Jetzt kommen Sie mal zum nächsten Punkt. Das Ganze zieht sich hier durch den gesamten Haushaltsposten. Rechnet man hoch, dass derartige Programme in 16 Bundesländern und im Bund existieren, kommen wir auf staatliche Millionenbeträge im dreistelligen Bereich, die im Kampf gegen die AfD jährlich zum Einsatz kommen sollen,
mehr als jeder Partei durch Spenden und die staatliche Parteienfinanzierung je zur Verfügung stehen könnten! Das Ganze wird dann hübsch mit Begriffen wie „Demokratieförderung“, „Toleranz“ und gegen „gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit“ verpackt.
Hier wird das genaue Gegenteil bewirkt. Hier wird Demokratieverachtung, Intoleranz und gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit gegen andersdenkende nahezu befördert.
Dass der Senator Behrendt, aber auch Rot-Rot-Grün bewusst keine Berichtsanträge zu diesen Themenfeldern beantworten möchten, spricht eine eigene Sprache. Hier werden Fakten geschaffen, hier wird sich der Staat zur Beute gemacht, um die Opposition in diesem Land aktiv zu bekämpfen. Sie regen sich über Länder wie Russland und die Türkei auf, dabei treten Sie selbst in die Fußstap
fen des DDR-Unrechtsregimes, ohne es sich selbst eingestehen zu wollen oder auch nur einen Funken Unrechtsbewusstsein zu besitzen,
frei nach dem Grundsatz: Der Zweck heiligt die Mittel. – Anstatt unsere Justiz und unseren Rechtsstaat zu stärken, unterminieren Sie diesen und lassen ihn handlungsunfähig werden. – Ich schließe mit dem Satz von Benjamin Franklin: Nur die Lüge braucht die Stütze der Staatsgewalt, die Wahrheit aber steht von alleine aufrecht.
Lieber Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sie wollen mir den Abschied nicht schwermachen, ich merke das schon.
Herr Kollege Vallendar! Ich habe Sie mit dieser Leidenschaft heute hier zum ersten Mal erlebt, aber mich hat ein bisschen enttäuscht, dass Sie über alles geredet haben, aber nicht über unseren Justizhaushalt. Da hätte ich mir ein bisschen mehr vorstellen können.
Damit es nicht in Vergessenheit gerät, über Hannover und Ereignisse, die gestern im Bundestag zu einer Debatte geführt haben, will ich doch noch mal darauf hinweisen, wie die Situation derzeit ist und womit wir uns eigentlich in unserer Aussprache beschäftigen wollten.
Tatsächlich kann man den Bereich Justiz und auch den Zustand, der vom Kollegen Rissmann durch Zitate in die Debatte eingebracht wurde, nicht völlig isoliert betrachten. Man muss tatsächlich sehen, dass in den letzten 25 Jahren in diesen Bereich weniger investiert wurde. Umso mehr freut es mich, dass wir jetzt, nach 25 Jahren, den höchsten Aufwuchs beim Personal haben. Das ist mit Rot-Rot-Grün gelungen, und darüber freue ich mich, ehrlich gesagt, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Ich kann niemanden verstehen, der sich darüber nicht freut, wenn er ein Herz für die Justiz hat, denn es ist tatsächlich so. Ich muss schon immer ein bisschen schmunzeln, wenn Herr Heilmann hier immer so beschimpft wird und nicht dabei ist, weil ich ihn in der neuen Funktion öfter treffe.
Ob es Herrn Heilmann tatsächlich gelungen wäre, in den fünf Jahren, die er Verantwortung hatte, alles abzustellen, dahinter will ich mal vorsichtig ein Fragezeichen machen. Denn tatsächlich sind das Ereignisse in dieser Stadt gewesen, wo man sehen muss, dass es vielleicht auch nicht in fünf Jahren so hätte abgestellt werden können, sodass wir auch die Herausforderung sehen können, dass wir in den zwei Jahren über den Haushalt, den wir hier beschließen, nicht alle Aufgaben, alle Fragen, die sich im Bereich des Justizhaushalts stellen, sofort beantworten können.
Aber es ist ein guter Anfang. Damit es nicht in Vergessenheit gerät und damit wir wissen, worüber wir reden, will ich doch noch mal die Bereiche nennen. Bei der Staatsanwaltschaft wird es 42 zusätzliche Stellen, in der ordentlichen Gerichtsbarkeit 103 zusätzliche Stellen, in der Verwaltungsgerichtsbarkeit insgesamt 24 neue Stellen, bei der Sozialgerichtsbarkeit zehn zusätzliche Nichtrichterstellen geben. Im Justizvollzug wird es 40 höherwertige Stellen zusätzlich zur Verfügung geben, und auch in der Senatsverwaltung wird es einen Stellenaufwuchs geben. Das ist doch erst mal für verschiedene Bereiche eine wirkliche Entlastung und eine Verbesserung. Das kann man doch nicht wegdiskutieren.
Das ist eine Bereicherung und eine Verbesserung für die Menschen, die im Bereich der Justiz arbeiten. Das heißt, vom Vollzugsdienst über die nichrichterlichen, die richterlichen Stellen ist das erst mal eine Entlastung. Es ist auch eine Entlastung für alle die Anwälte, die teilweise ihren Mandanten erklären müssen, warum Verfahren so lange dauern. Es ist eine Verbesserung, weil wir tatsächlich in den Strafverfahren die Leute schneller vor einen Richter stellen, und es ist auch eine Verbesserung, weil wir für die Gefangenen in der Situation mehr machen können. Es ist letztlich auch für jeden Berliner und jede Berlinerin eine Verbesserung, die auf Rechtsprechung angewiesen ist. Darum geht es uns, und darüber sollten wir uns eigentlich unterhalten.
Da das immer wieder angeführt wird, will ich doch noch etwas dazu sagen: Wer seine Augen davor verschließt, dass das Recht auch dazu dient, Diskriminierung zu beenden, der hat unsere Demokratie nicht verstanden.
[Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei der SPD – Beifall von Marcel Luthe (FDP)]
Wer selbst so schäbig ist, eine Vorlage, die noch in der Zuständigkeit eines CDU-Senators vorbereitet und von einem Grünen-Senator eingebracht wurde, immer wieder
Herr Rissmann! Da ich weiß, dass Sie es eigentlich besser wissen, muss ich sagen: Ihr fetter Frust ist doch in den letzten fünf Jahren gewachsen, als Ihr Parteifreund, mit dem Sie auch inhaltlich wenig teilen, Justizsenator war. Da können wir Ihnen aber auch nicht helfen.
[Beifall bei den GRÜNEN, der SPD und der LINKEN – Torsten Schneider (SPD): Man kann die Aussage auch verweigern!]
Nachdem Sie gerade so deutlich kritisiert hatten, dass Ihr Vorredner nicht über den nicht redenswerten Justizhaushalt gesprochen hat, Frau Kollegin, hatte ich auch darauf gewartet, dass Sie irgendwas dazu sagen. Auch das kam leider nicht, aber ich nehme das gern weiter auf.
Aber selbstverständlich, lieber Herr Kollege Kohlmeier! – Bevor ich allerdings auf diesen Punkt eingehe: Sie werden sicherlich an dieser Stelle den Vorsitzenden des Rechtsausschusses, den Kollegen Krestel, vermissen, der heute leider nicht da sein kann, da er krank ist, aber dem es sicherlich guttut, dass er das nicht alles live verfolgen musste, was gerade aus den Reihen der Koalition hier verbreitet wurde.
Nehmen wir mal Ihr Spiel des heiteren Zitateratens auf: Wir brauchen dringend mehr Sicherheitssäle am Kriminalgericht, und wir werden bis Jahresende dieses Ziel realisieren können. – Wer hat das gesagt, wer weiß es? – Der Verbraucherschutzsenator, völlig richtig. Bravo! Zumindest Sie konnten sich erinnern.
Vielleicht können Sie mir auch noch beantworten, wie viele neue Sicherheitssäle es in Moabit gerade gibt. – Nicht einen einzigen.
Die Überlastung der Allgemeinen Großen Strafkammern in Haftsachen haben Sie, Kollege Rissmann, richtigerweise bereits angesprochen. Ich hätte mir gewünscht, dass der zuständige Senator die Briefe, die er dazu
bekommen hat, auch mal im Rechtsausschuss erwähnt. Der Brief aus dem Juni ist nicht erwähnt worden, der Brief aus dem September ebenfalls nicht. Die Überlastung der Großen Strafkammern ist so eklatant, dass sie nicht einmal mehr in der Lage sind, dringende Haftsachen auch nur halbwegs zeitnah zu entscheiden. Was war Ihre Reaktion? – Nicht etwa, Abhilfe zu schaffen in diesem Haushaltsentwurf. Ihre Reaktion bestand darin, die Definition des Begriffes Überlastung neu zu fassen, und schon haben wir wieder mehrere Strafkammern, die nicht mehr überlastet sind, weil sie nicht mehr vier, sondern fünf Monate brauchen dürfen, um Fälle zu entscheiden, und das in dringenden Verfahren.
Wenn ich mir insgesamt die Antworten Ihrer Verwaltung auf meine Anfragen bezüglich der durchschnittlichen Verfahrensdauer anschaue, dann decken die sich nicht – da werden wir sicherlich in den nächsten Monaten noch ein bisschen Licht ins Dunkel bringen können – mit der Beobachtung, die jeder Rechtsanwalt und jeder Richter in dieser Stadt macht. Sie kriegen bei keinem Berliner Amtsgericht einen Termin binnen von, sagen wir mal, sechs Monaten. Sie kriegen bei üblichen Mietverfahren Entscheidungen nach zwei bis drei Jahren in zweiter Instanz, weil Sie eine komplette Überlastung auch insbesondere der dortigen Kammern haben.
Das sind alles Punkte, denen Sie offensichtlich keine Rechnung tragen und denen Sie keine Rechnung tragen wollen, denn – jetzt kommen wir mal zu dem historischen Ausflug, den wir vorhin schon gemacht haben – im Jahr 2011, als der vorhin viel zitierte Herr Heilmann übernommen hat, ist die CDU für dieses Ressort gewählt worden, weil sie Abhilfe schaffen sollte. Abhilfe, warum? – Abhilfe, weil die Überlastung gerade der Staatsanwaltschaft, ganz zu schweigen von der Amtsanwaltschaft, bereits im Jahr 2011 exorbitant war, also nach zehn Jahren Rot-Rot. Die Situation hat sich aber an keiner Stelle verbessert. Seit dem Jahr 2011 haben wir keinen einzigen Staatsanwalt mehr. Wir haben aber allein in den letzten fünf Jahren 15 Prozent mehr Verfahren. Dann würde man ja zumindest davon ausgehen – wenn Sie das Problem erkannt haben –, dass Sie 15 Prozent mehr Stellen bei der Staats- und bei der Amtsanwaltschaft schaffen. Das hätte geheißen, zumindest die 45 Staatsanwälte vorzusehen, die wir vorgesehen haben. Das hätte geheißen, die zehn Amtsanwälte vorzusehen, die wir vorgesehen haben – nur, um den exorbitant schlimmen Status des Jahres 2011 nicht noch schlimmer zu machen.
Das sehen Sie aber nicht vor. Sie schließen also keine Lücke, sondern Sie vergrößern die Lücke mit diesem Entwurf weiter.