Wird der Dringlichkeit widersprochen? – Das ist nicht der Fall. In der Beratung beginnt die Fraktion Die Linke. – Das Wort hat Frau Abgeordnete Kittler, bitte!
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In Berlin wächst die Zahl der Schülerinnen und Schüler Jahr für Jahr. Und damit die Schulen nicht aus allen Nähten platzen, braucht es auch viele neue Schulen. Warum die Linksfraktion dafür ist, dass möglichst viele dieser Schulen Gemeinschaftsschulen werden sollten, begründen die Ergebnisse des letzten Freitag veröffentlichten Abschlussberichts der wissenschaftlichen Begleitung. Die bemerkenswerten Ergebnisse der Zwischenberichte der wissenschaftlichen Begleitung der letzten Jahre wurden nach den jetzt vorliegenden Ergebnissen des Abschlussberichts bestätigt und noch übertroffen. Die Berliner Gemeinschaftsschulen zeigen einen Weg aus der unglaublichen Situation, dass Deutschland zu den Ländern gehört, in denen der Bildungserfolg sehr stark von der sozialen Herkunft abhängig ist. Bewiesen ist nun, dass in den Gemeinschaftsschulen alle Schülerinnen und Schüler unabhängig von ihrer sozialen Herkunft und ihrem Förderbedarf zu guten bis überdurchschnittlichen Lernerfolgen geführt werden können. Gerade Gemeinschaftsschulen mit eigener Grundstufe und Abiturstufe erreichen, dass viel mehr Schülerinnen und Schüler einen Abschluss schaffen. So haben zum Beispiel in der AnnaSeghers-Gemeinschaftsschule in Treptow-Köpenick 2015 alle Schülerinnen und Schüler des zehnten Jahrgangs einen Abschluss geschafft.
Wenn das die Kollegin Bentele von der CDU nicht zur Kenntnis nehmen will und sie sich dann auch noch dahin versteigt, die Gleichwertigkeit der Abschlüsse an Gemeinschaftsschulen und ISS infrage zu stellen, wie es jetzt durch alle Zeitungen ging,
Um noch kurz zur Weiterbildung von Frau Bentele beizutragen: In Berlin sind alle Abschlüsse an allen Schulen – seien es Gemeinschaftsschulen, ISS oder Gymnasien – gleichwertig. Das steht so auch im Schulgesetz, auch wenn Sie das nicht wahrhaben wollen.
Die erreichten enormen Lernerfolge betreffen – dem Abschlussbericht zufolge – nun die Kompetenzentwicklung in allen untersuchten Unterrichtsfächern – erstmalig auch in Mathematik und den Naturwissenschaften. In Mathematik ist dabei ein ganz gewaltiger Sprung nach vorne geglückt. Das ist ein Novum in Berlin über alle Schulen hinweg.
Absolut großartig ist auch, dass überdurchschnittliche Lernerfolge für Schülerinnen und Schüler in Integrationsklassen, in denen die Lehrkräfte durch Sonderpädagoginnen und Sonderpädagogen unterstützt werden, in besonderem Maß erreicht wurden, auch bei den Schülerinnen und Schülern ohne Förderbedarf und ohne festgestellten Förderstatus. Das unterstützt die Forderung der Linksfraktion nach der Umsetzung des inklusiven Schulmodells. Eine Schule für alle ist eben auch gut für alle.
Die Hamburger Wissenschaftler Prof. Bastian und Ulrich Vieluf riefen den Anwesenden am letzten Freitag zu: Wer wissen will, wie inklusive Schule erfolgreich funktioniert, der gehe in Gemeinschaftsschulen! – Dem schließe ich mich gerne an.
Damit jede Gemeinschaftsschule in jedem Bezirk ein Erfolg werden kann und weitere hinzukommen, braucht es stärker als bisher die entsprechende Unterstützung durch die Bezirke und das Land Berlin, denn das ist kein Selbstläufer. Wir wollen, dass die Gründung von Gemeinschaftsschulen gezielt gefördert wird, wie es zum Beispiel einer unserer Anträge heute für die Fusion von Grundschulen und weiterführenden Schulen vorschlägt.
Welche Hilfe die wissenschaftliche Begleitung für die davon erfassten Schulen war, weil sie Rückkopplung über Erreichtes und Defizite bekamen, weil sie angesichts der grandiosen Erfolge immer wieder ermutigt wurden – auch wenn die Kräfte der Kolleginnen und Kollegen mal am Ende waren –, wurde in der Veranstaltung mit den Schulen letzten Freitag deutlich. Hier konnten wir erfahren, welche Bedeutung gute Evaluation wirklich haben kann. Deshalb – und weil Gemeinschaftsschule das gemeinsame Lernen von der Grundstufe bis zum Abschluss bedeutet – ist es so wichtig, dass die wissenschaftliche Begleitung von der Einschulung bis zum Abitur fortgesetzt wird, wie es unser dringlicher Antrag heute fordert.
Außerdem gehören unsinnige Formalien, die die Wirklichkeit nicht widerspiegeln und die nur Zeit für pädagogische Arbeit stehlen, abgeschafft, so, wie es unser Antrag zur Veränderung der Bewertungen in Zeugnissen fordert.
Es ist jetzt auch an der Zeit, dass die Gemeinschaftsschule endlich als eine schulstufenübergreifende Schulform im Schulgesetz verankert wird. Die SPD will ja auf ihrem nächsten Landesparteitag dazu einen Antrag diskutieren. Hoffentlich verschwindet der nicht wieder in der Versenkung, wie wir das schon so oft erlebt haben. Aber Frau Scheeres hat dazu ja auch schon etwas gesagt.
Es ist überfällig, dass in jedem Bezirk wenigstens eine Gemeinschaftsschule bis zum Abitur führt. Da komme ich auf den Punkt von vorhin zurück: Dazu brauchen wir auch die Unterstützung in den Bezirken.
Zum Schluss möchte ich mich für das tägliche enorme Engagement aller Beteiligten bedanken, bei Kollegien, der Schüler- und Elternschaft der Gemeinschaftsschulen, den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Senatsverwaltung und nicht zuletzt bei den Hamburger Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern – bei allen, die ihren Anteil am Erfolg haben. Die Berliner Gemeinschaftsschule ist unserer Meinung nach die Schule der Zukunft und die Schule der sozialen Gerechtigkeit und als solche jeden Kampf wert.
Vielen Dank, Frau Kittler! – Für die SPD-Fraktion hat jetzt das Wort der Herr Abgeordnete Oberg. – Bitte!
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich freue mich, dass uns die Anträge der Linksfraktion die Gelegenheit geben, heute über Gemeinschaftsschule zu diskutieren. Das passt auch sehr gut zu der Veröffentlichung des Abschlussberichts zur Pilotphase der Gemeinschaftsschule in der letzten Woche. Ganz allgemein können wir
feststellen, dass es ruhiger geworden ist um die Gemeinschaftsschule, und es ist gut, dass wir die überdrehten Debatten der letzten Wahlperiode nicht mehr führen. Ich denke, mittlerweile haben alle verstanden, dass die Gemeinschaftsschule kein bildungspolitischer Dämon ist, der kleine Kinder frisst, und auch kein Tor zu einem bildungspolitischen Paradies, das man nur kurz aufstoßen und passieren muss. Den Gemeinschaftsschulen bzw. den Schulen an sich tut diese Ruhe und Gelassenheit sehr gut, um arbeiten zu können.
Die Berliner Gemeinschaftsschulen – das zeigt der Abschlussbericht, aber das merkt man auch, wenn man sie besucht – sind im Berliner Bildungssystem angekommen. Es war aber nicht die Politik, die das per Beschluss zum Erfolg gemacht hat, sondern es waren die Eltern, die Lehrer und die Schülerinnen und Schüler, die durch tägliche Arbeit und durch ein offensives Annehmen dieses Angebots diese Schule zu einem Erfolg gemacht haben. Wäre es so leicht, eine Schule per Beschluss erfolgreich zu machen, würden wir heute noch einen entsprechenden Antrag einbringen, aber das geht nicht. Bildungspolitik funktioniert nie immer nur im Parlament, sondern sie muss gelebt werden. Die Gemeinschaftsschule ist ein sehr schönes Beispiel dafür, wie ein solches gemeinsam erdachtes Projekt mit Leben erfüllt wurde, wie dieser Impuls positiv aufgegriffen wurde und in vielerlei Hinsicht zum Erfolg geführt wurde.
Wichtig ist, dass wir zu entscheiden haben, wie es nach der Pilotphase der Gemeinschaftsschule weitergeht. Ich denke, wir sollten das ausführlich und in der mittlerweile, was die Gemeinschaftsschule angeht, üblichen Gelassenheit diskutieren. Die Anträge der Linksfraktion geben dafür interessante Impulse.
Unsere Ziele lassen sich relativ leicht umreißen. Erstens: Wir möchten gerne, dass die Gemeinschaftsschule eine reguläre Schulform in unserem Bildungssystem wird. Sie gehört zur Berliner Schullandschaft. Sie ist – das hat die Pilotphase erfolgreich gezeigt – etwas, das hierher gehört, das dazu passt. Das muss dann auch entsprechend integriert werden.
Wir möchten auch, dass sich weitere Gemeinschaftsschulen gründen können, und zwar überall dort, wo es die Schulen, die Lehrerinnen und Lehrer, die Eltern und wo es die Schülerinnen und Schüler gemeinsam wollen. Das ist die Voraussetzung dafür, dass ein solcher Weg erfolgreich gegangen werden kann. Der kann nicht von außen kommen, sondern er muss von innen kommen.
Allerdings erwarten wir von den mir mittlerweile doch so sehr ans Herz gewachsenen Bezirken, dass sie dabei den Schulen keine Steine in den Weg legen.
Wir haben es zu oft erlebt, dass Bezirkspolitikerinnen und Bezirkspolitiker meinen, besser zu wissen, ob das ein richtiger und guter Weg ist. Sie haben es denjenigen, die wild entschlossen waren, es auszuprobieren, unmöglich gemacht, einen für sich beschlossenen Weg zu gehen. Diese Grabenkämpfe können wir uns sparen, denn das, was wir dort an Engagement, Begeisterung und an Begeisterung, sich für Berliner einzusetzen, finden, ist ein Geschenk, das wir nutzen und nicht blockieren sollten.
Wenn wir die Gründung von weiteren Gemeinschaftsschulen haben wollen, dann muss das natürlich zu fairen Bedingungen geschehen. Man kann nicht nur formal sagen, es ist für jeden irgendwie möglich, sondern es muss zu klaren und fairen Bedingungen geschehen, die es zum einen möglich machen, die zum anderen aber auch – um diesen Vorwurf zu entkräften – nicht zu einer Bevorzugung führen. Eine Gemeinschaftsschule, die zum Regelsystem in Berlin gehört, fügt sich in dieses ein und wird von uns genauso von Herzen geliebt wie alle anderen Schularten auch. Das bedeutet eben: Fairness in jede Richtung. Ich glaube, das ist ein Weg, auf dem wir sehr gut vorankommen können.
Lassen Sie mich abschließend einen Allgemeinplatz unterstreichen, den heute wahrscheinlich alle unterschreiben können, was aber nicht immer so war.
Gleich! Lassen Sie mich den Satz zu Ende formulieren, dann sehr gerne. – Zu unserem Selbstverständnis einer offenen und vielfältigen Stadt gehört auch ein vielfältiges Bildungssystem. Deshalb sind die Gemeinschaftsschulen keine Bedrohung, weder für andere Schularten noch für sich selbst, sondern eine Bereicherung. In diesem Sinne können wir den Weg auch weitergehen. – Jetzt bin ich gespannt, was Frau Kittler wissen möchte.
Erst einmal vielen Dank für das klare Bekenntnis. Sie betonen so sehr „ausgehend von der Freiwilligkeit der Schulen“. Vor uns liegt aber eine Zeit, in der wir neue Schulen bauen müssen, weil wir mehr Kinder kriegen.