Protocol of the Session on June 28, 2018

[Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Lassen Sie uns Fakten austauschen! Die Grundsteuer ist im laufenden Berliner Doppelhaushalt mit rund

800 Millionen Euro pro Jahr veranschlagt. Das sind in etwa 3,7 Prozent der finanzkraftabhängigen Einnahmen aus Steuern, Länderfinanzausgleich und der allgemeinen Bundesergänzungszuweisung. 2017 hat das Land Berlin über die Grundsteuer 805 Millionen Euro eingenommen. – Liebe FDP! Das sollten Sie wissen, bevor Sie die Grundsteuer auf Null setzen wollen.

[Stefan Förster (FDP): Ich habe es doch gerade gesagt!]

Im Übrigen ist nicht die Grundsteuer verfassungswidrig, sondern die Bemessungsgrundlage. Wenn man das in Berlin so machen würde, wie Sie von der FDP es vorschlagen, wären wir mit Blick auf das komplizierte Steuer- und Finanzausgleichsgefüge des Bundes und der Länder mit den Kommunen ganz rasch bei einem gesamten Einnahmeausfall von rund 1 Milliarde Euro pro Jahr. Sie belassen es bei der pauschalen Forderung, ohne in Ihrem Antrag zu sagen, wie Sie gegenfinanzieren wollen. Ich finde dazu auch nichts im Protokoll des Stadtentwicklungsausschusses vom 30. Mai, der Ihren Antrag ablehnte, dem Sie als einzige Partei zugestimmt hatten.

Saldiert betrachtet wissen Sie selbst, dass der Ausfall von Einnahmen, von denen ich eingangs sprach, entweder durch höhere staatliche Einnahmen an anderer Stelle oder durch niedrigere Ausgaben kompensiert werden muss. Wo genau sehen Sie denn die Einsparpotenziale für Mieter und Eigentümer, die Sie im Antrag pauschal adressieren? – Ich sage es Ihnen: Nirgendwo! Es gibt keine staatliche Ebene, die den Ausfall der drittgrößten Einnahmequelle der Städte und Gemeinden kompensieren kann. Ihren Antrag kann ich nicht nachvollziehen.

Lassen Sie mich einige Sätze zur laufenden Debatte zur Neuausrichtung der Grundsteuer sagen! Drei Reformvorschläge und eine Bundesratsvorlage stehen im Raum, zu denen sich die Länder bislang nicht einigen konnten. Festgehalten sind Kernpunkte zur dauerhaften Sicherung als aufkommensneutrale Einnahmequelle, die rund

(Stefan Förster)

14 Milliarden Euro pro Jahr ausmacht, oder das Recht der Gemeinden, den Hebesatz weiterhin festlegen zu können. Auf das Eckpunktepapier, das für den Sommer angekündigt wird, bin ich gespannt. Mindestens genauso wichtig ist es, dass der gesamte Immobilienstand möglichst rasch digital erfasst wird. Das ist nämlich keine Nebensache.

Abschließend möchte ich zwei Punkte in die Rede einbringen: Der eine Punkt ist im Koalitionsvertrag auf der Bundesebene verabredet und betrifft die mögliche Wiedereinführung der Grundsteuer C für unbebaute oder ungenutzte Grundstücke. Ziel soll es sein, Spekulation zu bekämpfen, um mehr Bauland für Städte und Kommunen zu mobilisieren. Nicht genutzte Baugrundstücke sollen mit höheren Abgaben belegt werden, sodass Anreize zum Bauen gesetzt und Spekulationen mit Baugrundstücken begrenzt werden. Das ist richtig und besonders für Berlin von hoher Bedeutung.

[Vereinzelter Beifall bei der SPD und den GRÜNEN]

Der andere Punkt betrifft die Umlagefähigkeit der Grundsteuer auf die Mieten. Es geht also um das Recht des Vermieters, die Grundsteuer auf die Betriebskosten der Mieter umzulegen, die laut Betriebskostenspiegel 2017 im Durchschnitt 28 Cent auf die Betriebskosten ausmacht. Auch wenn die Umlagefähigkeit der Grundsteuer auf Mieten kein Gegenstand des Steuer-, sondern des Mietrechts ist – genauer: der Nebenkostenverordnung –, gehört sie in meinen Augen abgeschafft. Schließlich werden mit der Grundsteuer nicht Wohnen oder Betriebskosten, sondern Grundeigentum besteuert.

[Beifall bei der SPD – Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN – Florian Swyter (FDP): Das ist richtig!]

Gerne würde ich den Antrag sofort ablehnen, da ich ihn für entbehrlich halte. Ich werde das aber wohl noch einmal im Hauptausschuss sagen müssen. – Vielen Dank!

[Beifall bei der SPD und den GRÜNEN]

Vielen Dank! – Für die CDU-Fraktion hat der Kollege Goiny das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Frau Kollegin Becker! Man muss sich natürlich auch im Hauptausschuss, wenn man zu einem Antrag reden will, zu Wort melden. Dann wird einem in der Regel vom strengen, aber gerechten Vorsitzenden das Wort erteilt. Das haben Sie aber nicht gemacht.

[Steffen Zillich (LINKE): Sie auch nicht! – Heiterkeit von Paul Fresdorf (FDP)]

Unser Steuerrecht zeichnet sich ja dadurch aus, dass es wirklich viele Facetten hat und eben nicht in Schwarz und Weiß darstellbar ist.

[Steffen Zillich (LINKE): Das stimmt!]

Insofern muss man auch mit dieser Thematik sorgsam umgehen. Die Argumentationen, warum die Bemessungsgrundlage vom Bundesverfassungsgericht als nicht mehr begründbar dargestellt worden ist, sind nachvollziehbar. Das schwebte unter Fachleuten seit vielen Jahren im Raum, und es war nur eine Frage der Zeit, wann das tatsächlich einmal höchstrichterlich festgestellt wird. Insofern sind wir natürlich alle vor der politischen Herausforderung, zu sehen, wie man jetzt damit umgeht. Es gibt in der Tat eine Reihe von guten Gründen, die die Kollegen von der FDP auch vorgetragen haben, warum man schon an der Erhebung dieser Steuer erhebliche Zweifel haben kann. – Liebe Kollegin Becker! Es ist nicht ganz richtig, wie Sie das dargestellt haben, denn diese Grundsteuer zahlt ja der Eigentümer des Grundstücks, außer er vermietet – dann zahlt es der Vermieter.

[Zuruf von der SPD]

Entschuldigung! Der Mieter! – Die Frage, die sich hier stellt, ist, ob nicht in einer Mieterstadt wie Berlin angesichts immer steigender Mieten das auch ein politisches Steuerungsinstrument sein könnte, um hier entsprechend auf diesen Druck bei steigenden Mieten auch reagieren zu können.

[Beifall bei der CDU]

Herr Kollege! Gestatten Sie eine Zwischenfrage von der Kollegin Becker?

Ja, bitte!

Bitte schön!

Lieber Herr Goiny! Ist Ihnen bekannt, dass Grundeigentümer steuerrechtliche Möglichkeiten etwa in Form von Abschreibungen nutzen können, um die Abgabe weiter abzuwälzen?

Ja, das können sie machen, wenn sie entsprechende steuerrechtliche Abschreibungsmöglichkeiten haben. Ich habe aber eben ganz bewusst noch einmal auf die Mieter in Berlin abgestellt. Da wird es auch schon ein bisschen schwieriger, entsprechende steuerliche Abschreibungen geltend zu machen. Deswegen ist es in der Tat ein Punkt,

(Franziska Becker)

den man einmal sachlich diskutieren kann. Wie wird diese Steuer denn neu ausgestaltet? Wie bekommt man eine Balance zwischen dem hin, was an Steuergerechtigkeit erwartet wird? Wir wollen auch – jedenfalls ist das auch die Vorstellung der CDU – mit der Reform der Grundsteuer keine zusätzlichen Belastungen einführen, sondern wollen schauen, dass das vernünftig bleibt.

Die komplette sofortige Abschaffung, wie sie die FDP hier fordert, ist aber,

[Paul Fresdorf (FDP): Ein mutiger Schritt!]

so glaube ich, eine Forderung, die man hier in einem Parlament auch nur erheben kann, wenn man nicht so zeitnah Ansprüche auf Regierungsverantwortung erhebt. Das geht natürlich nicht.

Dieser Hinweis zu sagen, die Koalition gibt für viel Unsinn Geld, unterschreibe ich Ihnen sofort. Nur haben wir auch andere gute Vorschläge, was man mit dem Geld machen kann. Da fehlt es an verschiedenen Stellen. Ich denke nur einmal an den öffentlichen Dienst, beim Personal, bei der Beamtenbesoldung und, und, und. Zu meinen, man könnte jetzt 800 Millionen Euro aus dem laufenden Betrieb herausschneiden, ersatzlos, und man streicht irgendwie ein, zwei Sachen zusammen – da hilft Ihnen auch der Hinweis auf BER nicht weiter, weil wir das Steueraufkommen von 800 Millionen Euro jährlich einsparen müssen –, ist nicht zielführend. Da bleiben Sie eine seriöse Antwort schuldig.

[Beifall bei der CDU – Vereinzelter Beifall bei der SPD – Beifall von Anja Schillhaneck (GRÜNE) – Beifall von Steffen Zillich (LINKE)]

Da muss man einfach sagen: So kann man eigentlich in einem Land mit einer Steuerverantwortung nicht umgehen. Es ist dann schon eher populistisch zu sagen – es klingt auch toll –: Von heute auf morgen soll die Steuer weg. Dann aber zu sagen, wie das tatsächlich haushaltstechnisch umgesetzt wird, das geht natürlich so nicht.

In dieser Abwägung muss man einfach zu dem Ergebnis kommen, dass Ihr Antrag zwar ein richtiges Problem beschreibt und auf durch die Erhebung der Steuer entstehende Ungerechtigkeiten hinweist. Ihr Lösungsvorschlag allerdings ist einer, den wir hier nicht unterstützen können. Deswegen wird sich die CDU-Fraktion bei dem Antrag wie im Hauptausschuss enthalten.

[Beifall bei der CDU]

Vielen Dank! – Für die Linksfraktion hat der Abgeordnete Zillich das Wort.

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Etwas zum Thema Seriosität hat der Kollege vor mir schon gesagt. Den Eindruck zu erwecken, weil die Bemessungsgrundlage in der Tat lange erwartet und überhaupt nicht überraschend für die Grundsteuer für verfassungswidrig erklärt worden ist, man müsse zwangsläufig aus Verfassungsgründen die Grundsteuer per se in Frage stellen, ist doch etwas zu kurz gesprungen.

Es gibt einen sehr guten Grund, möglicherweise auch traditionell, weshalb die öffentliche Ressource Raum, Fläche und ihr Verbrauch auch mit öffentlichen Abgaben belegt wird und an dieser Grundlage auch ein Beitrag zur Finanzierung des Allgemeinwesens angedockt wird.

[Beifall bei der LINKEN, der SPD und den GRÜNEN]

Das ist erst einmal grundsätzlich nicht zu kritisieren. Die Frage ist jetzt natürlich, da sind wir in einer offenen Debatte – leider wird diese Debatte sehr stark vermachtet geführt, und die Kreativität hat dabei nicht so wahnsinnig viele Chancen –, an welchen Komponenten, an welchen Parametern dieses Raums oder der Fläche bei der Frage angedockt wird, wie hoch der Beitrag eines solchen Flächeninhabers bei der Finanzierung des Gemeinwesens sein muss. Ist es die reine Fläche selbst? Dafür spricht ein wenig etwas, weil das eine Rolle spielen muss. Ist es die Frage des Wertes der Fläche? Was macht also den Wert aus? Ist es die Nutzbarkeit, die tatsächliche Nutzung, die Bebauung, das aufstehende Gebäude, die Bebaubarkeit? Welche Folgen oder Steuerungselemente gibt es denn jeweils, wenn man sich für die eine oder andere Variante entscheidet?

Es spricht sehr viel dafür, dass man den Wert der Bebauung selbst mit einbezieht, dass man auch die tatsächliche Nutzung einbezieht. Es ist wenig sinnvoll, ein gleich großes Grundstück eines Einfamilienhausbesitzers genauso per Grundsteuer zu besteuern wie ein Grundstück, auf dem ein Haus mit einem erheblichen Verwertungspotenzial steht. Das muss man in dieser Form schon einbeziehen. Da wird es in irgendeiner Form eine Regelung geben. Ich glaube, es wird nur eine halbgute sein. Trotzdem ist es aber kein Argument dafür, diese Steuer entfallen zu lassen. Das sage ich jetzt einmal als Haushaltspolitiker. 800 Millionen Euro strukturell sind ein ziemlicher Hammer. Wenn Sie sagen, dass hier Geld vielleicht falsch ausgegeben wird, dann mag das sein. Da findet immer der eine das und der andere das. Sich damit auseinanderzusetzen, ist vollkommen richtig. Auch das Argument, dass wir derzeit große Überschüsse haben, ist eines, das an diesem Punkt nicht zieht. Denn warum haben wir diese Überschüsse? Einerseits haben wir sie, weil wir eine zu Teil strukturell, zum Teil aber auch konjunkturell bedingt hervorragende Einnahmesituation haben, vor allem aber, weil wir eine Ausgabesituation haben, die wir zum Teil als nicht befriedigend empfinden, weil es uns eben noch

(Christian Goiny)

nicht gelingt, die notwendigen Investitionen umzusetzen. Wir wollen sie aber umsetzen. Wir wollen mehr Geld an dieser Stelle ausgeben. Weil es uns noch nicht gelingt, die Infrastruktur dafür aufzubauen, dass öffentliche Aufgaben vernünftig erfüllt werden. Ja, wir müssen in den öffentlichen Dienst mehr investieren. Wir wollen mehr Fachkräfte einstellen, als wir derzeit können. Das alles kostet natürlich strukturell Geld. An dieser Stelle zu sagen: Wir nehmen einmal 800 Millionen Euro heraus, und den Rest regelt das Leben, halte ich für unverantwortlich.

[Beifall bei der LINKEN, der SPD und den GRÜNEN]

Es gibt noch einen weiteren Grund, den Sie sonst gern heranführen. Wir können doch nicht in einer Situation, in der wir als Bundesland natürlich im System des Länderfinanzausgleichs von anderen Bundesländern einen Teil ihrer Einnahmen bekommen, sagen, dass wir als Land diesen Teil der Einnahmen nehmen, aber wir, Berlin, als Kommune auf eine Einnahme verzichten, die ganz viele andere Kommunen erheben.

[Beifall von Anja Schillhaneck (GRÜNE)]

Das würde man uns zu Recht vorwerfen, wenn wir als Berlin auf eine solche Einnahme verzichteten. Ich würde mir diesen Vorwurf ungern vorhalten lassen.