Ein nachvollziehbares Investitions- und Konjunkturprogramm, ein Personalentwicklungskonzept für den öffentlichen Dienst – das zusammen, um einen längerfristigen Plan zur Auflösung des Sanierungsstaus zu entwickeln, die wachsense Stadt nicht als propagandistische Floskel, sondern als gestalterische Aufgabe zu begreifen – denn Wohnen muss bezahlbar und menschenwürdig sein; auch für Menschen mit geringem Einkommen: für Studenten, Rentner, Transferleistungsbeziehern, Flüchtlinge –, das waren die Aufgaben, die vernünftig in diesem Haushalt abzubilden wären, da Vorsorge zu treffen, einen Masterplan für Investitionen über den Horizont dieses Doppelhaushalts hinaus aufzuzeigen – das alles haben Sie nicht geleistet. Sie sind mit der Ihnen eigenen Chuzpe mit Anlauf unter der Messlatte durchgetaucht.
Eine alte Tradition von CDU- und SPD-Regierungen haben Sie stattdessen wieder aufleben lassen: die nächtliche Ausschüttungsrunde zum Ende der Haushaltsberatung. Das funktioniert nicht nach dem Prinzip „Was braucht die Stadt?“, das funktioniert nach dem Prinzip „Welche Trophäe darf welcher Koalitionspartner nach Hause tragen?“ – Herr Saleh! Herr Graf! Dass man da den Quatsch auch noch quätscher machen kann, ist schon eine besondere Leistung!
Die Berliner SPD macht eine Umfrage zu ihrem Wahlprogramm und fragt unter anderem auch zur Kitagebührenfreiheit. Zwei Drittel der Befragten sagen – so wie im Übrigen auch alle, die etwas davon verstehen und die übrigens auch die Kitatabelle richtig rechnen können wie z. B. das Kitabündnis; selbst die zuständige Senatorin weiß es –: Es gibt im Moment viel wichtigere Probleme in der Kita als das. Zum Beispiel: Es fehlen Plätze; es müsste dringend in Qualität investiert werden; man brauchte nicht nur einen besseren Betreuungsschlüssel, nein, auch die Leiterinnen müssten freigestellt werden. – Aber Herr Saleh und Herr Schneider und der unvermeidliche Herr Buschkowsky aus dem Off: Nein! Das macht sich gut im Wahlkampf! – Das Geld, das in der Ausschüttungsrunde sinnvollerweise in die Verbesserung des Betreuungsschlüssels gehen soll, wird durch die Gebührenfreiheit auf der anderen Seite dem System gleich wieder entzogen.
Dafür bekommt die Union dieses ominöse Sicherheitspaket geschenkt, und das just in dem Moment, als der Innensenator erklärt, dass es keine Änderung der Sicherheitslage in Deutschland gibt. – Herr Graf! Sie müssen sich einfach mal sicher machen in der Frage, was Sicherheitspolitik so ist in dieser Stadt, wie das funktioniert! Fragen Sie nicht Ihren Senator, der hat davon nicht so viel Ahnung! Dass das pure Symbolik ist, was Sie mit diesem Sicherheitspaket gemacht haben, wurde im Hauptausschuss dann endgültig bestätigt:
Keiner der Koalitionäre konnte Auskunft geben, was eigentlich in diesem Sicherheitspaket drin ist! Mann, Mann, Mann – Ihnen ist echt auch nichts mehr peinlich!
Ihr Haushalt ist ein Haushalt der verpassten Chancen. Was Sie heute hier verabschieden wollen, hat immer noch keine strategische Linie, kein Konzept. Sie sind angetreten damals als die große Infrastrukturkoalition. Die einzige Begründung für Ihre Regierungsbildung war das Bekenntnis zu Großprojekten – als Beispiel dieses unsinnige Stück A 100. Der BER ist immer noch nicht fertig; die Staatsopernkrise ist dazugekommen. Das wollten Sie mit einer vollständig albernen Olympiabewerbung aus den Augen, aus dem Sinn kriegen. Zum Glück ist dieser Kelch an uns vorübergegangen. Nicht nur, dass das die größte öffentliche Geldverbrennung seit dem Ban
kenskandal geworden wäre – Sie hätten es auch organisatorisch verbockt. Mit Blick auf die Situation vor dem LAGeSo: Welcher verrückte Teufel hat Sie eigentlich geritten, dass Sie sich die Organisation Olympischer Spiele in Berlin zugetraut hätten?
Gemessen am eigenen Anspruch, die große Koalition könne große Projekte und große Herausforderungen stemmen, haben Sie nicht allzu viel hinbekommen. Dieser Haushalt leistet keinen signifikanten Beitrag, den Sanierungsstau aufzulösen. Er löst in keiner Weise das Personalproblem im öffentlichen Dienst. Es gibt keine Antwort auf die Herausforderung der wachsenden Stadt. – Dieser Haushalt ist der brüchige Kitt, der eine Koalition zusammenhält, die politisch längst mausetot ist!
Sie haben im Hauptausschuss unsere Anträge abgelehnt. Wir werden Ihren Haushalt ablehnen. Er wird ohnehin die Koalitionsverhandlungen 2016 nicht überleben. – Danke schön!
Vielen Dank, Herr Wolf! – Für die Piratenfraktion hat jetzt das Wort der Herr Abgeordnete Delius. – Bitte!
Vielen Dank, Frau Präsidentin! – Liebe Damen und Herren! Liebe Besucherinnen und Besucher! Es ist ja wieder voll geworden. Kurz zur Erklärung: Wir reden jetzt hier schon zwei Stunden über dasselbe Thema mit mehr oder weniger vorhersagbaren Redebeiträgen – die Opposition ist gegen den Haushalt, die Koalition findet sich besonders toll. Das werde ich jetzt weiterführen. Also nicht wundern, wenn Sie jetzt etwas hören, was Sie schon mal gehört haben!
Wir haben es heute mehrfach gehört: Es ist ein besonderer Haushalt, ein Haushalt, der zumindest in dieser Legislaturperiode so noch nicht vorgelegt und diskutiert werden konnte oder sollte. Die Koalition hat sich auch in der zweiten Lesung wieder für ihre Entscheidungen gelobt. Sie hat auch in der ersten Lesung erwartungsgemäß den Senat für die Vorlagen gelobt, was angesichts dessen, warum dieser Haushalt besonders ist, komisch ist, denn wir wussten schon, als das Gesetz eingebracht worden ist, dass die Zahlen nicht stimmen. Wir wussten, dass die Prognosen, was die Geflüchtetenzahlen angeht, was die Ausgaben, was die Steuereinnahmen angeht, nicht stimmen werden und dass noch viel nachzubessern sein wird. Die Koalition hat das versprochen, die Opposition wollte mitmachen, aber man kann nicht davon reden, dass der Haushalt so, wie er eingebracht worden war, schon der richtige für diese Stadt war, und man kann auch nicht
davon reden, dass der Haushalt – und das ist die Meinung der Piratenfraktion – so, wie er jetzt beschlossen werden soll, das Richtige für diese Stadt ist.
Ich könnte eigentlich – ich habe das auf Twitter schon gemacht; der Chef der Senatskanzlei hat sich schon ein bisschen darüber lustig gemacht, zu Recht im Übrigen; das ist ja sehr polemisch gewesen – aufhören. Dieser Haushalt erfüllt nicht die Ansprüche, die diese Stadt hat und die diese Koalition haben sollte. Ich mache aber dennoch weiter, und das liegt vor allen Dingen daran, dass ich mich mit dieser Rede auch bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Verwaltung, aber auch meiner eigenen Fraktion, für die geleistete Arbeit bedanken möchte. Die Haushaltsberatungen waren anstrengend in der Kürze der Zeit und mit den vielen Änderungen. Vielen Dank! Deswegen tausche ich jetzt noch ein paar Argumente aus.
Tatsache ist doch, dass Sie aus dem Gestaltungsspielraum und aus dem, was dieser Haushalt hätte sein können, nicht viel gemacht haben.
Dieser Haushalt im Entwurf und auch in der jetzt vorliegenden Fassung – nein, das ist eine Tatsache, ich werde es Ihnen gleich noch erklären –, lässt die meisten und wichtigsten Ansprüche der Stadt unerfüllt, eine Menge Fragen offen, und er ist politisch, und das ist das Schlimmste, nicht schlüssig. Man brüstet sich damit, wieder viel Geld auszugeben, nur die Frage, wie man das tut, wird nicht ausreichend diskutiert. In Wirklichkeit werden die unbedingt benötigten Mittel zu allergrößten Teilen – das ist schon erwähnt worden – in das SIWA gepackt. SIWA klingt toll, ist aber nicht so. Tatsächlich stehen im Doppelhaushalt weit weniger investiv veranschlagte Mittel zur Verfügung, als es sein könnten. Stattdessen sind diese Mittel sind diese Mittel in einen Sparstrumpf gepackt worden, nichts anderes ist SIWA für die nächsten Haushaltberatungen, sollte es der Stadt mal schlechter gehen. Sie veranschlagen zwar eine Menge, aber an haushälterischen Instrumenten wie einer ausreichenden Investitionsplanung fehlt es genauso wie an einer vernünftigen parlamentarischen Kontrolle. Der Hauptausschuss soll künftig abnicken, was mit dem vielen Geld passieren darf, und das Parlament, die Haushaltsgesetzgeberin, entmachtet sich mit SIWA weiter selbst.
Dazu passt dann auch, dass die Koalition in der Abschlussberatung im Hauptausschuss eine Reihe bisher selbstverständlicher Sperrvermerke einfach gekippt hat, darunter so etwas Unwichtiges wie die Information darüber, dass ein Bauprojekt jetzt 10 Prozent oder 250 000 Euro teurer geworden ist. Das kommt ja in dieser Stadt nicht vor. So ist Haushaltswirtschaft in den
nächsten Jahren kaum kontrollierbar, und das hat das Parlament offensichtlich mit Mehrheit der Koalition so akzeptiert.
Herr Graf, im Übrigen auch Herr Wolf, hat es nicht ganz richtig auf dem Schirm gehabt. Um Ihre Zahlen noch mal zu korrigieren: Von den 500 Millionen Euro 2015 in SIWA eingestellten Mitteln sind 50 Millionen Euro investiert worden.
10 Prozent, dann habe ich es falsch verstanden. Ich entschuldige mich! – Herr Wolf hat es genauso richtig gehabt wie ich. 50 Millionen Euro von 500 Millionen Euro. Das ist das, was wir mit SIWA in den nächsten Jahren erwarten können. Das ist doch eine Lachnummer, das ist doch Quatsch.
Das alles im Namen der wachsenden Stadt! Wir wissen inzwischen alle hier, dass die Stadt wesentlich schneller wächst, als wir bisher gedacht haben und als wir uns das immer weiter ausmalen. Die Probleme sind die alten: Es fehlt an Wohnungen, an Kapazitäten in allen Behörden, an Infrastruktur, an Schulen, an Kitas und nicht zuletzt an einer vernünftigen Betreuung, Integration und auch Inklusion derjenigen, die unsere besondere Aufmerksamkeit brauchen.
Die Stadt wächst – das haben Sie in Ihren Reden deutlich gemacht – ohne Ihr Zutun. Nur die Frage ist: Wie gehen Sie mit dem Wachstum um? – Wenn man sich den Haushalt anguckt, dann kann man eigentlich nur ein Urteil treffen: inkonsequent und unplausibel.
Auf der einen Seite behaupten Sie, Stichwort Wachstum, Sie hätten alles im Griff, es sehe auf dem Wohnungsmarkt nicht so düster aus wie allseits behauptet. Die Situation der Bürgerämter könne man mit 36 neuen Stellen und ein paar zusätzlichen Aufgaben lösen. In Kitas und Schulen können – das haben wir heute wieder in aller Breite gehört – die Jüngsten und die Jüngeren immer noch besser lernen als im Bundesdurchschnitt. Auf der anderen Seite, auf der Seite, die zu Recht in den letzten Tagen in den Medien immer wieder auftauchte, tun Sie so, als wäre die Unfähigkeit von Verwaltung, mit dem Wachstum umzugehen, gottgegeben, als bliebe Ihnen als Senat und den Führungen in Sozial- und Innenverwaltung gar nichts anderes übrig, als die Segel zu streichen und den Sturm abzuwarten. Das ist doch Hohn.
Ein paar Worte zum Fall LAGeSo und Allert: Ja, es ist richtig, dass Allert jetzt seinen Hut nehmen musste, das hätte er schon vor zwei Jahren oder vor einem Jahr tun müssen, als die Korruptionsvorwürfe bekannt wurden
und nicht ausgeräumt werden konnten, als merkbar wurde, dass nichts funktioniert, aber die Krise um das LAGeSo ist doch keine Flüchtlingskrise, das ist eine Verwaltungs- und Regierungskrise,
die uns vor Augen führt, wie es um die Verwaltung, den öffentlichen Dienst und die Fähigkeit der Stadt, mit Veränderungen umzugehen, bestellt ist, die uns vor Augen führt, wie es um den Katastrophenschutz, die Versorgung von Menschen in Not in dieser Stadt bestellt ist, die uns vor Augen führt, wie wir im Zweifel mit politisch kritischen Fragen mehrheitlich in dieser Stadt umgehen, nämlich schlecht. Da muss sich niemand ausnehmen, ich spreche jetzt mal beispielhaft den Innensenator an. Wenn mir die Bildungssenatorin im Bildungsausschuss auf Nachfrage berichtet, dass es vor allen Dingen deswegen Probleme beim Zurverfügungstellen von neuen Turnhallen für Sammelunterkünfte gibt, weil die ASOGBescheide nicht ausgestellt werden und die Schulen für die Versicherung des Betriebes der Hallen als Flüchtlingsunterkünfte herangezogen werden, dann funktioniert doch irgendwas nicht. Das geht nicht.
Machen Sie Ihre Arbeit! Das ist nicht nur Kollege Czaja, Herr Henkel ist ebenfalls nicht da; die CDU hat den Raum verlassen, zu Recht wahrscheinlich.
Im Senat sitzen sie ja noch. – Nein, das betrifft auch zum Beispiel Herrn Henkel. Es kann doch nicht wahr sein, dass hier aus Not, und das wird uns immer so verkauft, Turnhallen nicht rechtssicher beschlagnahmt werden, weil die Innenverwaltung es nicht schafft, ihre Arbeit zu machen.
Mir erschließt sich Ihre Doppelmoral und Bigotterie nicht, was die wachsende Stadt angeht. Sie können mehr Geld für Grundschulleitungen ausgeben, aber nicht für die wichtigen und rechtlich gleichzustellenden Funktionsstellen. Sie geben Millionen für innenpolitische Taschenspielertricks wie ein gemeinsames Abhörzentrum oder eine Antiterrorspezialeinheit aus, anstatt dringend benötigte Beamtinnen und Beamte an der Basis zu entlasten, endlich wieder anständig zu bezahlen und auch mit dem nötigsten Gerät auszustatten.
Die wachsende Stadt braucht eine wachsende öffentliche Verwaltung, das ist heute mehrfach angesprochen worden. Dort, wo Sie klotzen müssten, kleckern Sie: bei den Bürgerämtern, bei den Bauämtern, bei der Verkehrslenkung, auch beim LAGeSo, ganz zu schweigen von den dringend notwendigen Tariferhöhungen im öffentlichen Dienst, Herr Wolf hat es angesprochen. Die Stadt wächst
und sie ist erfolgreich dabei, zumindest zum Teil, der Teil nämlich, der privat davon profitieren kann. Die Steuereinnahmen sprudeln, und das Land sichert sich seinen Anteil am Wachstum. Warum geben Sie aber diesen Anteil nicht der Basis des Landes, den Stellen, die das Wachstum erst möglich machen, den Lehrerinnen und Lehrerin, den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im öffentlichen Dienst, bei der Polizei, bei den Rettungskräften, bei den sozialen Einrichtungen dieser Stadt?
Der Logik folgend müssten sie doch zuerst von der wachsenden Stadt profitieren. Sind sie nicht diejenigen, die das Ganze am Laufen halten? Sind sie nicht diejenigen, die dafür sorgen, dass wir auch in Zukunft weiter wachsen können? Aus Gerechtigkeitsgründen sind wir sogar dazu verpflichtet, sie an diesem Wachstum zu beteiligen, denn sie haben in Zeiten der offenen Sparhaushalte die größte Last getragen, eine Schuld, die wir jetzt, da niemand mehr so tun kann, als hätten wir es nicht, unbedingt begleichen müssten. Das tun wir aber nicht.
Letztes Beispiel: Gestern gab es im Hauptausschuss noch mal eine Anhörung einer Volksinitiative. Wenn sogar die Beamtinnen und Beamten in dieser Stadt zu dem Mittel der Volksinitiative greifen, dann ist doch echt was zu spät.