Protocol of the Session on December 14, 2017

Ihre Wohnungspolitik ohne jede Vision ist nicht die richtige Antwort auf eine Stadt, die nach neuen Wohnungen ruft. Sie antworten auf den Ruf nach neuen Wohnungen mit Verhinderungspolitik, mit einer Verhinderungspolitik, wie sie Berlin noch nicht erlebt hat. Der Regierende Bürgermeister – wo immer er ist – hat ganz euphemistisch von einer Akzentverschiebung gesprochen. Er hat sie bedauert, aber er hat sie eine Akzentverschiebung genannt, weg vom Wohnungsbau, hin zu Regelungswut und bürokratischen Exzessen in der Mietenpolitik.

[Zurufe von Sebastian Schlüsselburg (LINKE) und Katrin Schmidberger (GRÜNE)]

Was wir in den letzten zwölf Monaten erlebt haben, das ist keine Akzentverschiebung, das ist eine vollständige Abkehr von den wohnungspolitischen Zielen der vorangegangenen Jahre, und das sollte ehrlicherweise allen voran auch die SPD bedauern, denn wer glaubt, dem Wachstum der Stadt vor allem mit einem verschärften Zweckentfremdungsverbot, mit einer verfassungswidrigen Vorkaufspraxis, mit Ihrer Verschlimmbesserung des Berliner Modells, mit mietenpolitischen Schaueffekten begegnen zu können, der hat die Dramatik der Situation in Berlin schlicht nicht verstanden.

(Iris Spranger)

[Zurufe von Sebastian Schlüsselburg (LINKE) und Katrin Schmidberger (GRÜNE)]

Und wer seine ganze Aufmerksamkeit auf Kiezaktivisten verwendet, der muss zwangsläufig das große Ganze aus dem Blick verlieren.

Selbst wenn man Ihre fragwürdig niedrigen Prognosen für das Bevölkerungswachstum der nächsten Jahre heranzieht, liebe Frau Lompscher, steht völlig außer Frage, dass Sie Ihre angeblichen Neubauziele kraftvoll und krachend verfehlen werden.

[Beifall bei der CDU]

Sie werden diese Ziele verfehlen, nicht weil zu wenig Geld zur Verfügung steht, sondern weil Sie kein Bauland aktivieren, weil Sie den Wohnungsbau zu Tode partizipieren, weil Sie auch den gutwilligsten Bauherrn als Spekulanten gebrandmarkt und ins rot-rote Brandenburg vergrault haben. Lustigerweise, und das ist der Treppenwitz, dieses rot-rot-regierte Brandenburg empfängt ihn dann mit offenen Armen.

[Zuruf von Katalin Gennburg (LINKE)]

Das wundert auch nicht, denn die verkehrspolitische Last dieser Völkerwanderung der Investoren hin nach Brandenburg, die zunehmende Last des Pendlerverkehrs, die hat vor allem Berlin zu tragen. Darüber haben wir ja im Zusammenhang mit einem anderen Einzelplan bereits diskutiert.

Aber auch die städtebauliche Weiterentwicklung insgesamt, die städtebauliche Zielsetzung für Berlin, die folgt bei Ihnen keinerlei Plan. Wir haben in den Debatten zum Doppelhaushalt und auch mit unseren Änderungsanträgen sehr deutliche Akzente gesetzt. Wir haben Schwerpunkte bei der Entwicklung der historischen Mitte benannt. Sie wollen zwei Jahre und ohne absehbares Ende weiter darüber diskutieren. Sie haben überhaupt kein Interesse daran, dass sich hier tatsächlich eine Entwicklung ergibt.

Wir haben das Regierungsviertel am Spreebogen als Entwicklungspotenzial im Herzen unserer Stadt genannt. In der City-West wollen Sie sich in Machbarkeitsuntersuchungen erschöpfen, anstatt auf dem aufzubauen, was wir haben, auf dem breiten Willen, den wir in der letzten Legislaturperiode in diesem Parlament bereits hatten und dem auch Mehrheiten zugestimmt haben, und hier unmittelbar zu einer Weiterentwicklung des Masterplans zu kommen und endlich den Dornröschenschlaf zu beenden, in dem das Campusquartier seit Jahren vor sich hindämmert.

Mit unseren Änderungsvorschlägen haben wir diese Projekte wieder in den Fokus der Stadtentwicklungspolitik gerückt. Wir haben wieder daran erinnert: Es ist notwendig, sich nicht nur in vorgeblichen Wohnungsbauzielen zu verlieren, sondern auch eine Idee für die Stadt zu entwickeln, eine Gestaltungskraft für die Stadt, jedenfalls so

zu tun, als würden Sie die entfalten wollen. Ich glaube, Berlin hat es verdient, und die Berlinerinnen und Berliner hungern nach diesen Debatten. Seit einem Jahr bleibt dieser Ruf ohne Antwort.

Ein weiteres Beispiel – wir haben darüber an anderer Stelle diskutiert – ist der Hochhausentwicklungsplan. Auch das zeigt der Doppelhaushalt sehr deutlich: Kein Plan, kein Ziel! Sie wollen zwei Jahre lang ohne absehbares Ende darüber diskutieren. Wir haben gesagt: Mitte 2018 muss genügen. Dort stellen wir auch gerne mehr Geld zur Verfügung, um den Prozess zu konzentrieren, zu einem Abschluss zu bringen, aber 2019 brauchen wir dafür nicht. Die Stadt kann nicht so lange auf Rot-RotGrün warten.

Wir wollen außerdem die Grundlage dafür schaffen, die Elisabeth-Aue in Pankow als zusätzliches Potenzial für die dringend notwendige Erweiterung der Stadt zu erschließen.

[Vereinzelter Beifall bei der CDU – Beifall von Sebastian Czaja (FDP)]

Zumindest in diesem Punkt müsste die SPD mit uns einer Meinung sein, jedenfalls nach dem, was ich vom Regierenden Bürgermeister dazu gehört habe. Wie lange wollen Sie, liebe Kollegen von der SPD, eigentlich noch zusehen, dass elementare Ziele einer nachhaltigen Stadtentwicklungs- und Wohnungspolitik der linken Koalitionsräson geopfert werden? Ich kann mich darüber nur wundern.

[Vereinzelter Beifall bei der CDU – Zuruf von Dr. Wolfgang Albers (LINKE)]

Ein weiteres Thema und eines der größten ehrlicherweise haben Sie nicht mal am Rand der heutigen Debatten erwähnt. Unser Fraktionsvorsitzender ist heute früh schon darauf eingegangen, das Thema BER ist eines, das die Stadt interessiert, das allen Berlinerinnen und Berlinern auf den Nägeln brennt. Ich habe dazu herzlich wenig heute gehört, allen Mahnungen und Impulsen zum Trotz, die wir im Rahmen der Haushaltsberatungen dazu gesetzt haben.

Die morgige Aufsichtsratssitzung der Flughafengesellschaft lässt Schlimmes befürchten. Die Spatzen pfeifen ja schon von den Dächern, dass das Ziel einer Fertigstellung des BER noch vor Ablauf des Jahres 2019 in größtmögliche Ferne gerückt ist. Der von Ihnen hier und heute vorgelegte Haushalt – das verspreche ich Ihnen – wird schon in wenigen Stunden zur Makulatur, nämlich dann, wenn wir die Ergebnisse aus dieser Aufsichtsratssitzung erfahren und Gewissheit darüber haben, dass der BER jedenfalls nicht bis Ende 2019 ans Netz gehen wird.

[Katrin Schmidberger (GRÜNE): Der BER steht gar nicht im Einzelplan!]

Dass Sie auf den erfolgreichen Volksentscheid zur Offenhaltung von Tegel pfeifen, das haben die Berline

rinnen und Berliner, glaube ich, hinreichend zur Kenntnis genommen, aber es ist ehrlicherweise ein Hohn. Sie haben in den Debatten vor dem Volksentscheid die Interessen der Anwohnerinnen und Anwohner in der lärmbelasteten Zone der Einflugschneise von Tegel wie ein Mantra vor sich hergetragen, und jetzt nach dem Volksentscheid wollen Sie von denen nichts mehr wissen. Sie tun so, als hätten die nicht ab spätestens 2020 einen Anspruch auf Lärmschutz. Ich sage Ihnen: Nach geltender Rechtslage haben sie den tatsächlich nicht erst ab 2020, sondern ab nächster Woche, weil morgen feststehen wird, dass der BER nicht bis 2019 fertiggestellt sein wird, dass Tegel nicht bis Ende 2019 vom Netz gehen wird. Damit entfallen alle Grundlagen, die nach dem Fluglärmschutz notwendig sind, um diese Ausnahmeregel für den Lärmschutz rund um Tegel greifen zu lassen. Das heißt, schon im kommenden Jahr werden Sie nennenswerte Beträge in den Lärmschutz investieren müssen, und das völlig zu Recht, denn es gilt das Vertrauen der Anwohnerinnen und Anwohner von Tegel zu schützen. Die haben mehrheitlich für die Offenhaltung von Tegel gestimmt, ja, aber das heißt nicht, dass Sie sie im Regen stehen lassen können, wenn es darum geht, einen angemessenen und soliden Lärmschutz zu schaffen.

[Beifall bei der CDU und der FDP]

Zum Abschluss will ich einmal mehr Senatsbaudirektor Stimmann mit seinem treffenden Satz zitieren: Beim Senat gibt’s eine Realitätsverweigerung, die fast schon an Behandlungsbedürftigkeit grenzt. – Wenn Sie den Doppelhaushalt in dieser Form beschließen, dann trifft das nicht nur auf den Senat zu, sondern auf die Koalition insgesamt. – Vielen Dank!

[Beifall bei der CDU und der FDP – Katalin Gennburg (LINKE): Das haben Sie jetzt schon dreimal zitiert!]

Für die Fraktion Die Linke hat jetzt Herr Dr. Nelken das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Regierungskoalition hat eine grundsätzliche Wende in der Wohnungspolitik in Angriff genommen, denn die Versorgung der Bevölkerung mit Wohnraum ist die Basis für den sozialen Frieden in dieser Stadt.

[Beifall bei der LINKEN und den GRÜNEN]

Der vorliegende Haushalt mit den Änderungen der Koalition ist ein Schritt zur Umsetzung dieses Vorhabens. Herr Evers! Die CDU übt sich offensichtlich im Sprechblasenwerfen mit einem Schuss Masochismus. Sie geißelt Maßnahmen, die sie in ihrer Regierungszeit auf den Weg gebracht hat.

[Zuruf von Stefan Evers (CDU)]

Ich spreche mal von der Neubauförderung, aber ich könnte noch ein paar andere nennen. Wenn Sie jetzt die geringe Zahl der fertiggestellten Sozialwohnungen kritisieren, beklagen, dann ist das eine Selbstanklage.

[Beifall von Dr. Wolfgang Albers (LINKE)]

Alle 2017 und auch noch im nächsten Jahr fertiggestellten Sozialwohnungen sind von Ihnen bewilligt worden, nach Ihren Förderbestimmungen, die in Ihrer Regierungszeit erlassen wurden.

[Zuruf von Stefan Evers (CDU)]

Rot-Rot-Grün hat nur mit der Halbherzigkeit, mit den tastenden Anfängen Ihrer Wohnungspolitik Schluss gemacht, hat ernst gemacht: Wir brauchen mehr Dynamik, und mehr Qualität hat sie dieser Politik verliehen.

[Beifall bei der LINKEN, der SPD und den GRÜNEN]

Und jetzt zu dem wesentlichen Unterschied, denn es gab tatsächlich eine substanzielle Wende, also nicht nur mehr Dynamik und mehr Geld, sondern wir haben eine komplexe Herangehensweise für die Wohnungspolitik entwickelt, die soziale Wohnungsfrage. Diese komplexe Herangehensweise hat mehrere Grundelemente. Erstens: soziale Neubauförderung, zweitens: die Erweiterung des kommunalen Wohnungsbestandes und die Qualifizierung der Wohnungsbaugesellschaften zur Erfüllung ihrer sozialen Aufgaben, drittens die Unterstützung der Genossenschaften und der gemeinnützigen Wohnungsbauträger,

[Zuruf von Stefan Evers (CDU)]

viertens den Schutz des privaten Wohnungsbestandes und seiner Bewirtschaftungsgrundlagen gegen die ausufernde Immobilienspekulation und fünftens der Schutz der Mieter gegen die Immobilienspekulation, die soziale Verdrängung.

[Stefan Evers (CDU): Alles Spekulanten!]

Nur diese Maßnahmen, diese Elemente alle zusammen, ergeben die Möglichkeit einer erfolgreichen Wohnungspolitik. Das ist der Unterschied zu Ihrer eindimensionalen Wohnungspolitik, die immer nur ruft: bauen, bauen, bauen.

[Beifall bei der LINKEN, der SPD und den GRÜNEN]

Nur Neubau, Herr Evers oder auch Ihre Kollegen, könne Mietpreise angeblich senken und Mieter schützen – das widerspricht dem eklatanten Grundwissen eines angehenden Immobilienfachwirts im ersten Semester. Wenn Sie das nicht haben, dann sollten Sie doch einen Blick in die Realität werfen, einen einzigen Blick in die Realität und auf die Entwicklung des Wohnungsbaumarktes in den letzten zehn Jahren. Fertigstellungszahlen, Kosten und Preise zeigen die Haltlosigkeit dieser marktverhimmelnden Sprücheklopferei ihrerseits.

[Beifall bei der LINKEN und den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei der SPD]

(Stefan Evers)

Und jetzt könnte ich zum Schluss gucken, wie wir diese fünf Elemente, die ich genannt habe, umsetzen, aber ich will wenigstens noch auf zwei dieser Elemente eingehen. Das erste sind der Neubau, die neuen Wohnquartiere und die Nachverdichtungen. Da rufen Sie wie gesagt nur: mehr, mehr! –, aber ich will Ihnen nur eine Sache sagen: Es kommt nicht einfach nur auf die Zahlenhuberei an, sondern es kommt auf die Einheit von Quantität und Qualität an, denn die Berlinerinnen und Berliner haben einen Anspruch darauf, dass es sich in 30 oder in 50 oder 80 Jahren in den Wohnanlagen, die wir heute bauen, noch gut leben lässt.

[Beifall bei der LINKEN, der SPD und den GRÜNEN]