Vielen Dank, Frau Präsidentin! – Entschuldigen Sie bitte, dass ich nicht voraussehen konnte, wie lange die Rede der Kollegin noch geht. – Liebe Frau Bentele! Ich finde es natürlich sehr schade, weil wir uns im Grunde von der Zielrichtung her offensichtlich einig sind, aber Sie uns vorgeworfen haben, wir wollten die Umsetzung mehr schlecht als recht in die Wege leiten. Ich darf Ihnen sagen: Natürlich stehen wir auch in Kontakt mit ehemaligen Kameraden. Ich selbst war zum Beispiel jemand, der den Gedanken, zur Bundeswehr zu gehen, überhaupt erst gefasst hat, nachdem ein Jugendoffizier bei uns auf dem Gymnasium war, übrigens – und da hake ich genau ein, wo Ihre Kritik ansetzt – auf Initiative meines damaligen Rektors und nicht auf Initiative meines Lehrers im Leistungskurs Politik; das war nämlich ein Altachtundsechziger, der das von sich aus niemals gewollt hätte.
Würden Sie mir nicht zustimmen, dass es schön ist, wenn diese Strategie dazu führt, dass immer mehr Jugendoffiziere an die Schulen kommen? Allerdings müssten Sie mit mir eigentlich übereinstimmen, dass es nicht Sinn und Zweck sein kann, dass die Bundeswehr bei Schulen und Lehrern als Bittsteller auftritt, sondern dass der Besuch von Jugendoffizieren eine Selbstverständlichkeit sein müsste.
Solange diese Selbstverständlichkeit nicht eingetreten ist, macht es doch sehr wohl Sinn, dass eine entsprechende Vereinbarung angeschlossen wird. Übrigens existiert diese bereits in den beiden Ländern Bayern und BadenWürttemberg, die Bildungsleuchttürme in Deutschland sind. Gerade von diesen Bundesländern könnte man sich eine große Scheibe abschneiden. – Danke schön!
Herr Kollege Weiß! Sie konnten mein Argument nicht entkräften. Wie gesagt: Die Jugendoffiziere, mit denen ich gesprochen habe, die hier aktuell in der Arbeit sind, die ihre Arbeit in Berlin kennen, sagen, dass diese Strategie kontraproduktiv ist, dass sie nichts bringt, dass sie die Türen eher verschließen als öffnen wird. Und sie haben eine erfolgreiche Strategie eingeschlagen. Weshalb sollten sie diese ändern?
Abgesehen davon: Eine Kooperationsvereinbarung, das haben Sie sehr richtig zitiert, ist kein Automatismus. Keiner kann dazu verpflichtet werden, die Bundeswehr einzuladen. Dazu müssten Sie einen anderen Antrag stellen. Sie müssen die Lehrer überzeugen. Selbst wenn eine Schulkonferenz einen anderslautenden Beschluss gefasst hat, kann sich der Fachlehrer darüber hinwegsetzen. Insofern: Es passiert doch schon. Die Kooperationsvereinbarung bringt nichts, sie schadet mehr. Hören Sie auf Ihre eigenen Kollegen!
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Um es gleich ganz klar zu sagen: Unter Rot-Rot-Grün wird es keine Kooperationsvereinbarung mit der Bundeswehr geben!
Ich erlaube mir vorweg eine generelle Bemerkung zur Werbestrategie der Bundeswehr. Die Werbung der Bundeswehr im öffentlichen Raum, im ÖPNV, an Haltestellen und auch im direkten Umfeld von Schulen, ist verharmlosend, einseitig und manipulativ.
Die viel kritisierte Doku-Soap zum Mali-Einsatz auf Youtube stellt eine der gefährlichsten UN-Missionen wie ein Actionspiel dar, um gezielt Jugendliche über die sozialen Netzwerke Snapchat, Instagram und Facebook zu erreichen. Die größtenteils noch minderjährigen jungen Menschen sollen auf emotionaler Ebene, durch Abenteuer, Technik, Korpsgeist und Karriereperspektiven,
angesprochen werden, während die realen Gefahren, traumatisiert, verletzt oder sogar getötet zu werden und in solchen Kriegseinsetzen auch selbst töten zu müssen, absichtlich ausgeblendet werden. Das nenne ich eine perfide und auch unehrliche Strategie der Bundeswehr, um Nachwuchs zu gewinnen.
[Beifall bei der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN – Bernd Schlömer (FDP): Ist aber preisgekrönt, die Kampagne!]
Nein! – Die Behandlung von außen- und sicherheitspolitischen Themen im Unterricht wie z. B. des Syrien- oder Afghanistankriegs, in dem ausschließlich Jugendoffizierinnen und -offiziere der Bundeswehr eingeladen werden, sehen wir als Linke äußerst kritisch, weil die Bundeswehr hier nicht neutral agiert, sondern als Partei. Sie haben als Soldatinnen und Soldaten die Vorgaben des Bundesministeriums für Verteidigung zu beachten und sind eben nicht zufällig oder gar uneigennützig im Einsatz an den Schulen, sondern mit einem ganz klaren Rekrutierungsinteresse – auch, wenn das gerne abgestritten wird. Die Arbeit von gut geschulten Jugendoffizierinnen und -offizieren und Karriereberaterinnen und -beratern – also, zwischen Öffentlichkeitsarbeit auf der einen und Nachwuchswerbung auf der anderen Seite – geht in der Praxis
fließend ineinander über. Das kann man auch gar nicht zu 100 Prozent voneinander trennen. Wir als Linke lehnen daher den Abschluss einer Kooperationsvereinbarung mit der Bundeswehr entschieden ab.
Und um ehrlich zu sein, finden wir es auch seitens unseres Koalitionspartners SPD, welcher die Bildungssenatorin stellt, zu wenig, sich in diesem Fall auf die Eigenverantwortlichkeit der Schulen zurückzuziehen. Denn natürlich vertritt die Bundeswehr hier klare Eigeninteressen, ist nicht neutral und kann daher als alleiniger Diskussionspartner das Kontroversitätsgebot gar nicht erfüllen.
[Beifall bei der LINKEN – Georg Pazderski (AfD): Wussten Sie, dass die Bundeswehr eine Parlamentsarmee ist? Oder ignorieren Sie das?]
Wir würden es daher sehr begrüßen, wenn die Senatsbildungsverwaltung die Schulleitungen darauf hinweisen würde, dass auch Friedens- und Entwicklungsorganisationen oder das Technische Hilfswerk kompetente außerschulische Ansprechpartner und Ansprechpartnerinnen sind, denn es braucht wahrlich nicht die Bundeswehr, um junge Menschen zur Mündigkeit zu befähigen und um sicherheitspolitische Fragen zu diskutieren, wie im vorliegenden AfD-Antrag behauptet wird.
Nein, danke! Keine Zwischenfragen – von der AfD schon gar nicht! – Im Jugendoffiziersbericht 2017 wurde vermerkt, dass im CDU-geführten Sachsen-Anhalt und in Berlin – Zitat – „regionale Vorbehalte“ gegenüber Jugendoffizierinnen und -offizieren bestehen. – Das finde ich doch ermutigend,
dass sich offenbar junge Menschen in Berlin deutlich kritischer mit der Rolle der Bundeswehr auseinandersetzen als in andern Bundesländern. Das bedeutet aus meiner Sicht, dass viele Lehrerinnen und Lehrer in Berlin etwas richtig machen.
Deswegen wird es mit uns in Berlin keine Kooperationsvereinbarung mit der Bundeswehr geben. Kein Werben fürs Sterben – auch nicht in Berliner Schulen! – Danke schön!
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wenn ein Verfassungsorgan der Bundesrepublik Deutschland – und das ist die Bundeswehr unzweifelhaft – über ihren grundgesetzlichen Auftrag, über ihren Verteidigungsauftrag, im Rahmen des regulären schulischen Unterrichts informiert, ihre außen- und sicherheitspolitische Rolle erläutert sowie den Ablauf und die Funktionsweise einer Parlamentsarmee beschreibt, dann ist dies verfassungsrechtlich völlig in Ordnung.
[Beifall bei der FDP, der CDU und der AfD – Beifall von Torsten Hofer (SPD), Thomas Isenberg (SPD), Tino Schopf (SPD)]
Und wenn sie dies im öffentlichen und fairen Streitgespräch, auch insbesondere in der Schule, führen kann, mit ihren Gegnern und Kritikern, dann ist es sogar noch ein Stück besser!
Das habe ich auch nicht behauptet! – Und darum geht es den Antragstellern im vorliegenden Antrag grundsätzlich im Kern.
Unzulässig ist hingegen – und das ist auch völlig klar: die gezielte Beeinflussung von Schülerinnen und Schülern in eine bestimmte Richtung, das unverblümte Werben um ausschließlich einen alternativlosen Arbeitgeber und die alleinige Darstellung von Berufs- und Karrierewegen in der Bundeswehr. Aber das macht meines Wissens auch keine Schule.
Schule bietet viele Eindrücke beruflichen Lebens, ob beim Girls’ Day, den auch Jungen nutzen können, ob während der Schulpraktika in vielen Unternehmen, Vereinen und Verbänden, auch bei berufskundlichen Besuchen in örtlichen Arbeitsagenturen dieser Stadt.
Nur wer die Bundeswehr kennt, kann sie auch beurteilen. Soldaten und Soldatinnen in der Bundeswehr sind keine Monster und keine Aggressoren.
[Vereinzelter Beifall bei der FDP – Beifall bei der AfD – Sebastian Schlüsselburg (LINKE): Hat auch niemand behauptet!]
Sie sind meine Kollegen, und sie sind Menschen, Bürger und kritische Geister. Sie sind Teil unserer Gesellschaft, und sie diskutieren lebhaft. Eine demokratische, eine streitbare, eine liberale und eine offene Gesellschaft braucht die Bundeswehr nicht zu fürchten. Daher sollten wir Schülerinnen und Schülern Wahlmöglichkeiten bieten, sich selbst ein Urteil über die Bundeswehr zu bilden, selbstbestimmt durch eigenes Erfahren, durch die ausgewogene Vermittlung unterschiedlicher Sichtweisen. Für und Wider aufzeigen und dann entscheiden lassen, auch im schulischen Prozess, das ist ein gangbarer Weg!