Vielen Dank, Herr Eggert! – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat jetzt das Wort Frau Abgeordnete Burkert-Eulitz. – Bitte!
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Björn Eggert! Wir sind nicht am Anfang der Legislaturperiode, die Legislaturperiode ist zu Ende.
Sie lehnen wieder ab, und passiert ist fünf Jahre lang nichts. Wenn es ein Thema gibt, das zu Ende diskutiert ist, dann ist es die Finanzierung der Kinder- und Jugend
arbeitsstandards. Es liegt alles vor, aber passiert ist nichts. Jetzt vertrösten sie uns wieder in die nächste Legislaturperiode. Aber Sie bewerben sich nicht aus der Opposition für die nächste Legislaturperiode, sondern Sie sitzen seit fünf Jahren in der Regierung, und es ist nichts passiert. Sie haben für die Kinder- und Jugendarbeit keine Verantwortung übernommen. Das ist Fakt!
Nein! Er war ja dabei, kennt sich aus. – Mit dem Rasenmähersystem haben Sie die Stadt jahrelang kaputtgespart, so auch die offene Kinder- und Jugendarbeit. Sie haben die Jugendfreizeiteinrichtungen auf ein Maß zurückgestutzt, das wir heute nicht mehr akzeptieren wollen. Die Jugendförderung hat in den letzten Jahren viele Millionen Euro verloren. Mit dem Wachstum der Stadt und ihrer verbesserten wirtschaftlichen Situation ist es jetzt an der Zeit, wieder umzusteuern und nicht den Status quo zu halten, und zwar in dieser Legislaturperiode und nicht irgendwann später.
Und es hilft eben nicht – wie Sie es immer wieder tun, und wie Sie es auch gerade gemacht haben –, mit dem Finger auf die Bezirke zu zeigen. Nicht die Bezirke haben entschieden, dass sie kaputtgemacht werden, bis es quietscht, das haben Sie hier im Abgeordnetenhaus beschlossen.
Die Bezirke können heute ihre Kernaufgaben mehr schlecht als recht erfüllen. Ihr mantraartiger Hinweis, die Bezirke könnten eigene Schwerpunkte setzen, ist nur noch zynisch. Sollen die Bezirke, um ihre Jugendfreizeiteinrichtungen zu sichern, Bibliotheken schließen, die Pflege ihrer Grünanlagen komplett einstellen, weiter Bürgerämter komplett schließen oder die Bauaufsicht weiter schwächen? Den Bezirken fehlt es an allen Ecken und Enden. Die Decke der Bezirke ist inzwischen so kurz, dass, wer seine Brust warm halten will, automatisch kalte Füße in Kauf nehmen muss. Das ist der Zustand unserer Bezirke.
Aus dem Abgeordnetenhaus kommt von Ihnen bei jedem Problem reflexartig, die Bezirke zur Verlagerung ihrer Schwerpunkte aufzufordern. Das ist einfach nur billig! Hier rät die Koalition den Bezirken mal wieder: Ihr habt keine Chance, aber nutzt sie doch! – Wir erleben wieder das klassische Aussitzen der Probleme, das wir in den letzten Jahren von der großen Koalition und ihrem Senat gewöhnt sind. Sie verkünden gern, dass Sie Berlin kinder- und familienfreundlich machen – das haben Sie bei der Gerhart-Hauptmann-Schule gerade wieder ganz klassisch bewiesen. Aber in der Realität passiert herzlich wenig.
Die geschaffenen Kitaplätze, die Sie sich gerne als große Leistungen zuschreiben, wären ohne die verantwortungsvollen Träger, die den weitaus größten Teil der Lasten übernommen haben, nicht entstanden.
Und Sie kündigen an. Den Fachkräftemangel an Kitas und Schulen haben Sie nicht kommen sehen – auweia, wo kommen die Kinder auf einmal her? Als schon die ganze Stadt Alarm geschrien hat, haben Sie sich die Zahlen beharrlich schöngeredet. Für Kinder- und Familienarmut ist Ihnen in der ganzen Legislaturperiode auch nichts eingefallen, da haben Sie nichts umgesetzt. Da hätten wir mal ein paar Zahlen haben müssen. Die liefern Sie auch nicht. Wie die Kinder der geflüchteten Familien in Kitas, Schulen und Jugendhilfeeinrichtungen eingegliedert werden sollen, weiß aktuell auch niemand. Sie wissen ja nicht einmal, wie viele überhaupt da sind.
Wenn Sie auch nicht wollen, das die neuen Jugendfreizeiteinrichtungen Berlins die Einkaufszentren dieser Stadt werden – da haben wir auch genug, und die werden nicht genutzt –, dann lassen Sie uns die Festschreibung von Standards für die Jugendförderung und ihre Finanzierung heute beschließen. Wenn Berlin wirklich familien- und kinderfreundlich werden soll, dürfen wir keine Zeit mehr verlieren, um den wichtigen Baustein Jugendförderung zu retten. – Danke schön!
Vielen Dank, Frau Burkert-Eulitz! – Das Wort zu einer Zwischenbemerkung hat der Herr Abgeordnete Eggert. – Bitte!
Ich hätte gedacht, dass wir es bei diesem Thema schaffen, wie wir es in anderen Verhandlungen hinbekommen haben, den Wahlkampf, das gegenseitige Gehacke ein bisschen herunterzufahren und ein bisschen mehr an der Sachpolitik orientiert weiterzumachen. Aber, Frau Bur
kert-Eulitz, das haben Sie gerade hervorragend bewiesen, das schaffen wir anscheinend nicht. Aber dann lassen Sie mich erwidern, wenn Sie Ihre Ausführungen machen.
Sie haben sich hier hingestellt und haben nach fünf Jahren, in denen Sie bei jedem Thema, das hier aufgerufen wurde, immer wieder die Sau durchs Dorf getrieben und gesagt haben: Das schaffen Sie nicht. Das schaffen Sie nicht, den Kitaausbau, die anderen Maßnahmen. – Alles haben Sie immer schlechtgeredet. Sie haben grundsätzlich ein Zerrbild der Wirklichkeit entworfen. Und in Wirklichkeit ist es ganz anders gekommen. Anscheinend haben wir doch den Ausbau geschafft. Offensichtlich sind doch die Plätze da. Wir haben die Beitragsfreiheit geschafft, und wir haben den Qualitätsausbau geschafft. All das akzeptieren Sie gar nicht, sondern Sie finden immer wieder irgendetwas anderes, von dem Sie meinen, dass Sie mehr gefordert haben, als wir erreicht haben. Aber immer nur fordern, immer nur fordern und zusätzlich draufhacken, das ist relativ einfach. Das ist relativ billig.
Die bodenlose Frechheit obendrauf ist es, hier in dieser Debatte auch noch mal die Gerhart-Hauptmann-Schule draufzusetzen. Während Ihre Kolleginnen und Kollegen im Bezirk, die Grünen in der BVV und auch die Bezirksbürgermeisterin, immer wieder darauf pochen, dass die Gelder, die dafür ausgegeben werden, ein Schwerpunkt des Bezirkes sind, weil dieser dem Land nämlich mal zeigen will, dass es mit den Flüchtlingen usw. anders geht – das sind die Reden, die Ihre Kolleginnen und Kollegen dort halten –, sich dann hier hinzustellen und irgendetwas von kalten Füßen und warmer Brust zu erzählen, das nenne ich wirklich eine Frechheit, das ist eine ganz schöne Chuzpe.
Frau Präsidentin! Ich kann mich an einen Haushaltsausschuss, der gestern stattgefunden hat, erinnern und an eine rote Nummer, in der es um die zukünftige Kitaplanung geht, um 200 Millionen Euro, die notwendig sind, und 30 000 zusätzliche Kitaplätze und 7 000 fehlende Fachkräfte. – Ich glaube, das haben wir in den letzten Haushaltsverhandlungen beantragt. Das haben Sie alles abgelehnt. Und da sagen Sie, Sie haben Ihre Hausaufgaben gemacht? Ihre Hausaufgaben haben Sie noch lange nicht gemacht. Und das ist insbesondere beim Thema Kita so.
Bei den anderen Themen ist es genauso. Sie wissen noch nicht einmal, wie viele Kinder in den Turnhallen untergebracht sind. Seit acht Monaten leben diese Menschen, diese kleinen Kinder, Schwangere, in Turnhallen. Und das ist wohl alles dem Kindeswohl abträglich. Und wenn es die Chance gibt, dass man diese Menschen in vernünftigen anderen Unterbringungsmöglichkeiten unterbringt, da brauchen Sie sich jetzt nicht hier hinzustellen und zu sagen: Die Grünen haben das nicht auf die Reihe gebracht. – Das ist seit sechs Monaten fertig, und es müsste nur eingezogen werden. Das hat Herr Czaja unterschrieben. Der Herr Kollatz-Ahnen findet es in Ordnung. Und nur die Koalition gestern macht Wahlkampf auf Kosten der Ärmsten und Schwächsten – das sind die kleinen Kinder, die in den Turnhallen leben.
Wenn ein Bezirk fast drei Turnhallen mit diesen Betroffenen leer machen könnte, dann ist es etwas anderes als das, was Sie hier abziehen. Diese Chance haben Sie vertan, weil Sie ein bisschen Wahlkampf spielen. Das machen Sie!
Vielen Dank, Frau Burkert-Eulitz! – Dann hat nun für die CDU-Fraktion das Wort der Herr Abgeordnete Simon. – Bitte!
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Mit Interesse habe ich zur Kenntnis genommen, dass Frau Möller gesagt hat, dass seit Beginn dieser Legislaturperiode Die Linke für bestimmte Dinge eintritt. Ich darf noch mal sagen, dass Sie in der letzten Legislaturperiode mitregiert haben und da über 160 Jugendfreizeiteinrichtungen geschlossen worden sind. Wenn Sie und Ihre Fraktion da mal ein bisschen etwas getan hätten, wäre das für Berlin besser gewesen.
Zu Frau Burkert-Eulitz: Die SPD-Fraktion ist nicht seit fünf Jahren in der Regierung, sondern seit 1989. Also, ein bisschen historisch muss man nun doch schon mal gucken.
Ihren Antrag „Kinder- und Jugendförderung gesetzlich regeln!“ haben wir im Plenum im Januar 2015 und im Ausschuss für Bildung im Juni 2016 besprochen und diskutiert. Am zeitlichen Ablauf kann man auch sehen, dass Ihnen Ihr Antrag offenbar nicht ganz so wichtig ist. Nach der Diskussion im Abgeordnetenhaus hat es deutlich mehr als ein Jahr gedauert, bis Sie dafür plädiert
haben, Ihren eigenen Antrag auf die Tagesordnung des Ausschusses zu setzen. Das spricht Bände, wie ich finde.
Zunächst möchte ich aber wieder wie in der Debatte im Januar 2015 unterstreichen, dass in Bezug auf die hinter dem Antrag stehende inhaltliche Überschrift „Finanzierung der Jugendarbeit“ fachpolitisch auf Landesebene doch eher graduell unterschiedliche Auffassungen bestehen. Wir wollen alle nicht, dass die Bezirke bei der Jugendarbeit weiter Jahr für Jahr weniger Mittel aufwenden, und die Koalition steuert auch dagegen. Knapp 8 Millionen Euro mehr für die allgemeine bezirkliche Kinder- und Jugendförderung und 2 Millionen Euro mehr für die Initiierung und Förderung bezirklicher außerschulischer Lernorte im aktuellen Doppelhaushalt 2016/2017! Und ich sage zu, dass sich die CDU-Fraktion auch weiterhin mit den finanziellen Aspekten befassen wird, die hinter dem von Ihnen aufgerufenen Thema stehen.
Weder die Debatte im Parlament im Januar 2015 noch die Ausschussberatung im Juni 2016 haben uns überzeugt, Ihrem Antrag zuzustimmen. Entscheidend für uns ist dabei folgende Überlegung – Herr Eggert hat es auch angedeutet –: Die Bezirke haben deutlich weniger Kompetenzen als Kommunen in Flächenstaaten. Das ist auch in Ordnung so, denn Berlin ist eine Einheitsgemeinde. Die Berliner Bezirke haben aber einige Kompetenzen – anders als die Hamburger Bezirke, die praktisch weisungsabhängige nachgelagerte Verwaltungseinheiten sind. Diese Hamburger Verwaltungsorganisation möchte die Union nicht. Wir wollen Bezirke, die maßgebliche Entscheidungskompetenzen behalten.
Jeder Berliner Bezirk hat so viele Einwohner wie eine Großstadt. Wenn entscheidungsbefugte Mitarbeiter der Verwaltung nahe bei den Bürgerinnen und Bürgern sind, nutzt das den Menschen, und es wirkt Politikverdrossenheit entgegen.
Viele Vertreter der Bezirke möchten keine weitergehende gesetzliche Regelung, wie sie Ihnen vorschwebt. Insgesamt kann die CDU-Fraktion dem Antrag also nicht zustimmen. – Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!