Protocol of the Session on June 23, 2016

(Katrin Lompscher)

ich hier beim besten Willen nicht erkennen. Herr Dietmann hat ja gezeigt, woher der Wind weht.

Die Neuköllner SPD wünscht sich eine zehn Kilometer lange, fast 1 Milliarde Euro teure und aus Kostennutzenerwägungen völlig unverhältnismäßige U-Bahnerweiterung der U 7 zum BER. Bitte schön!

[Heiterkeit bei Alexander Spies (PIRATEN)]

In Wahlkampfbroschüren macht sich das sicher gut. Da scheint es auch nicht zu stören, dass der BER, wenn er überhaupt jemals fertig wird, bereits gut mit Regionalzügen und zwei S-Bahnlinien angebunden ist und die Planungen keinen U-Bahnanschluss vorsehen. Und wer sich mal in die U 7 gesetzt hat, weiß auch, dass die Kapazitäten dort – zumindest in den jetzt fahrenden Zügen – durchaus begrenzt sind.

Die CDU schreit nach U-Bahnanbindung der Großsiedlungen Falkenhagener Feld und Heerstraße Nord, denn – Zitat Bezirksverband der CDU in Spandau:

Straßenbahnen in Spandau lehnen wir ab, da diese den Autoverkehr unverhältnismäßig stark belasten würden.

[Heiko Melzer (CDU): Richtig!]

Kein Problem! Da lässt die SPD sogar ihr noch vor wenigen Monaten großspurig vorgestelltes Konzept „Straßenbahnen in Berlin 2030 plus“, was Sie unter spd.berlin im Internet finden, in der Schublade. Umgekehrt werden sinnvolle und teils sogar schon fertiggestellte Lückenschlüsse wie die U 1-Erweiterung zum Adenauerplatz gar nicht erst erwähnt. Hier sind der Umsteigebahnhof im Rohbau und mehrere Hundert Meter Tunnel schon fertig. Der Ku‘damm würde vom Busverkehr entlastet und eine wichtige Lücke im U-Bahnnetz geschlossen.

Damit mich niemand falsch versteht: Natürlich ist es angesichts des mehr als wünschenswerten Mobilitätstrends weg vom Auto und hin zum Umweltverbund, angesichts der Klimaschutzziele und der wachsenden Stadt sinnvoll, über Lückenschlüsse im U-Bahnnetz nachzudenken. Ich gehe auch stark davon aus, dass das bei der kürzlich begonnenen Fortschreibung des Stadtentwicklungsplans Verkehr gemacht wird. Aber darum geht es der SPD und CDU hier nicht.

Wir von der Piratenfraktion haben kürzlich ein Konzept für einen fahrscheinlosen ÖPNV in Berlin vorgelegt, ein Konzept, wie der Berliner Nahverkehr ganz neu gedacht und finanziert werden kann. Zur Finanzierung sieht man in Ihrem Antrag nämlich auch nichts. Teil unseres Vorschlags war ein Investitionsprogramm „Fahrscheinloses Berlin 2030“, ausgestattet mit mindestens 2,5 Milliarden Euro zusätzlichen Einnahmen aus einer Nahverkehrsabgabe. Doch anstatt sich mit unserem Vorschlag ernsthaft zu beschäftigen, legt die Koalition einen Antrag vor, der mindestens genauso unausgegoren ist wie der CDU

Gesetzesvorschlag zur Ausweitung der Videoüberwachung, wenn auch weniger schädlich. Zustimmen können wir dieser Art kopf- und konzeptloser Wahlkampfverkehrspolitik dennoch nicht.

Da dies offenbar die Rederunde der großen Abschiedsworte ist, werde auch ich noch einen Satz anfügen. – Vielen Dank für durchaus spannende Zeit! Ich habe viel gelernt, ich hoffe, Sie an der einen oder anderen Stelle auch. Ich bin mir sicher, auf dem einen oder anderen Weg wird man sich sicher wieder begegnen. – Vielen Dank und bis bald!

[Beifall bei den PIRATEN, den GRÜNEN und der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Vielen Dank, Herr Kollege! – Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Zu dem Antrag haben die antragstellenden Fraktionen, die sofortige Abstimmung beantragt. Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen beantragt dagegen die Überweisung an den Ausschuss für Bauen, Wohnen und Verkehr. Hierüber lasse ich zuerst abstimmen. Wer der Überweisung zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen! – Das sind die Grünen, die Linke und die Piraten. Gegenstimmen? – Das sind die Koalitionsfraktionen. Enthaltungen sehe ich keine. Letzteres war die Mehrheit, damit ist die Überweisung abgelehnt.

Nun lasse ich über den Antrag selbst abstimmen. Wer dem Antrag der Koalitionsfraktionen auf Drucksache 17/3028 seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen! – Das sind die Koalitionsfraktionen. Gegenstimmen? – Die Linke und die Piraten. Enthaltung bei den Grünen. Damit ist der Antrag so beschlossen.

Wir kommen zu

lfd. Nr. 5.2:

Priorität der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen

Tagesordnungspunkt 13

Zukunftswerkstatt Schulbau ausrichten

Beschlussempfehlung des Ausschusses für Bildung, Jugend und Familie vom 2. Juni 2016 Drucksache 17/2982

zum Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Drucksache 17/2045

in Verbindung mit

lfd. Nr. 21:

Investitionsprogramm Schulneubau jetzt starten

Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Drucksache 17/3004

(Andreas Baum)

In der Beratung beginnt die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. – Frau Kollegin Remlinger, bitte schön, Sie haben das Wort!

Herr Präsident, werte Kolleginnen und Kollegen! Ich habe mich über die Parteitagsrede des Regierenden Bürgermeisters sehr gefreut, klang es doch, als sei das Thema Schulsanierung und Schulneubau endlich ganz oben auf der politischen Agenda in Berlin angekommen. Bis jetzt war und ist davon leider sehr wenig zu merken gewesen, wenig davon, dass der Senat weiß, dass zu einer wachsenden Stadt auch Schulen gehören.

Für den Senat hieß wachsende Stadt bis jetzt Wohnungsbau. Sie haben ein Bündnis für Wohnungsbau gegründet, Sie haben die Landesunternehmen verpflichtet, Wohnungsbau zu betreiben, Sie haben ein Projekt ausgeschrieben für innovativen Wohnungsbau – alles Mögliche, und ja, Sie haben auch Kitaausbauprogramme. All das ist völlig okay und völlig richtig.

[Lars Oberg (SPD): Gut, oder?]

Aber, lieber Senat und auch lieber Stadtentwicklungssenator, eine Stadt braucht mehr als nur einen Wohnungsbausenator. Ein Stadtentwicklungssenator muss eine Stadt von der Infrastruktur her denken, vom Verkehr und eben auch von den Schulen. Ein Land, das mindestens 9 Jahre braucht – eher mehr, siehe Tesla-Schule, 12 bis 13 –, um eine Schule zu bauen, kann es sich einfach nicht leisten, Bevölkerungstrends zu verschlafen.

[Beifall bei den GRÜNEN – Beifall von Regina Kittler (LINKE)]

Schulen sollten bei der Stadtentwicklung eine zentrale Rolle spielen und im Kiez verankert sein. Schulen sind riesige Areale in der Stadtentwicklung. Ich bin sehr gespannt, wie Sie es schaffen wollen, im Nachhinein vor allem in der verdichteten Innenstadt, im Innenstadtring, noch Schulen zu bauen. 86 000 zusätzliche Schülerinnen und Schüler in den nächsten 8 bis 9 Jahren, das bedeutet, 80 bis 100 Schulen, die noch nicht geplant sind. Es existieren noch keine Planungen! Um diesen Kraftakt zu schaffen, müssten wir es schaffen, dass Land und Bezirke endlich an einem Strang ziehen.

[Beifall bei den GRÜNEN – Beifall von Marion Platta (LINKE)]

Sie aber setzen stattdessen auf Rechtfertigungsrhetorik – das werden Sie gleich auch wieder machen, Herr Oberg! – Sie sagen, wir machen doch schon so viel, Sie beschimpfen die Opposition und setzen ansonsten vor allem auf mobile Ergänzungsbauten und Verdichtung. Das hat mittlerweile verheerende Auswirkungen. Der Ganztag kann nicht mehr vernünftig organisiert werden. Bewegungsraum fehlt, die Kinder müssen sich zum Mittagessen in den Mensen stapeln. Die Qualität leidet bei der individuellen Förderung, wenn man keinen Teilungsun

terricht mehr machen kann. Sie versetzen ganz nebenbei dem jahrgangsübergreifenden Unterricht den Todesstoß, wenn man in den Klassen keine Altersmischung mehr hinbekommt. Mit anderen Worten, all die Verbesserungen, um die wir jahrelang gekämpft haben, zerstören Sie im Handstreich durch Ihre Kurzsichtigkeit.

[Beifall bei den GRÜNEN – Beifall von Regina Kittler (LINKE)]

Wir diskutieren schon seit vier Jahren über Schulsanierung und Schulneubau, und die Antwort der Senatorin ist eine Taskforcebeschleunigung – eine Taskforcebeschleunigung mit elf Projekten, die bereits etatisiert, finanziert und geplant sind! Wer im Moment, wenn er eine Taskforce einsetzt, diese bei der Frage der Standorte, die wir brauchen, und der Grundstücke, die noch baufrei gemacht werden müssen, nicht einbezieht, der hat überhaupt nichts verstanden.

[Beifall bei den GRÜNEN]

Oder er meint, weiter mit politischen Luftnummern durchzukommen. Aber, liebe Freundinnen und Freunde, ich glaube, die Politik muss jetzt endlich einmal zeigen, dass sie auch Probleme lösen kann.

Da muss ich einschieben: Was Sie gestern im Hauptausschuss mit der Gerhard-Hauptmann-Schule gemacht haben, wo es um die Unterbringung und spätere Beschulung von Kindern geht –, dass Sie lieber 100 Kinder und Erwachsene weiter in Turnhallen leben lassen, als sie in einer Gemeinschaftsunterkunft unterzubringen, da hört jeder politische Spaß auf, das ist einfach moralisch niedrig!

[Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN]

Ja, auch wegen der Flüchtlinge brauchen wir dringend neue Schulen, aber nicht nur deshalb. Hätten wir früh genug reagiert, würden wir die Flüchtlinge locker mit unterbringen. Ich dachte beim Gebäudescan für die Erhebung des Sanierungsstaus, dass Sie diese Nummer machen, zwei Jahre daran zu arbeiten, damit Sie in Ruhe einen Plan erstellen können. Jetzt sind eineinhalb Jahre vorbei, und Sie haben nichts. Stattdessen hören wir das übliche Verantwortungspingpong: Die Bezirke haben nicht richtig erhoben, oder das Land ist böse und will die Zahlen nicht haben, oder die Bezirke haben das Geld falsch ausgegeben.

[Lars Oberg (SPD): Wir haben ja erhoben!]

Ich wünsche mir, dass der Regierende Bürgermeister, der das zur Chefsache erklärt hat, das wirklich tut, ein Konzept vorlegt, wie wir wieder in die Vorhand kommen, genug Schulen haben, und zwar gute, wie wir sie dauerhaft in Schuss halten und betreiben, ein Konzept, wie wir dauerhaft schneller und effizienter werden, Mittel bündeln, Prozesse straffen und verhindern, dass die Gebäude jemals wieder in einen so schlechten Zustand zurückfallen können, wie viele jetzt im Moment sind. Daran werden nicht nur wir Grünen Sie messen. Messen werden Sie

(Präsident Ralf Wieland)

die Bürgerinnen und Bürger, die Eltern und all die Schülerinnen und Schüler, Pädagoginnen und Pädagogen, die Hausmeisterinnen und Hausmeister, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Bezirken. All die spüren nämlich jeden Tag am eigenen Leib, was funktioniert und was nicht. – Vielen Dank!

[Beifall bei den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei der LINKEN – Torsten Schneider (SPD): Wir sind die Guten hier! Großer Erfolg!]

Danke schön, Frau Kollegin! – Für die SPD-Fraktion, Herr Kollege Oberg, bitte!