Protocol of the Session on March 22, 2018

Meine Damen und Herren von Senatsseite! Nach 400 Tagen im Amt ist eine solche Antwort als Lösung einfach zu wenig.

[Beifall bei der FDP und der CDU]

Was der Senat ebenfalls verschlafen hat, ist die Einführung des digitalen Bettennachweissystems IVENA. – Es wird nicht jeder in diesem Raum wissen, was IVENA ist. Deswegen werde ich es kurz beschreiben: Das ist eine ganz tolle Erfindung, weil man nämlich in Echtzeit in den Krankenhäusern sehen kann, welche Betten und auch welche Kreißsäle frei sind. Das System ist nicht neu; es gibt es seit 2010. Es wurde in Frankfurt erfunden. Andere Städte haben es schon; in Berlin haben wir es noch nicht.

Ich frage mich nur: Wann kommt es? – Und wenn Sie jetzt in dem Zehn-Punkte-Plan schreiben, Sie wollen, dass IVENA demnächst eingeführt wird, dann ist das kein Erfolg, dass das kommen soll, es ist das Versagen des Senats, dass es immer noch nicht da ist.

[Beifall bei der FDP]

Der einzige Punkt in dem Zehn-Punkte-Plan, der wirklich hilfreich, neu, innovativ und aus unserer Sicht ganz gut ist – ich will auch etwas Positives sagen –, ist der Punkt 6, die Online-Vermittlungsplattform für Hebammen. Hier sehen auch wir als FDP Potenziale – aber ich glaube, wir sehen die auch deshalb, weil der Hebammenverband diese Online-Plattform entwickeln soll und nicht der Senat. Denn das Vertrauen in den Senat ist bei uns nicht mehr vorhanden, dass er dort etwas Gutes entwickeln könnte.

[Beifall bei der FDP]

Wie der Senat arbeitet, möchte ich an dem letzten Punkt zeigen, der das am eindrucksvollsten beschreibt. Es ist übrigens der einzige in dem Zehn-Punkte-Plan, wo der Senat nicht sagt, was er gerne machen möchte nach fünf Jahren Hebammenmangel, sondern konkret sagt, was er bereits getan hat: Das ist Punkt 5, die Anerkennung ausländischer Hebammen. Der Senat hat vier neue Stellen geschaffen, um die Anerkennung ausländischer Hebammen zu beschleunigen.

Das liest sich erst einmal toll; hört sich gut an. Aber beim Blick auf die Zahlen ist das Ergebnis doch sehr ernüchternd. Dazu empfehle ich Ihnen die Schriftliche Anfrage des Kollegen Ludewig, die vor wenigen Tagen veröffentlicht wurde. Der Kollege fragt nämlich, wie viele Anträge denn gestellt wurden und wie viele schon bearbeitet worden sind bzw. wie viele noch offen sind. Vier Mitarbeiter – und die Antwort des Senats ist: In den letzten zwei Jahren wurden 43 Anträge gestellt – also 20 pro Jahr. 26 davon wurden genehmigt. Das sind pro Mitarbeiter sechs Stück. Da stelle ich mir die Frage: Entweder haben Sie sich die Mitarbeiter vom BER geholt, Frau Kolat – bei der Arbeitsgeschwindigkeit –,

[Heiterkeit bei der FDP]

oder Sie haben eine völlige Fehlplanung, weil Sie viel mehr Leute einstellen, als Sie brauchen. – Ich glaube, das Zweite ist der Fall, denn ich weiß, dass die Mitarbeiter eigentlich alle ganz gut und fleißig arbeiten.

[Beifall bei der FDP]

Und wenn Sie wirklich die Hebammen aus dem Ausland, aus anderen Ländern hierher hätten holen wollen, dann hätten Sie das vielleicht erst einmal mit einer qualitativ hochwertigen Imagekampagne versucht, anstatt für 40 Anträge auf zwei Jahre vier Mitarbeiter einzustellen.

Wenn Sie wirklich diese Stadt voranbringen, etwas besser machen wollen, dann fangen Sie endlich damit an! Sagen Sie konkret, wie genau die Arbeitssituation der Hebam

men verbessert werden soll und nicht nur, dass sie verbessert werden soll! Geben Sie den Hebammen so schnell wie möglich eine bessere Bezahlung! Kümmern Sie sich um die Einrichtung eines Haftpflichtfonds! – Der muss natürlich auf Bundesebene eingeführt werden. Aber da könnten Sie eine Bundesratsinitiative starten; das machen Sie ja ganz gern. – Überlegen Sie sich Konzepte für eine bezahlbare und auskömmliche Altersversorgung für Hebammen, und treiben Sie endlich die Akademisierung des Berufs voran!

Wenn Ihnen selbst die Ideen dazu fehlen, dann seien Sie doch so ehrlich und lassen Sie andere diese Stadt gestalten, die mit Ideen und Engagement diese Stadt voranbringen wollen! – Vielen Dank!

[Beifall bei der FDP – Vereinzelter Beifall bei der AfD]

Für die SPD-Fraktion hat jetzt Herr Kollege Isenberg das Wort. – Bitte schön, Herr Kollege!

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Kluckert! Ich gehe nachher auf Ihre Sachen ein. Aber lassen Sie mich erst einmal mit der Situationsbeschreibung beginnen: Ja, wir haben eine gute Nachricht für Berlin! – Die Zahl der Geburten ist seit Jahren steigend, und das ist gut.

Aber natürlich, wir haben da ein Problem in der öffentlichen Infrastruktur: Auch bei der Geburtshilfe müssen wir mitwachsen, und Eltern und Mütter und ihre Partnerinnen und Partner müssen sich darauf verlassen können, dass ihnen bestens geholfen wird, dass Geburt und Geburtsvorbereitung verlässlich organisiert sind.

Überfüllte Kreißsäle, das lange Suchen nach einer Hebamme, das Aufkommen privater Vermittlungsdienste, wo Mütter oder Angehörige der künftigen Kinder horrende Vermittlungsgebühren zahlen müssen – 700, 800, 1 000 Euro und mehr für eine Hebamme –, zeigen: Wir haben hier ein Versagen der öffentlichen Gesundheitsorganisation auf dieser Baustelle.

[Beifall bei der FDP]

Das werden wir nicht lösen mit privatwirtschaftlichen Elementen oder den nicht vorgetragenen Lösungsansätzen von Ihnen, Herr Kluckert. Das werden wir dadurch lösen, dass die Gesundheitsversorgung der gesetzlichen, solidarischen Krankenversicherung auch in Berlin weiter ausgebaut wird. Wir wollen nicht, dass die Geburt von Kindern vom Geldbeutel der Eltern abhängt. Das ist eine öffentliche Aufgabe, der wir uns stellen in dieser Legislaturperiode.

(Florian Kluckert)

[Beifall bei der SPD, der LINKEN und den GRÜNEN]

Der Koalitionsvertrag hat an mehreren Stellen, schon als wir die Koalition gebildet haben, das Thema Leistung rund um die Geburt genannt. Die Anhörungen im Ausschuss haben verdeutlicht, dass derzeit Frauen oftmals keine Wahlfreiheit haben, die wir für sie haben wollen. Oftmals ist es eben nicht möglich, sich sachgemäß zu informieren: Ist eine Hausgeburt das Beste oder möglich? Brauche ich eine Beleghebamme? Welche ist die meines Vertrauens? Oder wie ist denn die Qualität überhaupt in den unterschiedlichen Kreißsälen, und wie kann die Qualität dort gesichert werden?

Ich bin erschreckt – das sage ich ganz offen –, bei den Ausschussberatungen festgestellt zu haben, wie viel, meine Kolleginnen und Kollegen von der Union, hier offensichtlich damals auf den Schreibtischen in der Senatsgesundheitsverwaltung liegen geblieben ist.

[Beifall bei der SPD, der LINKEN und den GRÜNEN]

Hätte der damalige Gesundheitssenat der letzten Legislaturperiode sich rechtzeitig um die Ausbildungsplätze gekümmert, dann gäbe es jetzt mehr Hebammen in Berlin. Doch dazu waren erst die Beratungen dieser Koalition, die Vorlage eines Aktionsprogramms der Senatsgesundheitsverwaltung nötig, um Hilfe für die betroffenen Mütter zu schaffen.

Viel Zeit ist hier verschenkt worden. Vielen Müttern könnte es in Berlin besser gehen, wäre hier eher konsequent gehandelt worden.

[Beifall bei der SPD, der LINKEN und den GRÜNEN]

Bitte bedenken Sie auch: Kindererziehung, genau wie die Pflege von Pflegebedürftigen, ist de facto oftmals weiblich. Frauen sind es, die oftmals die doppelte Last tragen in dieser Gesellschaft, zusätzlich zur Erwerbsarbeit. Das wollen wir ändern; das müssen wir ändern. Die Koalition ist angetreten, um dies zu ändern.

Liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU! Seien Sie doch einmal ehrlich: Hätte man sich in den letzten fünf Jahren nicht mehr um die Pflege kümmern können? Warum haben Sie denn damals keine Pflege-Abteilungen in der Senatsverwaltung aufgebaut, die es erst jetzt gibt und die erst künftig dafür sorgt, dass auch die pflegenden Angehörigen Unterstützung bekommen und damit auch mehr Zeit für ihre Kinder rund um die Geburt haben?

Genau da liegt das Problem, meine sehr geehrten Damen und Herren von der CDU: Die Union redet immer über Familien- und Generationspolitik, lässt aber de facto die Frauen allein.

[Beifall bei der SPD, der LINKEN und den GRÜNEN]

Sei es drum! Eigentlich wäre da Demut angesagt bei Ihnen. Aber ich bin sicher: In Ihren Redebeiträgen präsentieren Sie das Gegenteil. Sei es drum! Die Koalition handelt, und es ist sehr gut zu sehen, dass die Senatsgesundheitsverwaltung genau die Beratungen, die wir geführt haben, aufgegriffen und weiter ergänzt hat und wir jetzt 20 Millionen Euro Haushaltsanmeldungen vorliegen haben für SIWANA-Sonderinvestitionen in Kreißsäle an sechs Standorten.

Das ist gut. Lassen Sie uns diese notwendige Zukunftsinvestition demnächst hier beschließen! Helfen wir den Müttern, Vätern und künftigen Kindern in Berlin! Da sind wir auf der richtigen Seite.

[Beifall bei der SPD, der LINKEN und den GRÜNEN]

Ich bin froh zu sehen, dass es nicht nur ein theoretisches Aktionsprogramm ist – im Gegenteil: Es ist ein Aktionsprogramm, das hier ausgearbeitet und vorgelegt worden ist, das sichere und gute Geburten kurzfristig schon umsetzt: 130 zusätzliche Ausbildungsplätze bei den Hebammen – eine Verdoppelung im Vergleich zu 2013 –, ein Runder Tisch mit allen Beteiligten, eine Evaluation von präzisen Maßnahmen, bessere Arbeitsbedingungen, Anerkennung von ausländischen Hebammen, Akademisierung der Hebammen und – das ist mir ganz wichtig – die Fortsetzung unserer Initiative auf Bundesebene, verpflichtende Personalstandards und Mindeststandards vorzugeben, die notwendig sind für eine humane und sichere Patientenversorgung.

Herr Kollege! Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Fresdorf?

Ja, bitte!

Vielen Dank, Herr Kollege Isenberg! – Was verstehen Sie denn konkret unter der Verbesserung der Arbeitsbedingungen der Hebammen? Können Sie uns da einige Beispiele nennen?

Ja! Es ist notwendig, hier durch Best-Practice-Beispiele, die aufgelegt werden, zu einem gemeinsamen Standard zu kommen, um diesen dann auch im Berliner Gesundheitswesen als Standard zu verankern. Dieser Ansatz ist neu. Andere wollen de facto deregulieren, und wir sagen: Uns ist Arbeit wichtig. Wir wollen den Arbeitsplatz auch beschreiben – der dann gegenzufinanzieren ist.

[Zurufe von Heiko Melzer (CDU), Dr. Gottfried Ludewig (CDU) und Thorsten Weiß (AfD)]

Ich gehe jetzt nicht auf alle Details dieses Aktionsprogramms ein. Das wird die Senatsgesundheitsverwaltung ausführlich erklären.

Kleinen Moment mal, Herr Kollege Isenberg! – Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das eine ist ein einzelner Zwischenruf, aber wenn alle dazwischenreden, dann werden wir uns gegenseitig nicht mehr verstehen. Das wäre bei dem Thema vielleicht nicht ganz angemessen.

[Kurt Wansner (CDU): Er soll ja nur auf die Fragen antworten, Herr Präsident!]

Herr Kollege Isenberg! Setzen Sie fort!

Liebe Kolleginnen und Kollegen von der FDP! Es ist nicht so, wie Sie schreiben. Die Hebammensuche dauert nicht länger als die Schwangerschaft.

[Paul Fresdorf (FDP): Viel länger!]

Was aber länger dauert, ist eine gute Politik für Kinder, Frauen und Eltern in Berlin in der Phase der Schwangerschaft und darüber hinaus. Deswegen bin ich froh, dass diese Koalition eine rot-rot-grüne Gesundheits-, Sozial- und Jugendpolitik aus einem Guss macht. Darauf können wir stolz sein.