Protocol of the Session on January 14, 2016

(Tom Schreiber)

Vielleicht kann ja da noch eine Aufklärung erfolgen. Denn so billig, Kollege Schreiber – so nach dem Motto „Wir sind hier die Guten, die CDU sind die Schlimmen!“ –, kommt man, wenn man in einer Koalition ist, meistens nicht raus.

[Beifall bei der LINKEN]

Also das ist auch leider Ihr Problem.

[Tom Schreiber (SPD): Das kennen Sie doch!]

Zum Ergebnis der Politik muss man sagen: keine Meinung, keine Idee, keine Strategie! Die Strategie kann letztlich nicht sein: Wir geben Geld an die Träger – seit 2010 wird TrIQ durch das Land gefördert –, und dann schneiden wir, sage ich mal, noch nicht mal selbst gebackene Kuchen an. – Das ist keine Strategie, um sexuelle Vielfalt in der Stadt weiter durchzusetzen!

[Beifall bei der LINKEN und den GRÜNEN Vereinzelter Beifall bei den PIRATEN]

Wir brauchen vielmehr Ziele, die wir hier gemeinsam miteinander verabreden, wir brauchen klare Maßnahmen, und wir brauchen gemeinsam definierte Umsetzungsschritte, und zwar nicht nur hier im Parlament, sondern auch mit den Communities draußen in der Stadt. Davon hört man leider von Ihnen nichts. Insofern stimmt das Motto des diesjährigen CSD: Danke für nichts! – Vielen Dank!

[Beifall bei der LINKEN und den GRÜNEN Vereinzelter Beifall bei den PIRATEN]

Vielen Dank, Herr Schatz! – Für die CDU-Fraktion hat jetzt Herr Prof. Dr. Korte das Wort. – Bitte!

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Die CDU-Fraktion spricht sich dafür aus, dass intergeschlechtlich geprägte Menschen nicht diskriminiert werden dürfen – weder soll dies aufgrund ihrer geschlechtlichen Prägung noch wegen anderer Merkmale und Eigenschaften geschehen. Denn wie für alle anderen Menschen gilt auch für intergeschlechtliche Menschen der Artikel 3 des Grundgesetzes, insbesondere wenn es dort heißt: Niemand darf wegen seines Geschlechts benachteiligt oder bevorzugt werden. – Das ist für uns keine leere Worthülse.

Dies vorausgeschickt, bleibt es aber dabei, dass wir Ihrem Antrag auch heute nicht zustimmen können und nicht zustimmen werden. Wir werden Ihren Antrag nicht etwa deswegen ablehnen, weil er – wie ich überrascht feststellen musste – sich sprachlich nicht auf dem neuesten Stand der Political Correctness befindet. Ich habe mir sagen lassen, dass der von Ihnen verwendete Begriff des Intersexuellen inzwischen von denjenigen, die sich auf solche

Spitzfindigkeiten verstehen, oft durch den Begriff „gender-dysphorisch“ ersetzt wird, der noch diskriminierungsfreier, weil noch mehr Varianten sexueller Identität erfassender sei. – Das ist also nicht der Grund unserer Ablehnung, sondern wir lehnen ihn ab, weil er zwar einige sehr berechtigte Anliegen anspricht, diese aber alle schon durch verschiedene Initiativen des Senats aufgegriffen sind. Ich nenne hier nur beispielsweise erstens die Initiative „Selbstbestimmung und Akzeptanz sexueller Vielfalt“, die schon genannt wurde, mit dem Handlungsfeld Trans- und Intergeschlechtlichkeit, zweitens den runden Tisch „Trans- und Intergeschlechtlichkeit“, drittens das Projekt „Trans in Arbeit“ der Landesstelle für Gleichbehandlung, die Ende letzten Jahres hier im Haus ihre Arbeit gegen Diskriminierung wegen sexueller Identität und für die Verbesserung der Situation der betroffenen Menschen in der Arbeitswelt ausgestellt hat.

Vor allem aber werden wir Ihren Antrag ablehnen, weil wir in dem zentralen Punkt der Einführung einer dritten – wie Sie schreiben: neutralen – Geschlechtskategorie für Melde- und andere Behördenformulare ausdrücklich eine andere Auffassung vertreten. Was soll das bringen, und vor allem: Wohin soll das führen? – Heute soll die Auswahl zwischen männlich und weiblich diskriminierend sein. Morgen werden Sie dann fordern, dass „neutral“ als Alternative zu männlich und weiblich nicht mehr genügt, und übermorgen wollen Sie, dass wie bei Facebook in Großbritannien eine Auswahl von 70 verschiedenen Sexualpräferenzen angeboten wird. Wer sich dort nicht wiederfindet, den lädt Facebook übrigens herzlich zum Vorschlag zusätzlicher Kategorien ein. Aber was in sozialen Medien vielleicht funktionieren kann, das führt im Melderecht, in Verwaltungsvorgängen und öffentlichen Statistiken ins Chaos, und darum können wir Ihren Vorschlag der Einführung zusätzlicher unklarer Geschlechtskategorien für behördliche Formulare nicht zustimmen.

[Zuruf von Oliver Höfinghoff (PIRATEN) – Heidi Kosche (GRÜNE): Wer sagt denn das?]

In diesem Zusammenhang: Wir sind nicht nur aus praktischen Erwägungen dagegen, sondern ganz prinzipiell.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage der Abgeordneten Kofbinger?

Nein, keine Zwischenfrage! – Denn für uns ist das Geschlecht eines Menschen eben kein bloßes soziales Konstrukt, das beliebig zuschreibbar und wählbar ist und das, wie einige vielleicht meinen, am besten gleich zusammen mit der Institution der Ehe zwischen Mann und Frau relativiert und dekonstruiert werden sollte. Unklarheit und Beliebigkeit in der Kategorie der Geschlechtsbezeichnungen im Recht und in den Verwaltungsvorgängen lehnen wir entschieden ab.

(Carsten Schatz)

[Zuruf von Oliver Höfinghoff (PIRATEN)]

Ich komme zum Schluss: Einige Ihrer Vorschläge sind durchaus erwägenswert, z. B. die Forderung nach erweiterter Einsicht in Krankenakten und eine verlängerte Frist für ihre Aufbewahrung. Dies sollte im weiteren Zusammenhang mit der Verbesserung von Patientenrechten geprüft werden. Im Ergebnis schließen wir uns der Empfehlung des Ausschusses für Arbeit, Integration, berufliche Bildung und Frauen an und lehnen den Antrag ab. – Herzlichen Dank!

[Vereinzelter Beifall bei der CDU]

Vielen Dank, Herr Prof. Dr. Korte! – Für eine Zwischenbemerkung hat Frau Abgeordnete Kofbinger das Wort. – Bitte!

Ich finde es natürlich immer großartig, wenn auf solche Fragen, die eigentlich ein queerpolitischer Sprecher oder eine Sprecherin beantworten sollte, der arbeitsmarktpolitische Sprecher antwortet – dann sieht das auch so aus.

[Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN und den PIRATEN]

Ich zitiere – mit Ihrer Erlaubnis, Frau Präsidentin – aus der Position der Staatssekretärin Loth zur Stellungnahme des Deutschen Ethikrates zur Situation intersexueller Menschen in Deutschland vom 27. Februar 2012 – das ist Ihre Staatssekretärin, Herr Prof. Dr. Korte –:

Die Senatsverwaltung begrüßt die Stellungnahme des Ethikrates ausdrücklich und unterstützt insbesondere die Forderung danach, geschlechtszuweisende medizinische Maßnahmen wie Operationen und Hormonbehandlungen im Säuglings- und Kindesalter zu verhindern sowie das Personenstandswesen zu erweitern, um eine Geschlechtskategorie „anderes“ aufzunehmen.

Man lehnt sich da an Argentinien an – die haben das nämlich genauso gemacht im Jahr 2011. – Das steht so drin. Dieses Ding ist vier Jahre alt. Sie hatten jetzt vier Jahre lang Zeit, sich über dieses kleine Wort „anderes“ zu unterhalten und endlich zu einigen. – Ich finde es auch ganz lieb und süß, wie sich der Kollege Schreiber in unsere Bank verkrümelt und dort nach Schutz sucht – „Wir reden doch über Innenpolitik mit dem Kollegen Lux!“ – Das können Sie jemand anderes erzählen! Sie haben Angst, das ist schon klar! Das geht so nicht! Sie können hier nicht Ihre Staatssekretärin einfach so ignorieren und uns dann unterstellen, wir würden irgendwelche 60 oder 70 verschiedene Geschlechtskategorien fordern, und schon deshalb müssten Sie das ablehnen.

[Oliver Höfinghoff (PIRATEN): 80!]

Ja, das könnten ja Sie dann fordern! – Es ist einfach nicht unsere Forderung. Wir fordern das, was uns Frau Loth vor vier Jahren versprochen hat und was hier Schwarz auf Weiß steht. Das wollen wir jetzt haben!

[Beifall bei den GRÜNEN und PIRATEN – Vereinzelter Beifall bei der LINKEN]

Sie können sich hier nicht damit rausreden, dass wir da nicht ein „anderes“ haben wollen, sondern 70 andere. Das ist unseriös, und das lehne ich ab!

[Beifall bei den Grünen – Vereinzelter Beifall bei der LINKEN und den PIRATEN]

Vielen Dank, Frau Kofbinger! – Möchten Sie replizieren? – Sie verzichten. – Dann hat nun für die Piratenfraktion der Herr Abgeordnete Kowalewski das Wort. – Bitte!

Geehrte Frau Präsidentin! Geschätzte Kolleginnen – mit deutlichem Gender-Gap! 1 von 500 Kindern kommt mit nicht primären Geschlechtsmerkmalen auf die Welt. In Berlin sind es dadurch statistisch knapp 100 pro Jahr. Wie viele es wirklich sind und was mit ihnen dann passiert, wissen wir allerdings leider nicht, weil das ja auch eins der Probleme ist, für die der vorliegende Antrag zumindest eine teilweise Abhilfe schaffen möchte. Es ist ein erster Schritt, dass nach der 2013 in Kraft getretenen Änderung des Personenstandsgesetzes die Möglichkeit besteht, Kinder ohne Geschlecht in das Geburtenregister einzutragen, wenn sie kein klar männliches oder weibliches Geschlecht haben. Allerdings fehlt leider weiterhin die Möglichkeit, unrichtig eingetragene Geschlechter aus diesem Register wieder löschen zu lassen. Dagegen klagt gerade ein Intersexueller, in dessen Geburtsurkunde „weiblich“ steht, weil sie vor 25 Jahren ausgestellt wurde und nicht in den letzten zwei Jahren, vor dem BGH.

In Anbetracht der Tatsache, dass die Gleichberechtigung zwischen Männern und Frauen inzwischen dazu geführt hat, dass es kaum noch Gesetze gibt, in denen Menschen aufgrund ihres Geschlechts ungleich behandelt werden, stellt sich natürlich die grundsätzliche Frage, warum der Bund und die CDU so erpicht darauf sind, sämtliche Menschen in ein binäres Geschlechterraster einzuordnen. Wofür brauchen wir diese Information eigentlich noch? Nur, um zu verhindern, dass zwei Menschen mit dem gleichen Geschlecht im Ausweis heiraten können, Herr Dr. Korte? – Das ist doch auch schon längst überholt!

[Beifall bei den PIRATEN – Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN]

Hier besteht also im Sinne der Antidiskriminierung noch deutlicher Nachholbedarf auf Bundesebene, und die Forderung nach einer Bundesratsinitiative in dem Antrag unterstützen wir demnach ebenfalls. Auch die Auffor

(Dr. Niels Korte)

derung an die Berliner Krankenhäuser teilen wir, denn es ist einfach nur eine Schande, dass Deutschland selbst nach der Rüge durch den UN-Folterausschuss von 2011 diese Form der Genitalverstümmelung weiterhin duldet und sie in Berliner Krankenhäusern weiter durchgeführt wird. Intersexualität immer noch vor allem als Krankheit zu verstehen, führt eben dazu, dass viele Ärztinnen und Ärzte weiter versuchen werden, sie verschwinden zu lassen.

Leider geht uns der Antrag, über den wir hier reden, nicht weit genug. Gerade im Namensrecht fordern wir, dass transsexuelle, Transgender und intersexuelle Menschen ihren Vornamen ohne diskriminierende Verfahren ändern können. Das haben wir in unserem Antrag „Initiative Berlin tritt ein für Selbstbestimmung und Akzeptanz sexueller und geschlechtlicher Vielfalt 2.0“ gemeinsam mit den Linken – wir haben es gerade schon gehört – bereits 2012 beantragt, zusammen mit den meisten Forderungen, die in diesem Antrag stehen. Wir haben ja gehört, das dreht gerade seine Runden in Koalitionsausschüssen, und ob das in dieser Legislaturperiode noch etwas wird, ist leider stark zu bezweifeln.

Wir werden dem Antrag, um den es hier geht, zustimmen, weisen aber trotzdem darauf hin, dass es dennoch, selbst wenn dieser Antrag angenommen würde, noch grausame geschlechtliche Diskriminierung gerade zum Nachteil von intersexuellen Menschen gäbe, die diese Koalition nicht einfach weiter aussitzen kann. Wenn dem Senat immer noch keine Regelung für die sprachliche Gleichbehandlung von trans- und intersexuellen Menschen vorliegt, wie aus der Beantwortung der Anfrage des Kollegen Lederer aus dem letzten Monat hervorgeht, dann schlage ich die Anrede „Hallo“ vor – und zwar für sämtliche Menschen.

[Beifall bei den PIRATEN – Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN]

Damit haben andere schon gute Erfahrungen beim Abbau geschlechtlicher Diskriminierung gemacht. – Danke!

[Beifall bei den PIRATEN]

Vielen Dank, Herr Kowalewski! – Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Zu dem Antrag auf Drucksache 17/1509 empfiehlt der Ausschuss für Arbeit, Integration, Berufliche Bildung und Frauen mehrheitlich – gegen Grüne, Linke und Piraten bei Enthaltung einer Stimme der SPD – die Ablehnung. Wer dem Antrag dennoch zustimmen möchte, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. – Das sind die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, die Linksfraktion und die Piraten. Gegenstimmen? – Das sind die Fraktionen der

SPD und der CDU. Enthaltungen? – Ich sehe keine Enthaltungen. Dann ist dieser Antrag abgelehnt.

Der Tagesordnungspunkt 13 steht auf der Konsensliste.

Ich komme nun zu

lfd. Nr. 13 A: