Protocol of the Session on May 12, 2016

[Beifall bei den PIRATEN – Vereinzelter Beifall bei der LINKEN]

Vielen Dank, Herr Kollege! – Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Es wird die Überweisung des Antrags an den Ausschuss für Europa- und Bundesangelegenheiten, Medien empfohlen. Widerspruch höre ich nicht – dann verfahren wir so.

Tagesordnungspunkt 23 steht auf der Konsensliste.

Ich komme nun zu

lfd. Nr. 24:

Berliner Jobcenter neu ausrichten für eine gute Arbeitsvermittlung und bedarfsgerechte Sozialberatung

Antrag der Piratenfraktion Drucksache 17/2893

In der Beratung beginnt die Piratenfraktion. – Herr Kollege Spies! Bitte schön, Sie haben das Wort!

Ich bin schon wieder dran!

[Uwe Doering (LINKE): So ist das Leben!]

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sie erinnern sich vielleicht, vor drei Jahren haben wir hier sehr intensiv über die Ergebnisse der KGSt-Studie debattiert, der Evaluation der Berliner Jobcenter durch die Kommunale Gemeinschaftsstelle. Und es sind eine ganze Menge Arbeitsaufträge an den Senat ergangen. Ich muss sagen: Ich bin mit den Ergebnissen nach diesen drei Jahren relativ unzufrieden.

Speziell fehlt uns – das könnte man sehr schnell machen – ein Landeskonzept für kommunale soziale Eingliederungsleistungen. Dazu haben wir einen Antrag gestellt, der Ihnen vorliegt. Aber wir machen hier auch den großen Aufschlag, das heißt, wir ziehen generell die Konsequenz aus der KGSt-Studie. Da geht es darum, die Berliner Jobcenter für eine gute Arbeitsvermittlung und bedarfsgerechte Sozialberatung neu auszurichten.

Herr Kollege! Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Otto?

Bitte!

Herr Kollege Spies! Finden Sie es nicht bemerkenswert, dass bei diesem wichtigen Thema der Senat mittlerweile vollständig abgetaucht ist?

Kollege Otto! Sie haben recht, aber ich habe schon öfter gesagt: Von diesem Senat ist nicht mehr sehr viel zu erwarten!

[Heiko Melzer (CDU): Senatorin Scheeres ist übrigens da!]

Gut, Frau Scheeres ist da. Frau Kolat wäre an dieser Stelle vielleicht auch sinnvoll.

(Dr. Gabriele Hiller)

[Zuruf von den GRÜNEN: Und Herrn Czaja nicht zu vergessen!]

Und Herrn Czaja – könnte man zitieren. Machen wir!

Es ist jetzt der Antrag gestellt worden, die zuständige Senatorin, das wäre in dem Fall Frau Kolat, zu zitieren. Wer dafür ist, den bitte ich um das Handzeichen! Gegenstimmen? Enthaltungen? – Enthaltung bei den Koalitionsfraktionen. Ersteres war die Mehrheit. Dann halten wir die Redezeit an und warten einen kurzen Moment. Ich bitte die Senatskanzlei, sich darum zu kümmern, dass die zuständige Senatorin kommt.

Frau Senatorin betritt den Saal. Dann können wir fortfahren.

Ich fahre fort. Es geht um die Situation an den Berliner Jobcentern. Da denken wir – das ist unsere Erfahrungen aus den letzten Jahren –, dass die Landespolitik wesentlich mehr Spielraum haben muss. Uns ist es nicht gelungen, die Jobcenter entsprechend zu kontrollieren, da sie als gemeinsame Einrichtungen nicht in allen Fragen vollständig dem Abgeordnetenhaus rechenschaftspflichtig sind. Vor allem, was die Fragen des Sozialdatenschutzes angeht, sind wir auf Granit gestoßen. Deswegen – und das ist wichtig – fordern wir nach wie vor, dass alle Beiräte, Versammlungen und Kooperationsausschüsse der Berliner Jobcenter öffentlich tagen und die leistungsberechtigten Bürgerinnen und Bürger in den Beiräten vertreten sind.

Zweiter Punkt, der wirklich ein Problem darstellt, ist die – sagen wir es einmal so – nicht stattfindende Arbeitsvermittlung. Erfolgsquoten von unter 20 Prozent bei der Vermittlung von Arbeitsangeboten sind desaströs. Inge Hannemann hat gerade kürzlich in Hamburg angefragt. Da gab es zur Auskunft, dass die Hamburger Jobcenter 1 Prozent Vermittlungserfolge aufzuweisen haben. Stattdessen werden die Leistungsberechtigten mit allerlei Maßnahmen, ich sage mal, bei Laune gehalten bzw. drangsaliert.

Und was ganz wichtig ist – das wissen Sie: Wir sprechen uns gegen Sanktionen aus. Die sind zwar zurückgegangen; zu 80 Prozent sind Sanktionen wegen Terminversäumnissen, wobei wir da auch die Schuld bei den Jobcentern sehen. Zum Beispiel weigern sich die Jobcenter, auf die Terminwünsche von alleinerziehenden Frauen einzugehen. Wir hatten in dem Zusammenhang auch schon mal Beschwerden, dass, obwohl die Frau gesagt hat, sie kann an einem Tag nicht, da sie auf das Kind aufpassen muss, die Termine immer auf diesen Tag gelegt worden sind. Die Möglichkeit, auf Sanktionen zu verzichten, sind gegeben, falls man die große Reform

wagt und die Berliner Jobcenter zu einem kommunalen Jobcenter zusammenfasst, das heißt, nicht mehr davon abhängig ist, was die Bundesagentur für Arbeit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern vorschreibt.

Auch die Situation der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Jobcenter muss sich im Wesentlichen verbessern. Sie leisten unter den gegebenen Umständen gute Arbeit – da gibt es gar keine Kritik –, aber sie tun das unter sehr schlechten Bedingungen. Insofern müssen sie besser geschult werden. Die Arbeitsbedingungen müssen besser werden. Vor allem müssen sie auch über das Petitionsrecht aufgeklärt werden. Das heißt, sie haben durchaus das Recht, Entscheidungen, die ihnen nicht tragbar erscheinen, zu widersprechen. Letztlich und generell fordern wir, dass der Petitionsausschuss des Abgeordnetenhauses viermal jährlich tagt, um Petitionen und Beschwerden über die Berliner Jobcenter zu beraten, und dies öffentlich geschieht und dem Abgeordnetenhaus berichtet wird.

[Beifall bei den PIRATEN]

Das sind in Kürze unsere Forderungen. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit!

[Beifall bei den PIRATEN]

Für die SPD-Fraktion hat jetzt Frau Kollegin Grosse das Wort!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! – Lieber Herr Spies von der Piratenpartei! Sie kommen kurz vor Toresschluss mit einem Antrag, die Berliner Jobcenter neu auszurichten, Sie wollen eine gute Arbeitsvermittlung und bedarfsgerechte Sozialberatung – kurz vor Toresschluss, sodass Sie kaum noch Gelegenheit haben, das im Ausschuss zu besprechen. Schade! So ein wichtiges Thema hätte ich an Ihrer Stelle früher eingebracht.

[Martin Delius (PIRATEN): Das Problem kenne ich!]

Ich möchte auch eine gute Arbeitsvermittlung, und wer möchte die nicht? Ich mache auch keinen Hehl daraus, dass ich bei der Einführung der Jobcenter eine Verfechterin davon war, ein Jobcenter mit zwölf Außenstellen zu machen,

[Oliver Höfinghoff (PIRATEN): Das hätten Sie doch auch machen können!]

aber wir konnten uns damals nicht durchsetzen. Unter Rot-Rot hat man sich nicht getraut, ein großes Jobcenter zu machen, und so sind die zwölf Jobcenter entstanden.

(Alexander Spies)

Frau Kollegin Grosse! Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Delius?

Nein, heute nicht. – Herr Delius, tut mir leid, aber jetzt nicht!

[Martin Delius (PIRATEN): Das trifft mich zutiefst!]

Ja, tut mir leid! Das können wir nachher draußen machen. – Außerdem, Herr Spies, ist Ihr Antrag sehr schwammig formuliert, denn er könnte auch darauf abzielen, dass Berlin eine Optionskommune werden soll. Das würde aber zurzeit nicht gehen, weil das Kontingent ausgeschöpft ist.

[Alexander Spies (PIRATEN): Nein!]

Die Bundesregierung hat ein Kontingent zur Verfügung gestellt, und es würde erst wieder gehen, wenn ein Bundesland das zurückgibt. Es ist aber eine Überlegung wert, und das könnte man in der nächsten Legislaturperiode anpacken, dass man statt zwölf Jobcentern eine gemeinsame Einrichtung für Berlin macht. Das könnten wir, das wollen wir aber nicht übers Knie brechen, sondern das müssen wir abwägen und dann entscheiden.

Sie sprechen von einer drastischen Fehlsteuerung, was ich so nicht unterschreiben und auch nicht nachvollziehen kann. Die vielen Rechtsstreitigkeiten haben unterschiedliche Ursachen – das wissen Sie auch – in der Gesetzgebung, die ziemlich schwierig ist, dann in diesen Antragsformularen. Das ist sehr vielseitig, aber einige könnten sicher vermieden werden. Deswegen haben wir in Berlin die Ombudsstellen eingerichtet, und wir haben erstmalig den Beratungsbus des Berliner Arbeitslosenzentrums finanziert, denn wir wollen, dass die Betroffenen über ihre Rechte, aber natürlich auch über ihre Pflichten aufgeklärt werden.

Ich spreche noch das Thema Sanktionen an: Sanktionen sind ein umstrittenes Thema, und Berlin hat die Hamburger Änderungsanträge, den Wegfall von sogenannten Totalsanktionen, unterstützt. Diese Anträge fanden leider keine Zustimmung bei den Ländern, weil es wahrscheinlich immer noch die Ansicht gibt, die Arbeitslosen wollen gar nicht arbeiten – anders kann ich mir die Ablehnung nicht erklären.

[Martin Delius (PIRATEN): Widerlich!]

Ja, sehe ich auch so! – Die Anzahl der Arbeitslosen in Berlin hat sich dank der guten Konjunktur zum Positiven entwickelt, aber es gibt noch zu viele Langzeitarbeitslose. Zwei Drittel sind Langzeitarbeitslose, die länger als ein Jahr arbeitslos sind, aber auch einige seit vielen, vielen Jahren. Für diese Menschen müssen wir Lösungen finden, und unser Ziel muss es sein, eine umfassende Betreuung und Unterstützung bei der Eingliederung in Ar

beit zu stellen. – Eine allgemeine Sozialberatung gehört dazu nicht.

Ihre anderen Punkte werden wir im Ausschuss für Arbeit, Integration, berufliche Bildung und Frauen beraten. Deshalb stelle ich heute den Antrag auf Überweisung in den Ausschuss. – Vielen Dank!

[Beifall bei der SPD – Vereinzelter Beifall bei der CDU]