[Hildegard Bentele (CDU): Kann sie das auch begründen? – Beifall bei der LINKEN, den GRÜNEN und den PIRATEN]
Danke, Frau Kollegin Kittler! – Kollege Delius! Bitte schön, Sie haben das Wort für die Piratenfraktion!
Jetzt bin ich versucht zu sagen: Sehr geehrte Damen und Damen! – Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Präsident! Vielen Dank für das Wort! Es ist schon viel gesagt worden. Es ist eine Gesetzesvorlage des Senats, bei der man so ein bisschen den Rahmen sucht und den roten Faden, aber das ist ja oft so. Gehen wir die einzelnen Punkte mal durch. Ich kann nicht feststellen, dass es jetzt nur die Linksfraktion als Oppositionsfraktion war, die die guten und wichtigen Änderungen bezogen auf die Gesamtkonferenz, die Einbeziehung der nichtpädagogischen oder der koordinierenden für die Ganztagsschule in die erweiterte Schulleitung usw., also diese Öffnung der wichtigen Gremien gefordert hat. Das waren nämlich auch die Piraten. Ich höre dann auch gleich auf mit dem Wer-hat-es-zuerst-gesagt-Spiel. Ich glaube, das passt dann nicht.
Wir finden das gut, was in Nummer 2 und 9 vor allen Dingen steht. Wir finden auch gut, dass unter Nummer 8, das ist ja eine Vorgabe der Europäischen Kommission, die Personalzahlen und Personalentwicklungen auch in die Bildungsstatistik mit einfließen. Das macht uns im Parlament die Arbeit sicherlich einfacher, und darüber haben wir auch mehrfach geredet.
Was wir nicht gut finden, was dann auch in der in der nächsten Woche stattfindenden Beratung dieser Gesetzesvorlage im Bildungsausschuss sicherlich Thema werden wird, ist, was Sie unter Nummer 5 und § 55 in das Gesetz schreiben. Da machen Sie eine kleine, aber sehr wichtige Änderung. Sie ändern nämlich den Ort für die verpflichtende Sprachstandsförderung zu Tageseinrichtungen. Damit meinen Sie dann eben genau das, was wir schon befürchtet haben, als Sie beschlossen haben, diese verpflichtende Sprachstandsfeststellung in der Form einzuführen, nämlich eine Kitapflicht durch die Hintertür. Da müssen wir noch mal über die Auswirkungen reden.
Politisch wird es interessant, aber auch nicht neu, in Nummer 4, § 42, das Einschulungsalter. Darüber ist schon viel gesagt worden. Der Senat hat vor über einem Jahr beschlossen, das zu machen – am 5. Januar 2015, wenn ich mich richtig erinnere. Schlussendlich wird im Durchschnitt das Einschulungsalter um drei Monate
angehoben, das ist jetzt auch – na ja, gut – der große Wurf der CDU und der Grünen vielleicht; das auch erst 2017. Es gibt extrem komplizierte – da bin ich noch sehr gespannt, wie sich das auswirkt – Übergangsregelungen bis dahin, die sich dann um Halbjahresfristen und Vierteljahresfristen Gedanken machen. Das ist auch gut, dass das im Gesetz steht, Frau Senatorin; wäre ja schlimm, wenn es fehlen würde. Aber es ist sicherlich nicht ganz einfach zu lesen, und wie es dann bewerkstelligt wird, ist eine andere Frage.
Die Begründung ist ganz interessant, und da weise ich auf das hin, was ich schon mehrfach an der Stelle gesagt habe: Ja, Sie haben eine Studie in Auftrag gegeben, da steht drin, dass die frühe Einschulung nicht zu mehr Leistungen oder Leistungsfähigkeit, besseren Leistungen bei den Kindern geführt hat. Da steht aber nicht drin, das steht aber in der offiziellen Begründung des Senats aus diesem Beschluss, dass mit einer späteren Einschulung mehr Leistungsfähigkeit zu erwarten wäre. Das ist das Problem mit der Korrelation und der Kausalität. Was aber sehr wohl drin steht, und da stimmt diese Studie mit der Wissenschaft überein – das hat mir auch Staatssekretär Rackles in der Antwort auf eine Schriftliche Anfrage bestätigt, das habe ich alles schon mal erzählt, Frau Czyborra hat es auch erwähnt –, dass Kinder eben, um es genau zu machen, mit einer Varianz von plus/minus zwei Jahren ein gewisses Entwicklungsstadium erreichen, das wir als beschulungsfähig oder einschulungsfähig bezeichnen würden. Das heißt, darauf wäre zu reagieren und nicht auf einen Elternwunsch, der verständlich ist, aber vor allen Dingen dadurch betrieben wird, dass die Senatorin der Diskussion nachgekommen ist und die Rückstellung vereinfacht hat. Es wäre darauf zu reagieren, wie die Kinder, die einen unterschiedlichen Entwicklungsstand haben, egal in welchem Alter sie in die Schule kommen, binnendifferenziert in den Schulen aufgenommen werden, wie sie individuell gefördert werden, wie sie gemäß ihrem individuellen um plus/minus zwei Jahre sich unterscheidenden Entwicklungsstand in der Schule zu Leistungen, Leistungsbereitschaft, zum Lernen gebracht werden und Spaß am Lernen haben werden.
Das wäre im Sinne der Inklusion, der Wissenschaft, der Eltern, der Kinder sinnvoll. Noch etwas zu der Rückstellungspraxis: Das, was ich in der letzten Zeit, aus der Diskussion heraus schon gelobt habe, nämlich dass die Senatorin die Rückstellung vereinfacht hat, das wird mit diesem Gesetzvorschlag wieder aufgehoben. Da steht nämlich nichts von Bürokratieabbau drin. Da stehen genau die harten Kriterien drin, die wir vorher schon für Rückstellungen kannten, nämlich dass es eine Stellungnahme der Tageseinrichtung geben muss, dass der Schulpsychologische Dienst etwas dazu sagen muss. Damit macht man das eben nicht flexibler, wie es notwendig wäre, ganz im Gegenteil. Und das hilft dann auch nicht.
Noch ein Punkt zu dem, was auch Frau Kittler angesprochen hat unter Nummer 3. Das ist auch wieder so ein typisches Beispiel für „wenn man Inklusion nicht richtig macht, dann funktioniert es auch nicht“. Sie können nicht mit Quoten arbeiten und dann über Inklusion nachdenken. Dann kriegen Sie extreme Probleme, wie sie jetzt hier vom Oberverwaltungsgericht auch aufgegeben haben. Ab wann ist es denn eine inklusive Beschulung? Ab wann muss man denn eine eigene Klasse vorhalten, wenn man nicht inklusiv beschult? Sind zwei oder vier in ISSen oder Grundschulen pro Klasse eine richtige Quote? – Das ist alles unnötig oder könnte unnötig sein, wenn Sie sich für die Inklusion wirklich einsetzen würden, wenn Sie die Rechtssicherheit herstellen würden im Sinne eines Inklusionsrechts oder eines Rechts auf inklusive Beschulung. Das sind alles Probleme, die Sie nicht hätten, wenn Sie es richtig machen würden. Dazu möchte ich Sie auffordern. Die Linken haben einen sehr guten Änderungsantrag dazu gestellt. Das könnte man auch in einem ganzen Paket machen. An der Stelle passt es ebenfalls. – Vielen Dank!
Vielen Dank, Kollege Delius! – Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Den Überweisungen haben Sie eingangs bereits zugestimmt. Wir sollten aber auch den Änderungsantrag Drucksache 17/2645-1 in gleicher Weise überweisen. – Ich stelle auch hier Ihre Zustimmung fest.
Beschlussempfehlung des Ausschusses für Bildung, Jugend und Familie vom 19. November 2015 und Beschlussempfehlung des Hauptausschusses vom 2. Dezember 2015 Drucksache 17/2616
Beschlussempfehlung des Ausschusses für Bildung, Jugend und Familie vom 19. November 2015 und Beschlussempfehlung des Hauptausschusses vom 2. Dezember 2015 Drucksache 17/2619
Es beginnt in der Beratung die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Es spricht für die Fraktion die Kollegin Remlinger und bekommt das Wort. – Bitte sehr!
Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Das Thema ist in der Tat: Schulentwicklungsplanung neu ausrichten, Schulentwicklungsplanung für Berlin zukunftsfest machen. Die aktuelle Schulentwicklungsplanung, die wir haben, stammt von Mitte 2015, sie ist erschienen mit vierjähriger Verspätung, gültig rückdatiert von 2014 bis 2018 in Kraft, und kaum einer regte sich über die Verspätung auf. Ja, kaum einer liest auch das über hundertseitige Konvolut über alles und jedes Thema der gesamten Schullandschaft. Denn Schulentwicklungsplanung – warum ist das überhaupt wichtig? – Liebe Kolleginnen und Kollegen, es ist wichtig in einer wachsenden Stadt, 100 000 Menschen im letzten Jahr! Und deshalb haben wir im letzten Jahr einen Antrag zur Beschleunigung der Planungen eingebracht, der so wie der Antrag der Linken vom Dezember immer noch völlig richtig ist.
Und doch gebe ich zu, wenn ich meinen Antrag so lese, dann finde ich, es ist ein netter kleiner Antrag, ein ganz harmloser, sachlicher Antrag, und ich frage mich, warum ich meine Arbeit eigentlich immer so beknackt seriös sachlich und konstruktiv mache.
Denn, liebe Leute, Sie müssen endlich aufwachen! Sie müssen schneller und besser werden! Merken Sie überhaupt, was da draußen los ist? – Wir haben nicht den Eindruck.
Liebe Leute, nicht nur die Stadt wächst, die ganze Welt ist in Bewegung. Und das ist keine Welt für eine TopDown-Politik, keine Welt mit Fünfjahresplänen einer zentralistischen Verwaltung. Nein! Unsere Zukunft ist schnell, vernetzt, lokal. Sie ist eine Welt der flexiblen Spezialisierung in vielen Wirtschaftsbereichen. Zukunftsforscher schätzen, dass 50 Prozent der Unternehmen in 50 Jahren Ein-Mensch-Unternehmen sein könnten. Und, werte Kolleginnen und Kollegen, in der Nachkriegspostmoderne, im Postkolonialismus der Sechziger- bis Neunzigerjahre des letzten Jahrhunderts war eine der Leiterkenntnisse: „The other speaks back“. Der andere, will heißen die kolonialisierten, die marginalisierten, die unterprivilegierten Bevölkerungsschichten weltweit lassen nicht mehr zu, dass man einfach über sie spricht. Nein, sie kriegen mit, was man spricht. Sie reden mit, und wo es nottut widersprechen sie. Und wenn das ein Leitsatz der Postmoderne war, dann leben wir jetzt längst in einer Post-Postmoderne. Und da widerspricht der andere nicht nur, da kommt er oder sie einfach zu uns, klopft direkt an unsere Haustür und sagt: Ich will mein Stück vom Ku
chen. Und in diese sich radikal verändernde Welt, in diese neue Gründerzeit, in diese digitale Revolution wollen Sie ernsthaft im Schlafwagen zuckeln. Wir haben den Eindruck, der ganze Senat, die ganze Verwaltung schläft.
Die ganze Verwaltung? Nein! Ein von der tapferen Frau Würger geleitetes Referat, das Referat II A in der Senatsverwaltung für Bildung, hört nicht auf, für die Schulentwicklung zu kämpfen. Aber was macht der Senat? Was macht der bezeichnenderweise bis auf Frau Scheeres abwesende Senat? Was macht der Regierende Bürgermeister? Was macht der sehr geschätzte Herr Stadtentwicklungssenator Geisel? Was machen Sie alle zusammen, liebe Senatorinnen und Senatoren?
Sie machen eine Senatsklausur, und da kam, wie Sie selbst verlautbarten, das schöne Ergebnis dabei heraus, ich zitiere:
Ja, geht’s noch? Merken Sie nicht selbst, was hier faul ist im Lande Berlin? Wie wäre es denn mit einer integrierten Stadtentwicklungsplanung, mit einer ganzheitlichen Planung, samt Verkehrswende, samt ökologischer Revolution? Wie wäre es damit, die wachsende Stadt von der sozialen und der Verkehrsinfrastruktur her zu definieren und zu entwickeln? – Sie machen immer noch Politik, als wäre jeder Zuziehende ein 30- bis 45-jähriger gesunder alleinstehender, alleinverdienender weißer Mann. Aber rund ein Drittel aller Zuziehenden sind Kinder im Kita- und Schulalter. Und was glauben Sie eigentlich, wo diese ganzen Kinder und Jugendlichen, diese Menschen, die nach Berlin kommen, hinsollen? Was für Angebote sollen die bekommen? Und wie wäre es, in diesem Kontext mal über neue Schulen nachzudenken?
Wir finden, es wäre jetzt ein guter Zeitpunkt, darüber nachzudenken, denn wir brauchen mindestens acht bis zehn Jahre um eine einzige Schule zu bauen. In zehn Jahren brauchen wir aber mindestens 60 bis 70 neue Schulen in Berlin, und das ist eine konservative Schätzung von uns. Wie wollen Sie das hinkriegen, wenn Sie noch nicht einmal darüber nachdenken, sich den Ausbau noch nicht einmal zum Ziel setzen? Unsere Schulen sind voll, und der der Zeitpunkt, an dem Sie keine weiteren Standorte mehr haben werden, die noch für mobile oder modulare Ergänzungsbauten heranziehbar sind, ist nahe. Deshalb, werte Kolleginnen und Kollegen von der Koalition: Wachen Sie auf! Gehen Sie ran an die Strukturen und Abläufe! Aus acht Jahren müssen zwei werden. Nur wenn wir das schaffen, können wir wieder von modernen Bildungscampus als Herzstücke neuer Stadtquartiere, von Schulen als Lernlandschaften, die fit sind für die un
terschiedlichsten Lernformen der Zukunft sind, träumen. Wer gute Schulen für Berlin will, muss jetzt anfangen, der braucht jetzt Mut zur Reform und keine Schlafwagenschulentwicklungsplanung mit zehn Jahren Verspätung. – Vielen Dank!
Danke schön, Frau Kollegin Remlinger! – Für die SPD erteile ich erneut das Wort der Kollegin Dr. Czyborra. – Bitte sehr!