Protocol of the Session on February 23, 2012

[Beifall bei der CDU und der SPD]

Deshalb wünschen wir der Unternehmensführung und der Mitarbeiterschaft weiter viel Erfolg und Kraft im Verkehr für Berlin, denn wir sind stolz auf unsere BVG.

[Beifall bei der CDU und der SPD – Dr. Wolfgang Albers (LINKE): Wir sind stolz auf Sie!]

Vielen Dank, Kollege Friederici! – Für die Fraktion Die Linke hat jetzt der Kollege Harald Wolf das Wort. – Bitte schön!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das war wieder eine bewundernswerte Rede aus dem Regierungslager, Herr Friederici, mit dem Ziel: Wünsch dir was! – Die Erneuerung der Verkehrsflotte kann ich weder im Haushaltsplan noch in der mittelfristigen Finanzplanung sehen. Ansonsten haben Sie den Beschäftigten nichts gesagt,

außer, es wird weiteren Personalabbau geben, der aber durch Videoüberwachung kompensiert werden wird. Das ist keine Perspektive für dieses Unternehmen.

[Beifall bei der LINKEN und den PIRATEN – Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN]

Wenn Sie sagen, die BVG sei so wichtig wie das Brandenburger Tor, würde ich mir einen Umgang mit der BVG wünschen, wie mit dem Brandenburger Tor umgegangen wird, auch wenn ich die BVG nicht unter Denkmalschutz stellen will.

[Beifall bei der LINKEN]

Ich habe keinen Zweifel daran, dass die BVG ihrer Verantwortung nachkommt und ihren Beitrag zum Funktionieren des öffentlichen Personennahverkehrs leistet. Ich erinnere nur daran, was dieses Unternehmen und die Beschäftigten dieses Unternehmens während der S-Bahnkrise geleistet haben, und welche Anstrengungen geleistet worden sind, um zumindest teilweise Ausfälle zu kompensieren, damit das System des öffentlichen Personennahverkehrs in Berlin nicht zusammenbricht.

Die BVG hat im letzten Jahr eine Rekordzahl – 930 Millionen – bei den Fahrgästen erreicht. Das sind noch mehr als zum Höhepunkt der S-Bahnkrise, als die BVG viele Fahrgäste der S-Bahn bekommen hat. 25 000 neue Abos, das ist der richtig Weg, nämlich mehr Fahrgäste, mehr Einnahmen und damit auch mehr Menschen, die im öffentlichen Personennahverkehr fahren und damit auch die Umwelt entlasten. Das ist eine Leistung der BVG, die gewürdigt werden muss.

[Beifall bei der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei den PIRATEN]

Gleichzeitig ist in dem Unternehmen über Jahre hinweg die Produktivität gesteigert worden, und es ist richtig: Es werden auch in den nächsten Jahren weitere Effizienzsteigerungen notwendig sein. Vor diesem Hintergrund muss man auch sehen, dass es völlig legitim ist, wenn die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der BVG einerseits bei dem, was ihnen abverlangt wird, sagen: Wir wollen keinen Reallohnverlust haben.

[Beifall bei der LINKEN]

Das, was zurzeit von Arbeitgeberseite auf dem Tisch liegt, läuft auf Reallohnverlust hinaus. Während die Gewerkschaft – das ist hochgradig bescheiden für eine Gewerkschaft – mit der Forderung nach Inflationsausgleich plus einem kleinen X auftritt – –

[Zuruf von Senator Dr. Ulrich Nußbaum]

Herr Nußbaum! Ein kleines X. – Wir wissen auch, wie Tarifverhandlungen laufen, und wenn die Gewerkschaft schon mit der Forderung nach plus einem kleinen X in die Verhandlung geht, ist das ausgesprochen maßvoll.

Aber wenn die Arbeitgeberseite Angebote vorlegt, die de facto, wenn man sie durchrechnet, auf plus 1,3 bis

1,5 Prozent hinauslaufen und damit der Reallohnverlust programmiert ist, ist es nicht akzeptabel. Da braucht man sich nicht zu wundern – wenn es über sieben Verhandlungsrunden keine Bewegung gibt –, dass es dann einen Warnstreik gibt. Ich bin froh, dass die Berlinerinnen und Berliner so gelassen darauf reagiert haben.

[Beifall bei der LINKEN]

Es gab vorher eine große Panikmache. Nichts ist passiert. Es gab den Warnstreik. Die Gewerkschaft und die Mitarbeiter der BVG haben gezeigt, dass sie bereit sind zu kämpfen, aber sie haben mit ihrem Vorschlag der Schlichtung gleichzeitig gezeigt, dass sie Verantwortung tragen. Ich erwarte, dass der Senat sich zu diesem Vorschlag der Schlichtung verhält.

Die Strategie zur Sanierung der BVG kann nicht darin bestehen, dass man einerseits von den Beschäftigten immer mehr Leistung verlangt, Produktivitätssteigerung, und ihnen gleichzeitig dafür Reallohnverluste bietet und den Fahrgästen sagt: Wir müssen die Fahrpreise erhöhen. – Ich stimme dem zu, was vorhin gesagt worden ist, es komme auch darauf an, dass das Land seiner Verantwortung nachkommen muss. Verantwortung des Landes heißt unter anderem, das Problem der Einnahmeaufteilung zu lösen, weil die Ausschreibung des Regionalverkehrs durch den VBB und die Vergabe der Verkehrsleistung auf dieser Grundlage dazu führt, dass die interne Einnahmeaufteilung, die bisher für das Tarifgebiet ABC Berlin existiert hat, ausgehebelt wird, mit der Konsequenz, dass es bei der BVG – wenn es bei diesem Status quo bleibt – bis zum Jahr 2016 Verluste, entgangene Einnahmen in Höhe von 31 Millionen Euro gibt, während beim Aufgabenträger, beim Land Berlin, 32 Millionen Plus bleiben, und beim Land Brandenburg auch noch, sodass beide Länder zusammen ein Plus von 45 Millionen Euro haben, während die BVG 31 Millionen Euro verliert. Das kann nicht sein, und deshalb ist an dieser Stelle dringend Handlung geboten. Herr Müller! Ich weiß, dass das Thema verhandelt wird, aber ich bin der Auffassung, dass es dringlich gelöst werden muss.

[Beifall von Jutta Matuschek (LINKE)]

Es gibt Unverständnis bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der BVG, wenn auf der einen Seite das Geld bei der BVG weggenommen, damit die Wirtschaftlichkeit der BVG weiter gefährdet und dann gesagt wird: Weil die BVG in einer so schwierigen Lage ist, können wir einen Inflationsausgleich plus einem kleinen X nicht gewährleisten.

Zweitens: 2012 steht die Revision des Verkehrsvertrages an. 2010 war die letzte, dann zwei Jahre, also 2012. Jedenfalls hat sie 2011 nicht stattgefunden, sie muss 2012 stattfinden, Herr Nußbaum. Im Verkehrsvertrag steht: Hier geht es um eine Überprüfung der Einnahme- und der Kostensituation. Wenn sich Kostensituationen verändern – Energiepreise, erhöhte Infrastrukturkosten durch Brandschutz, Tariferhöhungen etc. –, dann ist es auch hier Auf

gabe zu sehen, was aus dem Unternehmen geleistet werden kann und was gegebenenfalls vom Aufgabenträger übernommen werden muss. Das ist die Logik des Verkehrsvertrages, und auch da muss das Land seiner Verantwortung nachkommen.

[Beifall bei der LINKEN]

Von Herrn Gelbhaar ist das Thema Verkehrsbeschleunigung schon angesprochen worden. Der BVG wurden im letzten Jahr, glaube ich, oder 2010 über 3 Millionen Euro abgezogen, weil Busse unpünktlich sind. Aber die Busse sind nicht deshalb unpünktlich, weil die BVG sie nicht entsprechend dem Fahrplan einsetzt, sondern weil wir momentan in der Stadt die Situation haben, dass die Busse im Stau stehen, entweder weil wir sehr viele Baustellen haben oder weil die Busspuren mit anderen Fahrzeugen voll sind. Das sind alles keine Themen, die von der BVG verschuldet werden, im Gegenteil. Das kostet die BVG teilweise mehr, weil sie mehr Busse in den Umlauf bringen muss, um den Fahrplan auch nur annähernd einhalten zu können. Der BVG dafür 3 Millionen Euro abzuziehen, nutzt dem Unternehmen auch nichts, weil das nicht im Verschulden des Unternehmens liegt, sondern hier ist die Frage, über die Verkehrslenkung, über eine vernünftige Baustellenplanung zu einer Effektivierung des Verkehrs beizutragen und damit auf der einen Seite die Attraktivität des öffentlichen Personennahverkehrs zu steigern und auf der anderen Seite die Kosten der BVG zu senken, anstatt Kosten bei ihr zu verursachen und ihr dann dafür noch Geld abzuziehen.

[Beifall bei der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei den PIRATEN und den GRÜNEN]

Der dritte Punkt ist schon angesprochen worden. Die BVG hat eine Verschuldung von 750 Millionen Euro. Herr Friederici! Gar nicht davon zu reden, dass durch die große Koalition unter der Führung von Eberhard Diepgen, die Sie vorhin so gelobt haben, bei der Zusammenführung der beiden Unternehmen Ost und West die Pensionskassen geplündert worden sind und deshalb das Land jetzt dafür aufkommen muss.

[Oliver Friederici (CDU): Ja, ja!]

Das sind Altlasten, die Sie noch zu verantworten haben.

[Beifall bei der LINKEN]

Sie sind in die Historie gegangen, und Sie müssen sich daran erinnern, dass es ein paar Leute in diesem Haus gibt, die ein besseres Gedächtnis haben und zurückdenken können, was 1990, 1991, 1992 und 1993 gewesen ist.

[Beifall bei der LINKEN]

Wenn ich höre, dass die BVG gegenwärtig eine durchschnittliche Zinslast von ca. 4 Prozent hat und – wenn ich das richtig sehe – sich das Land Berlin immer noch besser refinanzieren kann, stellt sich die Aufgabe zu prüfen, ob hier nicht noch etwas zu machen ist, z. B. durch die besseren Finanzierungskonditionen, die das Land Berlin

hat. 1 Prozent weniger sind immerhin 8 Millionen Euro im Jahr. Auch hier muss man noch mal die Fantasie walten lassen, wie man eine Entlastung für das Unternehmen hinbekommen kann und gleichzeitig das Recht hat und auch die Motivation der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, weiter an Effektivierungs- und Effizienzsteigerungen zu arbeiten.

[Vereinzelter Beifall bei der LINKEN]

Ich glaube, dass es wichtig ist, dass es jetzt in dieser Auseinandersetzung zu einer rationalen Lösung kommt, dass verhindert wird, dass sich die Fronten verhärten. Ich glaube, es ist niemandem damit gedient, Verdi in eine längere Streikauseinandersetzung zu treiben, am allerletzten denjenigen, die als Fahrgäste auf die BVG angewiesen sind. Und deshalb bin ich der Auffassung, dass es notwendig ist, in den Tarifverhandlungen, wenn man sich jetzt nicht einigt, dann wirklich diesen Vorschlag der Schlichtung aufzugreifen. Die Forderungen der Gewerkschaften sind für eine Gewerkschaft ausgesprochen gemäßigt. Sie sind verantwortungsvoll. Deshalb halte ich es von der Sache her durchaus für möglich, zu einem Ergebnis zu kommen. Nur, dieser gute Vorschlag der Schlichtung muss jetzt auch aufgegriffen werden. – Danke für Ihre Aufmerksamkeit!

[Beifall bei der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN]

Vielen Dank, Herr Kollege Wolf! – Für die Fraktion der Piraten hat der Kollege Claus-Brunner das Wort – bitte sehr!

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Senatoren beliebigen Geschlechts und sehr geehrte Kolleginnen beliebigen Geschlechts! Die Fragestellung, ob die BVG ihrer Verantwortung nachkommt, muss hier anders gestellt werden, und zwar deshalb, weil sie ein landeseigener Betrieb ist und ausschließlich unter der Kontrolle des Senats steht. Die Frage richtet sich also an den Senat in diesem Fall. Dass sich jetzt die Regierungskoalition, angeführt von der SPD, um einen zuverlässigen ÖPNV sorgt, nachdem sich mehrere Eskalationen aufgrund bekannter Mängel ereigneten und ein Warnstreik der Beschäftigten die Aufmerksamkeit der Berliner deutlich erhöht hat, ist als populistische Aktion zu werten.

[Beifall bei den PIRATEN]

Derselbe Senat wie auch schon der Vorgängersenat hat die BVG auf verschiedene Weise als Steinbruch zur Haushaltsmittelbeschaffung verwendet: Erstens – Personal: Unverantwortlicher Personalabbau seit dem Jahr 2003, auch im Bereich Wartung/Instandsetzung, führt eben auch zu Mängeln. Diese äußerten sich leider mehrfach wiederholt in Bränden, wie auf der U-Bahnlinie 9

und in Bussen. Nur mit Glück und günstigen Umständen wurde Schlimmeres verhindert.

[Dr. Wolfgang Albers (LINKE): Endlich höre ich was!]

Das hätte auch Menschenleben gefährden können. Sich aber dauerhaft auf Glück und Zufall zu verlassen, kann nicht Grundlage eines Betriebes sein.

[Beifall bei den PIRATEN]

Herr Kollege Brunner! Sie müssen ein bisschen näher ans Mikrofon!

Reinigung und Sauberkeit der Fahrzeuge und Anlagen spotten teilweise jeglicher Beschreibung. Fahrgäste warten abends auf personalfreien Bahnhöfen auf die Bahn und finden dann im Innenraum eine wagenübergreifende Dekoration in Form von leeren Bierflaschen, Dosen und Fastfoodverpackungen vor. Hier soll angeblich Kameraüberwachung auf 48 Stunden erweitert weiterhelfen. Ich sehe das nicht. Das liegt eher an der mangelhaft ausgestatteten Personaldecke.