Protocol of the Session on September 10, 2015

[Beifall bei den PIRATEN]

Zum Ende meiner Rede – ich habe eine ganze Menge Posten in diesem Haushalt vergessen, aber wir haben jetzt Wochen und Monate Zeit, uns nicht nur im Hauptausschuss, sondern auch in den Fachausschüssen damit zu beschäftigen – möchte ich noch einmal betonen, dass ich auf die konstruktive Beratung in den Fachausschüssen und im Hauptausschuss hoffe, auch mit den Aussagen, die Herr Esser getroffen hat, weil der Senator auch gesagt hat, dass er am Ende um die Zustimmung von uns allen wirbt. Das setzt aber voraus, dass nicht nur im Haupt- und im Fachausschuss die Koalition uns nicht so behandelt wie in den letzten Jahren, sondern mit unseren Ideen ordentlich umgeht, ordentlich diskutiert und wir dann auch ein paar Änderungen sehen werden. Und dann können wir vielleicht einmal darüber reden, ob es einmal eine gemeinsame Zustimmung zu so einem Haushalt gibt. Aber wenn Sie sich so verhalten wie in den letzten beiden Haushaltsjahren, dann dürfte es vielleicht doch ein bisschen schwierig werden. – Vielen Dank!

[Beifall bei den PIRATEN]

Vielen Dank, Herr Herberg! – Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Doch? – Verzeihung! Das ist bei mir nicht angekommen. Dann eröffnen wir jetzt die zweite Rederunde. – Das Wort hat der Herr Abgeordnete Zillich der Linksfraktion. – Bitte!

[Torsten Schneider (SPD): Aber muss man nicht hinter- einander sprechen?]

(Heiko Herberg)

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Verehrter Kollege Schneider! Die Beratungen des Ältestenrats und der Geschäftsführer sind zwar vertraulich, aber da haben wir genau diese Frage geklärt.

Verehrter Kollege Herberg! Ich finde es schon beeindruckend, aber es hat ja auch etwas mit dem ehrlichen Anspruch zu tun, wie man auch nach vier Jahren Parlaments- und Oppositionserfahrung noch mit so viel Optimismus in eine Haushaltsberatung reingehen kann. Wohlan!

[Beifall bei der LINKEN – Heiko Herberg (PIRATEN): Ich bin eine Frohnatur! – Martin Delius (PIRATEN): Wir sind nicht frustriert!]

Wenn man den Haushalt beurteilen möchte, muss man sich ja zunächst einmal auf einen Maßstab verständigen. Misst man ihn an seinen rot-schwarzen Vorgängern, dann muss man in der Tat lobend sagen, er ist um vieles realistischer und kommt dem entgegen, was die Opposition jahrelang gefordert hat. Das erkennen wir an. Aber man muss dann eben auch sagen, es kommt vier Jahre und viele Milliarden zu spät.

[Beifall bei der LINKEN]

Und wenn der Maßstab sein soll, was die Stadt braucht, was im Sinne der Berlinerinnen und Berliner erforderlich ist und was finanziell auch möglich ist, dann ergibt sich schon ein anderes Bild, z. B. bei den Investitionen. Ja, wir haben einen riesigen Bedarf – das ist unbestritten – bei dem Abbau des Sanierungsstaus, bei Investitionen in die wachsende Stadt, und die Ausgaben steigen hier auch an. Ein Großteil dieses Anstiegs wird aber eben von den beiden Großprojekten BER und Staatsoper aufgefressen, das ist schon gesagt worden. Das ist unvermeidliche Vergangenheitsbewältigung und sicher keine zukunftsweisende Investitionspolitik und auch kein Abbau des Sanierungsstaus.

[Wolfgang Brauer (LINKE): Das sind zwei Pleiten, das ist richtig!]

So auch beim Abbau des Sanierungsstaus in den Schulen. Da muss man feststellen, wir haben hier je nach Zähl- und Berechnungsweise – ich bin da großzügig – einen Sanierungsstau von 1 bis 2 Milliarden Euro, und wir haben Mittel in diesem Haushalt stehen von etwas mehr als 70 Millionen Euro pro Jahr. Man wird einfach feststellen müssen angesichts dieses Haushaltes: Dieser Haushalt wird es nicht sein, der den Sanierungsstau in den Schulen am Ende abbaut.

Bei den Krankenhäusern bleiben die Ansätze unter den Investitionsbedarfen zurück. Bei der Universitätsmedizin gehen die Investitionen erst mal zurück und decken bei Weitem nicht das ab, was die Gesamtentwicklungsplanung der Charité als notwendig erachtet.

Stichwort Bäder: Hier ist der Sanierungsstau trotz eines Bädersanierungsprogramms in den letzten Jahren auf knapp 90 Millionen Euro angewachsen. Dieses Sonderprogramm gibt es nicht mehr. Und nun wird der reguläre investive Zuschuss um 1 Million Euro pro Jahr erhöht. Man wird konstatieren müssen, die Ansprüche des Bäderkonzepts, das Sie hier gelobt haben, sind damit Makulatur – die Ansprüche, die sie selbst daran haben. Nein, mit diesem Haushalt wird der Investitionsstau bei den Bädern nicht verringert werden.

[Beifall bei der LINKEN]

Der Tierpark: Hier gibt es ein Konzept, der Investitionsbedarf liegt auf dem Tisch. Im Haushalt ist er bei Weitem nicht untersetzt. Und so geht es weiter: Die Brücken und Straßen – ein desaströses Bild für die Zukunft. Die Verwaltungsgebäude: kaum der Bestandserhalt wird gesichert, von energetischer Sanierung oder strategischer Investition in Energiepolitik kann gar nicht die Rede sein.

Sicher, na klar, diese Bedarfe übersteigen tatsächlich die Möglichkeiten eines Doppelhaushalts und auch eines Finanzplanungszeitraums. Deswegen erkennen Sie ja in der Finanzplanung – das finde ich richtig – die Notwendigkeit an, dass man ein über mehrere Jahre geplantes Investitionsprogramm braucht. Aber aus dieser richtigen Problemsicht folgt eben im Haushalt fast nichts. Stattdessen setzen Sie weiter auf das Prinzip SIWA, und das besteht eben darin, dann zu investieren, wenn man zufällig Geld übrig hat. Und das ist nun einmal das Gegenteil eines langfristigen Sanierungsprogramms.

[Beifall bei der LINKEN]

Natürlich müssen wir auch im Doppelhaushalt selbst noch Spielräume schaffen für weitere Investitionen. Ich will nur kurz – die Zeit erlaubt es nicht mehr, Sie werden es noch genauer hören – drei Vorschläge dazu anreißen: Erstens müssen wir uns natürlich nach der Steuerschätzung im November sehr genau angucken, welche Spielräume daraus noch entstehen. Zweitens finde ich, dass es angemessen ist, die Einnahmebasis zu erweitern und die Gewerbesteuer, den Hebesatz, anzufassen, wenn man dadurch Investitionen erhöht. Und zum Dritten finde ich, dass wir in diesem Haushalt 2015 über einen Nachtragshaushalt reden, der es ermöglicht, die fetten Überschüsse, die wir ja einfahren werden – 1 Milliarde werden wir ungefähr tilgen in diesem Jahr –, beispielsweise zu verwenden, um die Investitionen am BER, die notwendig sind, zu finanzieren –

Sie müssten bitte zum Schluss kommen.

und dadurch 180 oder 130 Millionen zusätzliche Möglichkeiten für Investitionen 2016 und 2017 zu gewinnen. – Vielen Dank!

[Beifall bei der LINKEN]

Vielen Dank, Herr Zillich! – Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Den Vorabüberweisungen hatten Sie bereits eingangs zugestimmt.

Ich rufe nun auf

lfd. Nr. 4.2:

Priorität der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen

Tagesordnungspunkt 38

Berliner Landesstrategie zur Stärkung bürgerschaftlichen Engagements (EngagementStrategie)

Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Drucksache 17/2427

In der Beratung beginnt die Fraktion Bündnis90/Die Grünen. Das Wort hat die Abgeordnete Frau Dr. Kahlefeld. – Bitte!

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Über das überwältigende Engagement der Berlinerinnen und Berliner zur Unterstützung der Geflüchteten haben wir zu Beginn der Sitzung schon gesprochen. Es ist großartig, es macht Mut, es macht optimistisch, dass sich unsere Gesellschaft zum Guten entwickelt und in Vielem weiter ist als die Politik.

[Beifall bei den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei der LINKEN]

Wir haben auch, glaube ich, alle verstanden, dass dieses Engagement Berlin verändert. Die Menschen in den Initiativen rund um die Unterkünfte und vor dem LAGeSo springen ein, wo der Senat über Jahre versagt hat: Abbau von Personal, von Unterbringungsmöglichkeiten und von Strukturen. Und das im Vertrauen darauf, dass die deutsche Abschottungspolitik funktioniert und die Geflüchteten an den Außengrenzen der EU hängen bleiben – was auch wortwörtlich zu verstehen ist, und Deutschland liefert dazu den NATO-Stacheldraht.

Die Menschen, die sich in den Initiativen organisiert haben, ignorieren Dublin. Sie fragen die Ankommenden nicht: Wo sind Sie eingereist, und woher kommen Sie überhaupt –, bevor sie Essen, Kleidung, gesundheitliche Versorgung und Unterkunft anbieten. Sie fragen einfach: Was brauchen Sie? Was können wir tun? Und sie sagen willkommen.

Nun stellen Sie sich einmal ganz kurz vor, wie es in Berlin aussähe, wenn es diese selbstbewussten und gut organisierten Initiativen nicht gäbe, in den Unterkünften, vor dem LAGeSo, auf den Straßen und in den Parks. Die

Bilder dieses Elends lassen einem den Atem stocken: ohne Wasser und Schatten, ohne Verpflegung, ohne Übersetzung und gutes Zureden, ohne gesundheitliche Versorgung, ohne Begleitung zu Ämtern, ohne Kinderbetreuung, ohne Wohnungssuche, ohne Anwohnerversammlungen, um alle informiert zu halten. Nach diesem bedrückenden Gedankenexperiment können wir ermessen, was die Berlinerinnen und Berliner in den letzten Monaten geleistet haben. Was wäre diese Stadt ohne all dieses Engagement, ohne die zahlreichen Inis, die kurzerhand Onlineplattformen zum Ehrenamtsmanagement programmieren und ins Internet stellen, ohne die vielen Helferinnen und Helfer, die Tag und Nacht pragmatisch anpacken?

Das Engagement für die Geflüchteten ist herausragend. Das Engagement im Bereich von Pflege und Betreuung, mit Jugendlichen, in der Nachhilfe, im Sport und in der kulturellen Bildung ist ebenfalls immens. Auch hier machen Freiwillige diese Stadt zu einem besseren Ort. Auch hier fehlt, was im Bereich der Flüchtlingsarbeit offensichtlich geworden ist: eine eindeutige und abgestimmte Unterstützung durch den Senat.

[Beifall bei den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei der LINKEN]

Die Berlinerinnen und Berliner fangen aktuell auf, was der Senat versäumt hat, wo staatliches Handeln nicht funktioniert, wo es an Ressortabstimmung, Planung und Koordinierung fehlt.

[Burkard Dregger (CDU): Zum Thema!]

Das darf aber auf Dauer nicht so weitergehen. Ehrenamt ist nicht dazu da, Fehler der Regierungen auszubügeln. Und eine Regierung darf nicht ihre Verantwortung auf die Freiwilligen abwälzen.

[Beifall bei den GRÜNEN, der LINKEN und den PIRATEN]

Deshalb müssen die Verhältnisse zwischen Senat und bürgerschaftlichem Engagement neu geordnet werden. Die Vernetzungsstrukturen müssen unterstützt werden, Bürokratie muss abgebaut werden. Wir brauchen eine Verwaltung, die bereit und in der Lage ist, mit freiwillig Engagierten zu kooperieren, auch außerhalb offizieller Vereins- und Verbandsstrukturen.

Wir fordern deshalb in unserem Antrag den Senat auf, zur Unterstützung des Engagements in Berlin einen landesweiten und ressortübergreifenden Prozess der Strategieentwicklung einzuleiten. Ziel sollte es sein, eine gemeinsame und verbindliche Vereinbarung zu erarbeiten und Strukturen zu schaffen, die den Berlinerinnen und Berlinern die aktive Gestaltung und Mitbestimmung in der Stadt ermöglichen.

Dazu gehört die Stärkung der Netzwerkarbeit und des Informationsflusses. An Bestehendes wie die Freiwilligenagenturen und die Nachbarschaftsheime sollte an

geknüpft werden, Initiativen, Verbände, Stiftungen, Vereine wie das Landesnetzwerk für bürgerschaftliches Engagement, Migrantenselbstorganisationen und Willkommensinitiativen für Flüchtlinge sowie engagierte Menschen ohne Organisation sind einzubinden.

Ebenso wichtig ist es aber, die Verwaltung in Berlin auf die Zusammenarbeit mit den Engagierten zu verpflichten. Hier sind Weiterbildung und die Schaffung verbindlicher Strukturen vonnöten. Was vielleicht abstrakt klingt, würde im Fall der Flüchtlingshilfe bedeuten: Eine Verwaltung, die sich mit der Zivilgesellschaft auf gedeihliche Kooperation verständigt hat, wird bei der Vergabe von Unterkünften die Zusammenarbeit der Betreiber mit den Initiativen vor Ort vertraglich festschreiben. Um ein Beispiel zu nennen: Private Betreiber, die den Willkommensinitiativen den Eintritt aus Angst vor der Aufdeckung von Mängeln und unhaltbaren Zuständen verwehren, würde es künftig dann nicht mehr geben. Kurz: Berlin braucht eine Ehrenamtscharta. Die Länder Baden-Württemberg und Hamburg sind mit gutem Beispiel vorangegangen und haben erfolgreich eine Engagementstrategie entwickelt. Sie sind jetzt schon in der Umsetzungsphase, und dem sollte Berlin folgen.

[Beifall bei den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei der LINKEN und den PIRATEN]

Vielen Dank, Frau Dr. Kahlefeld! – Jetzt hat für die SPDFraktion Frau Abgeordnete Radziwill das Wort. – Bitte sehr!