Protocol of the Session on September 8, 2016

Wenn das Ihr Wunsch ist, Herr Schneider, Rot-RotSchwarz, auch was Neues! – In Wirklichkeit hinterlassen Klaus Wowereit, Michael Müller und Frank Henkel 15 Milliarden Sanierungsstau, davon allein 5 Milliarden an Schulen. Der Wohnungsbau kommt nicht voran, die Staatsoper steckt im Morast, und der Umgang mit dem BER zeugt nicht gerade von einem guten Stil, und damit meine ich wahrlich nicht die Kleiderfrage.

[Beifall bei den GRÜNEN]

Die selbst ernannte Koalition der Infrastruktur in Berlin ist gescheitert. „Berlin bleibt...“ lese ich überall in der Stadt. Soll die Streiterei zwischen SPD und CDU so bleiben? Soll es am BER und am LAGeSo so bleiben, wie es ist? Soll es auf dem Bürgeramt so bleiben? Sollen Wohnungsnot und schlechte Verkehrspolitik bleiben wie die maroden Brücken, Schulen und Krankenhäuser? – Ich sehe mit einigem Erstaunen, dass die SPD angeblich mit uns Grünen koalieren möchte und gleichzeitig die Botschaft aussendet, in Berlin werde alles so bleiben, wie es ist.

[Christopher Lauer (PIRATEN): Sie können ja auch mit CDU und AfD koalieren!]

Ich kann Ihnen nur sagen: Man kann so viele Wahlplakate aufstellen, wie man möchte – das machen wir alle –, aber eigentlich muss man sich nur mit dem Fahrrad zum Wahllokal in einer etwas baufälligen Schule durchkämpfen, um zu merken, dass sich in Berlin dringend einiges ändern muss.

[Beifall bei den GRÜNEN]

Berlin bleibt nicht, weil Berlin wächst und sich dabei verändert. Diese Veränderung werden wir am Wahlabend auch alle sehen, denn dann wird klar sein: Das neue Berlin will kein Weiter-so, das neue Berlin will eine andere Politik. Diese Stadt braucht einen politischen Neuanfang, und den kann sie am 18. September auch bekommen.

[Beifall bei den GRÜNEN Beifall von Dr. Gabriele Hiller (LINKE)]

Alle Parteien werden sich bewegen müssen, um diese neue Politik auf den Weg zu bringen. Keine Partei steht für das Ganze, und das sollte sie sich auch nicht anmaßen. Niemand setzt allein die politischen Maßstäbe oder zieht rote Linien, wo es ihm gerade passt.

[Ülker Radziwill (SPD): Das sagt gerade die Richtige!]

Berlin gehört niemandem, außer den Menschen, die in dieser Stadt leben. Wer das vergessen hat, den werden die Wählerinnen und Wähler am Wahlabend daran erinnern. Berlin geht nur gemeinsam,

[Torsten Schneider (SPD): Das ist doch der Slogan der Linken!]

lieber Herr Schneider, damit meine ich auch Sie!

[Beifall bei den GRÜNEN – Oliver Höfinghoff (PIRATEN): Mein Vermieter wohnt in Bayern!]

Wenn ich sage, wir sind alle nur ein Teil, dann meine ich gerade auch die AfD. Da denken einige, sie repräsentieren höchstpersönlich die Mehrheit und Leitkultur oder gar das ganze Volk. Sie irren damit. Berlin ist eine Stadt von Freiheit, Vielfalt und Weltoffenheit. Der Wahlabend wird auch der AfD zeigen: Die autoritären Deutschtümler sind eine Minderheit, denn 90 Prozent der Berlinerinnen und Berliner stehen auf der anderen Seite, stehen für eine menschliche Flüchtlingspolitik und für Hilfsbereitschaft, für eine moderne und liberale Stadt.

[Beifall bei den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei der LINKEN]

Wir Grüne haben jahrzehntelang für eine offene Gesellschaft gekämpft: für gleiche Rechte für Lesben und Schwule, für die Gleichberechtigung von Männern und Frauen, für Religionsfreiheit und Weltoffenheit, für all das, was Berlin heute im Herzen ausmacht und zusammenhält. Die Berlinerinnen und Berliner sind zu Recht stolz auf diese moderne und weltoffene Stadt, und sie werden sich das auch nicht von Angstmachern, Klimawandelleugnern oder populistischen Hetzern am 18. September kaputtmachen lassen.

[Beifall bei den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei der LINKEN]

Da kommt es wirklich auf jede Stimme an. Gehen Sie wählen, geht alle wählen, damit es in Berlin am 18. September abends kein böses Erwachen gibt! Die Rechtspopulisten haben nur Hass und Angst im Gepäck, statt Lösungen und Ideen, wie man die Dinge besser macht. Ich möchte wissen, wie die es eigentlich schaffen wollen, wenn sie denn einen Stadtrat stellen, überhaupt irgendetwas auf die Reihe zu bekommen.

Um die besten Lösungen, Ideen und Antworten, darum sollte es am Wahlsonntag gehen, nicht um persönliche Eitelkeiten, sondern darum, wer die Stadt am besten regiert.

[Torsten Schneider (SPD): Aber dann wird es knapp für euch!]

Nach fünf Jahren rot-schwarzer Lähmung gibt es eine Wechselstimmung in unserer Stadt, und eigentlich schon heute eine Mehrheit von SPD und Grünen im Abgeordnetenhaus, doch die SPD hat in den letzten Koalitionsverhandlungen die erstbeste Chance genutzt, lieber die CDU ins Boot zu holen,

[Ülker Radziwill (SPD): Die Grünen waren doch zerstritten!]

deren Gestaltungswille sich in etwa mit dem der SPD deckte.

[Zurufe von der SPD und der CDU]

Wer am Wahlsonntag SPD wählt, dem kann es durchaus passieren, dass er weitere fünf Jahre lang ertragen muss, wie sich Michael Müller und Frank Henkel um die Plastikente in der Badewanne streiten.

[Beifall bei den GRÜNEN]

Das hat Berlin wahrlich nicht verdient! Wir wollen einen Senat, der gemeinsam Verantwortung übernimmt und für Berlin arbeitet. Die Zeit der Basta-Politik über die Köpfe der Menschen hinweg ist nämlich längst vorbei. Die Wählerinnen und Wähler haben am 18. September die Wahl zwischen Veränderung oder Stillstand. Wollen die Berlinerinnen und Berliner eine Metropole, in der man sich offen begegnet, große und kleine Kultur genießt, wo man in der Spree baden kann, in der auf Dächern Solaranlagen umweltfreundlich Strom erzeugen, in der AltBerlinerinnen und Alt-Berliner syrischen Flüchtlingen Deutsch beibringen? – Ich sage: Ja. – Oder wollen sie eine Stadt, in der mit Angst und Misstrauen Politik gemacht wird, in der Kohle in den Kraftwerken und im Landeshaushalt verheizt wird, in der es mehr Parkplätze als Parks gibt, in der die Mieten weiter explodieren und sogar der Verkehrssenator Angst hat, Fahrrad zu fahren? – Ich sage: Davon haben alle die Nase voll.

[Beifall bei den GRÜNEN – Beifall von Dr. Gabriele Hiller (LINKE)]

Politik lebt vom Wechsel und davon, dass diejenigen, die gewählt werden, die Probleme nicht nur erkennen, sondern auch lösen wollen. Eine Politik jedoch, die schon vor der Wahl das Fell des Berliner Bären verteilt, vor der Wahl Koalitionsverhandlungen öffentlich führt oder rote Linien zieht, führt nur zu einem weiteren Verlust an Glaubwürdigkeit.

[Zuruf von Heiko Melzer (CDU)]

Ich sage das in Zeiten, in denen wir uns dringender denn je Gedanken darüber machen müssen, wie wir das Vertrauen in die Politik wieder zurückgewinnen.

[Torsten Schneider (SPD): Rote Linien! Habe ich gelesen von Ihrem Landesvorsitzenden! – Senator Czaja: Viel Spaß!]

Liebe SPD und auch lieber Michael Müller! Wirklich etwas gewinnen würden die Berlinerinnen und Berliner, wenn Sie hier ohne Wenn und Aber sagen würden, dass Sie dafür sorgen, dass kein weiterer Cent mehr an Steuergeld in den BER gepumpt wird,

[Beifall bei den GRÜNEN – Lars Oberg (SPD): Was? – Weitere Zurufe von der SPD und der CDU]

und dass wir stattdessen gemeinsam mit den Zukunftsinvestitionen ernst machen: für neue Fahrradwege, sichere Straßen, gute Kitas, Schulen und Krankenhäuser, für eine moderne Stadt, wie sie Berlin verdient hat.

[Torsten Schneider (SPD): Sagen Sie mal etwas zur Gebührenfreiheit in den Kitas!]

Zur Gebührenfreiheit, lieber Herr Schneider: Wir stehen zu dem Grundsatz, dass starke Schultern in einer Gesellschaft auch mehr tragen müssen. Die Sozialdemokratie scheint sich davon ja verabschiedet zu haben.

[Starker Beifall bei den GRÜNEN – Torsten Schneider (SPD): Das ist aber eine rote Linie, Frau Pop!]

Ich kann Ihnen nur sagen: Wir müssen uns mit unseren Vorschlägen für eine lebenswerte Stadt und bezahlbare Mieten in der wachsenden Stadt nicht verstecken. Wie man heute noch die verstaubte Diskussion Pappel gegen Wohnungsbau gegen uns anzetteln kann, ist mir wahrlich ein Rätsel, denn wenn es um Wohnungsbau geht, lieber Herr Geisel, werden wir mit der Pappel allemal schneller fertig als Sie mit Ex-Senator Strieder.

[Beifall bei den GRÜNEN]

Ich muss es Ihnen sagen: Nicht SPD, CDU oder Linkspartei, sondern wir Grünen waren die Ersten, die hier im Haus für mehr Mieterschutz und Investitionen in den sozialen Wohnungsbau gestritten haben. In den Bezirken, in denen die Grünen Verantwortung tragen, gibt es heute die meisten Milieuschutzgebiete

[Torsten Schneider (SPD): Oh, mein Gott!]

und es wurde dort in den vergangenen Jahren auch am meisten gebaut.

[Beifall bei den GRÜNEN – Heiko Melzer (CDU): Es herrscht doch das reinste Chaos in den Bezirken!]

Wir sagen aber auch: Neubau ist gut, es reicht allein aber nicht aus, wenn Bagger für den Wohnungsbau rollen. Wir brauchen durchmischte und lebendige Quartiere, das, was die Menschen sich wünschen, damit auch weiter Familien in der Stadt leben können, wenn sie ihr zweites oder drittes Kind bekommen. Dafür werden wir Grüne sorgen und in den nächsten zehn Jahren mindestens 50 neue Schulen in Berlin bauen.

[Beifall bei den GRÜNEN – Sven Rissmann (CDU): Nächsten zehn Jahre? – Zuruf von Torsten Schneider (SPD) – Zuruf: Wo denn?]

Auch der ÖPNV muss mit der Bevölkerung wachsen, der Energieverbrauch und der CO2-Ausstoß sollten es hingegen nicht. Oder sind wir inzwischen die Einzigen, die Berlins Klimaschutzvorgaben überhaupt noch erfüllen möchten?

[Torsten Schneider (SPD): Das ist ja abenteuerlich!]

Das ist die Antwort der SPD zum Thema Klimaschutz: „abenteuerlich“! – Vielen Dank!

[Torsten Schneider (SPD): Nee! Das ist der Kommentar zu Ihrer Forderung!]