Zum Gesetzesantrag der Fraktion der FDP Drucksache 18/0018 eröffne ich nunmehr die zweite Lesung und schlage vor, die Einzelberatung der sieben Paragrafen miteinander zu verbinden – und höre hierzu keinen Widerspruch. Ich rufe also auf die Überschrift und die Einleitung sowie die Paragrafen 1 bis 7 in dem Antrag Drucksache 18/0018.
Vorab hatte ich den Antrag der AfD-Fraktion Drucksache 18/0369 sowie den Entschließungsantrag der Koalitionsfraktionen Drucksache 18/0391 an den Hauptausschuss überwiesen – und darf nachträglich Ihre Zustimmung feststellen.
Zu beiden Anträgen liegen bereits die dringlichen Beschlussempfehlungen vor. Den Dringlichkeiten hatten Sie bereits eingangs zugestimmt.
Für die Besprechung der Aktuellen Stunde und für die Beratung der Tagesordnungspunkte 6 und 37 steht den Fraktionen insgesamt jeweils eine Redezeit von bis zu zehn Minuten zur Verfügung, die auf zwei Redebeiträge aufgeteilt werden kann. Es beginnt die Fraktion der Bündnis 90/Die Grünen. – Frau Kollegin Kapek, bitte schön! Sie haben das Wort.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Bahnhof Zoo war in meiner Jugend ein ganz besonderer Ort – für mich ein Ort von Jubel, wenn meine heißgeliebte Oma ankam, oder von Tränen beim Abschied meiner ersten großen Liebe.
Ich verbinde viele persönliche Momente mit dem Zoo, und genau wie viele andere gebürtige Berliner fand ich den Hauptbahnhof am Anfang zum Kotzen: zu groß, zu weit weg, keine Geschichte, einfach nicht Berlin! Dann kam dort aber die erste Urlaubsreise, die Liebe zu diesem einen Kaffeeladen oder die Zeitung immer am selben Kiosk. Ich gestehe heute, ich mag den Hauptbahnhof. Er ist für mich Teil meiner Stadt geworden, und ich kann mir heute tatsächlich keinen anderen Bahnhof mehr als den zentralen Bahnhof Berlins vorstellen.
Flughäfen schreiben wie Bahnhöfe persönliche Geschichten. Sie verbinden Menschen, lösen Trauer, Glück, Wünsche und Hoffnungen aus. Genau deshalb hängen so viele Menschen an Tegel. Auch Tegel ist ein Ort der persönli
chen Momente und ein Ort, der Geschichte geschrieben hat. Tegel war als Flughafen Westberlins die Brücke in eine eingemauerte Stadt, war Lebensader, Fluchtort und Sehnsuchtsort.
Aber so wie die Mauer ein Relikt des Kalten Krieges ist, ist auch der innerstädtische Flughafen ein Relikt einer geteilten Stadt. Tegel ist und wird immer ein wichtiger Teil der Berliner Geschichte sein, aber jetzt wird es Zeit, die Geschichte Tegels weiterzuschreiben.
Auch die FDP versucht regelmäßig, sich als Zukunftspartei zu inszenieren. Ihre Tegel-Pläne beweisen aber genau das Gegenteil. Ausgerechnet gemeinsam mit der AfD versuchen Sie, die Vergangenheit einzubetonieren.
Man könnte auch sagen, Sie haben den letzten Aufruf nicht gehört und sitzen jetzt gemeinsam mit der AfD in der Wartehalle fest.
Während Sie dort gemütlich auf der Insel der Unglückseligen gestrandet sind, werfen Sie uns doch tatsächlich vor, wir würden uns einer sachlichen Debatte zu Tegel nicht stellen. – Ganz ehrlich, Herr Czaja! Sie sind gekonnt in das selbst aufgestellte Fettnäpfchen gesprungen; denn Fakt ist, die FDP hat Tegel hier in diesem Jahr noch kein einziges Mal von sich aus auf die Tagesordnung gesetzt.
Nicht Sie, sondern die Koalition hat das Thema heute zur Aktuellen Stunde angemeldet. – Ernsthaft? Sie haben ein einziges Thema, und dann brauchen Sie die Koalition, um Ihnen unter die Arme zu greifen? Sie spucken große Töne, wenn Sie unter sich sind. Wenn es aber um die harte Auseinandersetzung im Ring geht, kneifen Sie und bleiben lieber in Ihrer Ecke sitzen. Das, junger Kollege, ist wirklich die große Kunst der Taschenspielerei.
Als Bürger darf man aus dem Bauch heraus entscheiden, aber als Politiker, Herr Czaja, müssen Sie sich den Fakten stellen.
Das tun Sie aber leider nicht. Daher bin ich mittlerweile zutiefst davon überzeugt, dass Ihnen die Zukunft Tegels vollkommen egal ist. Sie haben erkannt, dass das Volksbegehren ein Konjunkturprogramm für Ihre dahinsiechende Partei war. Dass Sie dabei mit den Gefühlen der Menschen in dieser Stadt spielen, ist Ihnen vollkommen egal, und das, liebe FDP, ist schändlich;
denn Sie gaukeln den Menschen in dieser Stadt eine Entscheidungsmacht vor, die sie gar nicht haben. Sie vermitteln den Eindruck, die Berlinerinnen und Berliner könnten tatsächlich darüber abstimmen, ob der Flughafen weiterbetrieben wird oder nicht.
Das haben Sie aber nicht. Stattdessen wollen Sie über eine politische Haltung abstimmen lassen. Warum eigentlich? Vielleicht, weil Sie selbst erkannt haben, dass die Fakten nun einmal so sind, wie sie sind, und dass eine Offenhaltung von Tegel rechtlich und finanziell gar nicht möglich ist.
Fakt ist, dass der Flughafen für den Weiterbetrieb eine neue Betriebsgenehmigung bräuchte. Diese würde an Umwelt-, Sicherheits- und Lärmschutzstandards scheitern, und das zu Recht.
Egal, was Sie auf diese Fragen antworten, das Geschmäckle bleibt. Sie spielen den Menschen in dieser Stadt falsche Tatsachen vor, und genau das – Ihre Politik, lieber Herr Czaja – führt zu Politikverdrossenheit.
[Beifall bei den GRÜNEN, der SPD und der LINKEN – Mario Czaja (CDU): Aha, ein Volksentscheid führt zu Politikverdrossenheit!]
Politische Parteien werden für ihre Haltungen gewählt. Berlin hat also gerade, am 18. September 2016, auch über die Tegel-Frage abgestimmt, denn alle gewählten Parteien, wie sie hier anwesend sind, haben sich in ihren Wahlprogrammen klar zur Tegel-Frage verhalten und wurden für diese Position gewählt oder auch nicht. Schwierig ist
nur, wenn man genau diese Position keine drei Monate nach der Wahl wieder aufgibt, wie es die CDU derzeit demonstriert.
Die CDU verspricht in ihrem Wahlprogramm 2016 für das Gelände Tegel „einen innovativen Forschungs- und Industriepark“, die Ansiedlung von Hochschulen, die Schaffung von Arbeitsplätzen, Platz für Wohnungen. Das klingt eigentlich alles ganz gut, interessiert die Herren von der CDU aber nicht mehr. Stattdessen sind Sie einen Tag für die Offenhaltung, den nächsten für die Schließung, dann wieder zurück.
Herr Graf! Auch wenn Sie in der Opposition sind, tragen Sie trotzdem immer noch Verantwortung für diese Stadt. Ausgerechnet eine Partei, die sonst immer von Anstand, Recht und Ordnung spricht, hat keine klare Haltung in einer stadtpolitisch so bedeutenden Frage, und – noch schlimmer – lässt sich mitten in einer Mitgliederbefragung sogar ein Gutachten von einer Billigairline kaufen? Das ist nicht nur peinlich. Das, liebe CDU, ist Filz der allerschlimmsten Sorte.