Protocol of the Session on June 28, 2018

lfd. Nr. 3.6:

Priorität der Fraktion der SPD

Tagesordnungspunkt 50

Quereinsteiger*innen besser unterstützen und integrieren

Antrag der Fraktion der SPD, der Fraktion Die Linke und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Drucksache 18/1143

In der Beratung beginnt die Fraktion der SPD, und hier die Kollegin Dr. Lasić – bitte schön!

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Berlin wächst, und das ist etwas Wunderbares. Unsere Aufgabe ist es, das Wachstum so zu gestalten, dass unsere Stadt auch in Zukunft weiterhin so wunderbar bleibt, wie wir sie kennen und lieben. Für den Schulbereich bringt dies besondere Herausforderungen. Wir brauchen Schulplätze für alle Kinder, wir brauchen aber auch Personal, das unsere Kinder auf dem Weg zum Erwachsenwerden begleitet. R2G stellt sich dieser Mammutaufgabe. Wir schauen stolz auf die Bilanz der letzten Jahre, und die Zahlen geben uns recht. In den letzten fünf Jahren sind über 40 000 Kitaplätze und 23 000 Schulplätze neu entstanden.

[Beifall bei der SPD, der LINKEN und den GRÜNEN]

Wir stellen auch von Haushalt zu Haushalt mehr pädagogisches Personal ein. In den letzten fünf Jahren sind 5 500 zusätzliche Erzieher und Erzieherinnen und ca. 4 000

zusätzliche Lehrkräfte eingestellt worden. Dieser Erfolg ist beeindruckend, und dabei fangen wir erst an.

Die Schulbauoffensive wird Plätze für weitere 75 000 Schülerinnen und Schüler schaffen, und wir stellen auch in diesem Haushalt 2 000 zusätzliche Lehrkräfte ein – im Vergleich zum letzten – und werden auch in Zukunft immer mehr Personal einstellen, um die Qualität an unseren Schulen zu sichern. Die enormen Bedarfe an zusätzlichem Personal sind aber auch eine massive Herausforderung, und – ja – sie bringen uns auch an unsere Grenzen. Wir werden daher in diesem und auch in den kommenden Jahren auf Quereinsteiger zurückgreifen, um die Bedarfe zu decken. Aus dem Grund haben wir im letzten Haushalt 60 Millionen Euro für das sogenannte Quereinsteigerpaket bereitgestellt – angefangen vom Vorbereitungskurs über die Begleitung der Quereinsteiger während der Ausbildung bis zu der Stundenabsenkung. All diese Bausteine sorgen für eine qualitativ hochwertige Ausbildung der Quereinsteigenden, die nach dieser Ausbildung auch vollwertige Lehrkräfte sein werden.

Wir werden aber in diesem Jahr auch Stellen haben, die wir womöglich nicht besetzen können. Daher müssen wir auch weiterhin darüber sprechen, wie wir mehr Lehrkräfte bekommen. Die Senatorin hat vielfältige Maßnahmen vorgestellt, wie mehr Personal in die Schulen gebracht werden kann. Egal ob „Unterrichten statt Kellnern“ oder die Sprachassistenten, all diese Maßnahmen sind gute Bestandteile des Übergangssystems, in dem wir uns befinden. Wir sind aber auch noch nicht fertig. Wir brauchen auch die Debatte um die Lehrkräfte, die nur ein Fach mitbringen, weil sie z. B. in einem anderen Land studiert haben, wo man gar nicht auf das Zwei-FächerSystem ausgerichtet ist.

Und auch das wird nicht reichen. In Zeiten, in denen wir die Hälfte unseres Bedarfs über Quereinsteiger decken, müssen wir auch darüber sprechen, wie sich das neue Personal in der Stadt verteilt. Was für uns nicht geht, ist, dass unsere Brennpunkte mehr oder weniger allein die Ausbildung der Quereinsteiger stemmen müssen. Was auch nicht geht, ist, dass sich die unbesetzten Stellen in diesem Jahr allein auf die Förderschulen unserer Brennpunkte verteilen sollen. Damit würde die gesamte Last des Fachkräftemangels unseren Brennpunktschulen übertragen werden, und das geht nicht, liebe Kolleginnen und Kollegen.

[Beifall bei der SPD – Vereinzelter Beifall bei der LINKEN und den GRÜNEN]

Wir brauchen eine faire Verteilung der Quereinsteigenden in der Stadt, und wir brauchen eine faire Verteilung der unbesetzten Stellen in der Stadt. R2G muss und wird eine Antwort darauf finden, wie wir das Versprechen einer gerechten Verteilung der Fachkräfte und damit von Bildungschancen auch in Zukunft gewähren können. Es bleibt viel zu tun, wir packen es an. – Vielen Dank!

[Beifall bei der SPD, der LINKEN und den GRÜNEN]

Vielen Dank! – Für die CDU-Fraktion hat die Abgeordnete Bentele das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sehr geehrte Regierungskoalition! Sehr geehrte Frau Lasić! Was Sie uns hier präsentieren, ist schon ein Stück aus dem Tollhaus. Die CDU-Fraktion hat beginnend mit der ersten Plenarsitzung im Schuljahr 2017/2018 das Thema Quereinstieg auf die Tagesordnung gesetzt, und wir haben ganz konkrete Vorschläge zur Qualitätssicherung vorgelegt. Die Debatte musste Ihnen aufgezwungen werden. Wir haben sie ganz intensiv im September, im Oktober und im November im Ausschuss, im Plenum und sogar mit den Brandenburger Kollegen geführt, und Ihnen ist nichts eingefallen. Sie waren nicht in der Lage, sich konzeptionell oder konstruktiv mit unseren Vorschlägen und denen der Experten auseinanderzusetzen, sonst hätten Sie nämlich einen Änderungsantrag eingereicht, so wie die FDP.

[Paul Fresdorf (FDP): Ja, wie wir!]

Nein! Stattdessen wurde dann im Dezember in bewährter SPD-Manier die große Beschwichtigungsmaschine angeworfen. Ein großer Geldregen! In einer Bereinigungssitzung des Hauptausschusses – also nicht im Bildungsausschuss, wo man bildungspolitische Maßnahmen diskutieren sollte, sondern im Hauptausschuss – wurde ein sogenanntes Qualitätspaket Quereinstieg durchgedrückt. Das wollen Sie uns jetzt hier verkaufen, und zur letzten Sitzung in diesem Schuljahr haben Sie die Wundertüte geöffnet. Und was sehen wir da? – Man reibt sich wirklich die Augen. Sie präsentieren uns hier im Kern das, was wir vorgeschlagen und was Sie – das ist protokolliert – abgelehnt bzw. als „untauglich“ und „aufgewärmt“ qualifiziert haben.

[Paul Fresdorf (FDP): Man hat eine Absage erteilt!]

Ja, Sie haben unseren Vorschlägen „gern“ eine Absage erteilt.

Nur ein paar Beispiele: Senkung der Unterrichtsverpflichtungen! – Frau Lasić! Dieser Forderung, die Sie jetzt aufführen, erteilten Sie gern eine Absage. Die Begleitung und Beratung der Quereinsteiger nach Ablegen der zweiten Staatsprüfung! Wir nannten das einen individuellen Fortbildungsplan. Der ist laut Herrn Rackles absolut überflüssig, denn die im Schnellverfahren ausgebildeten Lehrkräfte sind ja den im normalen Verfahren ausgebildeten Lehrkräften absolut ebenbürtig. Jetzt wollen Sie diese Beratung und Unterstützung, so wie wir es vorgeschlagen haben. Lesen Sie das in unserem Masterplan

(Dr. Maja Lasić)

nach! Wir wollen keinen Einsatz von Quereinsteigern in der Schuleingangsphase und als Klassenlehrer haben. Das schlagen Sie jetzt auch vor. Sie wollen jetzt Ausbildungsnavigatoren einrichten. Bei uns hießen sie Ausbildungskoordinatoren. Sie wollen eine Vorbereitung vor Antritt des Quereinstiegs. Die FDP hat dafür eine Dauer von mindestens vier Wochen gefordert. Sie haben das abgelehnt. Zuallerletzt fällt Ihnen der zentrale Punkt auf: Nach Punkt 11 Ihres Antrags ist nämlich eine zu hohe Konzentration von Quereinsteigern für die Qualität in der Schule vielleicht nicht ganz günstig, und deshalb fordern Sie, dass man hierauf „achtgeben“ muss.

Meine sehr verehrten Damen und Herren von der Koalition! Da Sie zu 90 Prozent unsere Vorschläge übernommen haben, ist viel Richtiges dabei, aber Sie machen es eben immer noch nicht richtig, weil Sie nicht klar werden und manche Sachen immer noch falsch anlegen. Sie definieren z. B. bewusst nicht, wie lange dieser Vorkurs sein soll. Vielleicht wollen Sie uns die eine Woche, die momentan als Vorbereitung stattfindet, noch mal verkaufen. Sie reduzieren die Arbeitsbelastung nicht wirklich, sondern die Lehrer sollen dann hospitieren, und verschaffen den Quereinsteigern eben nicht die ganz wichtige Denk- und Verarbeitungszeit, die auch die Experten fordern. Sie sagen, Schulleitungen müssen sensibilisiert werden für den Einsatz von Quereinsteigern in der Schuleingangsphase und hinsichtlich einer unangemessenen Konzentration. Nein! Es muss ein Verbot geben, sie als Klassenlehrer und in der Schuleingangsphase einzusetzen, und Sie müssen auch die Steuerung ganz konkret angehen. Wir haben gesagt, dass 20 Prozent pro Kollegium die absolute Obergrenze ist. Es muss reiner Wein eingeschenkt werden. Es kann nicht sein, dass sich die Schulen ihre Lehrer aussuchen. Es muss dazugehören, dass alle Schulen Quereinsteiger aufnehmen. Hier müssen Sie die Steuerung klar angehen, und Sie müssen hier allen Lehrern reinen Wein einschenken. Das tun Sie mit diesem Antrag immer noch nicht.

Schließlich greifen Sie auch unsere Stipendiumsidee auf, aber Sie verfehlen auch hier die Stoßrichtung. Unser Vorschlag zielte darauf ab, voll ausgebildete Studenten in den Mangelfächern mit einer Bleibeverpflichtung für Berlin zu gewinnen. Sie schütten wieder kurzfristig das Manna aus und geben hohe finanzielle Anreize, schützen sich aber nicht vor Mitnahmeeffekten, denn wer garantiert Ihnen, dass die Quereinsteiger, die Sie jetzt für teures Geld – 500 Euro pro Monat – einkaufen, wirklich in Berlin bleiben, wenn jenseits von Berlin die Verbeamtung lockt?

Als Fazit: Die Koalition und auch der Senat haben dieses Schuljahr verschlafen. Sie haben Ihre Hausaufgabe viel zu spät abgegeben. Sie haben abgeschrieben, und Sie haben den Lehrinhalt noch immer nicht wirklich durchdrungen. Meine Damen und Herren von der Koalition! Auf dem Zeugnis, das Sie sich mit diesem Antrag zu

Ende des Schuljahrs 2017/2018 selbst ausstellen, kann nur die Note „ungenügend“ stehen, und damit sind Sie nicht versetzt. Die SPD-Bildungspolitik ist zum Ende des Schuljahres 2017/2018 an einem Tiefpunkt angelangt. Wer sowohl in der Verwaltung wie in der Fraktion so wenig Planung, Strategie und Vorsorge zeigt, sollte besser den Platz räumen. Gehen Sie in den Sommerferien mal dringend tief in sich! – Danke!

[Beifall bei der CDU – Beifall von Paul Fresdorf (FDP) und Andreas Wild (fraktionslos)]

Vielen Dank! – Für die Linksfraktion hat die Abgeordnete Kittler das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Meine Rede kann ich jetzt erst einmal zur Seite legen, denn ich möchte auf das eingehen, was Frau Bentele gerade gesagt hat. Das hat Frau Lasić ja leider nicht gemacht. – Entschuldigung, Frau Bentele! Die Abfolge war eine ganz andere, und auch inhaltlich ist es anders geschehen, als Sie es gerade dargestellt haben. Sie haben Ende September oder Anfang Oktober den Antrag gestellt, dringend über Quereinsteigende zu diskutieren.

[Zuruf von Hildegard Bentele (CDU)]

Wir haben Sie gebeten, eine Anhörung im November abzuwarten, wo wir allen Beteiligten das Wort erteilen wollten. Diese Anhörung hat im November auch stattgefunden. Unsere Zielstellung war, gemeinsam Lösungen zu finden. Die ersten Lösungen – und wenn Sie den Antrag richtig lesen würden, würden Sie das auch verstehen; es sind nämlich die ersten Punkte – sind längst beschlossen, und zwar mit dem Doppelhaushalt 2018/2019. Jetzt zu sagen, es komme zu spät – das hätten Sie schon im Dezember erklären müssen, denn da haben wir es mit dem Haushalt beschlossen. Das haben Sie aber wahrscheinlich nicht mitbekommen. Das Paket, das Frau Lasić vorhin erwähnt hat, ist im Dezember von uns noch einmal öffentlich vorgestellt worden.

[Zuruf von Hildegard Bentele (CDU)]

Wir wollen nun kontrollieren, wie diese Punkte, die beschlossen und für die 60 Millionen Euro eingestellt wurden, erfüllt wurden. Wir kommen als Parlament also unserer Kontrollpflicht nach. Das ist Teil eins.

Die zweite Sache betrifft die Regelung mit dem Stipendiumprogramm. Selbstverständlich werden Bedingungen daran geknüpft.

[Zuruf von Hildegard Bentele (CDU)]

Entschuldigung! Das ist eine Aufgabe des Senats. Diese Aufgabe muss der Senat erfüllen. Er muss vorlegen,

(Hildegard Bentele)

welche Bedingungen an das Stipendium geknüpft sind. Das werden sie auch tun, darauf können Sie Gift nehmen!

Nun komme ich zum Eigentlichen. Wir müssen nicht drum herumreden: Wir befinden uns in einer dramatischen Ausnahmesituation, was den Fachkräftemangel angeht. Das wird auch noch einige Jahre anhalten. Wir wissen alle um die steigenden Schülerinnen- und Schülerzahlen, wir wissen um die steigenden Zahlen von Pensionierungen und Berentungen. Wir kennen den Fakt, dass nicht nur Berlin, sondern auch viele andere Bundesländer das gleiche Problem haben, da hier nämlich unter anderem auch eine bundesweite Steuerung fehlt. Falls Sie es nicht mitbekommen haben: Auch unter Ihrer Mitregierung auf Bundesebene wurden die Ausbildungskapazitäten an den Hochschulen vor etwa zehn Jahren bundesweit abgebaut. Als 2012 klar war, welcher Entwicklung wir hier entgegengehen, haben auch wir in Berlin nicht fristgerecht gegen diesen Trend gesteuert, unter anderem auch in Ihrer Regierungszeit nicht.

Jetzt haben wir den Salat und müssen damit umgehen. Und ich frage Sie: Sie sind wirklich der Meinung, wir könnten bei den Quereinsteigenden gegenwärtig die Unterrichtsverpflichtung drastisch reduzieren? – Das können wir leider nicht. Wir wollen es, und das muss auch die Zielstellung sein, da der Zustand, dass Referendarinnen und Referendare, die auf Lehramt studiert haben, im Referendariat weniger unterrichten müssen als Quereinsteigende, nicht haltbar ist. Das ist eine unglaubliche Belastung für die Quereinsteigenden; das ist so. Aus diesem Grund haben wir ein Maßnahmenpaket – Teil eins – mit dem Haushalt beschlossen. Teil zwei wird nun mit dem Antrag vorgelegt. Das sind die Maßnahmen, die wir weiterhin durchsetzen wollen.

Ich glaube aber, dass auch das noch nicht reichen wird. Wir werden weiter mit den Mentorinnen und Mentoren reden müssen. Wir werden weiter mit den Quereinsteigenden reden müssen, ob diese Maßnahmen, die wir jetzt ergreifen, ausreichend, sind oder ob wir noch mehr ergreifen müssen.

Frau Kollegin! Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Woldeit?

Bitte schön!

Vielen Dank, Frau Präsidentin! – Vielen Dank für die Möglichkeit der Zwischenfrage, verehrte Frau Kollegin! Sie nutzen den Begriff „Quereinsteigende“. Ich vermute mal, das bezieht sich auf den Begriff „Quereinsteiger“. Oder meinen Sie Menschen, die in der Bewegung des Einsteigens eine quer einzunehmende Körperhaltung haben? Das ist für mich ein bisschen missverständlich.

[Philipp Bertram (LINKE): Oh Gott! – Zuruf von Hakan Taş (LINKE)]

Ich erkläre Ihnen das gerne, wenn Sie das brauchen. Ich meine damit quereinsteigende Lehrerinnen und Lehrer,

[Paul Fresdorf (FDP): Berliner Abitur!]