Protocol of the Session on November 26, 2015

Flüchtlingsfrauen finden heute kaum mehr Zuflucht vor Gewalt in Frauenhäusern, weil die Frauenhäuser schon seit 2012 melden, dass sie voll belegt sind. Also dort können wir diese Frauen, die von Gewalt betroffen sind, nicht unterbringen. Das gehört auch zur Realität. Die Zahl der Plätze in den Frauenhäusern muss erhöht werden.

Frauen in Flüchtlingsnotunterkünften müssen den notwendigen Schutz vor Gewalt haben. Der Berliner Senat muss hier schnellstmöglich handeln. Da ist natürlich auch die Frauensenatorin aufgefordert. Doch heute Vormittag hat sie einmal mehr bewiesen, dass sie sich von Notsituation zu Notsituation hangelt. Das Thema der geflüchteten Frauen erreicht kaum die Öffentlichkeit. Niemand redet darüber, nur punktuell geschieht das. Die Flüchtlingspolitik ist seit Jahrzehnten lediglich auf Männer ausgerichtet. Wie bereits gesagt, würde ich mir wünschen, dass die Frauensenatorin hier mal aktiv wird. Aber sie hört nicht zu. Es gab vor ein paar Monaten diesen Antrag. Er wurde auch diskutiert und wurde hier abgelehnt. Man sieht auch daran, welche Aktivitäten die Frau Senatorin hier noch mal dargestellt hat, dass sie in dem Bereich nicht aktiv ist. Das sollte man an dieser Stelle noch einmal deutlich machen.

Hier steht, dass meine Redezeit zu Ende ist. Das kann nicht sein.

Wenn es da steht!

[Anja Kofbinger (GRÜNE): Das kann nicht sein, die Stunde ist doch noch nicht um!]

(Dr. Ina Czyborra)

Ja, genau! – Es ist also notwendig, dass man auch eine gegenderte Flüchtlingspolitik auf die Tagesordnung setzt. Frau Kolat! Sie können sich gern mal in Brandenburg umschauen. Dort wird es gemacht. In Potsdam gibt es seit zwei Jahren ein Haus für traumatisierte Frauen und ihre Kinder. Mitten in der Altstadt von Potsdam unterhält der Verein „Soziale Stadt Potsdam“ ein Wohnheim, in dem geflüchtete Frauen untergebracht und geschützt sind. So etwas brauchen wir auch in Berlin, aber Sie haben ja gesagt, dass das für Sie nicht gerade wünschenswert ist.

Der Antrag der Grünen geht in die richtige Richtung. Meine Fraktion, Die Linke, unterstützt ihn. – Vielen Dank!

[Beifall bei der LINKEN, den GRÜNEN und den PIRATEN]

Vielen Dank, Frau Kollegin Sommer! – Für die Fraktion der CDU hat jetzt das Wort die Kollegin Vogel. – Bitte schön!

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Geflüchtete Frauen verdienen unsere besondere Aufmerksamkeit. Wir wollen sie vor Bedrohung und Gewalt bewahren. Frauen und Kinder sind nicht nur in ihren Heimatländern und auf der Flucht gefährdet, auch in den Flüchtlingsunterkünften kann es zu Übergriffen kommen. Insofern unterstützen wir die Intention Ihres Antrages. Wir verschließen nicht die Augen davor, dass es Gruppen von Flüchtlingen gibt, die mehr Schutz benötigen oder andere Bedürfnisse haben als andere Flüchtlinge. Daraus ergeben sich dann natürlich auch andere Ansprüche an das Personal in den Unterkünften und an die Unterkünfte selbst.

Das bedeutet aber nicht, dass wir mit den Überlegungen, wie ein Schutz aussehen soll, von vorne beginnen müssen. Wir haben in Berlin ein breites Netz von Unterstützungsangeboten für Frauen und Kinder in Not. Dieses steht selbstverständlich auch Flüchtlingen offen. In den Flüchtlingsunterkünften in meinem Bezirk TreptowKöpenick konnte ich mich vor Ort davon überzeugen, dass die Träger der Einrichtungen verantwortungsvoll und sensibel agieren und auch ohne diesen Antrag Frauen und Kinder gesondert unterbringen, sofern die baulichen Gegebenheiten das erlauben. Es erfolgt auch eine Information für Frauen und Kinder, die Opfer von Gewalt wurden, über die bestehenden Hilfeangebote in Berlin. Nach meinem Kenntnisstand gibt es zwischen den zuständigen Senatsverwaltungen bereits Planungen, ein konkretes Objekt ausschließlich für die Unterbringung

von Frauen und Kindern zur Verfügung zu stellen. Das begrüßt meine Fraktion sehr.

Mit der psychologischen Unterstützung von Flüchtlingen befassen sich mehrere Fachstellen und Einrichtungen in Berlin – einige davon explizit auch mit der Hilfe für Frauen. Ich gebe Ihnen recht, dass das Angebot insbesondere an muttersprachlichen Psychologen und Therapeuten nicht ausreichend ist, aber daran wird auch Ihr Antrag nichts ändern. Ich denke, wir sollten dafür sorgen, dass jeder Flüchtling, der nach Deutschland kommt, gleich zu Anfang über die Regeln, die hier gelten, aufgeklärt wird. Dazu gehören das Grundgesetz und eben auch die Gleichstellung von Frauen. Das ist nicht verhandelbar, und genau das sollten wir auch deutlich machen.

Zusammenfassend bleibt festzustellen, dass Sie in Ihrem Antrag Forderungen stellen, die teilweise bereits umgesetzt wurden oder deren Umsetzung in Planung ist. Für eine weitere Beratung beantragen wir daher die Überweisung in den zuständigen Fachausschuss. – Vielen Dank!

[Beifall bei der CDU und der SPD]

Danke schön, Frau Kollegin Vogel! – Für die Piratenfraktion hat jetzt das Wort der Kollege Kowalewski.

Wieder mal als Letzter. – Geehrter Herr Präsident! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Wir haben heute den ganzen Tag viel über das Los der Geflüchteten geredet – über das Versagen der Verwaltung, über Nazis, die am LAGeSo das Hausrecht ausüben, über unmenschliche hygienische Zustände in den Sammellagern, die keine Privatsphäre zulassen, über Obdachlosigkeit und fehlende gesundheitliche Versorgungsmöglichkeiten. Rund um den „Internationalen Tag zur Beseitigung der Gewalt gegen Frauen“ reden wir jedes Jahr über verschiedene Aspekte struktureller Diskriminierung von Frauen, und die wird leider trotzdem nicht weniger.

Ausgerechnet im Frauenministerium wird gerade ein Gesetz vorangetrieben, um Sexarbeiterinnen generell für unselbstständig und überwachungsbedürftig zu erklären und sie in das gefährliche Leben in der Illegalität zu drängen. Ein anderes Gesetz aber, das die sexuelle Selbstbestimmung ein kleines bisschen verbessern soll, indem es Vergewaltigung bestraft, wenn das Opfer durch einen überraschenden Angriff überrumpelt wird oder sich fälschlicherweise für schutzlos hält, wird hingegen bis heute vom Kanzleramt blockiert. Die Frauenhäuser – für viele Frauen die letzte Fluchtmöglichkeit, die Kolleginnen haben sie schon erwähnt – sind ständig überfüllt. Im vergangenen Jahr konnte allein in Berlin 1 900 hilfesuchenden Frauen kein Platz angeboten werden. Das sind 500 mehr als im Vorjahr.

Das Ergebnis sehen wir in einer anderen traurigen Statistik – der Zahl der von ihren Ehemännern, Lebensgefährten oder Ex-Partnern getöteten Frauen. Waren es 2012 in Deutschland noch 106 Fälle, so stieg die Zahl im vergangenen Jahr auf 160.

[Unruhe]

Meine Herrschaften! Entschuldigung! Bitte den Geräuschpegel senken! Es ist der letzte Redner für den heutigen Tag. Die Aufmerksamkeit werden wir doch noch haben.

Danke! – Bei geflohenen Frauen addieren sich diese Problemkomplexe nicht, sie multiplizieren sich. In ein ohnehin überlastetes Hilfesystem hineinzukommen, gelingt den Frauen, die kaum Sprachkenntnisse, kaum finanzielle Mittel, kaum Kommunikationsmöglichkeiten und kaum Bewegungsfreiheit haben, gar nicht, wenn sie denn überhaupt wissen, dass es ein solches System in einem Land gibt, in dem schon die Registrierung als Asylsuchende Monate dauern kann, wenn sie nicht das nötige Schmiergeld haben, um sich eine Vorzugsbehandlung einzukaufen. Traumatisierte Menschen sind besonders verletzlich. Sie zu Hunderten, zu Tausenden zusammenzupferchen, ihnen absichtlich jede Zukunftsperspektive zu nehmen, um ein Exempel zu statuieren, ihnen weite Wege zu so grundsätzlichen Dingen wie Wasser oder Toiletten zuzumuten, ihnen keinen Rückzugsraum zu gewähren, das macht Menschen unglaublich dafür anfällig, Opfer von Gewalttaten zu werden.

[Beifall bei den PIRATEN – Beifall von Anja Kofbinger (GRÜNE) und Evrim Sommer (LINKE)]

Das ist ja auch bekannt. Und wer diese Fakten nicht wahrnimmt, wer besonders schutzbedürftigen Menschen keinen besonderen Schutz zukommen lässt, der handelt nicht nur fahrlässig, sondern vorsätzlich.

[Beifall bei den PIRATEN – Beifall von Anja Kofbinger (GRÜNE)]

Deswegen hoffe ich auf die sehr baldige Annahme des Antrags. Alles andere wäre eine weitere Schande für diese Stadt. – Vielen Dank und einen schönen Feierabend!

[Beifall bei den PIRATEN und der LINKEN – Beifall von Anja Kofbinger (GRÜNE)]

Das Schlusswort verbleibt dann trotzdem bei mir, lieber Kollege Kowalewski. – Weitere Wortmeldungen liegen

nicht vor. Es wird die Überweisung des Antrags an den Ausschuss für Arbeit, Integration, Berufliche Bildung und Frauen empfohlen. – Widerspruch höre ich nicht, dann verfahren wir so.

Der Tagesordnungspunkt 29 steht auf der Konsensliste.

Ich komme zu

lfd. Nr. 29 A:

Keine gesonderten Unterkünfte für Geflüchtete vom Westbalkan

Dringlicher Antrag der Fraktion Die Linke, der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen und der Piratenfraktion Drucksache 17/2586

Wird der Dringlichkeit widersprochen? – Das ist nicht der Fall. Eine Beratung ist nicht vorgesehen. Es wird die Überweisung des Antrags federführend an den Ausschuss für Inneres, Sicherheit und Ordnung und mitberatend an den Ausschuss für Gesundheit und Soziales empfohlen. – Widerspruch höre ich nicht, dann verfahren wir so.

Ich komme zu

lfd. Nr. 29 B:

Service der Berliner Bürgerämter umgehend verbessern

Dringlicher Antrag der Fraktion der SPD und der Fraktion der CDU Drucksache 17/2592

Wird der Dringlichkeit widersprochen? – Das ist nicht der Fall. Es ist keine Beratung vorgesehen. Die Koalitionsfraktionen schlagen vor, den Antrag dem Hauptausschuss zu überweisen. – Widerspruch höre ich nicht, dann verfahren wir so.

Das war unsere heutige Tagesordnung. Die nächste Sitzung, das ist die 73. Sitzung, findet am Donnerstag, dem 10. Dezember 2015 statt. Achtung: Sie beginnt um 9 Uhr, dass das jeder verinnerlicht!

Die Sitzung ist geschlossen. Ich wünsche einen guten Heimweg.

[Schluss der Sitzung: 18.32 Uhr]

(Simon Kowalewski)

Anlage 1

Konsensliste

Vorbehaltlich von sich im Laufe der Plenarsitzung ergebenden Änderungen haben Ältestenrat und Geschäftsführer der Fraktionen vor der Sitzung empfohlen, nachstehende Tagesordnungspunkte ohne Aussprache wie folgt zu behandeln:

Lfd. Nr. 12:

Professionelle und angemessen honorierte Übersetzungs- und Dolmetschleistungen für die Wahrung der Rechte nicht Deutsch sprechender Personen

Beschlussempfehlung des Ausschusses für Arbeit, Integration, Berufliche Bildung und Frauen vom 1. Oktober 2015 Drucksache 17/2501