können aber auch viele andere Werkzeuge sein, die ich eben aufgeführt habe. Das sollten wir ergebnisoffen, aber auch zügig tun, damit es endlich vorangeht, denn 22 Jahre Nichtstun müssen ein Ende haben. – Vielen Dank!

[Beifall bei der FDP]

Vielen Dank! – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat die Kollegin Remlinger das Wort.

(Paul Fresdorf)

Liebe Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Herr Fresdorf! Ich habe mich wieder daran erinnert, ich wollte Ihnen ja noch eine Flasche Wein – – Durchaus vernünftige Rede, vielen Dank! – Die CDU hat in der Tat heute ein wichtiges Thema aufgerufen, nämlich den Fachkräftemangel an unseren Schulen, der uns alle, glaube ich, und uns eben auch als Grüne, sehr schmerzt und großes Kopfzerbrechen bereitet, denn wir möchten, dass alle Kinder bestmöglich gefördert werden, und wir möchten auch die Lehrkräfte entlasten, alle Pädagoginnen und Pädagogen, alle in der Schule Tätigen entlasten, die so hart daran arbeiten müssen, die oft von uns als Gesellschaft, als Politik auf sie geladenen Erwartungen zu erfüllen und auch noch ihren eigenen fachlichen Ansprüchen zu genügen. Deshalb kann man sich – und das möchte ich hiermit noch mal tun – nicht oft genug für die wichtige Arbeit bedanken.

[Beifall bei den GRÜNEN, der SPD und der LINKEN – Beifall von Stefan Franz Kerker (AfD)]

Allerdings halte auch ich – wie meine Koalitionskolleginnen bzw. zumindest eine – die Verbeamtung nicht für den selig machenden Königsweg zur Behebung des Fachkräftemangels. Es wurde gesagt, alle Bundesländer suchen, in allen Bundesländern fehlen Fachkräfte, insbesondere in den Grundschulen, aber auch an den berufsbildenden Schulen und in vielen Mangelfächern. Was das heißt, ist, dass die Decke einfach insgesamt zu kurz ist. Da hilft Ihre Klage über Quereinsteigerinnen und Quereinsteiger und nicht voll ausgebildete Lehrkräfte nicht weiter. Es zeigt, dass wir anerkennen, dass wir mit dieser Mangelsituation zu arbeiten haben, und das tun wir. Wir begleiten all diese Menschen, wir begleiten unorthodoxe Lebensläufe, und wir arbeiten daran, dass sie sogar eine Bereicherung für die Schulen sein können und sein werden.

[Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN]

Ihr Weg dagegen, das sagen Sie ja ganz offen, ist nur für diejenigen, die die volle Lehramtsbefähigung besitzen. Damit beenden Sie keine Mehrklassengesellschaft in den Lehrerzimmern, in den Teamräumen. Nein, im Gegenteil, Sie graben entlang Ihrer Klientelinteressen neue Gräben. Sie schaffen neue Ungerechtigkeiten. Das ist nicht unser Weg.

Wir wollen mit unseren Beschäftigten nicht ein ständiges Hin und Her. Wir wollen nicht, dass immer irgendjemand hinten runterfällt, immer eine Gruppe verliert. Was wir stattdessen wollen, ist Verlässlichkeit. Und Verlässlichkeit bedeutet nicht, dass man mal Donnerstagabend einen Zweizeilenantrag schreibt und das Ruder komplett herumreißt.

[Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Wir wollen Verlässlichkeit, und wir wollen unsere Schulen für das 21. Jahrhundert fit machen. Deshalb sieht unser Weg anders aus. An Ihrem Weg stört mich nämlich insbesondere, dass die Verbeamtungsfrage nun einmal wirklich nichts mit Bildung zu tun hat.

[Hildegard Bentele (CDU): Fragen Sie doch mal die Lehrer! – Zuruf von Stefan Evers (CDU)]

Hier hätten heute genauso gut die Innenpolitiker sprechen können. Ich denke, wir sind uns doch in einem einig: Ich muss nicht Beamtin sein, um eine gute Lehrerin sein zu können.

Und wenn Sie von Schule reden, alle von Ihnen haben heute über Schule geredet, als bestünde sie nur aus Lehrkräften, wenn wir aber über die Schule für das 21. Jahrhundert reden, in einer Gesellschaft, die arbeitsteilig, die schnelllebig ist, die nicht mehr die traditionellen Familienstrukturen hat, wo nicht mehr viele Generationen unter einem Dach leben, wo viele Eltern gestresst sind und das soziale Zusammenleben leidet, dann stimmt eben der Spruch: „Es braucht ein Dorf, um ein Kind zu erziehen“ mehr denn je.

[Hildegard Bentele (CDU): Was hat das mit der Verbeamtung zu tun?]

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben erst angefangen, die Schulen zu Dörfern zu machen. Wir haben aber auch jetzt schon so viele verschiedene Berufsgruppen in den Schulen. Wir haben Lehrkräfte und Erzieherinnen und Erzieher, wir haben Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiterinnen, wir haben Sonderpädagogen, wir haben Hausmeister, Sekretärinnen, wir haben Verwaltungsangestellte und IT-Administratorinnen und -administratoren, wir haben Sportlerinnen und Sportler, wir haben Künstlerinnen und Künstler, Handwerkerinnen und Handwerker: Liebe CDU! Wollen Sie die alle verbeamten?

[Hildegard Bentele (CDU): Wir reden von den Lehrern! – Georg Pazderski (AfD): Das hat sie nicht verstanden!]

Ich rede von der Mehrklassengesellschaft in den Schulen und dass ein modernes Dienstrecht, ein gutes Tarifrecht viel besser in der Lage sind, dieser bunten Vielfalt an Professionen an unseren Schulen gerecht zu werden, dass wir diese Professionen alle brauchen und dass darin auch der Schlüssel für den derzeitigen Fachkräftemangel liegt. Denn über die Multiprofessionalität können wir die Lehrkräfte von Routineaufgaben entlasten. Wir können andere Leute das machen lassen, wofür andere Leute besser ausgebildet sind. Warum sollen nicht wie in England Laborantinnen und Laboranten den naturwissenschaftlichen Lehrkräften zur Hand gehen? Warum stellen wir keine Bibliothekarinnen und Bibliothekare und medienpädagogische Fachkräfte in den Schulbibliotheken für die Leseförderung, für die Medienbildung ein?

[Hildegard Bentele (CDU): Ja, und?]

Und warum glauben Sie eigentlich, dass Verbeamtung attraktiver ist, als wenn wir den Einsteigern Werkswohnungen zur Verfügung stellen würden?

[Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN – Hildegard Bentele (CDU): Machen Sie doch mal!]

Das ist die Richtung, in die wir arbeiten. Genau hier heben wir die Reserven. Hier werden wir die Lehrkräfte entlasten. Das ist sehr attraktiv, fragen Sie mal die Lehrkräfte! Ich habe mit vielen gesprochen. Nichts wäre attraktiver, als wenn sie sich auf ihre Kernaufgaben konzentrieren könnten. Wie gesagt, das schaffen wir am besten über ein modernes und gutes Tarifrecht. Es ist flexibler, es ist leistungsfähiger, es bietet Entwicklungschancen für alle, und es lässt keine Gruppe zurück.

[Hildegard Bentele (CDU): Ich bin sehr gespannt!]