[Beifall bei den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei der LINKEN – Beifall von Martin Delius (PIRATEN)]
Ich bleibe versöhnlich und sage, wenn Sie sich die Zahlen zur Schulabstinenz in den letzten Jahren anschauen, dann hat sich in dem von Ihnen angeführten Bezirk Mitte in der Tat ein bisschen etwas getan. Bei den ISSen gab es eine Verbesserung um 0,1 Prozent. Da werden wir gucken müssen, dass es da noch weitergeht. Einen größeren Erfolg gibt es bei den Förderschule: Mit dem Förderschwerpunkt Lernen habe wir eine Abnahme von 9,7 auf 6,8 Prozent erreicht. Das ist eine hoffnungsvolle Entwicklung. Ich bin davon überzeugt, dass sich der Erfolg noch weiter steigern lässt. Ich glaube auch, Herr Langenbrinck, dass wir da wieder Seite an Seite stehen. Es gibt eine ganze Reihe von Schulen – da fallen Ihnen in Neukölln ein paar ein, mir fallen in Mitte und in anderen Bezirken auch ein paar ein –, die nicht nur ganz besonders von Schuldistanz, sondern auch von Abbrecherquoten und von fehlenden Anschlüssen betroffen sind. Da sollten wir nicht weiter so tun, als gäbe es dieses gute eineinhalb Dutzend Schulen mit ganz besonders großen Problemen in Berlin nicht. Da sollten wir ganz genau hinschauen, und insofern freue ich mich auf eine konstruktive und vielleicht noch vertiefende Beratung im Ausschuss. – Vielen Dank!
Vielen Dank, Frau Remlinger! – Für die CDU-Fraktion hat nun das Wort Frau Abgeordnete Bentele. – Bitte!
Sehr geehrte Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die konsequente und koordinierte Umsetzung der Schulpflicht haben wir uns gemeinsam im Koalitionsvertrag zum Ziel gesetzt, aber ich glaube, es ist fair anzumerken, dass es der Kollege Langenbrinck war und ist, der dieses Thema regelmäßig immer wieder aufgreift und vorantreibt, sodass man es eigentlich statt Berliner Modell das langenbrincksche Modell zur Vorbeugung und Bekämpfung von Schuldistanz nennen könnte.
Wir haben heute die erste Lesung des Antrags, also die erste allgemeine Aussprache, bei der ich vor allem sagen möchte, die Stoßrichtung stimmt. Wenn wir das Problem
umfassend und grundlegend erfassen und bekämpfen wollen, und wenn es traurige Realität ist, dass neun- oder zehnjährige Kinder morgens aus dem Haus gehen, aber offensichtlich nicht in der Schule ankommen, sondern sich alleine oder höchstwahrscheinlich mit den falschen Freunden um diese Uhrzeit herumtreiben, dann macht die Ausdehnung der bisherigen Maßnahmen auf Grundschulen sicherlich Sinn. Um sich einen gesicherten Überblick über die Entwicklung von Schuldistanz zu verschaffen, sind die unter Punkt 3 des Antrags genannten Zusammenführungen der Informationen aus den Bezirken an zentraler Stelle und die regelmäßige Veröffentlichung – auch gegenüber dem Parlament – ebenfalls eine gute neue Regelung.
Und schließlich finde ich es erfreulich, dass es in Mitte gelungen ist, ein Pilotprojekt zu einer engeren Zusammenarbeit der verschiedenen Stellen, die mit Schulschwänzern zu tun haben, zu etablieren, sodass es nun für den wichtigen Bereich des Informationsaustausches ein Modell gibt, das auch auf andere Bezirke übertragen werden kann. Alles keine Revolution, was wir hier vorschlagen, aber ich denke, es sind wichtige Mosaiksteinchen für ein großes Ganzes, nämlich Prävention gegen Schulabbruch. Nur wenn wir kontinuierlich und mit langem Atem dranbleiben, werden wir Erfolge erzielen, deshalb ist dieser weitere Antrag zur Bekämpfung von Schuldistanz wichtig. – Ich danke Ihnen!
Vielen Dank, Frau Bentele! – Für die Linksfraktion hat jetzt das Wort Frau Abgeordnete Kittler. – Bitte!
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Dass zu viele Schülerinnen und Schüler regelmäßig schwänzen, ist ein ernstzunehmendes Problem. Das leugnet hier bestimmt auch niemand, und wir haben unsere Meinung dazu aus Anlass einer Großen Anfrage und im Zusammenhang mit dem Vorgängerantrag zur Oberstufe breit ausgetauscht – auch im Ausschuss. Warum dieser Antrag nun aber als Priorität und bildungspolitischer Schwerpunkt behandelt wird – nun ja! Seit der Großen Anfrage vom 14. September 2012 verfolgen Sie uns hier damit, aber es fehlt mir nach wie vor der Ansatz, dass Prävention die beste Reaktion ist.
[Beifall bei der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN – Beifall von Martin Delius (PIRATEN)]
Zum Antrag: Also Santa Statistika wird wieder zur Heilsbringung angerufen. Ich habe hier schon einmal bezweifelt, dass das etwas ändert. Was soll das helfen? Die Lehrkräfte sind dann noch länger mit Verwaltungsarbeit beschäftigt. Nach meiner Meinung hilft hier nachhaltig
wirklich nur Prävention, damit es gar nicht erst dazu kommt, oder Projekte, die mit Einzelbetreuung Hilfe bieten. Und hier liegt immer noch der Hase im Pfeffer. Hier helfen auch Schulen, die neue Wege gehen, und das duale Lernen und insbesondere das produktive Lernen – darüber haben wir hier auch schon gesprochen – in den Schulen. Diese Wege müssen ausgebaut werden, damit schuldistanzierte Jugendliche bei der Reintegration in den Schulalltag unterstützt werden.
Wir haben auch immer noch das Problem, dass Präventionsarbeit über Programme läuft, anstatt sie zu verstetigen. Die Politik bekämpft, wenn sie – und auch das ist wieder ein Teil des Antrages – auf Bestrafung setzt, die Symptome und eben nicht die Ursachen. Das reicht nicht, ich habe schon einmal gesagt, das weiß jeder Arzt. Wir müssen uns an die Ursachen machen. Und die liegen u. a. auch bei den Eltern, bei Menschen, die aus unterschiedlichen Gründen in soziale Not geraten, langzeitarbeitslos sind und selbst große psychische Probleme haben, die können ihren Kindern nämlich meistens eben nicht die Bedingungen schaffen, die sie bräuchten, um gut lernen zu können, und oft wollen oder können sie mit der Schule oder dem Jugendamt auch nicht mehr kooperieren. Wenn das Kindeswohl gefährdet ist, dann müssen Hilfen zur Erziehung einsetzen. Aber unter welchen Bedingungen die Jugendhilfe arbeitet, mit Mitteln, die vorne und hinten nicht reichen, wenn der Median überschritten werden darf, wissen wir aus unseren Bezirken mehr als genug.
Schuldistanz kann durch das soziale Umfeld, durch falsche Freunde, aber auch durch Schulangst ständiges Leistungsversagen oder eben auch durch besondere Persönlichkeitsmerkmale hervorgerufen werden. Gerade bei den letzten Gründen wird deutlich, dass unsere Schule noch keine für alle ist. Ich denke, hier können wir etwas verändern, und das müssen wir auch.
Nun noch kurz zu dem heilsbringenden Verfahren von Mitte mit dem schönen Namen „Erwin“, das zur Übernahme vorgeschlagen wird. Mitte will ein Verfahren in fünf Stufen entwickeln, wovon – ich weiß nicht, ob die Koalitionsparteien das wissen – erst drei Stufen entwickelt sind. Sie sind also noch nicht am Ende der Entwicklung. Unabhängig davon: Der Handlungsleitfaden, der von Mitte erarbeitet wurde, ist interessant. Er beschäftigt sich insbesondere in der ersten und zweiten, aber auch in der dritten Stufe mit präventiven Maßnahmen, was ich erst einmal gut finde. Ich denke aber, es fehlt eine Evaluation eines neuen Projekts. Ich weiß nicht, ob das parallel erfolgt ist. Ich glaube, eher nicht. Aus diesem Grund würde ich es gut finden, wenn wir im Ausschuss mit dem Antrag eine Anhörung verbinden und uns u. a. von Mitte das Projekt erklären lassen würden. Ansonsten möchte ich noch einmal sagen: Auch Frau Smentek hat öffentlich erklärt, dass das Verfahren gut ist, aber das nötige Personal in den Ämtern und Einrichtungen dafür fehlt. Das
Vielen Dank, Frau Kittler! – Für die Piratenfraktion hat jetzt Herr Abgeordneter Delius das Wort. – Bitte!
Vielen Dank, Frau Präsidentin! – Sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich fände es gut, wenn wir bei jeder Plenarsitzung ein bisschen Bildung hätten und nicht immer nur ruckartige Blöcke.
Nee! Frau Bentele möchte sich die Zeit besser einteilen. – Um mal in den Chor einzustimmen: Lieber Joschka Langenbrinck! Das Thema hast du auf jeden Fall bespielt. Wir haben, alle haben in der Diskussion viel gelernt, was die Schulen zu leisten haben, was wir alles wissen müssen, wenn wir darüber reden, und was zu tun ist. Der Antrag, der jetzt hier vorliegt, irritiert mich allerdings schon aufgrund seines Titels. Die Koalitionsfraktionen haben im Jahr 2014 aufgrund des ersten Antrags zu diesem Thema die AV Schulpflicht geändert, was wichtiger Bestandteil des Programms war, das die Koalition beschlossen hat. Die gilt je schon für Grundschulen. Das einzige, was hier erweitert wird, ist die statistische Erfassung. Jetzt so zu tun, als müsste die Durchsetzung der Schulpflicht auf Grundschulen erweitert werden, wie es in dem Antrag suggeriert wird, ist schlicht falsch und auch nicht sachdienlich.
Was ist der Inhalt des Antrags? Offensichtlich sind die Koalitionsfraktionen unzufrieden mit der Umsetzung dessen, was sie hier mal beschlossen haben. Da sind zu erwähnen die AGs Schulpflicht, die in den Bezirken eingerichtet werden sollten. Das wird zwar jetzt nicht direkt benannt, aber das betrifft die Vernetzung der einzelnen Akteure. Ich habe schon im Ausschuss berichtet, was ich aus meinem Bezirk weiß. Da haben sich die Leute getroffen: Schulaufsicht, Jugendämter, Sozialverwaltung usw. Die haben dort zusammengesessen und sich gefragt: Was sollen wir jetzt machen? Sie kamen zu keinem Ergebnis, und so verlief das Ganze. Viel besser fände ich es, sich auf bestimmt Pilotprojekte zu konzentrieren. Die sollten evaluiert werden. Frau Kittler sprach das Projekt in Mitte an. Da muss man an der Ausstattung arbeiten.
Nach dem ursprünglichen Programm sollte es eine Melde-SMS geben. Das hat nicht funktioniert. Das elektronische Klassenbuch gibt es bisher an einer Schule. Das finde ich persönlich gut, denn es sind noch einige Fragen ungeklärt. – Herr Langenbrinck! Herr Lauer fragte mich, was Sie mit falsch verstandenem Datenschutz meinen.
Ich gehe davon aus, dass damit die Melde-SMS gemeint ist. Wenn der Datenschutzbeauftragte sagt, wir können SMSen aus der Schule schicken, dann sollte aber nicht der Name des Kindes darin vorkommen, weil man nicht sicher sein kann, dass die Telefonnummer die des Elternteils ist. Das ist dann ein valider Punkt und kein falsch verstandener Datenschutz.
Ach so! Das verstehe ich. Das ist auch ein Datenschutzproblem. Darüber kann man aber differenzierter nachdenken. Das sehe ich auch so. – Dann frage ich mich allerdings, warum Sie in Ihrem Antrag behaupten, die Fallzahlen seien gestiegen, in Ihrer Rede hingegen sagen, die Fallzahlen seien nicht gestiegen. Beides macht nicht wirklich Sinn. Wenn Ihre Maßnahmen bisher erfolgreich waren und der Senat sie jetzt nur vernünftig durchsetzen soll, dann können Sie mit den gesunkenen Zahlen argumentieren. Wenn die Zahlen gestiegen sind, dann wäre es besser, über eine Änderung der beschlossenen Maßnahmen nachzudenken, weil sie offensichtlich nicht funktioniert haben. Was jetzt genau stimmt, wissen wir nicht. Sie haben recht, die Grundschulen sind nicht einbezogen. Für die Oberschulen gilt – das schrieb auch die „Morgenpost“ im letzten Jahr –, dass die Fallzahlen deutlich gesunken sind. Das ist eine schöne Sache. Das Problem bleibt aber bestehen.
An dieser Stelle bedanke ich mich für die durchaus versöhnliche Rede. Ich weiß zwar nicht, warum Frau Remlinger eine versöhnliche Rede angekündigt hat, aber Herr Langenbrinck hat es auch getan. Es war weniger „Hau drauf!“. Was wir auch gelernt haben ist, dass z. B. die Polizei im Jahr 2014 gar nicht für die Zuführung der Kinder in die Schule zuständig ist. Wenn die das in Einzelfällen machen, die besonders schwer sind und in denen etwas vorgefallen ist, dann tun sie das an die Familie und nicht an die Schule. Was wäre allerdings zu tun? – Sie haben es angesprochen, aber leider nicht in Ihren Antrag geschrieben, nämlich Prävention. Da fehlen uns Sozialpädagoginnen und Sozialpädagogen. Da fehlt und eine Fortbildung für Lehrerinnen und Lehrer. Das haben wir auch in verschiedenen Mitteilungen zum Kenntnisnahme erzählt bekommen, z. B. vom LISUM, das uns gesagt hat, es habe genau damit Probleme. Es fehlt eine auskömmliche Ausfinanzierung der Hilfen der Jugendhilfe und es fehlen mehr individuelle Projekte, das heißt konkrete Projekte zu konkreten Anlässen, die sich auch mit Ursachenforschung für Schuldistanz und Schulversäumnisse beschäftigen, daraus etwas lernen und sich mit den Kindern und Jugendlichen auseinandersetzen. Das würde ich mir in der Diskussion wünschen, vielleicht auch in einem Änderungsantrag gemeinsam mit Ihnen – Danke schön!
Vielen Dank, Herr Delius! – Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Es wird die Überweisung des Antrags an den Ausschuss für Bildung, Jugend und Familie empfohlen. Gibt es hierzu Widerspruch? – Den gibt es nicht. Dann verfahren wir so.
Ich eröffne die erste Lesung. Eine Beratung ist nicht vorgesehen. Es wird die Überweisung der Gesetzesvorlage an den Ausschuss für Verfassungs- und Rechtsangelegenheiten, Verbraucherschutz, Geschäftsordnung und an den Hauptausschuss empfohlen. Gibt es hierzu Widerspruch? – Das ist nicht der Fall. Dann verfahren wir so.
Der Tagesordnungspunkt 6 war Priorität der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen unter Tagesordnungspunkt 3.2.
Beschlussempfehlung des Ausschusses für Arbeit, Integration, Berufliche Bildung und Frauen vom 19. November 2015 und Beschlussempfehlung des Hauptausschusses vom 2. Dezember 2015 Drucksache 17/2617
Beschlussempfehlung des Ausschusses für Arbeit, Integration, Berufliche Bildung und Frauen vom 19. November 2015 und Beschlussempfehlung des Hauptausschusses vom 2. Dezember 2015 Drucksache 17/2618