Protocol of the Session on June 22, 2017

Annahme einer Entschließung Drucksache 18/0391

hierzu:

Dringliche Beschlussempfehlung des Hauptausschusses vom 14. Juni 2017 Drucksache 18/0400

Zum Gesetzesantrag der Fraktion der FDP Drucksache 18/0018 eröffne ich nunmehr die zweite Lesung und schlage vor, die Einzelberatung der sieben Paragrafen miteinander zu verbinden – und höre hierzu keinen Widerspruch. Ich rufe also auf die Überschrift und die Einleitung sowie die Paragrafen 1 bis 7 in dem Antrag Drucksache 18/0018.

Vorab hatte ich den Antrag der AfD-Fraktion Drucksache 18/0369 sowie den Entschließungsantrag der Koalitionsfraktionen Drucksache 18/0391 an den Hauptausschuss überwiesen – und darf nachträglich Ihre Zustimmung feststellen.

Zu beiden Anträgen liegen bereits die dringlichen Beschlussempfehlungen vor. Den Dringlichkeiten hatten Sie bereits eingangs zugestimmt.

Für die Besprechung der Aktuellen Stunde und für die Beratung der Tagesordnungspunkte 6 und 37 steht den Fraktionen insgesamt jeweils eine Redezeit von bis zu zehn Minuten zur Verfügung, die auf zwei Redebeiträge aufgeteilt werden kann. Es beginnt die Fraktion der Bündnis 90/Die Grünen. – Frau Kollegin Kapek, bitte schön! Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Bahnhof Zoo war in meiner Jugend ein ganz besonderer Ort – für mich ein Ort von Jubel, wenn meine heißgeliebte Oma ankam, oder von Tränen beim Abschied meiner ersten großen Liebe.

[Oh! von der SPD und der CDU]

Ich verbinde viele persönliche Momente mit dem Zoo, und genau wie viele andere gebürtige Berliner fand ich den Hauptbahnhof am Anfang zum Kotzen: zu groß, zu weit weg, keine Geschichte, einfach nicht Berlin! Dann kam dort aber die erste Urlaubsreise, die Liebe zu diesem einen Kaffeeladen oder die Zeitung immer am selben Kiosk. Ich gestehe heute, ich mag den Hauptbahnhof. Er ist für mich Teil meiner Stadt geworden, und ich kann mir heute tatsächlich keinen anderen Bahnhof mehr als den zentralen Bahnhof Berlins vorstellen.

[Tim-Christopher Zeelen (CDU): Ein Bahnhof für Berlin!]

Flughäfen schreiben wie Bahnhöfe persönliche Geschichten. Sie verbinden Menschen, lösen Trauer, Glück, Wünsche und Hoffnungen aus. Genau deshalb hängen so viele Menschen an Tegel. Auch Tegel ist ein Ort der persönli

chen Momente und ein Ort, der Geschichte geschrieben hat. Tegel war als Flughafen Westberlins die Brücke in eine eingemauerte Stadt, war Lebensader, Fluchtort und Sehnsuchtsort.

[Michael Dietmann (CDU): Sie klingen so nostalgisch!]

Aber so wie die Mauer ein Relikt des Kalten Krieges ist, ist auch der innerstädtische Flughafen ein Relikt einer geteilten Stadt. Tegel ist und wird immer ein wichtiger Teil der Berliner Geschichte sein, aber jetzt wird es Zeit, die Geschichte Tegels weiterzuschreiben.

[Karsten Woldeit (AfD): Ui!]

Deshalb wollen wir Tegel nicht offen halten, wir wollen Tegel öffnen für die Zukunft!

[Beifall bei den GRÜNEN, der SPD und der LINKEN]

Auch die FDP versucht regelmäßig, sich als Zukunftspartei zu inszenieren. Ihre Tegel-Pläne beweisen aber genau das Gegenteil. Ausgerechnet gemeinsam mit der AfD versuchen Sie, die Vergangenheit einzubetonieren.

[Lachen von Holger Krestel (FDP) – Frank-Christian Hansel (AfD): Bravo!]

Das ist nicht zukunftsweisend, das ist fortschrittsfeindlich.

[Beifall bei den GRÜNEN, der SPD und der LINKEN]

Man könnte auch sagen, Sie haben den letzten Aufruf nicht gehört und sitzen jetzt gemeinsam mit der AfD in der Wartehalle fest.

[Holger Krestel (FDP): Flacher geht‘s wirklich nicht mehr!]

Während Sie dort gemütlich auf der Insel der Unglückseligen gestrandet sind, werfen Sie uns doch tatsächlich vor, wir würden uns einer sachlichen Debatte zu Tegel nicht stellen. – Ganz ehrlich, Herr Czaja! Sie sind gekonnt in das selbst aufgestellte Fettnäpfchen gesprungen; denn Fakt ist, die FDP hat Tegel hier in diesem Jahr noch kein einziges Mal von sich aus auf die Tagesordnung gesetzt.

[Beifall bei den GRÜNEN, der SPD und der LINKEN]

Nicht Sie, sondern die Koalition hat das Thema heute zur Aktuellen Stunde angemeldet. – Ernsthaft? Sie haben ein einziges Thema, und dann brauchen Sie die Koalition, um Ihnen unter die Arme zu greifen? Sie spucken große Töne, wenn Sie unter sich sind. Wenn es aber um die harte Auseinandersetzung im Ring geht, kneifen Sie und bleiben lieber in Ihrer Ecke sitzen. Das, junger Kollege, ist wirklich die große Kunst der Taschenspielerei.

[Beifall bei den GRÜNEN, der SPD und der LINKEN – Lachen bei der CDU und der FDP]

(Präsident Ralf Wieland)

Als Bürger darf man aus dem Bauch heraus entscheiden, aber als Politiker, Herr Czaja, müssen Sie sich den Fakten stellen.

[Frank-Christian Hansel (AfD): Das müssen Sie! Sie müssen das!]

Das tun Sie aber leider nicht. Daher bin ich mittlerweile zutiefst davon überzeugt, dass Ihnen die Zukunft Tegels vollkommen egal ist. Sie haben erkannt, dass das Volksbegehren ein Konjunkturprogramm für Ihre dahinsiechende Partei war. Dass Sie dabei mit den Gefühlen der Menschen in dieser Stadt spielen, ist Ihnen vollkommen egal, und das, liebe FDP, ist schändlich;

[Beifall bei den GRÜNEN, der SPD und der LINKEN]

denn Sie gaukeln den Menschen in dieser Stadt eine Entscheidungsmacht vor, die sie gar nicht haben. Sie vermitteln den Eindruck, die Berlinerinnen und Berliner könnten tatsächlich darüber abstimmen, ob der Flughafen weiterbetrieben wird oder nicht.

[Frank-Christian Hansel (AfD): Das können sie auch!]

Dem ist aber nicht so, denn dafür hätten Sie ein bindendes Gesetz zur Abstimmung vorlegen müssen.

[Frank-Christian Hansel (AfD): Falsch! Falsch, Frau Kollegin!]

Das haben Sie aber nicht. Stattdessen wollen Sie über eine politische Haltung abstimmen lassen. Warum eigentlich? Vielleicht, weil Sie selbst erkannt haben, dass die Fakten nun einmal so sind, wie sie sind, und dass eine Offenhaltung von Tegel rechtlich und finanziell gar nicht möglich ist.

[Frank-Christian Hansel (AfD): Unsinn!]

Fakt ist, dass der Flughafen für den Weiterbetrieb eine neue Betriebsgenehmigung bräuchte. Diese würde an Umwelt-, Sicherheits- und Lärmschutzstandards scheitern, und das zu Recht.

[Beifall bei den GRÜNEN, der SPD und der LINKEN – Frank-Christian Hansel (AfD): Das ist eine Mär!]

Egal, was Sie auf diese Fragen antworten, das Geschmäckle bleibt. Sie spielen den Menschen in dieser Stadt falsche Tatsachen vor, und genau das – Ihre Politik, lieber Herr Czaja – führt zu Politikverdrossenheit.

[Beifall bei den GRÜNEN, der SPD und der LINKEN – Mario Czaja (CDU): Aha, ein Volksentscheid führt zu Politikverdrossenheit!]

Politische Parteien werden für ihre Haltungen gewählt. Berlin hat also gerade, am 18. September 2016, auch über die Tegel-Frage abgestimmt, denn alle gewählten Parteien, wie sie hier anwesend sind, haben sich in ihren Wahlprogrammen klar zur Tegel-Frage verhalten und wurden für diese Position gewählt oder auch nicht. Schwierig ist

nur, wenn man genau diese Position keine drei Monate nach der Wahl wieder aufgibt, wie es die CDU derzeit demonstriert.

[Zuruf von der LINKEN: Unerhört!]

Die CDU verspricht in ihrem Wahlprogramm 2016 für das Gelände Tegel „einen innovativen Forschungs- und Industriepark“, die Ansiedlung von Hochschulen, die Schaffung von Arbeitsplätzen, Platz für Wohnungen. Das klingt eigentlich alles ganz gut, interessiert die Herren von der CDU aber nicht mehr. Stattdessen sind Sie einen Tag für die Offenhaltung, den nächsten für die Schließung, dann wieder zurück.

[Mario Czaja (CDU): Damit kennen Sie sich ja aus!]

Herr Graf! Auch wenn Sie in der Opposition sind, tragen Sie trotzdem immer noch Verantwortung für diese Stadt. Ausgerechnet eine Partei, die sonst immer von Anstand, Recht und Ordnung spricht, hat keine klare Haltung in einer stadtpolitisch so bedeutenden Frage, und – noch schlimmer – lässt sich mitten in einer Mitgliederbefragung sogar ein Gutachten von einer Billigairline kaufen? Das ist nicht nur peinlich. Das, liebe CDU, ist Filz der allerschlimmsten Sorte.

[Beifall bei den GRÜNEN, der SPD und der LINKEN – Zurufe von der CDU und der FDP]

Ich frage mich, wo eigentlich der Widerstand in Ihren eigenen Reihen bleibt.