Das ist kein gutes Regieren, das ist eine kolossale Führungsschwäche. Ihnen fehlt nicht nur der Kompass in der Luftverkehrspolitik, nein, bei Air Berlin sind Sie gleich zu Hause geblieben. Und die Bürgerinnen und Bürger spüren das natürlich auch bei Tegel. Hier geht es nämlich auch um die wirtschaftlichen Perspektiven unserer Stadt. Und dass es überhaupt notwendig ist, dass wir heute an dieser Stelle über den Volksentscheid diskutieren, das haben Sie auch zu einem großen Teil selbst zu verantworten.
Dass wir bis heute von Ihnen kein schlüssiges Luftverkehrskonzept haben, das auch den wachsenden Bedürfnissen, den steigenden Fluggastzahlen Rechnung trägt, das ist Ihr Versäumnis. Und dass wir 20 Jahre nach dem Konsensbeschluss und sechs Jahre nach der geplanten Eröffnung – wohlgemerkt noch zu Rot-Rot – darüber reden, ob in zwei oder drei Jahren der Flughafen vielleicht eröffnet, das ist der Skandal, der die Bürger in dieser Stadt verzweifeln lässt.
Und da werben ausgerechnet Sie für Verlässlichkeit, obwohl Sie seit Jahren nicht mal einen verlässlichen
Eröffnungstermin nennen können. Das nimmt Ihnen nun wirklich keiner ab. Schon der Koalitionsvertrag hat gezeigt, Sie haben auch aus Ihren Fehlern nicht gelernt.
Die Berlinerinnen und Berliner fragen sich nämlich: Wollen Sie überhaupt den BER zum Erfolg führen? In Ihrem Koalitionsvertrag steht: keine dritte Start- und Landebahn, ausgedehntes Nachtflugverbot, kein Wort über die Investitionen, aber vor allem kein Wort über eine geplante Eröffnung. Herr Regierender Bürgermeister! Hören Sie mit diesem Verantwortungs-Pingpong auf! Sie haben Herrn Lütke Daldrup als Ihren Mann an die Spitze des Flughafens gesetzt. Nehmen Sie die Chance heute vor dem Volksentscheid wahr und schaffen Sie Klarheit und benennen Sie einen verbindlichen Eröffnungstermin für den BER!
Wir alle wissen doch, dass der BER zu klein geplant ist. Na gut, nicht alle; Herr Kollatz-Ahnen hat selbst das Wachstum des Flugverkehrs bezweifelt – so verzweifelt sind Sie in der Koalition. Aber wir wissen, dass er zu klein geplant ist. Sie haben es immerhin auch eingestanden mit dem Masterplan 2040. Der war zwar eilig aufgesetzt und wirft mehr Fragen auf, als er beantwortet, aber er ist ein Bekenntnis dafür, dass die Abfertigungskapazität am BER fehlt. Und genau deshalb brauchen wir auch Tegel länger.
Aber wo wir bei Ihren Verzweiflungstaten sind: Gut eine halbe Million Euro Steuergeld haben Sie verschwendet für einen Werbebrief. Die Fotos von Ihnen dreien waren auch gut, das hat gut geklappt. Aber darin rechnen Sie den Bürgerinnen und Bürgern vor, dass etwa 1 Milliarde Euro Sanierungskosten für Tegel den Baukosten von 50 Schulen oder 8 400 neuen Wohnungen entsprechen. Herr Regierender Bürgermeister, haben Sie eigentlich schon einmal nachgerechnet, wie viele Schulen, wie viele Wohnungen Sie bauen könnten, wenn es unter sozialdemokratischer Führung der letzten Regierungen nicht zu den Verzögerungen beim BER gekommen wäre? Es sind über 2 Milliarden Euro!
Nein! – Sie warnen vor finanziellen Risiken, obwohl Sie als Sozialdemokraten die Verantwortung für zigfache Verschiebungen beim BER tragen. Mehr als 2 Milliarden, die monatlich um 30 Millionen wachsen, und wie viel wollen Sie eigentlich in Zukunft noch in den BER reinstecken?
Das Finanzierungskonzept ist über 2018 hinaus noch nicht mal gesichert. Nutzen Sie also die Gelegenheit, Herr Regierender Bürgermeister, heute etwas dazu zu sagen. Ich hielte es auch für richtig, dass Sie deutlich machen, wie Sie mit dem Volksentscheid umgehen. Wer den nicht ernst nimmt, der muss heute auch sagen: Wenn der Volksentscheid angenommen ist, stellen wir als Berlin finanzielle Vorsorge für die Lärmschutzmaßnahmen der betroffenen Bürgerinnen und Bürger zur Verfügung. Das ist ein Signal der Wahrheit und Klarheit, das Sie heute geben müssen.
Stattdessen setzt der Senat in den letzten Tagen auf Desinformation. Ein Gutachten jagt das nächste. Herr Dr. Behrendt präsentiert ein Gutachten, das schon vor vier Jahren vom Senat ausgeschrieben wurde. Nun gut, es steht wahrscheinlich nicht viel Neues drin, aber Sie versuchen jeden Tag, eine neue Nachricht zu haben. Ein Witz ist wirklich, dass Sie ernsthaft glauben, dass Ihnen irgendjemand in der Stadt abnimmt, Herr Wolf, dass Sie es schaffen, in Tegel Wohnungen zu bauen. Sie schaffen es doch an anderen Stellen in der Stadt gar nicht.
Die Wohnungsunternehmen im privaten Bereich haben sich zum Jahreswechsel schon abgewendet. Die öffentlichen Unternehmen haben gestern einen Brandbrief geschrieben. Fangen Sie doch mit dem Wohnungsbau mal dort an, wo Sie ihn machen können! Aber in Tegel traut Ihnen das nun wirklich keiner zu.
Sie haben sich als Koalition mehr Bürgerbeteiligung in den Koalitionsvertrag geschrieben. Am 24. September findet Bürgerbeteiligung über die Flughafenpolitik in Berlin statt.
Es gibt gute Gründe für die Berlinerinnen und Berliner für diesen Volksentscheid zu stimmen. Er bietet auch die Chance, die Flughafenpolitik neu an heutigen Bedürfnissen einer wachsenden internationalen Stadt auszurichten.
Wenn Sie wollen, dass Ihre Politik von den Berlinerinnen und Berlinern ernst genommen wird, dann sollten Sie auch das Votum der Berlinerinnen und Berliner ernst
nehmen. Herr Regierender Bürgermeister! Ich bin mir sicher, dass Sie, wenn der Wahlabend da ist und Sie vielleicht auch noch von den Linken überholt werden, was Ihnen ja in Berlin droht, noch die Kurve kriegen. Aber wenn Sie sie nicht kriegen, Herr Saleh kriegt sie bestimmt. Da kennen wir beide uns gut genug, Raed Saleh!
Herr Regierender Bürgermeister! Es gehört auch dazu, nach einem Volksentscheid nicht bitte gleich wieder die Fehler bei anderen zu suchen oder womöglich noch eine Kommission von Experten einzusetzen, die es richten sollen. Nein! Sie sind nach dem Volksentscheid gefordert, Ihre gescheiterte Flughafenpolitik zu korrigieren und den Bürgerwillen umzusetzen.
[Dr. Wolfgang Albers (LINKE): Sie wollen ihn doch auch schließen! Sagen Sie das mal! Was soll denn der Eiertanz?]
Die Stadtgesellschaft jedenfalls hat kein Vertrauen mehr in Ihre Versprechen zum BER. Deshalb möchte sie und setzt sie auf einen Flughafen, der bereits existiert und funktioniert, und das können wir auch gut verstehen. – Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Graf! Ich beneide Sie wirklich nicht für diese Rede, die Sie hier halten mussten,
nach dem, was die Berliner CDU zu dem Thema in den letzten Wochen und Monaten angestellt hat. Das war einfach eine peinliche Ansammlung von Windungen und Wendungen. Ich kann nur sagen: Der doppelt eingesprungene Wendehals steht Ihnen echt gut.
Es ist auch deutlich geworden, warum wir von der Koalition heute Tegel auf die Tagesordnung gesetzt haben und warum die Opposition aus Rechtspopulisten, FDP und CDU das nicht wollte. Alle Ihre Täuschungsmanöver sind aufgeflogen.
[Beifall bei der LINKEN, der SPD und den GRÜNEN – Sebastian Czaja (FDP): Wir reden seit zwei Jahren über das Thema! – Holger Krestel (FDP): Von Populismus verstehen Sie etwas!]
Alle, die sich jemals ernsthaft damit beschäftigt haben, wussten, dass die Bundesregierung und das Land Brandenburg nach dem 24. September bestätigt hätten, dass Tegel schließen muss, wenn der BER eröffnet. Dankenswerterweise hat die Kanzlerin das schon jetzt getan, weil sie offensichtlich nicht bereit war, im Sommerinterview und vor der Bundespressekonferenz mit Rücksicht auf die Berliner CDU in dieser Sache die Unwahrheit zu sagen.
Der Herr Präsident hat ja am Anfang appelliert, dass wir nicht so viel Wahlkampf machen sollen. Alles, was seit dem, was die Kanzlerin veröffentlicht hat, gesagt wurde, zeigt doch ganz deutlich: Weder FDP noch CDU, von den Rechtspopulisten ganz zu schweigen, hatten jemals ein ernsthaftes Interesse in der Sache.
Die FDP hatte eine windige und unseriöse, aber funktionierende Wahlkampfidee. Herr Czaja! Dass das nie wirklich mehr war als das, haben Sie in Ihrer Klamaukrede in der letzten Plenardebatte zum Thema hier gezeigt.