Protocol of the Session on September 28, 2017

[Beifall von Carsten Schatz (LINKE) – Canan Bayram (GRÜNE): Aber Frau Bentele hat im Ausschuss nicht zugehört!]

Wenn Sie, liebe CDU, eine seriöse Partei wären, wäre mit der Klarstellung dieser Fragen für Sie alles beantwortet. Sie ignorieren aber bereitwillig alle oben genannten Tatsachen, Sie ignorieren die Tatsache, dass sie diese Studie selbst mit in Auftrag gegeben haben, und sprechen in Ihrem Antrag von Amtsmissbrauch und was weiß ich noch alles. Macht Ihnen der Druck von rechts so viel Angst, dass Sie selbst in Populismus verfallen?

[Beifall bei der SPD, der LINKEN und den GRÜNEN – Oh-Rufe bei der AfD]

Populismus war noch nie die richtige Antwort – nicht für Sie und nicht für uns. Da ich hier schon stehe, nutze ich die Zeit aber sinnvoll und kläre darüber auf, warum die von uns gemeinsam beauftragte Studie sinnvoll ist.

In unseren Schulen sind reihenweise Jugendliche und Kinder, die durch unser Bildungssystem gehen, aber das Gefühl haben, dass die gelehrten Inhalte nichts mit ihrer Lebensrealität zu tun haben – sei es, weil in sämtlichen Lehrbüchern nur weiße Menschen vorkommen, aber das eigene Umfeld im Wedding einen Migrationshintergrund hat, oder weil der oder die Jugendliche selbst eine andere sexuelle Identität hat, als das Vater-Mutter-Kind-Schema bereithält, das auf die Mehrheitsgesellschaft zutrifft.

[Zurufe von Thorsten Weiß (AfD) und Stefan Franz Kerker (AfD)]

Dies sind unsere Kinder. Wir wollen und werden ihnen das Gefühl vermitteln, dass sie genau so richtig sind, wie sie sind, und dass sie zu sich selbst stehen können, egal was die Mehrheit sagt.

[Beifall bei der SPD, der LINKEN und den GRÜNEN]

Die Jugendlichen dabei zu begleiten, ist nicht einfach. Das muss gelernt sein. Deshalb ist diese Studie so sinnvoll, und deshalb werden wir schon in diesem Haushalt das Thema queere Bildung stärken. – Hiermit höre ich auf.

[Georg Pazderski (AfD): Endlich! Endlich hören Sie auf!]

Dass die AfD jetzt die Plattform bekommt, ihre Verabscheuung der Vielfalt in den Vordergrund zu rücken, geht auf Ihre Kappe.

[Beifall bei der SPD, der LINKEN und den GRÜNEN]

Vielen Dank! – Für die AfD-Fraktion hat jetzt Herr Hansel das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kollegen! Worum geht es? Der genaue Titel der wissenschaftlichen Untersuchung lautet:

Studie zur aktuellen Lebenssituation von lesbischen, schwulen, bisexuellen, trans- und intergeschlechtlichen Jugendlichen in Berlin unter Berücksichtigung verschiedener Dimensionen der Mehrfachdiskriminierung: eine Befragung von pädagogischen Fachkräften

Wir finden es gut, dass das Thema Mehrfachdiskriminierung einmal umfassend untersucht wird, denn vielleicht kommt etwas ganz anderes dabei heraus, als gemeinhin erwartet wird – falls nicht von vornherein feststeht, was herauskommen soll. Vielleicht kommt ja heraus: Es findet im Zuge der Verfestigung von Parallelgesellschaften auch in den Klassenzimmern eine zunehmende Schwulenfeindlichkeit statt, sei es durch verbale Beleidigungen oder ganz handfest. Vielleicht sind ja einige Lehrer trotz anfänglicher Begeisterung für alles Mögliche aus dem links-grünen Spektrum ehrlich genug und stellen fest, dass sich in unserer Multi-Kulti-MegatoleranzVeranstaltung etwas tut, das wir nicht ernsthaft wollen. Wir können nicht wollen, dass sich eine zunehmende, schleichende Islamisierung in einigen Schulen, in einigen Bezirken zu einem Trend verfestigt, der unsere gelebte Toleranz radikal infrage stellt –

[Beifall bei der AfD – Sebastian Walter (GRÜNE): Die alte Leier! Dummheit!]

warten Sie einmal ab! –, wobei wir uns die Frage stellen müssen, ob sich das noch bezirklich eingrenzen lässt oder schon flächendeckend der Fall ist. Da wir die politischen Realisten in diesem Hause sind, die vorurteils- und ideologiefrei an die Sachthemen herangehen,

[Lachen von Paul Fresdorf (FDP) – Canan Bayram (GRÜNE): Müssen Sie da nicht selbst lachen?]

sehen wir mit Interesse dem Ergebnis der Studie entgegen, die wohl auch die CDU 2015 mit beschlossen hat. Am Ende mag sogar herauskommen, dass Frühsexualisierung und die totale ideologische Verirrung, dass das Geschlecht eine rein soziale Konstruktion ist, vielleicht doch nicht wirklich hilfreich sind, um aus jungen Menschen völlig vorurteilsfreie und völlig selbstbestimmte tolerante Menschen zu machen.

[Beifall bei der AfD – Tom Schreiber (SPD): Er hat nichts kapiert!]

Das Ziel, dass sich junge Menschen in freier sexueller Selbstbestimmung entwickeln, teilen wir – allein die sozialpädagogische Gender-Keule halten wir für einen ideologischen 68er-Überschuss, weit über das Vernunftmaß hinaus, weshalb wir das ablehnen.

Zwei Bemerkungen zur Sache: Man stelle sich einmal vor, eine AfD-mitgeführte Landesregierung – keine

Angst, die wird es in zwei bis drei Jahren geben, und wenn Sie so weitermachen, gibt es in Berlin die erste –

[Beifall und Heiterkeit bei der AfD: Bravo! – Georg Kössler (GRÜNE): Nein, das wollen wir uns nicht vorstellen!]

würde die staatlich beschäftigten Lehrer gesondert auffordern und bitten, bei einer solchen Studie entsprechende Angaben zu ihrer Sexualität zu machen. Nicht auszudenken, wie das öffentlich skandalisiert würde!

Zweitens: Wissen Sie, wie wir hinsichtlich einer positiven sexuellen Selbstbestimmung und Definition der eigenen Sexualität bei Jugendlichen wirklich weiterkommen würden? – Ein bedeutender Schritt in die richtige, und zwar tatsächlich emanzipative Richtung, der es jungen Menschen erleichtern würde, sich zu outen und zu dem zu stehen, was sie sind, wäre es, wenn sich öffentlich vermehrt bekannte Vorbilder bekennen würden, wenn Politik und Gesellschaft zum Beispiel die Sport- und Fußballvereine auffordern und ermuntern würden, ihre Spitzensportler und Fußballer zu motivieren, sich offiziell zu outen. Das wäre ein echtes Signal an die Kids, Jungs und Mädels, denn Stars haben für viele junge Menschen eine Vorbildfunktion. Wenn sie sich outen würden, würde man tatsächlich Vorurteile abbauen.

Wir sind der Meinung, dass die sexuelle Orientierung eigentlich gar kein Thema mehr sein müsste im öffentlichen Diskurs, dass das jedermanns und jederfraus Privatsache sein muss, die schlichtweg zu akzeptieren ist – will sagen: Wer bin ich, und wenn ja, wie viele? Ich bin Unternehmensberater, Buchautor, Politiker, liebe Gustav Mahler, und ja, ich bin auch schwul, aber meine ganze Persönlichkeit zentriert sich nicht um diese eine Sache. Sie ist meine Normalität so wie Ihre Sexualität Ihre Normalität ist, und das ist auch gut so. Wir sollten also aufhören, diese Normalität jeweils politisch überzustrapazieren und Homosexualität, Transgender usw. zu einem Kulturkampf hochzustilisieren, wie Sie das tun.

[Beifall bei der AfD – Anne Helm (LINKE): Sie machen sich über Transmenschen lustig!]

Das dient eher dazu, die Gesellschaft zu spalten, die eigentlich in dieser Frage in diesem Deutschland gerade mit einer historisch maximalen Akzeptanz ausgestattet ist; denn erst mit Ihrer permanenten Überbetonung und Überdehnung, die bei vielen Neuzuwanderern, wie Sie sie haben möchten, auf kulturellen Widerstand stößt, schaffen Sie neue Probleme. Auch das herauszufinden, wäre ein spannender Ansatz der Studie.

Was den Antrag der CDU betrifft: Können wir wirklich wohlwollend davon ausgehen, dass alles, was in Studienerhebung gemacht wird, datenschutzrechtlich geprüft und koscher ist? Die Stoßrichtung der Integrität der Persönlichkeitsrechte der Lehrer unterstützen wir natürlich zu hundert Prozent. Da der Antrag der CDU aber einen

irgendwie künstlichen Erregungscharakter hat, werden wir uns enthalten und auf das Ergebnis der Studie mit Interesse durchaus ergebnisoffen warten.

[Beifall bei der AfD]

Vielen Dank! – Für die Linksfraktion hat Herr Schatz das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Frau Bentele, Herr Evers! Mit der Zurückziehung des Antrags hätten Sie uns diesen wirren Redebeitrag gerade ersparen können.

[Beifall bei der LINKEN, der SPD und den GRÜNEN – Danny Freymark (CDU): Wir sollen nicht mehr diskutieren? – Heiko Melzer (CDU): Nicht mal darüber reden? Was ist das für ein Quatsch!]

Was will die CDU? Starke Worte im Antrag:

Unzulässige Eingriffe in Privatsphäre sofort stoppen! Grundrechte von Berlins Lehrkräften schützen

Der Senat wird aufgefordert, die Abfrage bei Lehrerinnen und Lehrern zu ihrer sexuellen Orientierung (und der ihrer Kollegen) zu unterlassen.

Das ist starker Tobak. – Was ist passiert? Frau Bentele hat darauf hingewiesen: In diesem Haus wurde am 15. Januar 2015 ein Beschluss gefasst – in der 58. Sitzung, Beschluss Nr. 7 –, der Senat gibt eine Studie zur aktuellen Lebenssituation von lesbischen, schwulen, bisexuellen, trans- und intergeschlechtlichen Jugendlichen in Berlin in Auftrag, es war schon die Rede davon. Schwerpunkt sollte auf Mehrfachdiskriminierung gelegt werden.

[Paul Fresdorf (FDP): Was erschreckend genug ist!]

Was ist daraufhin passiert? – Der Senat hat angefangen zu arbeiten.

[Georg Pazderski (AfD): Was? Der Senat arbeitet?]

Es ist ein wissenschaftlicher Beirat gebildet worden, es sind finanzielle Mittel bewilligt worden,

[Georg Pazderski (AfD): Pfui!]

Es war sogar noch der Senat der großen Koalition, Sie werden erstaunt sein! – Nach viel Hin und Her und weil auch das Geld viel zu wenig war, das in den Doppelhaushalt eingeplant wurde, blieb übrig eine Befragung von Lehrkräften in Schulen, aber zweifelsohne geht es da auch um die Lebenssituation von Jugendlichen in dieser Stadt, denn die verbringen einen Großteil ihrer Zeit in der Schule.

[Paul Fresdorf (FDP): In Berlin ja nicht unbedingt!]

Im Übrigen wäre Ihnen das nicht passiert, wenn Sie den Antrag, den Sie damals gestellt und beschlossen haben, mit einem Berichtsdatum versehen hätten, zu dem der Senat hätte berichten müssen. Das haben Sie damals vergessen. Insofern ist es Ihr Problem, wenn Sie sich jetzt hinstellen und sagen: Ups, da ist etwas passiert, von dem wir keine Ahnung haben. – So haben Sie gearbeitet in dieser Koalition.

[Beifall bei der LINKEN und den GRÜNEN]

Im Übrigen ist aus der alten ISV 2009-2011 auch eine Studie zur Situation von Jugendlichen an Schulen gemacht worden, die noch nicht so ganz umfassend war wie jetzt – übrigens damals auch anonymisiert und freiwillig. Die Ergebnisse wurden von Stefan Evers und Tom Schreiber sogar in der letzten Legislaturperiode vorgestellt. Und ups, auch in dieser Umfrage wurde nach der sexuellen Orientierung von Lehrkräften gefragt, freiwillig und anonymisiert. Wie gesagt, das Design der Studie, die jetzt in Auftrag gegeben wurde, ist mit der Berliner Beauftragten für Datenschutz abgestimmt gewesen. Die Daten bleiben bei den Universitäten und werden nach Auswertung gelöscht. Insofern kein Anlass zur Sorge.

Was ist das Fazit? – Der Antrag der CDU geht am Thema vorbei,