Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Flüchtlinge sind auf jeden Fall nicht daran schuld, wenn die Plätze in der Wohnungslosenhilfe oder in der Kältehilfe nicht ausreichen. So viel ist klar.
[Beifall bei der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN – Beifall von Alexander Spies (PIRATEN)]
Die Plätze reichen nicht aus, weil es immer mehr Menschen gibt, die obdachlos sind, die von Wohnungslosigkeit bedroht sind. Der Grund dafür ist wachsende Armut, und wenn man Obdachlosigkeit verhindern will, dann muss man die Sozialpolitik dieses Landes und dieser Stadt verändern und Konzepte entwickeln, wie man gegen Armut vorgeht. Das wird die Bundesregierung nicht tun und dieser Senat und diese Koalition offensichtlich auch nicht. Man erarbeite ja ein Diskussionspapier, ein Strategiepapier, um gegen Armut vorzugehen, übrigens schon sehr lange. Es wär schön, wenn der Senat hier mal handeln würde.
Wenn es also nicht die Flüchtlinge sind, die die Kältehilfe verstopfen, dann reichen offensichtlich die Plätze nicht aus, selbst wenn die Flüchtlinge vernünftig untergebracht wären – was bisher noch nicht der Fall ist und wir auch nicht wissen, ob das vor Eintritt des Winters noch passieren wird. Wir brauchen schlicht und ergreifend die Kältehilfe. Die Kältehilfe muss ausgebaut werden – das scheint zumindest bei denjenigen, die schon geredet haben, Konsens zu sein.
Jetzt verweise ich noch mal auf die BAG Wohnungslosenhilfe, die ja Anfang der Woche eine lange, lange, lange Pressemitteilung, liebe Kollegin Radziwill, mit noch mal ganz, ganz vielen Zahlen veröffentlicht hat. Sie hat deutlich gemacht: Seit 2012 ist die Anzahl der Obdachlosen um 50 Prozent angestiegen, und der Anstieg wird weitergehen. Jetzt haben wir die letzten Wochen gehört, der Senat plant 600 Plätze für die Kältehilfe – na ja, jetzt sind es vielleicht auch 700 Plätze. So genau weiß man es aber noch nicht, weil man sich ja gerade in dem Abstimmungsprozess mit den Bezirken befindet. – Das wurde uns letzte Woche gesagt. Ehrlich gesagt: Es ist schnuppe, ob es 600 oder 700 sind; wir sagen in unserem Antrag 1 000. Es ist im Moment schnuppe, weil es nicht die Gebäude gibt, um diese Plätze zu errichten. Deshalb kann der Senat viel planen. Die spannende Frage ist: Was tut er, was tut die Koalition, um das umzusetzen? – Deshalb sagen wir nicht nur, wir wollen 1 000 Plätze, sondern wir sagen: Der Senat trägt eine Verantwortung dafür, und er muss die Bezirke und die Träger unterstützen, dass sie geeignete Gebäude finden, um dort Notschlafplätze einzurichten. Das ist ja überhaupt nicht gegeben! Alle tun so, als wäre es im Moment supi, aber es gibt da ein anderes Problem.
Wenn wir jetzt einmal angucken, dass es ganz, ganz viele Angebote für die Unterbringung geflüchteter Menschen gibt, die alle irgendwo ungeprüft rumliegen, dann kann man nur sagen: Auch hier ist es notwendig, all diese
Angebote zu prüfen und zu gucken, welche Angebote sich eignen, um Familien unterzubringen, um geflüchtete Menschen unterzubringen, um Obdachlose unterzubringen, und hier irgendwo mal einen Plan reinzubringen. – Das passiert leider nicht; und das ist das Problem. Jetzt sage ich: Der Winter steht vor der Tür, und jetzt muss endlich auch mal gehandelt werden! Eben wurde gesagt: Mit gutem Willen lässt sich das umsetzen. – Das glaube ich auch, aber der gute Wille allein reicht nicht. Der Senat muss jetzt endlich handeln!
Meine Kollegin hat eben schon darauf hingewiesen, dass sich auch die Zusammensetzung der wohnungslosen Menschen verändert: immer mehr Frauen, immer mehr Kinder. Ich hoffe, auch das ist Konsens: Die dürfen nicht einfach in die Kältehilfe. Deshalb ist es wichtig, die Kältehilfe jetzt besser auszustatten. Aber viel wichtiger ist es, dass es endlich eine Trendwende in der Wohnungslosenpolitik dieser Stadt gibt, dass die Wohnungslosenhilfe gestärkt wird und dass die Angebote so verändert werden, dass sie auch abbilden, welche Bedarfe es in dieser Stadt gibt, und diese Bedarfe auch angeboten werden. Wir können nicht länger sagen: Wir haben 30 Plätze für obdachlose Frauen, wenn jetzt noch 10 geschaffen werden. – Das ist einfach ein Lacher! Es ist eine Frechheit, damit auf die Straße zu gehen und zu sagen: Wir machen ganz tolle Sachen! – Das machen wir nicht! Dieser Senat soll endlich seine Hausaufgaben machen und die Kältehilfe besser ausstatten – und das ganz schnell. Aber die Wohnungslosenhilfe muss endlich verändert werden!
Vielen Dank, Frau Breitenbach! – Für die CDU-Fraktion jetzt Herr Abgeordneter Krüger das Wort. – Bitte sehr!
Frau Präsidentin! Meine Damen! Meine Herren! Vielleicht Gott sei Dank: Keiner weiß vorab, wie intensiv und wie lange andauernd der kommende Winter sein wird. Im letzten Jahr war die Herausforderung nicht so groß. Die angebotenen Kapazitäten waren knapp, aber ausreichend. Aber solche Aussagen kann man leider immer erst im Nachhinein treffen.
Seit Jahren ist es Vorgehensweise des Senats, bereits zu Beginn des Sommers die Bezirke an einen Tisch zu holen und die Planung für den kommenden Winter anzugehen. So war es nach meiner Kenntnis auch in diesem Jahr – und das trotz der umfangreichen Herausforderungen durch die aktuellen Flüchtlingszahlen. Die Bezirke sind für die Bereitstellung der Notschlafplätze verantwortlich. Entsprechende Finanzmittel sind in die Bezirkshaushalte eingestellt, oder die Kosten werden vom Finanzsenator bei der Basiskorrektur am Ende des Kalenderjahres
ausgeglichen. Der Senat unterstützt regelmäßig – und ich lege darauf Wert, das hier festzustellen – bei der Koordination und bei der Suche nach für diesen Zweck brauchbaren Räumlichkeiten und Trägern, die diese betreuen. Gemeinschaftlich haben sich Senat und Bezirke für den kommenden Winter erst einmal auf eine Zielgröße von 600 Schlafplätzen verständigt, an deren Gewinnung derzeit in allen Bezirken gearbeitet wird und für die die finanziellen Mittel – das ist hier auch schon mehrfach festgestellt worden – gesichert sind.
Senator Czaja hat heute Morgen die Zahl von 700 genannt, und, wie wir wissen, ist auch dafür im Sinne der Basiskorrektur augenscheinlich schon gesorgt. Er hat ausgeführt, dass er über seine Gespräche mit den Maltesern die Möglichkeit für weitere Schlafplätze – er nannte die Zahl 200 – im innerstädtischen Bereich sieht. Er ist dabei auch auf Frauenschlafplätze im Besonderen eingegangen. Heute Morgen hat die CDU-Fraktion unter anderem auch das Thema Kältehilfe mit den Vertreterinnen und Vertretern der katholischen und evangelischen Kirche besprochen und für deren Engagement in den letzten Jahren gedankt. Zugleich haben wir aber auch darum gebeten, die Übernachtungsangebote insbesondere für die kältesten Nächte dieses Jahres im Zusammenwirken mit den Bezirken noch weiter zu steigern.
Natürlich ist es nicht ganz einfach, besonders im Stadtzentrum entsprechende neue Räumlichkeiten auszumachen und auch entsprechende Träger zu finden. Alle Beteiligten geben sich dabei aber große Mühe, und ich sage das hier – da unterscheiden wir uns vielleicht ein bisschen: Wir setzen an dieser Stelle immer noch auf Ansprache und Überzeugungsarbeit. Denn jeder Zwang – und das haben wir heute Nachmittag hier schon ein paar Mal diskutiert – setzt ja immer Kontrollmechanismen voraus, und einem in allem kontrollierenden und präsenten Staat werde ich hier das Wort nicht reden.
Sie haben nun in Ihrem Antrag mal eben die Zahl 1 000 genannt, aber zugleich mit dem Motto: Die Arbeit tun dann die anderen! – Die müssen ja dann auch erst einmal gefunden werden. Ich stelle fest, dass sich neuerdings immer mehr einbürgert, dass bei Anträgen der Opposition von leer stehenden Wohnungen und – wie ein Zauberwort – von Ferienwohnungen gesprochen wird und davon, sie zwangszurekrutieren – als würden letztere, gerade die Ferienwohnungen, im Winter leer stehen und nach Nutzung rufen. Wer die Nutzung einer Ferienwohnung offengelegt hat, genießt bis Mai 2016 juristischen Schutz; eine rechtliche Genehmigung ist ausgesprochen worden. Im Übrigen wären Zwangsmaßnahmen – das haben wir heute schon mehrfach diskutiert – nur dann durchsetzbar, wenn eindeutig und gerichtsfest nachgewiesen werden kann, dass zum entsprechenden Zeitpunkt staatlicherseits keine Unterbringungsmöglichkeiten mehr bestehen.
Vielen Dank, Herr Krüger! – Für die Piratenfraktion hat jetzt das Wort der Herr Abgeordnete Spies. – Bitte!
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Vielleicht noch mal zur Wohnungsrückgewinnung: Es geht natürlich um die Beschlagnahmung von illegalen Ferienwohnungen – um das noch mal eindeutig zu sagen.
Allerdings hängt das Problem, über das wir jetzt debattieren, nur mittelbar mit der Unterbringung von Wohnungslosen zusammen. Es ist die Folge, dass hier zu wenig passiert ist, dass zu wenige Obdachlosenunterkünfte zur Verfügung stehen. Insofern haben wir hier die Notfälle in den Blick zu nehmen. Denn wenn schon in der Wohnungslosenhilfe zu wenig passiert, so ist es doch unsere Aufgabe und unsere Pflicht, den Menschen, die bei Einbruch der Kälte auf der Straße leben, eine Notunterkunft zu bieten. Diese Notunterkünfte gibt es jedes Jahr. Ob sie ausreichend sind? – Es sind jedes Jahr eher zu wenige. Gerade in diesem Jahr – das sagt der Antrag, das haben auch alle Vorredner und Vorrednerinnen bestätigt – können wir aus guten Gründen einen Anstieg der betroffenen Menschen, die auf der Straße leben, erwarten.
Jetzt ist es natürlich sehr schwer, eine Prognose abzugeben. Darauf haben wir auch schon sehr oft hingewiesen, es liegen keine verlässlichen Zahlen vor. Wir haben keine Wohnungsnotfallstatistik, sodass die Planung schwierig ist. Die 1 000 sind wirklich eine Mindestzahl. Wir werden erst – da hat der Kollege Krüger recht – im Nachhinein wissen, was denn wirklich gebraucht wird. Aber gerade deswegen muss man hier Vorsorge leisten. Kollegin Radziwill hat es bereits ausgeführt, dass es hier vor allem darum geht, die Bezirke zu unterstützen. Denn aus den Bezirken und von den Trägern erreichen uns seit geraumer Zeit diese Hilferufe.
Dann muss ich natürlich fragen, Herr Kollege Krüger, was hat der Senat denn eigentlich gemacht. Wie hat er
sich vorbereitet? Oder war er auch hier überfordert? Wir haben – das habe ich vorhin gesagt – diese 120 Objekte, die am 12. März von der Bundesanstalt für Immobilienmanagement gemeldet wurden und die bislang immer noch geprüft werden. Auch wenn jetzt möglicherweise nicht alle diese Objekte für Flüchtlingsunterkünfte oder Wohnungslosenunterkünfte geeignet sind, dann gibt es doch vielleicht auch einige darunter, die man kurzfristig für die Kältehilfe, für die Notfallunterbringung herrichten kann. Hier ist natürlich der Senat gefordert, gemeinsam mit den Bezirken zu handeln, denn den Bezirken ist in vielen Fällen die Möglichkeit genommen, direkt auf solche Objekte zuzugreifen, selbst wenn sie ihnen bekannt sind.
Insofern möchte ich auch an dieser Stelle noch einmal an den Senat appellieren, wenn er schon in vielen anderen Fällen seine Aufgaben nicht erledigt, so ist es hier aber notwendig, diese Notfallhilfe anzubieten, denn hier geht es um Menschenleben. Ich möchte nicht in der Zukunft Meldungen in der Presse lesen, dass wohnungslose, obdachlose Menschen hier in Berlin irgendwo erfroren sind. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!
Es wird die Überweisung des Antrags an den Ausschuss für Gesundheit und Soziales und an den Hauptausschuss empfohlen. Gibt es hierzu Widerspruch? – Das ist nicht der Fall. Dann verfahren wir so.
Ich eröffne die erste Lesung. Eine Beratung ist nicht vorgesehen. – Es wird die Überweisung der Gesetzesvorlage federführend an den Ausschuss für Stadtentwicklung und Umwelt und mitberatend an den Ausschuss für Bauen, Wohnen und Verkehr empfohlen. Gibt es hierzu Widerspruch? – Gibt es nicht. Dann verfahren wir so.
Ich eröffne die erste Lesung. Von nun an stehen den Fraktionen für alle weiteren Beratungen die Kontingente der Gesamtredezeit gemäß § 64 Abs. 1 Satz 1 GO zu. In der Beratung beginnt die Fraktion Die Linke. Das Wort hat der Abgeordnete Herr Dr. Lederer. – Bitte!
Frau Präsidentin! Ich glaube, es war ein inniger Wunsch von Herrn Henkel, dass dieses Gesetz existiert. Vielleicht könnte er sich dann wenigstens hierher bequemen, wenn wir darüber reden.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich glaube, das Gesetz ist so ein Wunschgesetz von Herrn Henkel. Deshalb war ich auch ein bisschen überrascht, dass es nicht durch den Senat eingebracht worden ist, sondern von zwei Fraktionen. Es war hier früher gute Tradition, dass man Vorgänge, die die direkte Demokratie betreffen, fraktionsübergreifend diskutiert und einbringt. Nun wissen wir schon länger, dass diese Koalition die Tradition nicht fortsetzen will. Seit SPD und CDU hier gemeinsam miteinander regieren, ist alles Sinnen und Trachten darauf gerichtet, die Bedingungen für direkte Demokratie zu verschlechtern, Bürgerinnen und Bürger, die sich für ein Anliegen engagieren als Vertreter von Partikularinteressen zu denunzieren und die Verfahren direkter Demokratie auszutricksen. Das wird mit diesem Gesetz fortgesetzt.