Protocol of the Session on September 8, 2016

(Franziska Becker)

Wir müssen uns als Politiker auch an die eigene Nase fassen. Wir müssen es schaffen, dass wir klare und längerfristigere Festlegungen treffen. Das gilt für das Personal und vor allem auch für die Investitionen in Infrastruktur. Die Kollegin hat es gesagt: Auch hier haben wir 113 Millionen Euro liegengelassen. Wie jedes Jahr fließen die Investitionsgelder einfach nicht ab. Im SIWA liegen 650 Millionen Euro, und es werden immer mehr. Wir müssen zur Kenntnis nehmen, dass die Verwaltungseinheiten nicht für die Schublade planen dürfen. Sie können nur planen, was wir auch in der Investitionsplanung verankert haben. Deshalb brauchen wir ein langfristiges Investitionsprogramm, um zu einer Beschleunigung der Investitionen in Infrastruktur zu kommen. Dazu sind wir fest entschlossen.

[Beifall bei den GRÜNEN]

Deshalb haben wir Ihnen ein Verwaltungsreformkonzept für die Schulgebäudeverwaltungen vorgelegt. Deshalb sagen wir beim Thema Radwege, dass es nicht nur um mehr Geld und mehr Personal geht, sondern auch um Reform und Modernisierung. Auch hier sind zu viele Verwaltungen fünf bis acht Jahre damit beschäftigt, einige wenige Kilometer Radwege zustande zu bringen. Und wir müssen über die Bürgerämter reden. Wir müssen über Digitalisierung reden. Sie können das nicht einfach immer nebenbei machen. Sie setzten Fachverfahren um Fachverfahren in den Sand. Das kostet uns Dutzende von Millionen Euro. Ich brauche nur eGovernment@School und E-Akte nennen, wo Sie tapfer wieder beschließen, was Sie schon vor fünf Jahren beschlossen haben. Die Realität ist, dass immer noch die Aktenwagen von Menschen durch die Gänge geschoben werden und dass die Schulen Statistiken ausdrucken, um sie in die Bildungsverwaltung zu schicken, wo sie dann von Menschen wieder händisch eingegeben werden. Das verstehen wir nicht unter einer modernen Verwaltung. Deshalb geht es nur mit mehr Personal. Natürlich kostet das mehr Geld, aber wir brauchen Reformen und eine Modernisierung. Alles andere wäre nicht zu verantworten. – Vielen Dank!

[Beifall bei den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei der LINKEN]

Vielen Dank, Frau Kollegin Remlinger! – Die CDUFraktion hat den Kollegen Goiny als Redner benannt, und er erhält das Wort. – Bitte schön!

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Modernisierung à la Grüne sieht man beim Fahrradverkehr in Friedrichshain-Kreuzberg. Dort haben Sie es geschafft, in der Tamara-Danz-Straße einen Radweg anzubringen, der direkt unter der Warschauer Brücke am Zaun des Bahngeländes endet. Jeder, der dort entlang

fährt, darf dann sein Fahrrad 50 Meter die Treppen hochtragen. Ist das moderne Verkehrspolitik, Frau Kollegin?

[Beifall bei der CDU]

Solche Reden kann ich bei Frau Remlinger gar nicht verstehen, denn da waren die Grünen in der letzten Wahlperiode in ihrer Analyse schon weiter. Bei Frau Bluhm verstehe ich es noch, weil sie an die Vergesslichkeit der Menschen appellieren muss. Sie haben nämlich damals als Senatorin diese ganzen Dinge, die die Grundlage der Personalpolitik über viele Jahre im Land Berlin waren, mit verantwortet.

Kollege Goiny! Gestatten Sie eine Zwischenfrage der Kollegin Bluhm?

Ja, gerne! – Ich möchte mal sehen, wie Sie sich rausreden.

Können Sie nicht verstehen, dass es ganz anders ist? Es erfüllt mich mit großer Bitterkeit, dass ein Potenzial, das so mühselig von der Stadt und Rot-Rot geschaffen wurde, nämlich finanzielle Spielräume und eine Konsolidierung, die nicht einfach war, und dass Sie es, wenn dann die Erfolge da sind und das Land Überschüsse erzielt, nicht hinbekommen, das Geld in der Stadt sinnvoll auszugeben. Das ist die Wahrheit und ein Problem.

[Beifall bei der LINKEN – Zuruf von Dr. Wolfgang Albers (LINKE)]

Das müssen Sie nicht mir gegenüber rechtfertigen, sondern gegenüber der Stadtgesellschaft.

Ich muss hier gar nichts rechtfertigen. Ich stelle einfach nur fest, dass Sie in der zweiten Amtszeit von Rot-Rot, die damals schon erkennbare Veränderung in der Stadt verschlafen haben.

[Beifall bei der CDU]

Das betrifft die Liegenschaftspolitik, den Wohnungsbau und die Personalpolitik. Sie haben noch 2010 und 2011, wo erkennbar war, dass die Stadt sich ändert, daran festgehalten, dass 100 000 die Obergrenze sind. Sie haben diese Entwicklung verschlafen. Das ist die Wahrheit. Das müssen Sie mit der Stadtgesellschaft diskutieren und nicht wir. Wir haben 2012 gemeinsam mit der SPD angefangen, eine andere Personalpolitik zu machen.

[Steffen Zillich (LINKE): So ein Quatsch!]

Wir haben angefangen, dafür zu sorgen, dass wieder mehr Personal eingestellt wird. Wir haben 5 000 neue Stellen geschaffen.

(Stefanie Remlinger)

[Udo Wolf (LINKE): Die Zehn Gebote lesen! Du sollst nicht lügen!]

Wir haben dafür gesorgt, dass es wieder 13 Prozent Besoldungsanpassung nach zehn Jahren mit Nullrunden gegeben hat. Wir haben dafür gesorgt, dass ein ganzes Bündel von Maßnahmen im Bereich des öffentlichen Dienstes an Verbesserungen und Attraktivitätssteigerungen – Vereinbarkeit von Familie und Beruf und andere Dinge – auf den Weg gebracht worden sind. Das hat diese Koalition – interessanterweise gegen die Stimmen der Opposition – schon 2012 und 2013 hier im Parlament beschlossen. Was Sie uns hier heute auf den Tisch des Hauses legen, ist längst überholt. Wir haben die Dinge schon lange in Angriff genommen.

[Zuruf von Dr. Wolfgang Albers (LINKE)]

Herr Albers, dieser Punkt muss Sie sehr ärgern, denn man erinnert Sie an Ihre eigene Verantwortung aus rotroten Regierungszeiten.

[Dr. Wolfgang Albers (LINKE): Wir haben Schulden abgebaut!]

Sie haben keine Schulden abgebaut, sondern 20 Milliarden Euro Schulden aufgehäuft. Wir haben 3 Milliarden Euro abgebaut.

[Beifall bei der CDU – Zuruf von Dr. Wolfgang Albers (LINKE)]

Das können Sie in Ihren Parteipostillen und Wahlkampfkundgebungen erzählen, aber die Berlinerinnen und Berliner sind zum Glück klug genug, um nicht auf diese Geschichtsklitterung von Ihnen hereinzufallen.

[Dr. Wolfgang Albers (LINKE): Deswegen sind Sie bei 19 Prozent!]

Wir haben angefangen, den öffentlichen Dienst wieder aufzubauen. Wir haben dafür gesorgt, dass diese fast 1 000 zusätzlichen Stellen bei der Polizei geschaffen worden sind, nachdem Sie sie abgebaut haben.

Kollege Goiny! Der Kollege Zillich hat auch noch eine Zwischenfrage. Lassen Sie sie zu?

Nein! Da die Linksfraktion ja schon die ganze Zeit redet und ich mich bemühe, mit meinen Zwischenrufen dagegen anzukommen, bitte ich Herrn Zillich, weiterreden zu dürfen.

Ihre Zeit wurde aber angehalten.

Das ist sehr freundlich, Herr Präsident. – Es ist doch in der Tat so, dass wir im öffentlichen Dienst bei der Polizei, der Feuerwehr, im Lehrerbereich und in den Bezirken wieder angefangen haben, Stellen zu schaffen, und zwar nicht mit der Gießkanne, sondern da, wo es nötig ist.

[Zuruf von Steffen Zillich (LINKE)]

Das ist natürlich ein Problem, wenn man den öffentlichen Dienst zehn Jahre lang so behandelt hat, wie Sie es gemacht haben. Da muss man eine Menge Vorarbeit leisten, bis man die Menschen wieder findet, sie ausgebildet und Besoldungsrückstände abgebaut hat. Da kann sich die Bilanz dieser Koalition durchaus sehen lassen. Deswegen sind die Anträge, die Sie uns heute auf den Tisch gelegt haben, reine Schaufensteranträge, die an die Vergesslichkeit der Menschen appellieren und einen Beitrag dazu leisten sollen, Ihre über viele Jahre verfehlte Personalpolitik und das Verkennen der Veränderungen, die es im Land Berlin seit 2007 gegeben hat, zu leugnen. Dass Sie sich hier so künstlich darüber aufregen, spricht Bände. Wir haben dafür gesorgt, dass der öffentliche Dienst wieder Respekt und Anerkennung bekommt. Wir sind auch hier – das hat unser Fraktionsvorsitzender, Florian Graf, vorhin schon gesagt – noch lange nicht am Ende der Wegstrecke. Wir müssen hier noch eine ganze Menge machen. Wir müssen die Ausbildung verbessern und auch wieder die Durchlässigkeit zwischen einzelnen Bereichen des öffentlichen Dienstes verbessern.

[Thomas Birk (GRÜNE): Jahrelang gewartet!]

Was wir übrigens auch gemacht haben: Wir haben angefangen, die Kleinbesoldungsgruppen stellenplanmäßig anzuheben. Wir haben z. B. dafür gesorgt, dass im Justizvollzug die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des mittleren Dienstes in ihrer Laufbahn mal wieder eine Beförderungschance haben. Das müssen wir in anderen Bereichen auch noch machen. Wir müssen dafür sorgen, dass auch die Beschäftigten im mittleren und einfachen Dienst von dem, was sie als Mitarbeiterin und Mitarbeiter im öffentlichen Dienst verdienen, wieder ordentlich leben können. Das erhöht die Motivation. Wir müssen in die Qualität und in die Ausbildung investieren und den öffentlichen Dienst weiter attraktiv machen. Aber diese Geschichtsklitterung, die Sie hier betreiben, ist auf jeden Fall kein Beitrag dazu. Deswegen sind die Anträge auch das, was sie sind, nämlich Wahlkampfgetöse, von der Regierungskoalition längst in praktischer Arbeit umgesetzt. Deswegen kann man sie auch unisono ablehnen.

[Beifall bei der CDU – Steffen Zillich (LINKE): Sie haben jetzt gar nichts zur zentralen Steuerung und Koordination gesagt!]

Vielen Dank, Kollege Goiny! – Die Piratenfraktion hat den Kollegen Lauer als Redner benannt, und er erhält auch das Wort. – Bitte schön!

Mein sehr geehrten Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Präsident! Das, was die CDU hier immer macht, und zwar insbesondere gegenüber der Linksfraktion, ist an Passiv-Aggressivität eigentlich gar nicht mehr zu überbieten.

[Beifall bei der LINKEN – Zurufe von der CDU]

Entschuldigung, Herr Goiny! Bei dem Track-Record, den die CDU in diesem Bundesland hat –

[Oliver Höfinghoff (PIRATEN): Sie müssen mit ihnen Deutsch reden!]

und wenn ich jetzt gleich „Berliner Bankenskandal“ sage, fangen Sie wieder an, rumzuheulen – –

[Zurufe von der CDU]

Nein, es gab gar keinen Berliner Bankenskandal. Im Gegenteil! Die Schulden, die das Land Berlin da hatte, waren positiv. Wir können hier Politik à la Donald Trump machen, wenn das der Style der starken CDU ist. Sie sprechen hier von Realitätsverirrung oder selektiver Wahrnehmung – bei dem Spitzenkandidaten. Herr Goiny! Ich sage Ihnen mal was. Sie können hier ja einiges erzählen, aber Ihre Fraktion profitiert vor allem davon, dass sich erstens die Berlinerinnen und Berliner nicht für Politik interessieren und dass zweitens die Berliner Medien keinen Bock darauf haben, Ihnen diese Kamellen von vor zehn oder zwanzig Jahren aufs Brot zu schmieren, weil der Journalismus in Deutschland mittlerweile auch so runtergerockt ist, dass sich daran keiner mehr erinnern kann. Dann können Sie Ihre Storys erzählen: Von wegen, das war ja alles die Linkspartei! – Und wenn du dann noch einen Beitrag mit Katzenbildchen bebildern musst, hast du halt auch nicht die Zeit dazu, das ordentlich zu recherchieren.

[Heiterkeit – Michael Dietmann (CDU): Sie sind ja wieder witzig heute!]

Aber wenn man sich mit der Realität und nicht nur mit irgendwelchen Gefühlen beschäftigt, Herr Goiny, dann muss man einfach feststellen, dass die Linkspartei bzw. ihre Fraktion in diesem Parlament unter Rot-Rot tatsächlich einige Probleme hatte, hier ordentlich Politik zu machen, und zwar deshalb, weil der Berliner Bankenskandal ein unfassbares Loch in den Berliner Haushalt gerissen hat.

[Beifall bei den PIRATEN, den GRÜNEN und der LINKEN – Zuruf von Heiko Melzer (CDU)]