Protocol of the Session on January 11, 2018

(Emine Demirbüken-Wegner)

Dazu zählt längst nicht mehr ausschließlich die Tätigkeit in einem Sportverein als Trainer oder bei der freiwilligen Feuerwehr oder als Schülerlotse – nein, es sind auch zunehmend Tätigkeiten gerade in vielen sozialen Diensten. Wir wissen alle, dass die sogenannte Flüchtlingskrise kaum zu bewältigen gewesen wäre, wenn wir nicht so viele freiwillige Helfer gehabt hätten. Wir haben Helfer in der Altenhilfe, in der Obdachlosenhilfe und in vielen, vielen anderen Bereichen, und ich möchte auch an dieser Stelle allen Ehrenamtlichen ganz herzlich und aufrichtig danken.

[Beifall bei der AfD]

Der Antrag der CDU, die Ehrenamtskarte aufzuwerten oder zu qualifizieren, soll natürlich die Arbeit der Ehrenamtlichen aufwerten und mehr Anerkennung zeigen und auch mehr Menschen für die ehrenamtliche Arbeit begeistern. Das ist so weit auch gut.

Aber ich möchte auch einmal die andere Seite des Ehrenamts oder des bürgerlichen Engagements beleuchten, und da fällt mir zum Beispiel ein, dass gemeinnützige Tätigkeiten auf keinen Fall in Konkurrenz zu regulärer Beschäftigung treten dürfen. Dort, wo sich ehrenamtliche Arbeit dauerhaft und unverzichtbar etabliert, muss die ehrenamtliche Tätigkeit letztendlich auch in bezahlte Arbeit, in steuer- und sozialversicherungspflichte Arbeit umgewandelt werden. Der Tendenz, finanzielle Vorteile dadurch zu erlangen, dass man Erwerbsarbeitsplätze durch ehrenamtliche Arbeit ersetzt, muss entgegengewirkt werden.

[Beifall bei der AfD]

Denn der so zitierte unschätzbare Wert der ehrenamtlichen Arbeit ist inzwischen durchaus errechenbar, und man hat das auch getan: Es ist ein inzwischen wirklich wesentlicher wirtschaftlicher Faktor geworden, und eine Studie – sie ist inzwischen schon zehn Jahre alt, trotzdem sehr prägnant – zeigt: Schon im Jahr 2008 – das ist zehn Jahre her – beliefen sich die Ehrenamtsarbeitsstunden auf 4,6 Milliarden Stunden im Jahr. In anderen Zahlen ausgedrückt sind das rund drei Millionen Vollzeitbeschäftigungsstellen.

Die AfD-Fraktion befürwortet – das habe ich schon gesagt – und unterstützt ehrenamtliches Engagement. Wir sagen aber auch deutlich nein, wenn der Staat sich zunehmend durch den Einsatz von ehrenamtlichen Helfern seiner sozialen Verantwortung entzieht und wenn ehrenamtliches Engagement im Auftrag des Staats zum Lückenbüßer für knappe Kassen wird.

Eine größere Anerkennung, wie sie ja hier gefordert wird, und eine Aufwertung unterstützen wir sehr wohl. Wir werden aber die weitere Entwicklung des Ehrenamts künftig aufmerksam, aber auch kritisch beobachten. – Vielen Dank!

[Beifall bei der AfD]

Vielen Dank! – Für die Linksfraktion hat die Abgeordnete Klein das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In einer so vielseitigen Stadt wie Berlin ist bürgerschaftliches Engagement unverzichtbar, und da wundert es mich schon, dass die AfD-Fraktion das Ehrenamt so hochhält und gleichzeitig die Ehrenamtlichen in Geflüchtetenunterkünften so runterputzt.

[Beifall bei der LINKEN und den GRÜNEN]

Rund ein Drittel der Berlinerinnen und Berliner engagiert sich freiwillig für ein gutes Zusammenleben in unserer Stadt. Sie alle erhalten dafür unsere Anerkennung, und es steht außer Frage: Diese Anerkennung muss sichtbarer werden, und so vielfältig, wie Berlin ist, sind die Möglichkeiten für die Anerkennung des Ehrenamts.

Der damals rot-rote Senat hat 2011 die Ehrenamtskarte in Berlin eingeführt. Seitdem wird sie stetig verbessert. Die letzte große Änderung war die Zusammenführung der Karte mit Brandenburg. So steht nun Inhaberinnen und Inhabern der Karte das gesamte Angebot in Berlin und Brandenburg zur Verfügung. Damals erhöhte sich die Zahl für Angebote, die mit der Karte in Anspruch genommen werden können, auf immerhin etwa 200. Dazu kommt, dass die Anzahl der ausgegebenen Karten noch einmal erhöht werden konnte: Waren es 2016 noch 4 500, sind es 2017 etwa 7 000 Ehrenamtskarten. Ich denke, auch da ist noch Luft nach oben. Als Nächstes steht die Kombination der Ehrenamtskarte mit der Jugendleiterkarte an. Das ist schon ein länger gehegter Wunsch, der von der Koalition unterstützt wird.

Liebe CDU-Fraktion! Im Grunde sind wir gar nicht so weit voneinander entfernt. Was allerdings jetzt in meinen Augen nicht so prioritär ist, ist der Vorschlag für eine Anstecknadel. Auf Platz 1 steht für mich: Ehrenamt darf nicht vom Geldbeutel abhängen.

Das führt mich zu dem Vorschlag, die Ehrenamtskarte mit einer Vergünstigung im öffentlichen Personennahverkehr zu verbinden. Ich muss sagen, ich höre das das erste Mal von der CDU. Bisher haben Sie sich dagegen gewehrt. Wie mir auch berichtet wurde, haben Sie das in der letzten Legislaturperiode streichen lassen.

Wenn uns das gelingen würde, wäre wirklich viel erreicht. Viele fahren mit den öffentlichen Verkehrsmitteln zu ihrer ehrenamtlichen Einsatzstelle, in der sie oft unentgeltlich helfen. Und was gibt es da bereits? – Das gehört mit zur Debatte: Die BVG leistet bisher einen Beitrag zur Anerkennung ehrenamtlichen Engagements. Sie stellt jährlich 13 000 Fahrkarten für Ehrenamtliche

(Jeannette Auricht)

zur Verfügung. Es wäre also klug, das miteinander zu verbinden. Doch nicht alle, die bisher von der BVG so eine Fahrkarte bekommen, haben einen Anspruch auf die Ehrenamtskarte. Es ist also notwendig, gemeinsam mit der BVG eine Idee zu entwickeln, die im realen Leben trägt.

Doch bevor wir hier im Abgeordnetenhaus über Anträge philosophieren, sollten wir die Inhaberinnen und Inhaber der Ehrenamtskarte befragen. Die Auswertung der bisherigen Erfahrungen ist für Sommer dieses Jahres geplant. Dann können wir uns auf weitere Verbesserungen für die Ehrenamtskarte verständigen, und ich gehe davon aus, dass wir da alle genau hinhören und entsprechende Verbesserungen auf den Weg bringen.

[Beifall bei der LINKEN, der SPD und den GRÜNEN]

Vielen Dank! – Für die FDP-Fraktion hat nun der Kollege Schlömer das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zivilgesellschaftliches Handeln, bürgerschaftliches Engagement und ehrenamtliche Aktivitäten haben in der Tradition liberaler Parteien eine große, eine übergroße Bedeutung. Der Staat muss nicht alles regeln. Es gilt grundsätzlich das Prinzip des eigenverantwortlichen Handelns; es gilt das Prinzip der Selbstbestimmung. Sich eigenverantwortlich einzubringen, ist sicherlich aber auch eine Verpflichtung – denn nur so kann es funktionieren.

[Beifall bei der FDP]

Wir danken daher den vielen Menschen für ihr freiwilliges Engagement, für ihre zivilgesellschaftliche Verantwortung und für ihre ehrenamtlich geleistete Arbeit. Haben Sie herzlichen Dank!

[Beifall bei der FDP]

Es bedarf aber auch ein wenig staatlicher Organisation, einiger Erleichterungen. Wir müssen Einstiegshilfen organisieren und formulieren, und wir brauchen politische Anerkennung. Die Ehrenamtskarte ist so ein Baustein politischer Anerkennung. Ihre Weiterentwicklung ist stetige und regelmäßige Verpflichtung des Parlaments. Aus diesem Grund danken wir den Antragstellern – ihre Ermahnung zum Handeln ist immer richtig.

Allein der letzte Punkt ist doch erstaunlich: Vergünstigungen im öffentlichen Nahverkehr. Bemerkenswert, aber durch Sie in der letzten Legislaturperiode im Jahr 2016 noch abgelehnt. Hier bin ich gespannt auf die Debatte im Ausschuss.

Wir brauchen aber auch ein bisschen mehr Strategie, eine Ehrenamtsstrategie. Bausteine werden wir hierzu einbringen. Zukunft und Funktionieren der Ehrenamtskarte liegen dabei nicht allein am Reichtum der Rabatte und Angebote. Attraktiv muss sie sein, um sich einzubringen. Sie muss Werbefaktor und Anreizinstrument sein. Wir müssen Menschen für das Ehrenamt auch leider immer neu gewinnen. Dafür brauchen wir starke Partner und attraktive Angebote. Wir brauchen starke Angebotspartner, deren Vergünstigungen für die Inhaber der Karten so attraktiv sind, dass diese auch genutzt werden. Letztendlich muss der Senat aber auch bereit sein, beschlossene Maßnahmen umzusetzen. Die Kombination mit der Jugendleiterkarte steht dringend an. Wir haben hier keine Ergebnisse. Wir bleiben dran, packen wir es an. – Vielen Dank!

[Beifall bei der FDP]

Vielen Dank! – Dann hat als letzter Redner des heutigen Tages der Kollege Schweikhardt der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen das Wort.

Sehr geehrte Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Das Beste kommt bekanntlich zum Schluss. Das Engagement der Ehrenamtlichen in Berlin gehört sicherlich zum Besten, was unsere Gesellschaft zu bieten hat.

[Beifall von Ülker Radziwill (SPD)]

Unser Abgeordnetenhaus würdigt dieses freiwillige Engagement mit einem eigenen Ausschuss und hat es sich dort zur Aufgabe gemacht, gerade die Ehrenamtskarte als Anerkennung für die unbezahlbare und unverzichtbare Arbeit Hunderttausender Berlinerinnen und Brandenburgerinnen attraktiver zu machen. Das läuft, wie auch Sie mittlerweile mitbekommen haben müssten. Die Zahl der nachgefragten Ehrenamtskarten hat sich fast verdreifacht. Die Jugendleiterkarte wird akzeptiert, und es nehmen immer mehr Partner an dem Programm teil.

Grundsätzlich bin auch ich völlig Ihrer Meinung, wenn Sie fordern, dass die Empfehlungen des Beirats zur Berliner Ehrenamtskarte noch schneller umgesetzt werden sollten. Das ist aber auch kein Wunder, schließlich stammt der Entwurf weitgehend von mir. Aber es war die CDU-Fraktion, die bis zur letzten Sitzung in der letzten Legislaturperiode versucht hat, die innovativen und populären Entwicklungsvorschläge zunächst aus der Empfehlung herauszuverhandeln, und sich dann weigerte, die Empfehlung im Ausschuss vollumfänglich umzusetzen. Nun gut. Umso mehr freut es mich, dass wir mit der neuen Fraktion der CDU offensichtlich auch eine neue Wertschätzung des unschätzbaren Gewinns durch die Arbeit der Ehrenamtlichen in Berlin haben. Ich freue mich noch mehr über die sich abzeichnende stärkere Unterstützung

(Hendrikje Klein)

für unsere Ziele bei der Weiterentwicklung der BerlinBrandenburgischen Ehrenamtskarte.

Herr Kollege! Gestatten Sie eine Zwischenfrage der Kollegin Demirbüken-Wegner?

Selbstverständlich!

Bitte sehr!

[Zurufe von der CDU]

Offenbar möchte die Kollegin eine Zwischenbemerkung im Anschluss an Ihre Rede machen.

Meine Vorrednerinnen und Vorredner haben schon zu den einzelnen Punkten Stellung bezogen. Dem kann ich mich anschließen.

Ich will die Gelegenheit aber vor allem nutzen, um mich bei unserer Staatssekretärin zu bedanken. Sawsan Chebli bringt seit ihrem ersten Tag im Amt die Anerkennung und Unterstützung der Arbeit der Ehrenamtlichen voran. Es ist erfrischend zu sehen, wie ihre Arbeit Wirkung zeigt und es ist motivierend zu erleben, wie sie die Ehrenamtlichen, die Zivilgesellschaft und die Abgeordneten ernst nimmt, einbindet und um aktive Mitgestaltung bittet.

[Beifall bei den GRÜNEN, der SPD und der LINKEN]

Die Erfolge werden gerade bei der Ehrenamtskarte sichtbar. Vor allem aber gehen sie weit über die sechs in Ihrem Antrag genannten Forderungen hinaus, ja, sie werden auch noch über die Empfehlungen des Beirats hinausgehen. Auch die Arbeit und Welt der Ehrenamtlichen hat sich in den letzten zwei Jahren weitergedreht.

Zum Schluss möchte ich mich aber vor allem ausdrücklich bei denjenigen bedanken, um die es eigentlich geht: den ehrenamtlich engagierten Bürgerinnen und Bürgern in Berlin und Brandenburg. Ich freue mich auf die weitere konstruktive Zusammenarbeit bei deren Unterstützung. Da schließe ich ausdrücklich die Fraktion der CDU mit ein. – Vielen Dank!

[Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Dann hat die Kollegin Demirbüken-Wegner die Möglichkeit zu einer Zwischenbemerkung.

Meine lieben Kollegen der Koalition! Es bringt Sie absolut nicht weiter, ständig auf die letzte Legislaturperiode mit einem einzigen Punkt hinzuweisen. Ich möchte noch einmal unterstreichen: Sie haben neun Runden gebraucht, diverse Anträge gebraucht, bis Sie überhaupt in der Lage waren, die Forderungen oder Empfehlungen des Beirats zur Kenntnis zu nehmen. Heute stelle ich fest, dass das, was ich an Maßnahmen vorgetragen habe, der Wunsch des Beirates war, was Sie als meinen persönlichen Wunsch identifizieren. So viel zu Ihrer Ernsthaftigkeit der Themenanalyse.