Protocol of the Session on December 10, 2015

Ich rufe auf

lfd. Nr. 5 B:

Gesetz zur Änderung des Gesetzes über die Versorgung der Beamtinnen und Beamten sowie der Richterinnen und Richter des Landes Berlin (Landesbeamtenversorgungsgesetz – LBeamtVG)

Dringliche Vorlage – zur Beschlussfassung – Drucksache 17/2624

Erste Lesung

Wird der Dringlichkeit widersprochen? – Das ist nicht der Fall. Ich eröffne die erste Lesung. Eine Beratung ist nicht vorgesehen. Es wird die Überweisung der Gesetzesvorlage an den Ausschuss für Inneres, Sicherheit und Ordnung und an den Hauptausschuss empfohlen. Gibt es hierzu Widerspruch? – Gibt es nicht. Dann verfahren wir so.

Wir kommen zu

lfd. Nr. 6:

Einsatz von Pfefferspray durch die Berliner Polizei beschränken!

Beschlussempfehlung des Ausschusses für Inneres, Sicherheit und Ordnung vom 9. November 2015 Drucksache 17/2563

zum Antrag der Piratenfraktion und der Fraktion Die Linke Drucksache 17/2349

In der Beratung beginnt die Piratenfraktion. Das Wort hat der Herr Abgeordnete Lauer. – Bitte!

Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrte Frau Präsidentin! Vielen lieben Dank! – Es sei mir gestattet, noch zwei Worte zum Beitrag von Herrn Graf zu verlieren, der sich ja so unheimlich lustig vorkam mit seiner Bemerkung, dass dies meine letzte Haushaltsberatung sei. Erst mal gehe ich nicht davon aus, demnächst zu sterben. Das heißt, ich werde wahrscheinlich noch mehrere Haushaltsberatungen erleben.

[Zuruf von der CDU: Zu Hause!]

Ja, es spricht natürlich für Ihre Fraktion, dass das, wenn man aus einem Parlament ausscheidet und, wie das bei Ihnen anscheinend so ist, vollkommen abhängig vom Mandat ist, so eine Art Witz oder Beleidigung ist. Ich kann mir auch sehr gut vorstellen, wie Herr Graf gestern

stundenlang vor dem Spiegel stand und diesen tollen Einwurf geprobt hat.

[Ole Kreins (SPD): Nicht „Spiegel“, „Bild“!]

Zweitens muss ich feststellen, dass ich eine Lebenserwartung von ungefähr 80 bis 90 Jahren habe und vor dem Hintergrund die Wahrscheinlichkeit relativ hoch ist, dass ich noch mal in irgendein Parlament einziehen und an einem Haushalt mitarbeiten werde.

Drittens – und das ist mein wichtigster Punkt –: Von einem Promotionsbetrüger lasse ich mir gar nichts sagen.

[Vereinzelter Beifall bei den PIRATEN, den GRÜNEN und der LINKEN]

Zum Antrag: Die Piratenfraktion und die Linksfraktion wollen mit diesem Antrag darauf hinwirken, dass die Polizei größere Kanister von Pfefferspray insbesondere nicht mehr bei Demonstrationen im Land Berlin einsetzt. Wir haben das Problem, dass die Polizei genau dies tut. Sie benutzt also große Kanister, sprüht sie in die Menge hinein, um dann diese Menschen in eine Ecke zu bewegen, in der sie die Polizei gern hätte. Das Problem ist nur, dass die Polizei dabei etwas macht, wo die Menschen nach der eigenen Richtlinie der Polizei zum Umgang mit Menschen, die von einem Pfeffersprayeinsatz betroffen sind, gar nicht richtig versorgt werden können. Die Polizei sagt selber, es müsste eigentlich jede Person 45 Minuten versorgt werden. Wenn aber eine größere Gruppe von Menschen in Kontakt mit Pfefferspray kommt, ist die Polizei regelmäßig überhaupt nicht in der Lage, diese Menschen zu versorgen. Das geht nicht.

Darüber hinaus, und darauf haben wir in den Beratungen hingewiesen – zum Thema Pfefferspray gab es mal eine Anhörung im Gesundheitsausschuss –, ist das kein harmloses Mittel. Es ist insbesondere für Allergiker gefährlich. Es ist insbesondere für Asthmatiker gefährlich.

[Zuruf von Michael Dietmann (CDU)]

Insofern ist der Einsatz von Pfefferspray aus unserer Sicht so gering wie möglich zu halten.

Ein weiterer Punkt, und da sieht man dann wieder sehr schön, was ein Grundproblem der Innenpolitik ist, wahrscheinlich in ganz Deutschland, aber speziell der Innenpolitik im Land Berlin: Es gibt keine qualifizierte Information für das Parlament darüber, in welchem Umfang die Polizei Pfefferspray einsetzt. Das geht nicht. Ich habe mehrere Anfragen gestellt, in denen ich darum gebeten habe, aufschlüsseln zu lassen, wie die Polizei Pfefferspray einsetzt. Das hört auch nicht auf, ich frage das seit Jahren ab, und die Polizei führt in ihren Auflistungen immer wieder z. B. sonstige Anlässe, Straftat, demonstrative Aktionen auf. Das Parlament kann aus einer solchen Auflistung nicht nachvollziehen, wie und in welcher Weise die Polizei dieses Mittel einsetzt. Herr Kandt sagte im Ausschuss: Ja, gut, also wenn das gewünscht ist,

(Vizepräsidentin Anja Schillhaneck)

könnten wir machen. – Wir haben jetzt gesehen, so viel Aufschluss gibt es nicht. Das geht nicht! Wenn wir faktenbasiert Innenpolitik und Sicherheitspolitik in dieser Stadt machen wollen, dann müssen wir uns auch darüber unterhalten können, wie die Polizei ihre Mittel einsetzt. Wenn die Polizei Pfefferspray einsetzt, und das ist kein harmloses Spielzeug, dann muss sie dem Parlament und der Öffentlichkeit auch Rechenschaft darüber ablegen, wie dieses Mittel eingesetzt wird – und sie macht es nicht.

[Beifall bei den PIRATEN]

Sie macht es nicht, wenn sie in irgendwelche Tabellen schreibt: Es wird zu sonstigen Aktionen benutzt.

Das wirklich Tragische an dieser Stelle ist, dass die Koalition das hinnimmt, dass man das in Ordnung findet, dass, erstens, die Polizei so große Mengen von Pfefferspray insbesondere bei Demonstrationen einsetzt, um gegen Demonstrantinnen und Demonstranten vorzugehen und dass Sie, zweitens, im Ausschuss nicht einmal darauf pochen. Ich hätte ja noch verstanden, wenn Sie gesagt hätten: Na ja, gut! Wir wollen den Polizisten die großen Pfefferspraykanister lassen. Aber Sie haben recht, als Parlament würde uns schon mal interessieren, wie das Pfefferspray eingesetzt wird. Deswegen braucht die Polizei da eine bessere Nachweispflicht. – Aber selbst dieser Forderung des Antrages sind Sie nicht nachgekommen. Das heißt, wir werden auch in Zukunft nur Tabellen bekommen, wo so etwas drin steht wie Sonstiges, werden als Parlament also nicht seriös darüber beraten können, wie die Polizei Pfefferspray in dieser Stadt einsetzt. Das heißt, jedwede Aussage darüber, dass alles in Ordnung ist, ist falsch und gelogen. Ich freue mich trotzdem auf die Debatte. – Vielen lieben Dank!

[Beifall bei den PIRATEN – Beifall von Steffen Zillich (LINKE)]

Vielen Dank, Kollege Lauer! – Für die SPD-Fraktion erteile ich jetzt das Wort dem Kollegen Karge. – Bitte schön!

[Uwe Doering (LINKE): Was ist denn nun mit den Kanistern? – Benedikt Lux (GRÜNE): Halte mal eine gute Rede!]

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das ist ein Thema, mit dem wir uns in dieser Legislaturperiode nicht das erste Mal beschäftigen. Ich befürchte, dass es uns in den nächsten Jahren auch nicht das letzte Mal beschäftigen wird. Ich will jetzt nicht das Bonmot bringen, mit welchen Oppositionsparteien wir es dann zu tun haben, aber unabhängig davon haben wir das jetzt

schon über Jahre miteinander besprochen. Die Argumente sind im Endeffekt alle ausgetauscht worden. Selbst der Ausschuss für Gesundheit und Soziales hat sich im letzten Jahr mit diesem Thema beschäftigt. Sie müssen einfach auch attestieren: Natürlich ist der Pfeffersprayeinsatz genau gesetzlich geregelt. Daran führt kein Weg vorbei. Der kann aus Ihrer Sicht vielleicht nicht ausreichend dokumentiert sein – wir sagen, es ist aus unserer Sicht schon eine ausreichende Dokumentation vorhanden.

Wenig Neues ist den Ausführungen hinzuzufügen, aber ich will trotzdem festhalten: Pfefferspray dient den Polizeikräften als Hilfsmittel, und es ist die unterste Schwelle von Zwangsmitteln. Das müssen Sie erkennen, und das ist auch gar nicht banal, wenn man über die Frage redet: Wie können sich Polizeibeamte in verschiedenen Gemengelagen vor größeren Menschenansammlungen schützen, die dort möglicherweise eine Situation herbeiführen, die für Polizisten nicht ganz ungefährlich ist? Diese Mittel kommen erst dann zum Einsatz, wenn andere Maßnahmen gegen Personen, die Straftaten begehen oder den öffentlichen Frieden stören, nicht zum Erfolg geführt haben. Es ist eben auch wahr, und das muss man zur Kenntnis nehmen: Die Alternative des Schlagstockes ist keine wirkliche Alternative, da Schläge mit dem Schlagstock viel länger zu spüren sind und zu größeren Verletzungen führen können. Machen wir uns doch bitte nichts vor: Gewalt gegen Polizeibeamte ist in der heutigen Zeit leider Realität. Daher brauchen Polizeibeamte ein adäquates Mittel, um sich effektiv zu schützen. Ich gehe einmal davon aus, dass niemand hier in diesem Saal und auch Sie nicht der Alternative von Schusswaffen das Wort reden werden.

Aber natürlich: Zwangsmittel sind nicht völlig harmlos, und auch das Pfefferspray ist nicht völlig harmlos. Sie als Antragsteller haben attestiert, die Polizei ist sich der Folgen des Pfeffersprayeinsatzes bewusst. Darum ist ein verantwortungsvoller Umgang mit dem Pfefferspray notwendig. Die Antworten auf die Schriftlichen Anfragen von Ihnen, den Piraten, lassen wenig Zweifel daran, dass die Berliner Polizei diesen Umgang sehr verantwortungsvoll bei ihrer schwierigen Arbeit durchführt. Der Einsatz ist nicht nur reglementiert. Die Polizeikräfte werden in Bezug auf die rechtlichen Grundlagen über die Anwendung unmittelbaren Zwanges bei der Ausübung öffentlicher Gewalt durch Vollzugsbeamte informiert und geschult. Aber auch in Bezug auf die Anwendung von Hilfsmitteln der körperlichen Gewalt werden sie ausgebildet. Hierzu zählt das Pfefferspray. Eine jährliche Auffrischung erfolgt im Rahmen des Einsatztrainings. Darüber hinaus finden alle zwei Jahre Erste-Hilfe-Schulungen der Polizeikräfte statt.

Auch die Datenlage bezüglich der Anzahl der Einsätze ist weder übermäßig hoch, noch wurden sie in den letzten Jahren ausgeweitet – dies wird ja gelegentlich behauptet. Die Datenlage zeigt eindeutig eine Degression der Ein

(Christopher Lauer)

sätze mit Pfefferspray. Kollege Lux hat dies dem Ausschuss Anfang November dieses Jahres in seinem Redebeitrag bestätigt. Schaut man sich die Einsatzanlässe an, dann finden diese seltener im Rahmen von Großdemonstrationen oder Fußballspielen statt, also bei Großlagen. Möglicherweise ist die Zuordnung nicht immer ganz genau zu treffen und die Einordnung des Einsatzanlasses nicht in jedem Fall richtig. Dies ist jedoch im Einzelfall schwer zu erfassen, darzustellen und zu dokumentieren. Wenn es sich um die Erfassung jedes einzelnen Sprühstoßes handeln würde, ist das auch fast nicht leistbar und von der Polizei auch nur schwer zu leisten. Irgendwann muss man sich entscheiden, ob die Polizei in der Priorität statistische Auswertungen für uns im Abgeordnetenhaus erstellen soll oder ihre wichtige polizeiliche Arbeit im Vordergrund steht. Es mag auch Fälle geben, wo im Eifer des Gefechts Anweisungen und die Grenzen der Verwendung überschritten werden. Jedoch ist es dann so: Verstöße werden nicht unter den Tisch gekehrt. Durch die Kennzeichnungspflicht der Beamten muss jeder, der sich nicht an die Vorschriften hält, mit Sanktionen rechnen. Bei Demonstrationen und anderen größeren Veranstaltungen stellt gerade die Öffentlichkeit sicher, dass es Zeugen gibt, die Fehlverhalten belegen können. Da handelt es sich um Belege, die selbst von den Antragstellern herangezogen werden. – Herzlichen Dank!

[Beifall bei der SPD und der CDU]

Vielen Dank, Kollege Karge! – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht jetzt Kollege Lux, und ich erteile ihm das Wort.

[Torsten Schneider (SPD): Schicke Schuhe!]

Vielen Dank, Herr Präsident! – Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Fraktion Bündnis 90/Die Grünen stimmt dem Antrag der Piratenfraktion zu, den Einsatz von Pfefferspray auf das notwendige Maß zu begrenzen. Wir haben gesehen, dass die Debatte, die wir hier häufig geführt haben, schon einiges gebracht hat. Die Polizei geht deutlich behutsamer mit Pfefferspray um. Das ist auch klar – die Gesundheitsgefahren wurden erforscht. Es kann zu großen Schäden führen, wenn man damit die falschen Leute trifft, und auf größeren Veranstaltungen trifft man damit notwendigerweise auch immer unbeteiligte Dritte. Gerade hier muss man aufpassen, denn wenn Leute nichts mit der Gefahrensituation zu tun haben und sie trotzdem mit Pfefferspray besprüht werden, stärkt das nicht das Vertrauen in die an sich gute Arbeit der Berliner Polizei.

Herr Kollege Karge! Ich kann fast allem zustimmen, was Sie in Ihrem Redebeitrag gesagt haben. Deswegen wäre es folgerichtig, dem sehr sensiblen und guten Antrag der

Piratenfraktion zuzustimmen. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

[Beifall bei den GRÜNEN]

Vielen Dank, Herr Kollege Lux! – Für die CDU-Fraktion erteile ich jetzt das Wort dem Kollegen Dr. Juhnke. – Bitte sehr!

Vielen Dank, Herr Präsident! – Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Den Antragstellern ist es bei der ersten Debatte nicht gelungen, es ist ihnen im Ausschuss nicht gelungen, und ihnen wird es auch heute nicht gelingen, tatsächlich zu begründen, warum sie diesen Antrag vorbringen und warum man ihm zustimmen sollte. Die Zahlen belegen, dass die Einsätze im Wesentlichen erfolgreich sind. Selbst die Androhung des Mittels ist eine sehr sinnvolle Maßnahme, die zu einem großen Prozentsatz Erfolg zeigt. Im Übrigen ist es in der Vergangenheit auch von der grundsätzlichen Zahl her immer weniger geworden, sodass wir also nicht über eine zunehmende Anzahl von Einsätzen reden. Warum Sie das mit dem größeren Behälter gefordert haben, wird sowieso Ihr Geheimnis bleiben. Ich glaube, dass die Art und Weise, wie die Polizei diese Einsätze dokumentiert, vollkommen ausreichend ist. Jedenfalls haben wir daraus den Schluss gezogen, dass dieses Einsatzmittel für die Polizei unverzichtbar ist. Wir wollen der Polizei nicht die Wahl zwischen der Faust und der Waffe lassen, vielmehr müssen wir ihnen vernünftige Einsatzmittel an die Hand geben, um diese Dinge vermeiden zu können.

[Zuruf von Benedikt Lux (GRÜNE)]

Das wäre ja die Konsequenz, wenn wir Ihrem Antrag zustimmen würden. Aus diesem Grunde werden wir es nicht tun. – Vielen Dank!