Protocol of the Session on June 9, 2016

Vielen Dank, Frau Radziwill! – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat jetzt das Wort Frau Abgeordnete Villbrandt. – Bitte!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Kolleginnen und Kollegen! Es ist dringend erforderlich, dass das Berliner Landespflegegeldgesetz angepasst wird. Allein die Umstellung von Pflegestufen auf Pflegegrade durch das Zweite Pflegestärkungsgesetz macht eine Novellierung notwendig. Da die bundesrechtlichen Änderungen schon zum 1. Januar 2017 in Kraft treten, sollte das Abgeordnetenhaus noch in dieser laufenden Legislaturperiode die erforderlichen Änderungen vornehmen. Ansonsten ist es angesichts der Wahl und der Konstitution eines neuen Parlaments zeitlich kaum zu schaffen. Ich glaube deshalb nicht, dass man Ihren Vorschlag, Frau Radziwill, annehmen kann.

Senator Czaja! Sie haben vorgestern die Anpassung des Berliner Landespflegegeldgesetzes an das Pflegestärkungsgesetz angekündigt – zu spät, wie ich finde. Wieder einmal haben wir kaum Zeit für eine gründliche Diskussion über diese wichtige Gesetzesänderung. Dennoch sollten wir jetzt die Chance nutzen, die anstehende Novellierung des Gesetzes auf den Weg zu bringen und wichtige und notwendige Änderungen an den Begrifflichkeiten – Herr Spies hat das schon gesagt –, aber auch hinsichtlich der Leistungsberechtigten vorzunehmen. Das betrifft zum einen die neue Zuordnung der Pflegegrade nach dem Pflegestärkungsgesetz II und zum anderen die Anpassung der Formeln, auf deren Grundlage die Leistungen berechnet werden.

Wichtig ist außerdem, dass die Definition der Unterstützungsempfänger um Taubblinde ergänzt wird. In der Definition der Hilfeempfänger sind taubblinde Menschen nur dann einbezogen, wenn sie bereits vor der Geburt

bzw. bis zum siebten Lebensjahr ihr Gehör verloren haben. Menschen, die in einem späteren Alter ihr Gehör verlieren, sind von Leistungen ausgeschlossen. Das ist absurd und nicht gerechtfertigt.

[Beifall bei den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei der LINKEN]

Der Antrag der Piratenfraktion greift somit ein richtiges Thema auf. Apropos! Das sind auch genau die Vorschläge des Allgemeinen Blinden- und Sehbehindertenvereins.

Senator Czaja! Sie haben in Ihrem Entwurf diese notwendigen Veränderungen nicht durchgeführt, und das, obwohl Sie nach unseren Kenntnissen Gespräche mit Experten geführt und in diesen Gesprächen signalisiert haben, dass Anpassungen notwendig sind. Warum die Erkenntnisse aus diesen Runden nicht in diesen Gesetzentwurf eingeflossen sind, verstehen wir nicht. Ich wünsche mir zwar nicht, dass Sie jetzt hier noch reden, aber so etwas müssen Sie uns schon erklären.

[Beifall bei den GRÜNEN]

Wir werden diesen Antrag unterstützen, auch wenn es de facto unmöglich ist, ihn sorgfältig zu behandeln und parlamentarisch zu Ende zu bringen. Wir sehen ihn aber als Chance, die notwendige Novellierung mit einer wichtigen Erweiterung der Hilfebedürftigen zu verknüpfen. Auch der Senator und die Koalitionsfraktionen haben noch eine gute Gelegenheit, um zu zeigen, dass ihnen die Menschen hinter den Bedarfsgruppen, über die wir jetzt reden, nicht egal sind. – Danke!

[Beifall bei den GRÜNEN, der LINKEN und den PIRATEN]

Vielen Dank Frau Villbrandt! – Für die CDU-Fraktion hat jetzt das Wort der Herr Abgeordnete Krüger. – Bitte!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir haben heute alle den gleichen Ansatz. Bis zum Inkrafttreten des Zweiten Pflegestärkungsgesetzes des Bundes am 1. Januar 2017 sollte auch das Berliner Landespflegegeldgesetz geändert, oder, etwas genauer formuliert, angepasst werden. Grundlegend wird in der aktuellen Bundesgesetzgebung von einem neuen Pflegebedürftigkeitsbegriff ausgegangen, der die Schwere der Beeinträchtigung von Selbstständigkeit, die Einschränkung von Fähigkeiten, auffallende Verhaltensweisen, psychische Problemlagen und die Gestaltungsfähigkeit des Alltagslebens sowie sozialer Kontakte – um hier nur einige dieser Bedingungsfelder zu nennen – bewertet.

Hatten wir es bisher mit der Einteilung in drei Pflegestufen zu tun, so ersetzen nunmehr – auch das wurde eben schon angesprochen – fünf Pflegegrade diese Aufglie

(Ülker Radziwill)

derung im Rahmen der Neugestaltung des Begutachtungssystems. Dieser Tatbestand erfordert die Neufassung der §§ 3 und 4 des Landespflegegeldgesetzes. Hintergrund dafür ist der Tatbestand, dass die gewährten Leistungen nach dem SGB XI vorrangig zu den Leistungen des Berliner Landespflegegeldgesetzes sind. Das Berliner Landespflegegeldgesetz gewährt auf Antrag einen finanziellen Ausgleich des behinderungsbedingten Aufwandes für Gehörlose, Blinde und hochgradig sehbehinderte Menschen. Dieser Ausgleich ist unabhängig vom Einkommen und Vermögen und stellt somit keine Sozialleistung dar. Das ist immer wieder wichtig festzustellen.

Dabei werden bisher bei der Pflegestufe 1 60 Prozent eines nach dem SGB XI gewährten Pflegegeldes der Pflegestufe 1 und bei den Pflegestufen 2 und 3 40 Prozent des Pflegegeldes der Pflegestufe 2 angerechnet. Das anzupassende Berliner Gesetz greift nunmehr die Übergänge von den bisher gewählten Pflegestufen in die neuen fünf Pflegegrade auf der Basis der Bundesgesetzgebung auf, wobei die Pflegestufen 1 bis 3 in den zahlenmäßig höheren Pflegegrad überführt werden.

Zusätzlich – das muss uns auch allen klar sein – erfasst der Pflegegrad 1 Betroffene, die noch keine Einstufung in eine Pflegestufe 1 aufweisen. In den Pflegegrad 5 werden bisher in der Pflegestufe 3 eingeordnete Personen, die als besonderer Härtefall ausgewiesen sind, eingestuft. Auf dieser Basis ergeben sich die entsprechenden Pflegegeldansprüche, die – das ist richtig – prozentual wie bisher auf das Pflegegeld nach dem neu anzupassenden Berliner Pflegegesetz angerechnet werden.

Da es augenscheinlich, wie es eben auch schon die Debatte gezeigt hat, noch weiteren Klärungsbedarf in diesem Prozess gibt und auch der Antrag der Piraten auf Aufnahme der Taubblindheit in das Landesgesetz in die Beratung einbezogen werden sollte, bitten wir in Vorbereitung der zweiten Lesung um Überweisung in den zuständigen Fachausschuss und in den Hauptausschuss. – Ich danke Ihnen!

[Beifall bei der CDU und der SPD]

Vielen Dank, Herr Krüger! – Für die Linksfraktion hat jetzt das Wort die Abgeordnete Breitenbach. – Bitte!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Jetzt liegt uns heute erneut ein Gesetzentwurf vor, der unvermittelt eingebracht wurde, bei dem wir keine Zeit haben, ihn lange und großartig zu diskutieren. Wir haben diese Zeit real nicht, weil es Herr Czaja verschnarcht hat, dass er handeln muss. Wir müssen aber tatsächlich handeln, weil es ansonsten auf Kosten der Betroffenen geht.

[Beifall bei der LINKEN – Beifall von Jasenka Villbrandt (GRÜNE) und Alexander Spies (PIRATEN)]

Jetzt wird hier immer lapidar darüber geredet, dass man ein Landesgesetz an ein Bundesgesetz anpassen muss. Soweit, so gut. Da gibt es aber Probleme. Wir hatten alle Gelegenheit, mit dem Allgemeinen Blinden- und Sehbehindertenverband zu reden und uns zu informieren. Jetzt kennen wir auch alle die Probleme, die es gibt.

Nun wurde schon einmal ganz viel zum Pflegegeld, den Pflegestufen und – sie heißen jetzt – Pflegegraden gesagt, eins, zwei, drei vier und so weiter. Der Punkt sind aber nicht die Pflegegrade, sondern die Frage, wie die prozentuale Anrechnung der Pflegeleistung, die auf Bundesebene erhöht wird, auf das Landespflegegeld erfolgt. An der Stelle macht sich der Senat einen schlanken Fuß und möchte einfach nicht, dass diese erhöhten Leistungen auch bei den Blinden und Sehbehinderten ankommen. Der Senat sagt: Wir halten einfach einmal diese prozentuale Erhöhung von 60 Prozent bzw. 40 Prozent bei. Dann sparen wir bei dem Landespflegegeldgesetz. Das ist zutiefst ungerecht. Ich kann mir, ehrlich gesagt, auch nicht vorstellen, liebe Koalition, dass Sie das wollen.

[Beifall bei der LINKEN – Beifall von Jasenka Villbrandt (GRÜNE) und Alexander Spies (PIRATEN)]

Deshalb haben die Piraten einen Vorschlag unterbreitet, diese prozentuale Anrechnung zu reduzieren. Dieser Vorschlag ist richtig.

[Beifall bei der LINKEN – Beifall von Jasenka Villbrandt (GRÜNE) und Alexander Spies (PIRATEN)]

Das zweite Problem ist, dass Taubblinde nur dann anerkannt werden, wenn sie vor dem siebenten Lebensjahr ertaubt sind. Blind werden kann man auch später, aber erst blind und dann taub, gilt nicht. Man muss vor dem siebenten Lebensjahr ertaubt sein. Wenn man später blind wird, ist man eben nicht taubblind. Das ist wirklich eine völlig absurde Regelung. Diese Regelung muss geändert werden.

[Beifall bei der LINKEN – Beifall von Jasenka Villbrandt (GRÜNE) und Alexander Spies (PIRATEN)]

Lieber Herr Czaja! Ich verstehe wirklich nicht, warum Sie diese Chance nicht genutzt haben, diese absurde Definition, die auch wirklich niemand tragen kann, jetzt zu ändern, wenn wir das Landespflegegeldgesetz anfassen. Ich hoffe, dass sich die Koalition dem anschließen kann, diese Probleme zu beheben und dazu beizutragen, dass Blinde, Sehbehinderte und Taubblinde mehr Leistungen erhalten und besser an der Gesellschaft teilhaben können. – Vielen Dank!

(Joachim Krüger)

[Beifall bei der LINKEN – Beifall von Jasenka Villbrandt (GRÜNE) und Alexander Spies (PIRATEN)]

Vielen Dank, Frau Breitenbach! – Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Es wird die Überweisung des Gesetzesantrages und der Gesetzesvorlage an den Ausschuss für Gesundheit und Soziales und an den Hauptausschuss empfohlen. Gibt es hierzu Widerspruch? – Den höre ich nicht. Dann verfahren wir so.

Ich komme zu

lfd. Nr. 9:

Gesetz zur Änderung des Gesetzes zur Stärkung der Mitwirkung der Seniorinnen und Senioren am gesellschaftlichen Leben im Land Berlin (Berliner Seniorenmitwirkungsgesetz – BerlSenG)

Antrag der Fraktion der SPD und der Fraktion der CDU Drucksache 17/2946

Erste Lesung

Ich habe den Gesetzesantrag vorab an den Ausschuss für Gesundheit und Soziales und an den Hauptausschuss überwiesen und darf Ihre nachträgliche Zustimmung feststellen.

Ich eröffne die erste Lesung. In der Beratung beginnt die Fraktion der SPD. Das Wort hat Frau Abgeordnete Radziwill. – Bitte!

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Endlich beraten wir nun in der ersten Lesung die mögliche Novellierung des Seniorenmitwirkungsgesetzes. Das Land Berlin hat 2005 als erstes Bundesland ein Seniorenmitwirkungsgesetz verabschiedet. Alle Berliner Senioren und Seniorinnen über 60 Jahre auch ohne deutsche Staatsbürgerschaft mit Wohnsitz von mindestens drei Monaten in Berlin dürfen bei Interesse 17 bezirkliche Seniorenvertreter und Seniorenvertreterinnen wählen.

Das Seniorenmitwirkungsgesetz stellt die Grundlage für die Tätigkeit der Seniorengremien auf Landes- und Bezirksebene dar. Ziel ist es, die aktive Beteiligung von Seniorinnen und Senioren am gesellschaftlichen, politischen, sozialen und kulturellen Leben zu fördern. Angesichts des demografischen Wandels ist das auch sinnvoll.

Nach zwei erfolgten Wahlen und den bisherigen Regelungen des Seniorenmitwirkungsgesetzes und den Wunsch der Seniorenvertretungen aufgreifend haben wir uns als Koalition auf die Novellierung geeinigt. Man könnte auch sagen, dass es gut so ist.

[Beifall von Burgunde Grosse (SPD)]

Ich danke Burgunde Grosse an dieser Stelle. – Der Anteil der Seniorinnen und Senioren an der Berliner Gesamtbevölkerung steht bisher in keinem Verhältnis zur Wahlbeteiligung an den Wahlen zu Seniorenvertretungen.

Mit dem nun vorgelegten Änderungsantrag verbessern wir die Information und damit auch die Aufmerksamkeit, denn alle Seniorinnen und Senioren im Bezirk sollen per Brief angeschrieben und auf die Wahlen aufmerksam gemacht werden. Auch die Briefwahl wollen wir nun ermöglichen. Das wird von vielen Seniorinnen und Senioren sehr begrüßt.

Festhalten will ich hierbei auch, dass ich mich für einen separaten Wahltermin starkgemacht habe, also keine Zusammenlegung mit den Berlin-Wahlen für sinnvoll halte, denn das Alleinstellungsmerkmal der Wahl der Seniorenvertretungen und damit auch das Berliner Seniorenmitwirkungsgesetz muss aus meiner Sicht erhalten bleiben.

Es war gut, dass wir in der letzten Sitzung des Gesundheits- und Sozialausschusses auch mit Überziehung der Sitzungsdauer die Anhörung der Vorsitzenden des Landesseniorenbeirats und der Landesseniorenvertretung gemacht haben, denn ich denke, es war wichtig, ihre Meinung noch mal zu hören.

[Beifall bei der SPD]

An der Stelle möchte ich für die vielen guten Gespräche und Zusprüche Danke sagen, aber auch für die konstruktive Kritik der Seniorenvertretungen, ihre große Geduld und konstruktive Begleitung dieses Novellierungsprozesses. Der Einigungsprozess in der Koalition hat Zeit gebraucht, aber wir haben nun einen sehr guten Kompromiss vorgelegt. Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Opposition! Ich werbe bei Ihnen um Zustimmung. Auch wenn unser Vorschlag zeitlich recht knapp kam,