Protocol of the Session on September 13, 2018

[Beifall bei der FDP und der SPD]

Das ist umso wichtiger, als jetzt in vielen Städten Fahrverbote verhängt werden oder bedrohlich im Raume stehen. Wer in gutem Glauben als Kunde ein Fahrzeug

(Kristian Ronneburg)

gekauft hat, darf nicht durch Fahrverbote bestraft werden, nur weil der Hersteller betrogen hat. Das durchzusetzen, sind wir den Verbraucherinnen und Verbrauchern schuldig.

Ich finde es peinlich, dass die Bundesregierung aus CDU, CSU und SPD sich gegenüber dieser Verpflichtung dreht und windet und sogar versucht, das Thema auf Kosten der Steuerzahler zu lösen, anstatt die wahren Verursacher zur Verantwortung zu ziehen.

[Beifall bei der FDP und der SPD]

Das Prinzip hat aber Grenzen: Autos, die ohne Schummelei die Werte nicht erfüllt haben – da kann man nicht nachträglich die Hersteller zwingen, diese nachzurüsten. Es geht auch technisch nicht überall, und natürlich gilt allgemein, wenn man es immer weiter verschärft: Wenn die Politik die Grenzwerte runterdreht, muss sie auch faire, zumutbare Übergangszeiten zulassen. Es kann ja schlecht sein, dass ein Fahrzeug, das noch vor kurzer Zeit die Grenzwerte erfüllt hat, jetzt nicht mehr überall fahren darf. Auch hier haben Verbraucherinnen und Verbraucher ein Recht darauf, dass ihre für viele Familien hohe Investition in ein Auto vor allzu willkürlichen Eingriffen der Politik geschützt wird.

[Beifall bei der FDP und Beifall von Daniel Buchholz (SPD)]

Deshalb ist diese zusätzliche Forderung in dem Antrag aus meiner Sicht unzumutbar, das Kraftfahrtbundesamt zu verpflichten, betroffene Fahrzeuge stillzulegen, wie Sie das fordern – gerade bei Nutzfahrzeugen. Wollen Sie als Koalition denn ernsthaft dem Handwerker seinen Transporter wegnehmen, weil der Hersteller geschummelt hat? Dann müssten ja auch Verbraucher und Betriebe ausbaden, was andere angerichtet haben, und das halte ich für völlig unzumutbar.

[Beifall bei der FDP]

Statt also Bürgern und Unternehmen die Fahrzeuge wegzunehmen, ist der Anspruch der Käufer auf Umrüstung oder Umtausch durchzusetzen. Das ist die Linie, die wir als Freie Demokraten unterstützen.

Der Senat ist nun aufgerufen, einen mehrheitsfähigen Vorschlag in diesem Sinne im Bundesrat einzubringen – der jetzige wurde ja von der Tagesordnung abgesetzt. Dabei könnte er zum Beispiel auf einem vernünftigen Änderungsvorschlag des Landes Schleswig-Holstein aufbauen. Ich denke, auch zwischen den grünen Landesverbänden gilt wohl das E-Mail-Prinzip, das Daniel Buchholz vorhin empfohlen hat. So wäre viel für Verbraucherinnen und Verbraucher erreicht.

Anträge wie dieser aber, die an einigen Stellen komplett über das Ziel hinausschießen und ins Abgeordnetenhaus eingebracht werden, das gar nicht dafür zuständig ist, sind leider reine Schaufensterpolitik und bringen weder den Betroffenen noch der Umwelt etwas. – Vielen Dank!

[Beifall bei der FDP]

Vielen Dank! – Zu diesem Tagesordnungspunkt hat der fraktionslose Abgeordnete Wild nach § 64, Abs. 2 der Geschäftsordnung einen Redebeitrag angemeldet. Die Redezeit beträgt bis zu drei Minuten. – Herr Abgeordneter, Sie haben das Wort!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ein Dieselmotor ist keine Wassermühle.

[Torsten Schneider (SPD): Aha! – Harald Moritz (GRÜNE): Hört, hört!]

Ein moderner Dieselmotor ist eine unter sehr hohem Aufwand entwickelte, optimierte und komplizierte Maschine. Man kann da nicht einfach das Wasserrad abziehen und einen Windmühlenflügel anflanschen. Die Vorstellung einer Nachrüstung ist hier offenbar einer sozialistisch-grünen „Ich mach mir die Welt, wie Sie mir gefällt“-Vorstellung geschuldet.

[Lachen bei der SPD, der LINKEN und den GRÜNEN – Torsten Schneider (SPD): Das ist der Kommunismus-Diesel!]

Ebenso, wie Sie elektrischen Strom mit Windrädern und Solaranlagen erzeugen, der dann nur manchmal verfügbar ist, wenn man ihn braucht, eifern Sie hier infantilen Vorstellungen nach – so, als ob Sie Ihrer Duplo-Eisenbahnlok noch einen feinen Schornstein aus drei Bauklötzen aufstecken, um diese Lokomotive sauberer zu machen.

[Harald Moritz (GRÜNE): Das ist lächerlich, was Sie da sagen!]

Fragen wir doch mal, welcher Berliner bereit ist, seinen Diesel mit einer Nachrüstung zu versehen, wenn diese Nachrüstung den Verbrauch steigert. Oder fragen wir mal, welcher Bürger bereit ist, seinen Diesel nachzurüsten, wenn der Motor später weniger Leistung hat. Ich sage es Ihnen: Gar keiner!

[Zuruf von Daniel Buchholz (SPD)]

Die Harnstofftechnologie ist eine feine Sache. Vielleicht hat die Autoindustrie nicht erwartet, Autokäufer zu finden, die selbstständig ab und zu noch einen zweiten Tank nachfüllen. Jetzt sind die Autos aber gebaut, und an dieser Generation herumzubasteln, ist nicht zielführend. Die Motoren sind so effizient wie noch nie. Sie stoßen fast keinen Feinstaub mehr aus. Die NOx-Grenzwerte sind offensichtlich gewürfelt. Wie könnte es sonst sein, dass an Arbeitsplätzen ein Grenzwert von 950 Mikrogramm pro Kubikmeter gilt, an Straßenrändern aber nur 40 Mikrogramm pro Kubikmeter zulässig sind? Noch ein Hinweis für die der Naturwissenschaft Ferneren: Ein Kubikmeter Luft wiegt 1,2 Kilo. Das sind 1 200 Gramm oder

(Henner Schmidt)

1 200 000 Milligramm oder 1 200 000 000 Mikrogramm. Wir sprechen hier aber von 40 Mikrogramm.

[Dr. Wolfgang Albers (LINKE): Wie viele Tage haben Sie dafür gebraucht? – Weitere Zurufe von der LINKEN]

Am Arbeitsplatz darf als Dauerbelastung mit Stickoxiden ein 20-mal höherer Grenzwert erreicht sein als in der Luft der vielbefahrenen Straße. Das klingt sehr nach Unsicherheit in der Einschätzung der tatsächlichen Gefährdung. Neue Anforderungen müssen technisch machbar sein, und sie können nur für künftige Motoren gelten. – Vielen Dank für Ihr Interesse!

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Es wird die Überweisung des Antrags an den Ausschuss für Umwelt, Verkehr, Klimaschutz empfohlen. – Widerspruch hierzu höre ich nicht. Dann verfahren wir so.

Ich rufe auf

lfd. Nr. 5.3:

Priorität der AfD-Fraktion

Tagesordnungspunkt 47

Keine Ehrungen durch das Land Berlin und keine öffentlichen Auftritte des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan anlässlich seines Staatsbesuchs am 28. und 29. September 2018 in Berlin außerhalb des nötigen, von der Bundesregierung vorgesehenen Protokolls

Antrag der AfD-Fraktion Drucksache 18/1264

In der Beratung beginnt die AfD-Fraktion und hier der Abgeordnete Hansel. – Bitte sehr!

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kollegen und Gäste! Bundespräsident Steinmeier hat den türkischen Präsidenten für den 28. und 29. September zu einem Staatsbesuch in Deutschland eingeladen. Aber es ist kein gewöhnlicher Besuch, kein gewöhnlicher Staatsgast, denn wie wir alle wissen, hat Erdoğan nach dem Putschversuch im Juli 2016, den er seinem einstigen Weggefährten und späteren Erzfeind Fethullah Gülen zurechnet, die Türkei mit einem Ausnahmezustand und harten Maßnahmen gegen Staatsbedienstete und die Zivilgesellschaft massiv verändert.

In seinem Visier stehen alle kritischen und unliebsamen Personen, die mit dem Vorwurf, der Gülen-Bewegung anzugehören, aus dem Weg geräumt werden sollen. Mittlerweile sitzen 80 000 Menschen, darunter Journalisten, Aktivisten, Parlamentarier, Leute wie Sie und ich, wegen Terrorismusverdacht im Gefängnis. Mehr als 150 000 Staatsbedienstete sind entlassen oder suspendiert. Stellen

wir uns das mal vor unserem geistigen Auge vor: Mehr als ein Drittel der türkischen Richter und Staatsanwälte wurde entlassen oder inhaftiert.

Die Medienlandschaft wurde von regierungskritischen Stimmen derart gesäubert, dass Kritik an der Regierung im vergangenen Jahr fast völlig aus dem Radio, dem Fernsehen und den Printmedien verschwunden ist. Wie war das möglich? – Knapp unter 200 Medienunternehmen wurden per Regierungserlass willkürlich und dauerhaft geschlossen, teilweise sogar enteignet.

Laut Amnesty International wurden Festgenommene auch gefoltert. Auf der Website von Human Rights Watch kann man sich ein erschütterndes Bild von der Situation der Festgenommenen machen, wenn Polizisten mit den Worten zitiert werden: Aufgrund des Ausnahmezustands wird es niemanden kümmern, wenn ich dich erschieße. Ich werde einfach sagen, dass ich dich erschossen habe, weil du fliehen wolltest. – Oder: Von hier wirst du es nicht lebend rausschaffen. Wir haben noch 30 Tage.

Auch deutsche Staatsbürger sind von den gravierenden Veränderungen in der Türkei betroffen. Derzeit sitzen noch sieben Deutsche „ohne nachvollziehbaren Grund“, so heißt es offiziell, in türkischer Haft. Ich erinnere daran, dass die EU-Europaminister Ende Juni 2018 in Luxemburg feststellten, dass sich die Türkei von der Europäischen Union weiter entfernt hat. Sie erklärten die anhaltenden Rückschritte bei Rechtsstaatlichkeit, Grundrechten und Meinungsfreiheit als zutiefst besorgniserregend und kritisierten das Vorgehen gegen Journalisten, Akademiker, Menschenrechtler, Oppositionspolitiker und Nutzer sozialer Medien scharf.

Auch wir im Abgeordnetenhaus sind gefordert, in aller Klarheit Position zu beziehen, denn es reicht nicht, wenn sich berechtigte Kritik nur in den Medien und auf der Straße manifestiert. Nein, wir müssen ihn unsere Kritik auch spüren lassen, und deshalb muss bei seinem Besuch Sparflamme angesagt sein – gewissermaßen diplomatischer „Dienst nach Vorschrift“, aber keinen Deut mehr.

[Beifall bei der AfD]

Unserer Illusionen von einer laizistischen, aufgeklärten und weltoffenen Türkei, die wir möglicherweise zu Beginn seines politischen Wirkens hegen wollten, sind heute zerronnen. Die Türkei ist weiter weg von Europa denn je, die Wirtschaftsdaten sind im freien Fall. Einmal mehr hat sich gezeigt, was die AfD immer sagt: Aus Islamisten werden keine Demokraten, nicht in Deutschland, nicht im Maghreb und nicht in der Türkei.

[Beifall bei der AfD]

Islam und Demokratie nach unseren Vorstellungen – das bleibt unvereinbar.

Noch nie hat sich ein Staatsoberhaupt eines anderen Landes so schamlos an eine Minderheit in Deutschland

gewandt wie Präsident Erdoğan an seine tatsächlichen und ehemaligen Landsleute. Obwohl auch Hundertausende Franzosen, Briten oder Niederländer in Deutschland wohnen, haben sich die Regierungschefs dieser Länder nie in deutschen Stadien feiern lassen. Sie haben ihre Landsleute auch nicht aufgefordert, sich auf keinen Fall zu integrieren.

Damit hat Präsident Erdoğan den Mythos kräftig beschädigt, wonach die türkische Minderheit zum einen in Deutschland integriert sei und zum anderen eine Brücke zur liberalen Demokratie darstelle. Das Gegenteil ist für viele hiesige Türken leider der Fall. Viele – keinesfalls alle – fühlen sich nach wie vor als Türken, sehen Deutschland nur als Gastland, solange es wirtschaftlich etwas bringt, und liegen auch voll auf Erdoğan-Kurs, wenn es um die Errichtung der Diktatur in ihrer Heimat geht. Er hat die türkische Minderheit in Deutschland gespalten, und so werden zahlreiche Proteste und Demos während des Staatsbesuchs erwartet.