Protocol of the Session on September 13, 2018

− Antrag der Fraktion Die Linke zum Thema: „Demo

kratie verteidigen – Berlin steht gemeinsam gegen Rassismus, Antisemitismus, Rechtsextremismus und Islamfeindlichkeit“

− Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen zum

Thema: „Demokratie verteidigen – Berlin steht gemeinsam gegen Rassismus, Antisemitismus, Rechtsextremismus und Islamfeindlichkeit“

− Antrag der AfD-Fraktion zum Thema: „Fehlstart ins

Schuljahr. Endlich Bildungsmisere abwenden!“

− Antrag der Fraktion der FDP zum Thema: „Die Chan

censtadt Berlin – starker Wirtschaftsstandort durch Innovation“

Die Fraktionen haben sich auf die Behandlung des Antrags der Fraktion der SPD – „Demokratie verteidigen – Berlin steht gemeinsam gegen Rassismus, Antisemitismus, Rechtsextremismus und Islamfeindlichkeit“ verständigt, sodass ich dieses Thema gleich für die Aktuelle Stunde unter dem Tagesordnungspunkt 1 aufrufe. Die anderen Anträge auf Aktuelle Stunde haben damit ihre Erledigung gefunden.

Sodann verweise ich auf die Ihnen vorliegende Dringlichkeitsliste. Die Fraktionen haben sich einvernehmlich darauf verständigt, die dort verzeichneten und nach dem Redaktionsschluss eingegangenen Vorgänge unter den Tagesordnungspunkten 15 bis 22 sowie 53 A in der heutigen Sitzung zu behandeln. Ich gehe davon aus, dass den zuvor genannten Vorgängen die dringliche Behandlung zugebilligt wird. – Widerspruch höre ich nicht. Dann ist dies einvernehmlich so beschlossen.

Auf die Ihnen vorliegende Konsensliste darf ich ebenfalls hinweisen und stelle fest, dass dazu kein Widerspruch erfolgt. Die Konsensliste ist damit so angenommen.

Ich rufe nun auf

lfd. Nr. 1:

Aktuelle Stunde

gemäß § 52 der Geschäftsordnung des Abgeordnetenhauses von Berlin

Demokratie verteidigen – Berlin steht gemeinsam gegen Rassismus, Antisemitismus, Rechtsextremismus und Islamfeindlichkeit

(auf Antrag der Fraktion der SPD)

Für die Besprechung der Aktuellen Stunde steht den Fraktionen jeweils eine Redezeit von bis zu zehn Minuten zur Verfügung, die auf zwei Redebeiträge aufgeteilt werden kann. In der Runde der Fraktionen beginnt die SPD. – Herr Kollege Saleh! Sie haben das Wort!

„Hau ab aus Deutschland!“, „Deutschlandverräter!“, „Lügenpresse!“, „Verpisst euch!“, „Jetzt geht es ans Kanakenklatschen!“, „Wir kriegen euch alle!“ – und dazu

noch der Hitlergruß auf offener Straße inmitten der Stadt. Das sind Szenen, die schockieren und die niemanden kaltlassen, der dieses Land liebt.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Vorkommnisse von Chemnitz beschämen mich nicht nur und machen mich sprachlos, sie motivieren mich, diesem Hass entgegenzutreten. Wenn ein Vater sagt: Ich traue mich nicht mehr, mit meinem Kind zum Kinderarzt zu gehen –, dann läuft etwas schief in diesem Land. Wenn eine Familie aus Syrien, Kriegsflüchtlinge, sich nicht mehr aus dem Haus wagt, dann läuft etwas schief in diesem Land.

Vor genau drei Jahren erlebten wir ein Deutschland, das von der Liebe zum Helfen, von der Nächstenliebe, angetrieben war. Heute, drei Jahre später, erleben wir ein Deutschland, dessen Bild leider viel zu oft von Wut und Hass, von „Angstbeißern“, wie sie Wolf Biermann nennt, geprägt ist. Für diese Wut, für diesen Hass ist in erster Linie Ihre Partei verantwortlich, Herr Pazderski. Ihre Partei hat den Hass in die Herzen der Menschen gepflanzt. Hass, das ist die böse Fratze der Liebe. Da nützt auch die bürgerliche Fassade nicht, die Sie als AfD gerne zur Schau stellen. Der Pferdefuß schaut bei noch so perfekt sitzenden Anzügen immer heraus. Diabolisch, teuflisch, kann man Ihr Verhalten problemlos nennen. Durch Ihr Verhalten gefährden Sie die freiheitlich demokratische Grundordnung in unserem Land.

[Beifall bei der SPD, der LINKEN und den GRÜNEN]

Als Sozialdemokrat bin ich stolz auf die freiheitlich demokratische Grundordnung. Die breite Mehrheit in diesem Saal ist stolz auf die freiheitlich demokratische Grundordnung. Ich verspreche Ihnen, wir, die aufrechten Demokraten werden unbeirrt dafür weiterkämpfen.

[Beifall bei der SPD, der LINKEN und den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei der CDU – Beifall von Sebastian Czaja (FDP)]

Bei der AfD, da riecht es permanent nach Schwefel. Riechen Sie es auch? Schwefelgeruch steigt dort auf, wo behauptet wird, der Holocaust sei ein „Vogelschiss“ in der Geschichte unseres Landes. Schwefelgeruch steigt dort auf, wo ein Denkmal, das an die Ermordung von sechs Millionen Menschen erinnern soll, als ein „Denkmal der Schande“ bezeichnet wird. Solche Behauptungen Ihrer Partei, der AfD, im heutigen Deutschland sind eine Schande. Schämen Sie sich dafür!

[Beifall bei der SPD, der CDU, der LINKEN, den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei der FDP]

Schwefelgeruch steigt dort auf, wo Vorsitzende Ihrer Landesverbände Seit‘ an Seit‘ mit rechtsextremen Schlägern und Pegida-Pöblern durch die Straßen ziehen, wo Holocaustrelativierer, Rassisten, Antisemiten, völkische

(Präsident Ralf Wieland)

Ideologen sich zusammentun und unter dem Deckmantel der Trauer nur Hass und Zwietracht säen. Da stinkt es nach Schwefel. Hass und Zwietracht werden dadurch gesät, indem Sie versuchen, die Menschen zu verführen, permanent, mit kleinen Dosen, mit vergifteten Botschaften.

Als Politiker bin ich, sind wir stolz auf all die Menschen, die das nötige Gegengift besitzen. Ich bin stolz auf all die Menschen, die sich aktiv für die Wahrung der Menschenrechte einsetzen, aus Liebe zu unserem Land und aus Liebe zu aus unserer wunderbaren Verfassung. Die große Mehrheit, Herr Pazderski, meine Damen und Herren der AfD, geht Ihren Verführungskünsten nicht auf den Leim. 10 000 Menschen in Hamburg, 5 000 Menschen bei einer Spontandemonstration in Neukölln haben das eindrucksvoll gezeigt. Auf die große Demonstration in Berlin im Oktober freuen wir uns alle gemeinsam.

[Beifall bei der SPD, der LINKEN und den GRÜNEN]

Auch die Presse in Deutschland, mit ihren motivierten, mit ihren professionellen und unbestechlichen Journalisten

[Lachen von Georg Pazderski (AfD)]

hat einen Riecher dafür, ob es nach Schwefel riecht oder nicht. „Die Würde des Menschen ist unantastbar.“ Das ist das Fundament allen Handelns. Bei allen Veränderungen in der Gesellschaft bleibt die Verabredung, die Formulierung der Mütter und Väter des Grundgesetzes die Konstante: Die Würde des Menschen ist unantastbar.

[Beifall bei der SPD, der LINKEN und den GRÜNEN]

Das gilt für Einwanderer, für Transsexuelle, für Juden, für Muslime, für Menschen mit Behinderung, für linke Aktivisten, für Obdachlose, um nur einige Gruppen zu nennen, gegen die Sie gerne angehen, und sich selbst damit demaskieren. Weil die Würde des Menschen unantastbar ist, liegt es in unserer Verantwortung, den Menschen würdevoll zu begegnen und die Ängste der Bürgerinnen und Bürger ernst zu nehmen und angemessen darauf zu reagieren: die Ängste, sozial abzusteigen, die Ängste, keine Wohnung mehr zu finden, die Ängste, Opfer einer Straftat zu werden. Auch die Angst vor Veränderung, Veränderung durch Zuwanderung und andere Kulturen muss man aufgreifen und immer wieder Erklärungen abgeben. Die Politik hat nicht die Aufgabe, Ängste zu schüren, sondern Ängste zu nehmen, Probleme zu lösen. Hier liegt der Unterschied zwischen Ihnen und uns.

[Beifall bei der SPD, der LINKEN und den GRÜNEN]

Wenn Menschen Angst vor Verdrängung haben, dann muss neuer Wohnraum geschaffen oder eben Milieuschutz drastisch ausgeweitet werden, damit die Menschen die Angst nicht bekommen. Wenn Menschen Angst vor sozialem Abstieg haben, dann gehen wir mit gutem Bei

spiel voran, nehmen richtig viel Geld in die Hand und bezahlen die Leute anständig. Wenn Menschen Angst vor neuem Antisemitismus haben, dann bauen wir eine von den Nazis zerstörte Synagoge im Herzen Berlins wieder auf und schaffen damit einen Ort der Begegnung.

[Beifall bei der SPD, der LINKEN und den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei der CDU und der FDP]

Politisches Handeln, das wird nach Chemnitz deutlicher denn je, besteht darin, das Wir in unserer Gesellschaft noch stärker ins Zentrum zu rücken. Polarisierungen, Spaltungen, Zweitracht, Neid, all das legt ein Land lahm, macht es zerbrechlich und schwach. Die Stärke gewinnen wir aus dem Wir. Wenn uns das gelingt, dann kann Berlin zum Motor für unsere Region werden, für den gesamten Osten, ja für unser ganzes Land. Wir können zum Motor werden für ein friedliches, ein dynamisches, ein fröhliches, ein gutes Miteinander. Das ist keine Vision, sondern meine volle Überzeugung. Wenn wir es schaffen, die Fenster so zu öffnen, dass der Schwefelgeruch verschwindet und mit ihm die Volksverführer, dann werden wir wieder frei atmen können.

[Anhaltender Beifall bei der SPD, der LINKEN und den GRÜNEN]

Für die CDU-Fraktion hat jetzt der Kollege Dregger das Wort.

Herr Präsident! Meine verehrten Kolleginnen und Kollegen! In den vergangenen Tagen mussten wir mit ansehen, wie sich politische Extreme auf dem Rücken eines tragischen Todesfalls zu profilieren suchten. Rechtsradikale, die ausländerfeindliche Parolen brüllten und zu Gewalt und Hass aufriefen, und Linksradikale, die das mit Aufrufen zu Gewalt und Hass konterten. Beiden Extremen wohnen zwei Gemeinsamkeiten inne: die Ablehnung unserer freiheitlich demokratischen Grundordnung und eine Verachtung gegenüber den Organen unseres Staates. Deshalb ist es bemerkenswert, dass SPD, Linke und Grüne im Linksextremismus offenbar keine Gefahr für die Demokratie sehen, zumindest fehlt der Begriff Linksextremismus nicht nur in Ihrem Koalitionsvertrag, sondern auch im Titel der von Ihnen heute angemeldeten Aktuellen Stunde.

[Beifall bei der CDU, der AfD und der FDP – Zuruf von Hakan Taş (LINKE)]

Ich nehme schon wieder wahr, aus welcher Richtung das mit Missmut kommentiert wird. Damit ist klar, dass ich richtigliege.

[Beifall bei der CDU, der AfD und der FDP – Zuruf von Hakan Taş (LINKE)]

(Raed Saleh)

Extremismus kann nicht mit Extremismus bekämpft werden. Es gibt daher auch keinen legitimen Extremismus, allen Verharmlosungen des Linksextremismus zum Trotz. Auch Bands, die mit ihren Liedern zu Gewalt gegen „Bullen“ und Journalisten aufrufen, sind keine glaubwürdigen Kämpfer gegen Extremismus.

[Beifall bei der CDU und der AfD – Vereinzelter Beifall bei der FDP]