Der Aufsichtsrat hat sich darüber hinaus wichtige Entscheidungen von der verantwortungsscheuen Geschäftsführung regelrecht zuschanzen lassen und gleich selbst entschieden. Drei Fälle seien genannt. Erstens betrifft es die Entscheidung zur ersten Verschiebung im Jahr 2010. Diese Verschiebung war nicht – wieder ein Märchen, Herr Kreins, hören Sie zu – von außen durch die EUVerordnung oder die Insolvenz des Planers bedingt. Sie hätte in jedem Fall auch ohne EU-Verordnung wegen der etwa auf ein Jahr angewachsenen Bau- und Planungsrückstände vorgenommen werden müssen. Doch mit dem Verweis auf das quasi von außen hereingebrochene Ungemach, unterließ es der Aufsichtsrat, die Prospektstrukturen und die Arbeit der Geschäftsführung zu überprüfen. Der Aufsichtsrat hat seine Zustimmung trotz der erkennbar mangelhaften Vorlagen gegeben. Obendrein wurde zugleich die Geschäftsführung sogar noch mit einer Gehaltserhöhung und Herr Schwarz mit einer Vertragsverlängerung belohnt.
Zweites Beispiel: Das Genehmigungsrisiko wurde zwar als wesentlich bezeichnet, nur gab es keinerlei Aktivitäten des Aufsichtsrats, das Genehmigungsmanagement der FBB einmal unter die Lupe zu nehmen. Stattdessen akzeptierte er die Ausführungen von Herrn Körtgen, der von einer politischen Begleitung der Genehmigungsbehörde orakelte. Der Aufsichtsrat hat auch hierbei keinerlei Aufsicht geführt.
Drittes Beispiel: Der Aufsichtsrat hat aus dem einzigen Grund, der Öffentlichkeit Handlungsfähigkeit beweisen zu wollen, die Trennung vom Generalsplaner ohne eine ernsthafte Prüfung der Folgen einzig auf der Grundlage eines geschönten Berichts des Projektsteuerers und einer inquisitorischen Befragung durch Wowereit entschieden. Die Allmacht des Regierungschefs und des Aufsichtsratsvorsitzenden geriet zu Ohnmacht des Miteigentümers Berlin. Das war ein fataler Fehler.
Damit bin ich beim dritten Komplex meiner Ausführungen. Das Beteiligungsmanagement des Landes Berlin ist seinen Namen nicht wert. Alle schönen Richtlinien, zum Beispiel, dass sich der Gesellschafter nicht allein auf die Ausführungen der Geschäftsführung verlassen darf, dass die verschiedenen Senatsressorts zusammenarbeiten sollen, dass zu einem Beteiligungsmanagement die umfassende Beurteilung der Unternehmensentwicklung und die Ausrichtung der Unternehmensstrategie an den Interessen des Gemeinwohls vorzunehmen sei, das alles sind im Fall der FBB nur bedrucktes Papier. In Wirklichkeit hat sich der Eigentümer Berlin seines eigenen Beteiligungsmanagements entledigt. Es gibt keine Kontrolle, sondern bestenfalls zusammenfassende Vermerke ängstlicher Verwaltungsmitarbeiter über die Verlautbarungen der Geschäftsführung.
Das Beteiligungsmanagement des Landes Berlin muss grundsätzlich neu aufgestellt werden. In ihm muss Sachverstand zur betriebswirtschaftlichen Steuerung der Landesunternehmen mit Experten für Unternehmensstrukturen und Risikomanagement gebündelt werden. Eine regelmäßige Überprüfung der Unternehmensstrategie muss im Beteiligungsmanagement vorgenommen und dem Parlament darüber berichtet, gegebenenfalls zur Beschlussfassung vorgelegt werden. Das Copy-und-Paste im Beteiligungsbericht ist einfach zu wenig. Das Land muss seine Rolle als Eigentümer stetig neu überprüfen und präzisieren. Das ist die Herausforderung, die das Abgeordnetenhaus künftig zu bewältigen hat, damit es nicht weiter als Sparschwein herhalten muss.
Dies ist mit großer Wahrscheinlichkeit meine letzte Parlamentsrede. Zum Abschied sei mir eine Bemerkung gestattet. Wir alle hier im Parlament sollten ein Vorbild für Verlässlichkeit und Nachvollziehbarkeit von Entscheidungen sein. Doch gerade in den vergangenen fünf Jahren ist dies immer einmal wieder misslungen. Anträge wurden zwar eingebracht, aber jahrelang nicht behandelt,
eine Verfassungsänderung erfolgte ohne jede Begründung und Debatte, einfach so, weil es gerade politisch passte. Wenn sich aber Politiker schon nicht an Regeln halten, warum sollte es dann irgendjemand tun? Eine Aufgabe – da schließt sich der Kreis zum BER – wurde sträflich vernachlässigt: Wer, wenn nicht wir Abgeordneten, sollte in der Lage sein, aus den vielfältigen, zum Teil gegenläufigen Interessen einzelner oder einzelner Gruppen das herauszufiltern, was man mit Gemeinwohlinteresse beschreibt?
Frau Kollegin, da es Ihre letzte Rede ist, war ich sehr großzügig. Sie müssen jetzt aber zum Ende kommen.
Das übergeordnete Gemeinwohlinteresse zu extrahieren, darzulegen und durchzusetzen, ist die ureigenste Aufgabe der Politik. Weil wir alle, ich nehme keine Partei dabei aus, das in den letzten Jahren nicht immer vermochten, reagieren die Bürgerinnen und Bürger so, wie sie reagieren. Wir alle müssen wieder politischer werden, nicht parteiegoistischer, sondern politischer im Sinne des Allgemeinwohls zur Überwindung von sozialer Spaltung, Hass und Benachteiligung. – Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit!
Vielen Dank, Frau Kollegin Matuschek. – Jetzt erteile ich dem Kollegen Delius das Wort, dieses Mal in seiner Funktionen als Sprecher. – Bitte schön!
Vielen Dank, Herr Präsident! – Lassen Sie mich anmerken: Ich finde die Kulanz durchaus angebracht, wenn jemand hier seine letzte Rede hält, kann man auch mal ein bisschen mehr als Kulanz walten lassen. – Vielen Dank!
Ich hatte schon den Teil des Vorsitzenden. Ich will jetzt auch gar nicht auf die einzelnen wirklich umfangreichen Analysen des Abschlussberichts und des Sondervotums von mir und meinen Mitarbeitern eingehen. Ich kann vielleicht sagen: Statt 363 Seiten zu lesen, wie Herr Kreins es vorgeschlagen hat, lohnt es sich, die 305 Seiten zu lesen. Sie sind launiger geschrieben und meiner Meinung nach wesentlich besser. Wir verweisen in unserem Sondervotum auch gerne – Frau Matuschek hat das, wie ich finde, beeindruckend ausgeführt – auf das Thema Finanzen bei dem Sondervotum der Linken. Insofern kann man auch das lesen. Am Ende lohnt sich der ganze Bericht.
Unstrittig ist in allen Sondervoten, dass die Geschäftsführung verantwortlich ist, den Aufsichtsrat nicht informiert hat und ansonsten auch im Wesentlichen unfähig und inkompetent ist und gerade, was die Vernehmung vom Ausschuss anging, auch arrogant agiert hat.
Warum ist das so? – Wir kennen die Geschichte auch aus der Presse. Es gab recht frühzeitig Warnungen vor misslungenem Probebetrieb. Das hat die Firma McKinsey schriftlich gemacht. Die Schriftstücke wurden offensichtlich nicht von der Geschäftsführung an den Aufsichtsrat weitergeben. Die Manipulationsvorwürfe bzw. die Beweise, die wir für Manipulationen der Controllingberichte im Fall des wichtigen ersten Controllingberichts von 2012 durch Manfred Körtgen gefunden haben, sind stichhaltig und belegbar. Damit wurden die Endspurtmaßnahmen in Höhe von 14 Millionen Euro begründet, ohne dass nachvollziehbar war, warum die Geschäftsführung dort den Steuerer angewiesen hat, kritische Formulierungen aus dem Controllingbericht zu streichen.
Strittig hingegen – das haben wir jetzt auch schon seit der letzten Woche und in der Pressekonferenz am Montag gehört – ist zum Beispiel die Verantwortungsfrage des Aufsichtsrats. Da geht es mir gar nicht um persönliche Haftung, weil natürlich durch politische Ämter entsendete Personen nicht persönlich haftbar zu machen sind, insbesondere dann nicht, wenn sie kein Geld für ihre Funktion im Aufsichtsrat bekommen.
Ich habe gerade Ihren Aufsichtsratsvorsitzenden in Schutz genommen. Regen Sie sich nicht so auf, Herr Schneider!
Im Mehrheitsbericht wird behauptet, dass der Untersuchungsausschuss nicht habe klären können, warum und ob der Aufsichtsrat im Frühjahr eine Gefährdung der Inbetriebnahme am 3. Juni 2012 hätte erkennen können. Das ist so nicht richtig. Erstens gab es bei dem Thema Brandschutz eine sogenannte Taskforce Brandschutz, in der auch Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Brandenburger Staatskanzlei saßen. Diese Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben ganz sicher auch ihre Vorgesetzten und Mitglieder des Aufsichtsrats darüber informiert, dass es Probleme mit der sogenannten Mensch-Maschine-Lösung und Interimslösung gegeben hat. Insofern waren zumindest Teile des Aufsichtsrats, auch von Brandenburger Seite in dem Fall, über den Zustand des Projektes informiert und hatten auch die Möglichkeit, dem Rest des Aufsichtsrats dazu einen realistischen Einblick zu geben.
Zweites Thema – der ORAT-Probebetrieb: Am 6. März schrieb PwC unter anderem an die Senatsverwaltung für Finanzen, wie es um die Probleme beim Probebetrieb
Die Zeugin Gute, bei PwC angestellt, wies in der Vernehmung darauf hin, dass die Geschäftsführung der FBB einer Gefährdung widersprochen habe. Das hat die Senatsverwaltung für Finanzen so hingenommen. Im Aufsichtsrat war das Thema jedenfalls nicht präsent, obwohl es das hätte sein können. Hier verließ man sich blind auf die Angaben der Geschäftsführung. Das kann man im Sondervotum nachlesen, nicht aber im Mehrheitsbericht.
Nächstes Thema – Kündigung pg bbi: Da sind wir uns inzwischen grundsätzlich alle einig, das war keine so besonders gute Idee. Im Mehrheitsbericht ist zu lesen, dass die Auswirkung der Kündigung der pg bbi seitens der Geschäftsführung nicht hinreichend ausgewertet und damit unterschätzt worden sei. Ja, das ist aber nur die halbe Wahrheit, denn laut Aussagen des Zeugen Wowereit hat der Auftritt von Hans-Joachim Paap, dem Chefplaner von pg bbi, in der Sitzung am 16. Mai nach der geplatzten Eröffnung im Aufsichtsrat einen so negativen Eindruck hinterlassen, dass dieser maßgeblich war – das hat auch Herr Karasch von der Senatsverwaltung für Finanzen bestätigt –, die Entscheidung für die Kündigung zu beeinflussen. Insofern haben natürlich der Aufsichtsrat und die intensive Befragung der pg bbi selbst dort Verantwortung zu tragen für die Entscheidung, den Planer hinauszuwerfen.
Weiter gab es Stellungnahmen der Senatsverwaltung für Inneres – Sie wissen ja, der Kollege Henkel ist auch Mitglied des Aufsichtsrats der Flughafengesellschaft und bekommt seine Vermerke aus der Senatsverwaltung für Inneres –, in denen auch ganz klar beschrieben ist, dass die Flughafengesellschaft die Verantwortung für die geplatzte Eröffnung zu tragen hat und insofern nicht allein die Planer verantwortlich zu machen sind. Die Bauherrin selbst hätte beurteilen müssen, was die Planer dort getan haben. Also kann man von keiner so klaren Entscheidung zur Entlassung der pg bbi ausgehen. Das hat am Ende auch der Zeuge Wowereit bestätigt, als er, nachdem am 7. September 2012 klar wurde, dass die Kündigung keine gute Idee und es zum Stillstand der Arbeiten gekommen war, weiterhin die Trennung von der pg bbi als sachlich richtig bezeichnet hat – was sie am Ende nicht war.
Dann kommen wir zu der Verantwortung der Vertreter und Vertreterinnen des Landes Berlin. Ich hatte das anderer Stelle schon mal ausgeführt: In den Vermerken der Senatsverwaltung für Inneres zur Vorbereitung der Aufsichtsratssitzungen ist immer wieder zu lesen, dass die Senatskanzlei die Senatsverwaltung für Inneres und damit auch Frank Henkel als Aufsichtsratsmitglied nicht ordentlich mit notwendigen Informationen versorgt hat. Das widerspricht – Frau Matuschek hat es unter dem Stichwort Beteiligungsmanagement und Controlling schon
angesprochen – den Richtlinien der Senatsverwaltung für Finanzen für alle Aufsichtsratsmitglieder des Landes Berlin, die – ich zitiere – „sich eine einheitliche Auffassung zu bilden haben“. Die Senatskanzlei und die Senatsverwaltung für Inneres haben keinen geordneten Informationsaustausch zustande gebracht. Das verstößt – offensichtlich auch nach den Maßgaben des Landes Berlin – massiv gegen die Interessen des Landes Berlin. Klaus Wowereit und Frank Henkel hätten sich abstimmen müssen. Das haben sie nicht getan. Das ist auch in den Antworten auf mehrere Kleine Anfragen von mir noch mal bestätigt worden.
Laut den Richtlinien ist weiterhin – das ist hier auch kurz angesprochen worden – für Aufsichtsratsmitglieder des Landes Berlin die Hinzuziehung von externem Sachverstand möglich und angezeigt. Weder Frank Henkel noch Klaus Wowereit haben diese Möglichkeit eingesetzt. Im Gegenteil, Frank Henkel hat sich sogar dafür eingesetzt, dass es kein externes Controlling unter Hartmut Mehdorn gab, wie es mal angedacht worden war, weil man sich einen Vertrauensvorschuss gewähren wollte. In seiner Vernehmung durch den Untersuchungsausschuss wusste auch Frank Henkel dann am Ende nicht, wer der jeweilige Aufsichtsratsvorsitzende war. Aus den Vorbereitungsvermerken geht hervor, dass Herr Henkel seine Informationen zum Teil aus Presseberichten zusammensuchen ließ. Dilettantischer kann man ein Großprojekt nicht beaufsichtigen. Frank Henkel zumindest ist ungeeignet für die Arbeit in jedem Aufsichtsrat dieser Stadt.
Ja, da kann man mal klatschen, finde ich. Man meckert immer über seine Fähigkeiten als Innensenator. Ich würde mal sagen, die Aufsichtsräte sind auch wichtig.
Zu den Haftungsprüfungen hat Herr Otto schon ein bisschen gesagt. Die Haftungsprüfungen insbesondere zur Geschäftsführung waren mangelhaft, sind aber dennoch herangezogen worden, um insbesondere Teile des Aufsichtsrats schadfrei zu stellen, konnten dann aber auch aufzeigen, dass selbst bei der mangelhaften Prüfung die Geschäftsführung unter Herrn Schwarz und Herrn Körtgen Pflichtverletzungen begangen hat. Die konnten dann leider nicht umgesetzt werden.
Wir wollten das Gutachten an unser Sondervotum anhängen, damit alle sich ein Bild davon machen. Das hat die Mehrheit von SPD und CDU verhindert, das ist sehr schade. Wir unterstützen aber weiterhin den Vorschlag, den wir hier auch schon eingebracht haben, endlich ein vernünftiges Haftungsgutachten in Auftrag zu geben, das insbesondere auch die Abrechnungsfragen enthält, was man damals aus politischen Gründen nicht wollte.
Noch ein ganz kurzes Wort zur Standortfrage. Diese ist auch Teil des Untersuchungsauftrags gewesen, auch wenn sich daran jetzt keiner mehr erinnern möchte. Wenn
über Schallschutz diskutiert wird, muss klargestellt werden, dass der Standort BER ursächlich für die Schallschutzprobleme ist. Alle Parteien, die hier im Haus sitzen und die am Standort mitdiskutiert haben, sind damit auch verantwortlich für diese Probleme.
Die Verantwortung des Parlaments ist hier schon benannt worden, das brauche ich nicht weiter auszuführen. Man kann sich auch die Anträge der Piratenfraktion in dieser Legislaturperiode, die sich mit diesem Thema beschäftigen – mit Berichtspflichten, mit der Frage, ob man einen Sonderausschuss haben möchte oder Ähnliches –, angucken. Ich bin unbedingt der Meinung, dass die Zerstückelung des Beteiligungsmanagements und Controllings in diesem Haus aufhören muss und man mal darüber nachdenken sollte, für Großprojekte oder große Vorhaben oder eine allgemeine Kontrolle der landeseigenen Unternehmen eine zentralisierte Struktur einzuführen. Das muss kein Sonderausschuss BER sein, aber das sollte auf jeden Fall ein ordentlicher Ausschuss sein, der auch ein bisschen größer ist und mehr Zeit hat, sich mit den Dingen zu beschäftigen.
Am Ende möchte ich mich ganz herzlich bei meiner Fraktion und meinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern bedanken. Lieber Benedikt, lieber Thorsten! Ihr habt das ganz toll gemacht. Vielen Dank, dass das Sondervotum so gut geworden ist! – Danke schön!
Vielen Dank! – Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Der Bericht des 1. Untersuchungsausschusses des Abgeordnetenhauses von Berlin der 17. Wahlperiode zur Aufklärung der Ursachen, Konsequenzen und Verantwortung für die Kosten- und Terminüberschreitung des im Bau befindlichen Flughafens Berlin-Brandenburg Willy Brandt ist damit besprochen. Ich möchte mich im Namen des Hauses bei allen Beteiligten des Untersuchungsausschusses einschließlich den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Verwaltung für die geleistete Arbeit recht herzlich bedanken.