Protocol of the Session on June 9, 2016

Lfd. Nr. 3.1:

Priorität der Fraktion der SPD

Tagesordnungspunkt 13

Gesetz zur Harmonisierung glücksspielrechtlicher Mindestabstandsvorschriften

Antrag der Fraktion der SPD und der Fraktion der CDU Drucksache 17/2974

Erste Lesung

Ich habe den Gesetzesantrag vorab an den Ausschuss für Stadtentwicklung und Umwelt und an den Hauptaus

schuss überwiesen und darf Ihre nachträgliche Zustimmung hierzu feststellen. In der Beratung beginnt die Fraktion der SPD. Das Wort hat der Herr Abgeordnete Buchholz. – Bitte!

Vielen Dank, Frau Präsidentin! – Meine Damen, meine Herren! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Möchten Sie in einer Straße wohnen, in der Spielhalle an Spielhalle, an Wettbüro, an Spielhalle grenzt?

[Zurufe von der SPD und den PIRATEN: Nein, nein!]

Möchten Sie dort leben, möchten Sie dort einkaufen, möchten Sie dort tatsächlich Ihren Kiez erleben? – Ich glaube, wir alle, außer Kollege Morlang, können sagen: Nein, das wollen wir nicht! – Ich bin sehr stolz darauf, dass das Land Berlin schon seit diversen Jahren mit glücksspielrechtlichen Vorschriften insbesondere im Bereich der Spielhallen Vorreiter in der Bundesrepublik Deutschland ist. Wir haben tatsächlich – und das sagen auch unabhängige Experten – das schärfste Spielhallengesetz der Bundesrepublik Deutschland seit 2011. Die gute Nachricht ist: Dieses Gesetz wirkt. Wir konnten erstens die Ausbreitung neuer Spielhallen, die Flut neuer Spielhallen tatsächlich stoppen. Es gab allein 2010 in einem Jahr mehr als ein Drittel an Zunahme neuer Spielhallen. Diese Flut haben wir nicht nur gestoppt, sondern wir haben auch in den letzten vier Jahren dafür gesorgt, dass die Zahl inzwischen nicht übergreifend, aber kontinuierlich gesunken ist.

[Beifall bei der SPD]

Wir werden es jetzt nach fünf Jahren Übergang erleben, dass am 31. Juli 2016 für alle alten Spielhallen gilt: Jetzt gilt das 2011 beschlossene Gesetz auch für die Bestandsunternehmen. Die meisten Spielhallen in Berlin werden schließen müssen, und das ist auch gut so, denn wir wollen unsere Stadt zurückerobern.

[Beifall bei der SPD]

Wir sehen jetzt eine Tendenz bei einigen Betreiberinnen und Betreibern, und damit komme ich zum heutigen Gesetzesantrag, der als Priorität der SPD-Fraktion auf der Tagesordnung steht: Wir erleben, dass einzelne Betreiber sagen: Oh, ein hartes Gesetz, das tatsächlich gegen Spielhallen wirkt! Aber ich könnte ja einfach mal umschwenken und mache jetzt einfach ein Wettbüro auf! – Das ist genau etwas, was wir natürlich nicht wollen, wo wir einen klaren Riegel vorschieben wollen, wo wir auch als Landesgesetzgeber sagen: Das, was wir für die Spielhallen sehr hart formuliert haben – einen Mindestabstand von 500 Metern zur nächsten Spielhalle und sowieso nur eine Spielhalle pro Gebäude, nicht bis zu acht, wie es noch der Fall ist, mindestens 200 Meter zur nächsten Oberschule und zu großen Jugendeinrichtungen –, wollen wir auch für Wettbüros verwirklicht sehen. – Das ist der Antrag, den wir heute zur Einbringung vorlegen.

Wir würden uns natürlich sehr freuen, dass wir das, was wir gestern schon in der Debatte im Stadtentwicklungsausschuss gesehen haben, auch hier in zwei Wochen bei der endgültigen Verabschiedung zeigen können: dass es eine ganz große Einigkeit im Abgeordnetenhaus von Berlin gibt, diese Mindestabstandsregel entsprechend hart auch für Wettbüros zu formulieren. Denn wir mussten eben erleben, dass sich die Wettbüros ausbreiten, und wir wissen leider auch, dass die Gesetzesmaterie deutlich komplizierter als bei den Spielhallen ist. Es gibt einen Glückspielstaatsvertrag der 16 Bundesländer, dazu in den Bundesländern jeweils Ausführungsgesetze, so auch in Berlin. Der Glücksspielstaatsvertrag sagt eigentlich, es soll bundesweit 20 Lizenzen für Wettbüroanbieter geben, von denen wiederum von den 20 Ausgewählten je zehn Wettbüros aufgemacht werden dürfen. So wäre es eigentlich de jure, also rund 200 Wettbüros. Leider ist das nur eine Illusion, denn es greift nicht wirklich, da die Konzessionsvergabe, vorgenommen durch das Land Hessen, auf diversen Ebenen beklagt wird. Einige Richter haben so geurteilt, andere so. Eine schwierige Rechtskonstruktion, eine schwierige Rechtslage, und wir haben nicht 200 Wettbüros in der Stadt, sondern 300. Jetzt kommt der entscheidende Satz: Juristisch gesehen sind alle 300 Wettbüros in Berlin illegal, aber wir können und dürfen sie nicht schließen. Das ist wirklich kein schöner Zustand, aber er ist so. Aufgrund der europarechtlichen Vorgaben und Urteile, wie auch durch die bundesdeutschen, ist es sehr kompliziert. Wir kommen auf dieser Schiene als Bundesland nur sehr schwer an die Sache heran.

Deshalb haben wir in Analogie zu unserem Spielhallengesetz in einem sehr übersichtlichen, kurzen Gesetzesänderungsvorhaben versucht, das zu regeln und wollen mit Ihrer Unterstützung sagen: Das, was wir an Mindestabständen zwischen Spielhallen definieren, gilt jetzt auch in Analogie für Wettbüros: 500 Meter Abstand zum nächsten Wettbüro, mindestens 200 zur nächsten Oberschule. Damit wollen wir erreichen, dass betroffene Kieze, wo immer sie sind – – Ich sehe die Kollegin WildenheinLauterbach an, wenn wir uns die Straßen in Wedding, in Mitte ansehen, die verseucht – Entschuldigung! – sind mit Spielhallen und Wettbüros. Das Gleiche gilt für Neukölln. Es gilt für Spandauer Kieze, es gilt selbst für Reinickendorf und andere Straßenzüge. Das soll in Berlin der Vergangenheit angehören. Deshalb bitten wir sehr um Unterstützung für unser Gesetz, damit wir die Abstände zwischen Spielhallen und Wettbüros gleich behandeln und regeln: 500 Meter Mindestabstand, damit unsere Kieze wieder lebenswert werden und wir auch den Jugend- und Spielerschutz in Berlin voranbringen können. – Vielen Dank, meine Damen, meine Herren!

[Beifall bei der SPD und der CDU]

Vielen Dank, Herr Buchholz! – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat jetzt das Wort Herr Abgeordneter Dr. Behrendt. – Bitte!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wenn das alles so einfach wäre, wie es Herr Buchholz geschildert hat, frage ich mich, weshalb das nicht schon vor drei Jahren passiert ist, warum das nicht schon vor fünf Jahren passiert ist, sondern warum im Gegenteil der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit den Glücksspielstaatsvertrag unterschrieben hat, mit dem dieses ganze Dilemma, das Herr Buchholz eben beschrieben hat, gerade erst aufgemacht worden ist. Allein durch die Unterschrift der Länderministerpräsidenten unter den Glücksspielstaatsvertrag, dieses Konzessionsmodell und die Festschreibung der 20 Konzessionen und der 200 Wettbüros im Lande Berlin haben wir dieses Dilemma heute.

[Zuruf von Daniel Buchholz (SPD)]

Dafür trägt der Senat die Verantwortung. Dafür trägt der Regierende Bürgermeister die Verantwortung. Es hätte überhaupt keinen Druck, keinen Zwang gegeben, diesen Glücksspielstaatsvertrag und dieses Konzessionsmodell mitzumachen. Wenn wir uns für einen anderen Weg entschieden hätten, hätten wir die Grundlage für die Wettbüros, die sich jetzt in einem juristischen Graubereich befinden, schon damals entziehen und wir hätten endlich welche schließen können.

Herr Buchholz! Zur Wahrheit gehört auch – Sie haben so getan, als schlössen die Spielhallen im Juli im Lande Berlin alle. Das würde für den Wahlkampf der SPD ganz glücklich sein –, dass das nicht stimmt.

[Nikolaus Karsten (SPD): Doch, das stimmt!]

Sie haben im Winter dieses Jahres ins Gesetz geschrieben, Mindestabstandsumsetzungsgesetz: halbes Jahr Übergangsfrist. Die läuft erst Anfang nächsten Jahres aus. Deshalb: nicht zu früh hier Erfolge verkünden. Wir wollen erst einmal abwarten, wie die bekanntlich etwas schwerfällige Berliner Verwaltung bei der Umsetzung dieses Mindestabstandsumsetzungsgesetzes vorangeht, und ob es tatsächlich zu dem sehr wünschenswerten Ergebnis kommt, dass ein Großteil der Spielhallen im Lande Berlin schließen muss.

[Beifall bei den GRÜNEN – Zuruf von Daniel Buchholz (SPD)]

Jetzt aber zu dem Gesetz, das Sie uns heute vorgelegt haben. Es geht um den Abstand der Wettbüros untereinander und von Schulen, und es geht um eine Nachschulungspflicht für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Spielhallen. Das ist nun wirklich kein ganz großes Rad, an dem Sie hier drehen. Das hätte man auch im Winter, als wir das Mindestabstandsumsetzungsgesetz beraten haben, mitmachen können. Warum jetzt hier noch

(Daniel Buchholz)

einmal ein weiteres Gesetz erforderlich sein soll, hat sich mir gestern in der Ausschussberatung nicht erschlossen

[Daniel Buchholz (SPD): Aber Sie haben gar nichts beantragt! Von Ihnen liegt gar nichts vor!]

und es erschließt sich mir immer noch nicht. Dieses Gesetz ändert leider nichts an der bestehenden Rechtsverwirrung, die diese Koalition in diesem Lande verantwortet. Wir haben nämlich neben dem Ausführungsgesetz zum Glücksspielstaatsvertrag – das ist das, was Sie mit dem heutigen Gesetz ändern wollen –, das schon erwähnte Spielhallengesetz, was fast die gleiche Materie regelt, und daneben auch das von mir schon erwähnte Mindestabstandsumsetzungsgesetz aus dem vergangenen Winter. Wir haben also drei Gesetze, die nebeneinanderstehen und mehr oder weniger die gleiche Materie regeln. Moderne Gesetzgebung sollte so etwas eigentlich vermeiden. Die Gesetzesunterworfenen sollten aus einer Rechtsquelle lesen können, was gilt. Das ist zumindest in der B-Note noch nicht titelverdächtig, was die Koalition an dieser Stelle macht.

[Beifall bei den GRÜNEN]

Dieses Gesetz ändert auch nichts am eklatanten Vollzugsdefizit im Bereich der Café-Casinos, denn das ist das Problem, dass der Kollege Buchholz richtig anspricht. All diejenigen, die jetzt ihre Spielhallen schließen, sind versucht, nicht ein Wettbüro – das wäre möglich –, sondern nach meiner Beobachtung eher ein Café-Casino zu eröffnen. Dazu brauchen sie nur das Schild abmachen, melden eine Gaststätte an und hängen die Automaten rein. Hier haben wir ein vielfach – von mir, von anderen – beklagtes Vollzugsdefizit, denn die sind genauso illegal wie die Sportwettbüros. Da sind die Bezirke, die Gewerbeaufsicht aufgerufen, die Dinger mal zuzumachen. Da finden überhaupt keine Kontrollen statt.

[Daniel Buchholz (SPD): Selbstverständlich finden die statt!]

Da finden keine Kontrollen statt. Das ist ein unglaublicher Wildwuchs.

[Zuruf von Daniel Buchholz (SPD)]

Das Ziel muss doch sein, Herr Buchholz, dass wir die Spielmöglichkeiten, die Anzahl der Glücksspielgeräte in dieser Stadt, reduzieren.

[Christopher Lauer (PIRATEN): Warum?]

Das muss doch das gemeinsame politische Ziel sein.

[Beifall bei den GRÜNEN]

Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Buchholz?

Von Buchholz? – Immer!

Bitte sehr, Herr Buchholz!

Herr Kollege! Jetzt doch noch einmal die Nachfrage: Weshalb behaupten Sie, es gebe keine Kontrollen im Land Berlin? Ich habe persönlich, nachdem ich lange danach gedrängt habe, an einer stadtweiten Razzia in einem Kiez teilgenommen. Es gibt regelmäßig von diversen Bezirken, Ordnungsämtern Kontrollen von Spielhallen und auch von Café-Casinos. Weshalb behaupten Sie immer das Gegenteil?

Ich habe niemals behauptet und würde es auch nicht behaupten, dass Spielhallen in diesem Land nicht kontrolliert werden. Da gibt es tatsächlich Schwerpunktkontrollen. Das haben Sie hier in der letzten Legislaturperiode auch mit einem Antrag orchestriert. Es gibt aber bei der Kontrolle der sogenannten Café-Casinos, die da nicht mitkontrolliert werden

[Daniel Buchholz (SPD): Doch!]

das ist nicht zutreffend. Dort haben die Bezirke aufgesteckt und sagen, sie gehen da nur hin, wenn ihnen irgendjemand irgendwas meldet, wie in vielen anderen Bereichen auch. Das ist beim Nichtraucherschutz so, das wird beim Hundegesetz wahrscheinlich auch eklatant so werden, und das liegt daran, dass Sie die Bezirke in einer Art und Weise der Möglichkeit der Erfüllung ihrer Aufgaben beraubt haben, durch die Politik, die Sie hier zu verantworten haben, dass sie die von uns immer weitergegebenen Aufgaben nicht mehr erfüllen können. Mehrere Stadträte, die nicht meiner Partei angehören, um auch diesem Eindruck entgegenzuwirken, haben mir schriftlich mitgeteilt, sie machten das nur noch auf Zuruf und es finde keine Kontrolle statt.

Zurück zu den Gesichtspunkten, dass wir das Ziel haben sollten, die Anzahl der Glücksspielgeräte zu verringern. Für einen Spielsüchtigen spielt es gar keine Rolle, ob er in einer Spielhalle an den Automaten, in einem CaféCasino an den Automaten hängt oder in der nächsten Imbissbude. Die haben alle das gleiche Suchtpotenzial. Zum Beispiel haben wir in Pankow 250 von diesen Geräten in Spielhallen und 2 500 – also zehnmal mehr – in Café-Casinos, Gaststätten und Imbissen. Wenn es eine Ausweichbewegung gibt aufgrund des Kontrolldefizits, dann bringt das Gesetz nicht so wahnsinnig viel.

Drei, vier Punkte noch in Kurzform, weil meine Redezeit rast: Einige Unebenheiten in diesem Gesetzentwurf habe ich gestern im Ausschuss angesprochen. Sie haben noch Möglichkeiten, das innerhalb der nächsten zwei Wochen nachzubessern, um das Gesetz schön zu machen. Schlussendlich möchte ich betonen, dass wir wirklich

wirksamer Instrumente bedürfen, um der modernen Landplage Spielhalle und Sportwettbüro Herr zu werden. Das ist juristisch insbesondere im Sportwettbereich keine ganz einfache Materie. Dieses Gesetz, das Sie heute hier vorgelegt haben, kann ein Schritt in diese Richtung sein, und deswegen werden wir im Ergebnis zustimmen. – Ich danke Ihnen!

[Beifall bei den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei der SPD – Beifall von Katrin Lompscher (LINKE) – Daniel Buchholz (SPD): Ah!]