Ich weiß jetzt nicht genau – das müssen mir die Grünen noch mal sagen –, ob vielleicht der Haushälter zu der anderen Fraktion gehört, mit der Sie nicht ohne Mediator reden. Aber der Haushälter hätte Ihnen sagen können, dass wir erst im Juni hier im Haus den Haushalt beschließen werden. Dieses Recht sollten wir uns auch nicht nehmen lassen. Deshalb werden wir fordern, dass dieser Antrag erst mal überwiesen wird und wir das Ganze noch mal im Jugend- und Familienausschuss besprechen. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!
Sehr geehrte Damen und Herren! Uns liegt heute ein Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen vor. Darin heißt es:
Jedes Kind gut fördern! Eine solide Planung für den bedarfsgerechten Ausbau der Kindertagesbetreuung umgehend vorlegen und kontinuierlich weiterentwickeln!
Das ist gut und richtig, und deshalb steht das auch schon eine ganze Weile im Berliner Kitagesetz. Darin ist nämlich Folgendes geregelt: Die bezirklichen Jugendämter erstellen in Kooperation mit den Kitaträgern und den Bezirken die Kitaentwicklungsplanung. Sie unterstützen die Träger bei der Schaffung neuer Plätze, wenn diese benötigt werden, und sie behalten den Überblick über die Bedarfslage. – Das sollte gelingen, denn die Träger sind verpflichtet, den Jugendämtern quartalsweise Anzahl und Art der angebotenen und belegten Plätze mitzuteilen. So soll den suchenden Eltern schnell geholfen werden.
Wo aber ist das Problem? – Die Kita wird von Eltern mehr und mehr als Bildungseinrichtung wahrgenommen. Die umfangreichen Kitareformen der letzten Jahre waren und sind erfolgreich. Durch die unter Rot-Rot erfolgte Ausweitung des Rechtsanspruchs und die Beitragsfreiheit wird der Kitabesuch zur Normalität. Die Kitas werben mit pädagogischer Qualität für sich und ihr Angebot. Da fällt es Eltern leichter, Familie und Berufstätigkeit miteinander zu vereinbaren. Es werden in Berlin wieder mehr Kinder geboren. Die Attraktivität der Hauptstadt zeigt sich auch im Zuzug junger Familien, und das ist eine sehr erfreuliche Entwicklung. Was unter Rot-Rot zum Programm wurde, geht auf. Darauf sind wir auch ein bisschen stolz.
Doch diese erfreuliche Entwicklung hat Nebenwirkungen. Platzmangel wird konstatiert. Das Wunsch- und Wahlrecht der Eltern besteht an mancher Stelle nicht mehr, weil viele Eltern froh sind, überhaupt einen Platz zu finden, und Platzdefizite sprechen sich schnell herum. Um sicher zu gehen, meldet man die Kinder möglichst schon vor der Geburt bei mehreren Wunsch-Kitas an. So entstehen Wartelisten, über die keiner mehr den Überblick hat. Durch umfangreiche Baumaßnahmen zur Sanierung und Schaffung neuer Plätze aus dem U3Programm oder dem Konjunkturprogramm II entstehen zusätzliche Engpässe, weil während der Baumaßnahmen Einschränkungen erforderlich sind. Letztlich haben viele Kitas eine Zahl nach Betriebserlaubnis erlaubter Plätze, die mit dem heutigen Angebot nicht mehr in Übereinstimmung steht.
Die laut Gesetz vorgesehene Kitaentwicklungsplanung hat also erhebliche Schwachstellen. Nun heißt es Handeln. Es gilt, bedarfsgerecht Plätze zu schaffen und solide für die Zukunft zu planen. Finanzierung aus U3- und
Konjunkturprogramm II ist weiter der richtige Weg. Wir befürworten auch künftig die Möglichkeit des Ein-EuroKaufs landeseigener Grundstücke durch Kitaträger, um die Möglichkeiten für Sanierung und Ausbau zu verbessern.
Finanzsenator Nußbaum hat angekündigt, 20 Millionen Euro zur Verfügung zu stellen, um den Ausbau der Platzkapazitäten zu unterstützen. 4 000 Plätze sollen geschaffen werden – bei einem festgestellten Bedarf von ca. 20 000 Plätzen bis 2015. Frau Scheeres sprach eben von – wenn ich mich recht erinnere – 19 000 Plätzen bis 2017. Wir brauchen einen Stufenplan mit einer soliden Finanzierung.
Kann der vorliegende Antrag einen Beitrag zu einer besseren Platzversorgung in Berlin leisten? – Die Grünen versuchen meiner Meinung nach, das Fahrrad neu zu erfinden. Ich denke, es reicht, wenn wir das Fahrrad besser machen. In diesem Sinne werden wir den Antrag von Bündnis 90/Die Grünen unterstützen, doch wir werden nachbessern müssen, und zwar nicht nur im Hinblick auf den Stufenplan. Der Antrag orientiert unserer Meinung nach zu einseitig auf die Quantität. Wir brauchen aber auch Qualität in den Einrichtungen und das dafür erforderliche qualifizierte Personal. Davon steht in dem Antrag nichts drin. Denn das ist ein weiterer, aktueller Engpass bei der Nutzung der vorhandenen Platzkapazitäten.
Vergessen wir nicht: Wir freuen uns über jedes Kind in den Kitas. Wir sind froh über den Rechtsanspruch für die unter Dreijährigen ab 2013. Wir werben für den Kitabesuch. Ein Betreuungsgeld, das Eltern finanziell belohnt, wenn sie ihre Kinder nicht in die Kita schicken, lehnen wir ab. Wir erwarten seitens der Koalition auch eine deutliche Absage zu diesen Plänen in Richtung Bund. Investieren wir das Geld lieber in neue und gute Kitaplätze!
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich stehe hier in Vertretung des jungen Vaters, der sich offensichtlich auch in familiärer Betroffenheit nicht so auf diesen Tag hat vorbereiten können, wie er es gerne gewollt hätte. Ich vertrete ihn.
Nun wundert mich als Erstes, welche Aufregung bei einem Thema entsteht, wo wir uns alle einig sind: Ein erfreulicher Zuwachs an Kindern – übrigens auch ein halbwegs benannter Zuwachs an Kindern, der Ihnen allen, wenn ich das richtig sehe, letztmals ein bisschen vor
meiner Zeit in diesem Hause vorgelegen hat, nämlich in einer MzK am 21. September 2011! Ich will die Zahlen nicht zitieren. Da geht es um die Bevölkerungsentwicklung und die Prognosen für die Plätze in den Kitas. Die Zahlen muss ich jetzt hier nicht einzeln aufführen, sie sind eigentlich klar.
Das Zweite ist, dass daraus natürlich bauliche Maßnahmen und Fachkräftebedarfe resultieren. Auch das ist relativ eindeutig. Nun kommt der Vorwurf – lassen wir im Raume stehen, ob berechtigt oder nicht berechtigt! –, dass hier zu wenig koordiniert ist. Eines ist mit Sicherheit im Land Berlin ein Problem, dass nämlich die bezirklichen Planungen und die Senatsplanung offensichtlich noch mangelhaft koordiniert sind. Die Koalition hat sich deshalb vorgenommen, dieses in die Senatsverwaltung für Jugend zu übertragen, um hier eine einheitliche, zentrale Koordinierung vorzunehmen. Das wäre ein erster wesentlicher Schritt.
Ein weiterer Punkt ist hier angesagt worden: Es sei nichts geschehen. – Ich habe anhand des Zahlenmaterials, das ich heute Nacht noch zur Kenntnis genommen habe, festgestellt, dass in der Zeit vom März 2010 bis März 2011 – also innerhalb eines Jahres – 57 zusätzliche Kindertageseinrichtungen erstellt worden sind. Wir alle wissen, dass im Rahmen des Konjunkturprogramms und im Rahmen der U3-Mittel seitens der Bundesregierung erhebliche Investitionen in diesem Bereich getätigt worden sind. Ganz so schwarz sollten wir das Bild vielleicht doch nicht malen, wenn man von den Liga-Verbänden eindeutig ein positives Urteil über das hört, was in den letzten Jahren in diesem Bereich geschaffen worden ist.
Es enthebt uns nicht der Tatsache, dass wir für die weiteren Jahre planen müssen, und zwar bis 2015. Nun hat der Senat etwas zum Fachkräftebedarf vorgelegt, das ich beachtenswert finde – auch wieder vom September letzten Jahres. Ich denke, das wird Ihnen noch präsent sein. Da steht: Ausbau der Ausbildungskapazität! – Seit Ende 2010 wurden sechs neue Privatschulen gegründet. Zu den bestehenden sechs in öffentlicher Trägerschaft gibt es derzeit 20 private Schulen als Ausbildungskapazitäten.
Man hat zudem vor einem Jahr die Quereinstiegsmöglichkeiten geschaffen, offensichtlich mit nicht unerheblichem Erfolg. Quereinstieg über Teilzeitausbildung wird dabei am stärksten genutzt. Und schließlich hat man die Gleichstellung mit Fachkräften für Personen aus verwandten Berufen nach der Tätigkeit in der Kindertagesstätte von sechs auf vier Jahre verkürzt. Man kann also wirklich nicht sagen, dass man nicht sachbewusst gewesen und nicht die entsprechenden Schritte auch in Bezug auf die Fachkräfte gegangen sei.
Nun bleibt für die Koalition – – Das haben die Grünen in ihrem Antrag auch wundervoll begründet, denn dort steht:
Das ist völlig richtig. Wir danken Ihnen, dass Sie das von uns ausdrücklich übernommen haben und unterstützen. Im Koalitionsvertrag steht:
Jedes Kind in Berlin soll vom ersten Lebensjahr an die Möglichkeit haben, eine Kindertagestätte zu besuchen. Schließlich schafft der qualitative und quantitative Ausbau von Krippen und Kindergärten auch die Grundlage für eine noch bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Für die Koalition hat die Sicherstellung einer bedarfsgerechten Versorgung mit Kitaplätzen höchste Priorität. Die Koordinierung zwischen den Bezirken und dem Senat soll verbessert werden.
Ich denke, mit dieser Perspektive können wir der erfreulichen Tatsache eines Kinderzuwachses in den vergangenen Jahren, die auch für die nächsten Jahre anhält, aller Voraussicht nach sehr positiv ins Auge sehen. Ich gehe davon aus, dass die Koalition die adäquaten Schritte durchführen wird. Allerdings kann ich eins nicht garantieren: dass alle Kinder in Ihrem Wahlkreis am Boxhagener Platz fußläufig unterkommen. – Schönen Dank!
Vielen Dank, Herr Schlede! – Für die Piratenfraktion hat die Abgeordnete Frau Graf das Wort. – Bitte sehr!
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Damen und Herren! Ich freue mich, noch einmal hier stehen zu dürfen. Die Prognosen für 2015 zeigen, dass wir 23 000 Kinder ohne Kitaplatz haben. Da stellt sich erst einmal die Frage: Was macht eigentlich eine gute Kita aus? – Wir möchten ja auch eine gute Kita haben. Ich habe das einmal auf Twitter gefragt und möchte Ihnen kurz vorstellen, was ich als Rückmeldung bekommen habe: zunächst engagiertes Personal, dann kindgerechte Räumlichkeiten, gute Ernährung, grüner Außenspielbereich, Familientreffpunkte, großzügige Öffnungszeiten, Aufnahme von Kleinkindern, ausgewogene Angebote für die Kinder, Mitentscheidung von Kindern und Eltern.
Das alles braucht Kapazitäten und natürlich auch sehr, sehr viel Geld. Ich komme damit als Nächstes auf den Haushalt zu sprechen. 2011 haben wir 4,5 Milliarden für den Bereich Bildung ausgegeben. Diesmal sind es 5,3 Milliarden Euro. Das sind 400 Millionen mehr. Davon gehen ganze 20 Millionen in den Ausbau von Kitakapazitäten, also 0,09 Prozent.
Für zwei Jahre, genau! Dafür sollen 6 340 Stellen im öffentlichen Dienst gestrichen werden. Sollten da auch Erzieher mit dabei sein? Das wäre ja irgendwie echt verwirrend. Und: Wie lange reichen diese 20 Millionen eigentlich? Herr Nußbaum hat in der „taz“ vom 25. Januar 2012 gesagt, dass davon etwa 5 000 Plätze bezahlt werden können. Es fehlen aber 23 000 Plätze. Was ist mit den übrigen 18 000?
Zum anderen hat der Senat in der Presse häufig gesagt, dass der Schwerpunkt auf der Bildung liege. So habe zum Beispiel der Ausbau von Kitas Vorrang. Jedes Kind solle die Gelegenheit bekommen, einen Kitaplatz zu erhalten. Wie soll das aber gehen, wenn immer noch 18 000 Plätze fehlen? Warum verschweigt der Senat den Eltern Berlins seinen Mangelhaushalt? Es wird endlich Zeit, Zahlen und Daten vollständig auf Basis wissenschaftlicher Prognosen offenzulegen und diese auch digital und durchsuchbar zur Verfügung zu stellen!
Liebe SPD-Fraktion! Sie haben gesagt, Sie hätten gerne Fragen. Ich habe da einige für Sie: Werden neue Erzieher eingestellt, und wenn ja, wie viele? Was genau wird von den 20 Millionen bezahlt? Sind dort Personalkosten enthalten? Wie kann der Senat versichern, dass keine Erzieherplätze abgebaut werden? Wird die Personalfrage auf die Bezirke gewälzt, oder bleibt sie auf Landesebene? Ist die Planung oder gar der Neubau von Kitagebäuden mitberücksichtigt? In der Drucksache 17/0150 reden Sie von Starthilfen und Mietzuschüssen. Wer soll diese erhalten? Wir sind die Piratenfraktion. Wir sind die mit den Fragen, und Sie sind jetzt diejenigen, die uns die Antworten geben müssen.
Vielen Dank! – Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Die antragstellende Fraktion hat die sofortige Abstimmung beantragt. Die Koalitionsfraktionen hingegen beantragen die Überweisung des Antrags an den Ausschuss für Bildung, Jugend und Familie. Für den Fall einer solchen Überweisung beantragt die Fraktion der Grünen wiederum die Überweisung auch an den Hauptausschuss.
Wer einer Überweisung des Antrags an den Ausschuss für Bildung, Jugend und Familie zustimmen möchte, den bitte ich jetzt um das Handzeichen! – Das sind die Fraktion der Linken, der SPD, der CDU und der fraktionslose Abgeordnete. Gegenstimmen? – Das sind die Fraktionen der Grünen und der Piraten. Enthaltungen? – Ich sehe keine Enthaltungen. Dann hat sich die Mehrheit für die Überweisung entschieden.
Ich gehe davon aus, dass damit auch eine Überweisung an den Hauptausschuss gewünscht wird. Gibt es hierzu Widerspruch? – Es gibt keinen. Dann verfahren wir so.
Hierzu gibt es den Änderungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, der Fraktion Die Linke und der Piratenfraktion auf Drucksache 17/0139-1.
Für die Beratung steht den Fraktionen jeweils eine Redezeit von bis zu fünf Minuten zur Verfügung. Hier beginnt die Fraktion Die Linke, und das Wort hat der Abgeordnete Harald Wolf. – Bitte sehr!
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir wollen mit diesem Antrag erreichen, dass das Abgeordnetenhaus den Senat auffordert, in der morgigen Plenarsitzung des Bundesrats der gemeinsamen Initiative der Länder Rheinland-Pfalz, Baden-Württemberg und Hessen zur Einführung eines gesetzlichen Mindestlohns zuzustimmen.