Protocol of the Session on June 22, 2017

gehört, was die Leute von dieser Politik halten, die Sie vertreten. Das ist eine reine Wohlfühlpolitik, vorbei an den Argumenten und zu Lasten der Betroffenen in den Einflugschneisen. Ich lehne das ab; ich halte das für einen Skandal, was hier abläuft.

[Beifall bei der SPD, der LINKEN und den GRÜNEN]

Als alter Westberliner weiß ich, wovon ich rede. Natürlich hat der Flughafen Tegel Symbolcharakter, da macht sich keiner etwas vor. Wir wissen auch, dass wir damals gar keine Alternative hatten. Das war das Tor zur Welt. Aber der Flughafen hat sich heute überlebt. Vorhin im Radio haben sie als einziges Argument gesagt: Ich komme schnell von meinem Auto zum Schalter.

[Zurufe von den GRÜNEN]

Das ist das Argument, warum 300 000 Leute in dieser Stadt weiter leiden sollen. Das ist die Politik der FDP, und diese Politik lehnt diese Koalition ab.

[Beifall bei der SPD, der LINKEN und den GRÜNEN]

Da geht es nicht um die Debatte über zwei Flughäfen. Dieser Flughafen ist in der heuten Form nicht mehr genehmigungsfähig. Er unterscheidet sich übrigens entscheidend von anderen Stadtflughäfen. Schauen Sie doch mal hin! Ich finde die Debatte immer relativ lustig, die es zum BER gibt, wenn am Müggelsee in 1 500 Meter Höhe zu bestimmten Zeiten Flugbewegung zu sehen ist. Auch da sind viele Betroffene, völlig unstrittig, aber die Situation, die wir hier in Pankow, in Reinickendorf, in Spandau, in Mitte haben, ist eine ganz andere, das wissen Sie! Der Flughafen ist nicht mehr genehmigungsfähig.

[Frank-Christian Hansel (AfD): Er braucht nicht mehr genehmigt zu werden, er ist genehmigt!]

1 000 Wohnungen allein sind so dicht in der Einflugschneise, dass sie Anspruch auf eine Komplettentschädigung hätten.

Die FDP streut uns mit ihrer Kampagne einen rein rückwärtsgewandten Romantiksand in die Augen. Sie legen bewusst keinen Gesetzesentwurf vor. Auch das war bereits gestern Thema in der Debatte, und ich sage es heute wieder: Wenn Sie es gewollt hätten, dass sich in der Frage irgendetwas bewegt, dann hätten Sie einen Gesetzesentwurf vorlegen können. Das konnten Sie aber nicht, weil Sie wissen, dass der rechtlich keinen Bestand hat. Deshalb führen Sie diese Debatte: Also, der Senat soll mal prüfen, ob man nicht vielleicht Tegel offen halten kann. – Das ist doch kleinstes und billigstes Niveau. Sie versuchen nur – die AfD ist schnell als Ihr neuer Partner mit auf den Zug aufgesprungen –, im Herbst bei den Wahlen Stimmen zu ziehen. Das ist zu wenig!

Mir geht es um die Leute dort vor Ort. Die Leute dort vor Ort haben einen Anspruch darauf, dass die Politik glaubwürdig ist. Wir haben ihnen über Jahre, man muss leider

schon fast sagen Jahrzehnte, versprochen, dass der Flughafen Tegel geschlossen wird. Dieses Versprechen muss eingehalten werden. Ich sage mal: Sie sitzen in Zehlendorf-Steglitz,

[Oliver Friederici (CDU): Das heißt Steglitz-Zehlendorf!]

Herr Czaja, warm und trocken. Die Betroffenen müssen den Fluglärm täglich erleben, bis zu 500 Flugbewegungen. Das ist nicht mehr auszuhalten, deshalb muss der Flughafen geschlossen werden.

[Beifall bei der SPD, der LINKEN und den GRÜNEN – Beifall von Stefan Franz Kerker (AfD)]

Gerade weil Sie gern die Debatte führen, dass das alles so einfach geht, sagen Sie einmal etwas zu den Flugrouten! Bei diesem Thema sind Sie gestern ausgewichen. Sie wissen, wenn Tegel offen bleibt, funktionieren alle Flugrouten, so, wie sie festgelegt sind, nicht mehr und die Probleme nehmen zu. Es geht um harte Fakten, es geht um Fakten für den Berliner Haushalt und um Gesundheitsrisiken.

[Zuruf von Sebastian Czaja (FDP)]

Es geht eben nicht vorrangig um sentimentale Gefühle. Das ist die Kampagne, die Sie führen.

Ein innerstädtischer Flugbetrieb wie in Tegel, ist ein sehr großes Risiko für die Stadt. Ja, wir haben bisher Glück gehabt.

[Frank-Christian Hansel (AfD): Oh, jetzt werden Ängste geschürt!]

Wir haben Glück gehabt, dass es zu keiner Katastrophe gekommen ist. Wer sich in Amsterdam den Absturz der Frachtmaschine, Herr Kollege Hansel, angesehen hat, der weiß, was ich meine.

[Frank-Christian Hansel (AfD): Sie schüren Ängste!]

Wir sind dort so dicht in der Bebauung, wir haben selbst Tankstellen in der Einflugschneise. Die Risiken sind enorm hoch. Das müssen wir beenden.

Alle Menschen in Berlin bekommen mit dem Ende des Flugbetriebs in Tegel mehr Lebensqualität, weniger Lärm und bessere Luft. Deshalb fordern wir die Berlinerinnen und Berliner auf, 30 Jahre nach dem Mauerfall dafür zu stimmen, dass der Flughafen Tegel geschlossen wird und die Stadt endlich einen Flughafen für beide Teile, für Ost und für West, bekommt.

[Beifall bei der SPD und der LINKEN Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN]

Sie behaupten immer, der Flughafen BER habe zu geringe Kapazitäten und kommen dann mit irgendwelchen Fantasiezahlen.

[Frank-Christian Hansel (AfD): Das werden wir Ihnen nachher zeigen!]

Ja, können Sie machen. – Wir haben im Augenblick 33 Millionen Passagiere. Sie können ohne Schwierigkeit mit zwei Start- und Landebahnen am BER 60 Millionen Passagiere abfertigen. In London-Heathrow sind es sogar 70 Millionen. Da sind wir weit von all dem entfernt, was Sie sagen. Das ist inhaltlich überhaupt kein Grund, weshalb man dort einen zweiten Flughafen braucht.

[Frank-Christian Hansel (AfD): Wenn es nur stimmen würde!]

Ähnlich ist es bei der Verkehrsanbindung. Natürlich kann man bei der Verkehrsanbindung das eine oder andere noch nachrüsten. Das ist völlig unstrittig. Die Dresdner Bahn ist ein Thema, auch unstrittig. Aber wie ist die Situation in Tegel? – Für 8 Millionen ausgelegt. Da fliegen 21 Millionen. Es gibt keinen Bahnanschluss, keine S-Bahn, keine U-Bahn, der Anschluss erfolgt über eine kleine Stichstraße.

[Frank-Christian Hansel (AfD): Ihr Versagen! 30 Jahre lang! – Carola Bluhm (LINKE): Aber Tegel ist fantastisch angeschlossen! Fantastisch!]

Ich sehe kein Verkehrschaos an der Stelle, Sie sehen am BER das Verkehrschaos schon vorher. Das ist ein Argument, das nicht trägt. Das wissen Sie ganz genau. Aber Sie holen es trotzdem gern hervor.

Zwei Flughäfen sind teuer und werden nicht gebraucht. Wir werden etwa 1 Milliarde Euro in Tegel investieren müssen, um diesen Flughafen, an dem praktisch nichts mehr gemacht worden ist, zum Laufen zu bringen. Es sind 100 Millionen Euro jährlich für den Parallelbetrieb nötig. Schallschutz, großes Thema. 400 Millionen Euro hat der Senat errechnet. Ich gehe davon aus, dass es bis zu 2 Milliarden Euro werden können,

[Frank-Christian Hansel (AfD): Horrorzahlen!]

wenn man die Bedingungen, wie sie am BER gelten, anwendet. Selbst dann, wenn man es macht, hätten viele Betroffene keinen vernünftigen Schallschutz. Ich fordere Sie auf: Gehen Sie mal in eine Wohnung mit Schallschutz! Gehen Sie mal in die Einflugschneise zu Betroffenen und machen einfach einmal das Fenster auf, setzen Sie sich auf den Balkon oder setzen Sie sich in den Garten. Dann bekommen Sie ein Gefühl dafür, was die Leute aushalten müssen. Das haben Sie in Zehlendorf nicht. Aber die Leute dort oben müssen es täglich ertragen. Deshalb fordern wir die Berlinerinnen und Berliner auf: Stimmen Sie mit Nein beim Volksentscheid!

[Beifall bei der SPD, der LINKEN und den GRÜNEN – Beifall von Stefan Franz Kerker (AfD)]

Dann machen Sie immer die Rechtsdebatte auf als wäre das alles so einfach. Unabhängig davon, dass es den Konsensbeschluss gegeben hat, unabhängig davon, dass es Entscheidungen beim Bundesverwaltungsgericht gegeben hat, die klar festlegen: Sechs Monate nach Eröffnung des

BER ist Tegel zu schließen –, ist doch klar, was geschieht, wenn man sich an dieser Debatte rechtlich beteiligt. Deshalb tun Sie es nicht. Deshalb machen Sie nur die Wohlfühlabstimmung. Sie wissen, dass es überall Klagen geben würde. Sie würden aus Tegel kommen, die würden von dort unten kommen. Deshalb halten wir das für keine seriöse Lösung. Brandenburg und der Bund wollen das nicht. Wir haben gar keine Mehrheit dafür. Sie kennen die Verhältnisse in der Flughafengesellschaft. Deshalb ist auch diese Debatte rechtlich nicht akzeptabel.

[Frank-Christian Hansel (AfD): Ist nicht so!]

Zu guter Letzt möchte ich noch einmal darauf hinweisen, was wir auf dem Feld planen. Auch das, Wirtschaftspartei FDP und demnächst CDU – ich weiß es nicht, wie Sie sich entscheiden werden. Herr Evers hat sich schon entschieden. –

[Udo Wolf (LINKE): Echt? Habe ich nicht gehört!]

Wir machen dort doch etwas, was für die Stadt eine Riesenchance ist. Sie bauen dort 9 000 Wohnungen, die die Stadt dringend braucht, von denen mindestens die Hälfte bezahlbarer Wohnraum sein wird, für Leute, die sich keine andere Wohnung leisten können.

[Henner Schmidt (FDP): Sie behaupten einfach! – Zuruf von Florian Kluckert (FDP)]

Die Wohnungsbaugesellschaften werden dort tätig sein. Das müssen Sie unterstützen, statt immer nur Luxuswohnungen in der Stadt zu tolerieren. Von denen haben wir bereits mehr als genug.

[Beifall bei der SPD, der LINKEN und den GRÜNEN]

Wir werden dort den zweiten Campus für Beuth hinsetzen. Auch das ist wichtig, den brauchen wir dringend. Wir planen sechs Kitas, eine neue Grundschule, ein Jugendfreizeitheim. Es werden ungefähr 20 000 neue Arbeitsplätze in Unternehmen der Zukunftsbranche entstehen. Das sind alles Chance für Berlin, und natürlich auch für den Standort Reinickendorf. Deshalb werben wir dafür, dass die Berlinerinnen und Berliner im September mit Nein abstimmen.

Ich sage es hier ganz deutlich: Die Koalition wird sich in der Frage nicht bewegen,

[Zuruf von Sebastian Czaja (FDP)]

weil wir davon überzeugt sind, dass auch eine Prüfung des Volksentscheids ganz klar die Argumente ergibt, Herr Czaja, die Sie gestern gehört haben. Eigentlich hätten Sie die vielen Pfiffe, die Sie gestern zu hören bekommen haben, mal ein bisschen zum Nachdenken bringen können, dass die Berlinerinnen und Berliner zu großen Teilen wissen, dass die Debatte über Tegel keine seriöse ist. Seriös wäre es, wenn Sie einen Gesetzesentwurf vorgelegt hätten. Das haben Sie nicht getan. Seriös ist, was die Koalition macht, dass wir zu unseren Beschlüssen stehen,

dass wir uns für die Betroffenen vor Ort einsetzen, dass wir ein hervorragendes Nachnutzungskonzept haben, das in der Stadt umstritten, unumstritten ist.