Protocol of the Session on May 17, 2018

Wir kommen zu

lfd. Nr. 3:

Prioritäten

gemäß § 59 Abs. 2 der Geschäftsordnung des Abgeordnetenhauses von Berlin

Ich rufe auf

lfd. Nr. 3.1:

Priorität der AfD-Fraktion

Tagesordnungspunkt 30

Verurteilung der Demonstration anlässlich des al-Quds-Tages

Antrag der AfD-Fraktion Drucksache 18/1029

In der Beratung beginnt die AfD-Fraktion und hier der Abgeordnete Dr. Bronson. – Bitte sehr!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich muss hier im Plenum eigentlich nicht auf die Genese des alQuds-Marsches eingehen. Wir wissen alle, was sich seit über 30 Jahren mit trauriger Regelmäßigkeit auf dem Kurfürstendamm vollkommen ungestört abspielt. Es kommen etwa 500 Menschen zumeist orientalischer Herkunft zusammen, um lautstark zur Zerschlagung und Vernichtung des Staates Israel aufzufordern. Einbezogen in diese geforderte Vernichtung Israels ist dabei die gesamte Bevölkerung des Landes – immerhin über 8 Millionen Israelis, von denen 1,5 Millionen Araber sind. Ob man ihnen das gleiche Schicksal wie den 6,5 Millionen Juden zugedacht hat, die man in das Meer treiben will, darüber vermag auch die islamistische Gruppe Quds-AG keine Auskunft zu geben, die seit 2003 für die Logistik verantwortlich zeichnet.

Die Demonstranten sind auf enger Tuchfühlung mit der durch Bombenattentate berüchtigten Hamas und mit der von der Arabischen Liga als Terrororganisation eingestuften Hisbollah, deren Fahnen und Symbole immer noch unverhohlen zur Schau gestellt werden. Der ganze kriminelle Akt der größten antisemitischen Veranstaltung in Deutschland ist regelmäßig Gegenstand von Berichten

des Verfassungsschutzes. Seit Jahren fordert der Zentralrat der Juden das Verbot des al-Quds-Marsches. Mit der gleichen Regelmäßigkeit aber wird diese Forderung ignoriert, was nicht weiter verwundert. Gerade im linken Spektrum sind sowohl Islam-Appeasement als auch Antisemitismus und Israelhass regelmäßig wahrzunehmen. Mit dem alten Taschenspielertrick, Antisemitismus als Antizionismus zu tarnen, als berechtigte Kritik an der Politik Israels auszugeben, werden Juden diskreditiert und als Zielscheibe religionsbezogenen Menschenhasses freigegeben.

[Hui! von der AfD]

Im September berichtete der „Tagesspiegel“, dass der Regierende Bürgermeister Berlins es fast auf die Liste der zehn weltweit schlimmsten Fälle von Antisemitismus geschafft hatte, die das Simon-Wiesenthal-Zentrum jedes Jahr zusammenstellt. Im Dezember hatten muslimische Antisemiten am Brandenburger Tor Israel-Fahnen verbrannt, ohne dass von Innensenator Geisel auch nur ein Finger gerührt wurde. Wahrscheinlich hat er geglaubt, Donald Trump sei verantwortlich, der gerade Jerusalem als Hauptstadt Israels anerkannt hatte. Bis in das Weiße Haus reichte die Jurisdiktion des Genossen Geisel nun einmal nicht, also tat man auch nichts. Stattdessen kam es ein paar Tage später, beim symbolischen Anzünden der Chanukkaleuchter am Brandenburger Tor zu Betroffenheitserklärungen wegen der Fahnenverbrennungen. R2G erklärte der staunenden Welt die wachsende Gefahr von rechts und ignorierte geflissentlich den Antisemitismus der importierten Art mit der allergrößten Scheinheiligkeit, so als ob es ihn gar nicht gäbe.

[Beifall bei der AfD]

Dabei ist diese Stadt nicht arm an antisemitischen Brutalitäten. Da wird an einer Schule an der Jungfernheide ein jüdischer Schüler von Migrationshintergründlern von der Schule gemobbt. Der Junge möchte jetzt in Israel auf ein Internat gehen.

Weil es kaum jemand mehr wagt, mit einer Kippa durch diese Stadt zu gehen, wurde von der Jüdischen Gemeinde am 25. April ein „Kippa-Tag“ organisiert – eine wahre Sternstunde für die Betroffenheitsapostel um Herrn Müller, Herrn Özdemir und Klaus Lederer, der zumindest eingestand, dass es auch ein linkes Problem mit dem Antisemitismus gebe. Ansonsten wurde in pawlowschen Reflexen vor der bösen AfD gewarnt: Sie sagen „Antisemitismus“, und der Hund kläfft. Wahre Lösungsvorschläge gab es keine.

[Zuruf von Regina Kittler (LINKE)]

Keiner der Herren hatte es gewagt, sich am Hermannplatz mit Kippa zu zeigen, wo eine Parallelveranstaltung schon nach 15 Minuten abgebrochen werden musste, weil es zu tätlichen Angriffen gekommen war.

[Torsten Schneider (SPD): Waren Sie auch da? – Frank-Christian Hansel (AfD): Ja, wir waren da!]

So sieht es aus, wenn man in migrantischen Stadtvierteln eine andere Religionszugehörigkeit hat und sie auch zeigt.

Ich möchte Sie bitten, mit einer namentlichen Abstimmung ganz klar Ihre Zustimmung zu unserem Antrag zu zeigen. Wir wollen den rechtsbrüchigen al-Quds-Marsch verbieten und brauchen fraktionsübergreifend Ihre Zustimmung.

[Beifall bei der AfD]

Ich fordere Sie auf, hier und heute zu handeln. Alles andere wäre Verrat an unseren jüdischen Mitbürgern. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

[Beifall bei der AfD – Frank Zimmermann (SPD): Sie verdrehen die Tatsachen! – Benedikt Lux (GRÜNE): Ich habe eine Frage!]

Vielen Dank! – Für die SPD-Fraktion hat die Kollegin Dr. Kitschun das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der al-Quds-Marsch ist antisemitisch und schwer erträglich. Schwer erträglich ist aber auch die Instrumentalisierung dieses wichtigen Themas durch die AfD-Fraktion.

[Beifall bei der SPD, der LINKEN und den GRÜNEN – Georg Pazderski (AfD): Ach, lassen Sie sich doch mal was Neues einfallen!]

Wir wenden uns – und das ist der entscheidende Unterschied – entschieden gegen alle Formen von Antisemitismus, namentlich auch gegen israelbezogenen Antisemitismus. Schon seit vielen Jahren unterstützt die Berliner SPD gemeinsam mit vielen jüdischen und gesellschaftlichen Organisationen und anderen Fraktionen in diesem Haus die Demonstration gegen den al-QudsMarsch. Auch in diesem Jahr werden wir wieder breit zur Gegenkundgebung aufrufen. Ein präventives Verbot dieses antisemitischen Marsches, wie es immer wieder gefordert wird, war bisher rechtlich nicht möglich. Das hat seinen Grund darin, dass die Meinungs- und Versammlungsfreiheit in unserer Geschichte hart erkämpft wurden und grundgesetzlich geschützt sind. Die Hürden für ein Präventivverbot einer Versammlung sind deshalb aus gutem Grund hoch.

[Beifall bei der SPD, der LINKEN und den GRÜNEN]

Es trifft aber keineswegs zu, dass diese Versammlung völlig ungestört, wie Sie es behauptet haben, stattfindet, sondern für den al-Quds-Marsch wird es in diesem Jahr wie auch in den letzten Jahren starke Auflagen durch die

(Dr. Hugh Bronson)

Polizei geben. Untersagt wird das Werben für die Hisbollah und ihr nahestehende Organisationen, das Zeigen ihrer Kennzeichen, Symbole oder Embleme. Untersagt sind menschenfeindliche, antisemitische Parolen, diffamierende Äußerungen. Verboten ist das Verbrennen von Gegenständen wie Fahnen oder Puppen.

Die AfD-Fraktion hat die Sofortabstimmung dieses Antrags beantragt. Diese Notwendigkeit sehen wir nicht. Der al-Quds-Marsch findet erst in dreieinhalb Wochen statt und – anders, als Sie es in Ihrem Antrag schreiben – wohl auch erst am Samstag, dem 9. Juni. Wir werden den Antrag – das ist unser Vorschlag – deshalb an den Innenausschuss überweisen und dort, wie es üblich ist, sozusagen retrospektiv über den konkreten Verlauf der diesjährigen Demonstration und die Wirksamkeit der erteilten Auflagen beraten.

Muslimischer Antisemitismus, wie er sich zum Beispiel beim al-Quds-Marsch zeigt, ist besorgniserregend. Aber es ist nicht die einzige Form von Antisemitismus. Wichtig ist deshalb, wie ich es eingangs betont habe, dass wir uns allen Formen von Antisemitismus entgegenstellen. Dazu gehören selbstverständlich auch der deutschvölkische Antisemitismus und der Antisemitismus in der Mehrheitsgesellschaft.

[Beifall bei der SPD, der LINKEN und den GRÜNEN]

Wenn Sie, meine Damen und Herren von der AfD, ein glaubwürdiger Partner beim Kampf gegen Antisemitismus und Menschenfeindlichkeit sein wollen, dann müssen Sie hier nacharbeiten! Es reicht nicht, sich auf muslimischen Antisemitismus zu beschränken.

[Beifall bei der SPD, der LINKEN und den GRÜNEN – Georg Pazderski (AfD): Beim nächsten Mal bei meiner Rede zuhören! – Torsten Schneider (SPD): Das zu hören, tut wohl weh, Herr Pazderski!]

Ich habe das Wort! – Mit dieser Meinung stehen wir nicht alleine da. Ich zitiere aus dem Beitrag „Die AfD und der Antisemitismus“ des Politikwissenschaftlers Prof. Armin Pfahl-Traughber – Zitat –:

Dabei wird deutlich, dass die Partei einen instrumentellen Bezug zum Thema hat: Antisemitismus wird primär bei Flüchtlingen und Muslimen gesehen. Antisemitismus in der deutschen Mehrheitsgesellschaft und in der eigenen Partei hingegen nimmt man kaum zur Kenntnis. Dies wäre aber durchaus notwendig …

[Beifall bei der SPD, der LINKEN und den GRÜNEN – Zuruf von Georg Pazderski (AfD)]

Der Politikwissenschaftler Pfahl-Traughber kommt zu folgendem Ergebnis: Die AfD ist – ich zitiere – „eine

Partei mit einem Antisemitismus-Problem“ – Zitat Ende. Dem ist nichts hinzuzufügen. – Danke!

[Beifall bei der SPD, der LINKEN und den GRÜNEN]

Dann hat der Abgeordnete Dr. Bronson eine Zwischenbemerkung angemeldet.

[Benedikt Lux (GRÜNE): In Ihrem Antrag steht was ganz anderes, als Sie gesagt haben!]

Frau Kitschun! Ich möchte Sie einfach fragen: Wenn Sie meinen, dass dieser Marsch nicht ungestört verlaufen kann – wie ist es denn möglich, dass es seit 30 Jahren jeden Frühsommer passiert? Wie ist es möglich, dass die Berichte des Verfassungsschutzes ignoriert werden? Sie haben nicht einmal versucht, diesen Marsch auf dem Verwaltungsweg zu verbieten.

[Benedikt Lux (GRÜNE): Was wollen Sie denn? Sie kennen ja nicht mal Ihren Antrag! Lesen Sie mal Ihren Antrag!]

Das erlaubt § 15 Versammlungsgesetz. Wenn die Gefahr der öffentlichen Ordnung gegeben ist, dann kann solch ein Marsch verboten werden. Jedes Mal ist dieser unsägliche Marsch im Zentrum der Weltöffentlichkeit. Wir brauchen mehr Polizisten, um diesen Marsch zu schützen, als tatsächlich Teilnehmer da sind. Das ist doch beschämend! Warum werden Sie nicht endlich mal aktiv und sagen: „Diesen Marsch wollen wir in der deutschen Hauptstadt nicht mehr haben“? – Die Jüdische Gemeinde wäre Ihnen sehr dankbar dafür.