Protocol of the Session on September 10, 2015

[Oh! von den Grünen]

Bitte schön, Herr Kollege!

Es gibt auch richterliche Fehlentscheidungen, und gerade solche! Wir wissen aus rechtssoziologischen Erhebungen, dass gerade bei Eilbefugnissen solche Anträge oft von Ermittlungsrichtern genehmigt werden, obwohl die gesetzlichen Voraussetzungen überhaupt nicht vorliegen.

[Zuruf von Sven Rissmann (CDU)]

Ja, aber Sie überlassen mir, wie ich antworte, Herr Kollege, oder?

[Sven Rissmann (CDU): Haben die Richter es angeordnet oder nicht?]

Sie haben es angeordnet, aber ich sagte gerade, es sei durchaus denkbar, dass diese Anordnungen im konkreten Fall nicht unbedingt den Anforderungen der Rechtsordnung entsprechen. Das wird keiner bestreiten. Das sind rechtssoziologische Befunde, die Sie selbst nachlesen können. Sie sind ja Fachmann.

[Zuruf von Sven Rissmann (CDU)]

Jetzt lassen Sie mich doch mal antworten, plappern Sie nicht permanent dazwischen! Sie haben mir eine Frage gestellt. Hören Sie sich die Antwort an und vielleicht auch noch den Rest der Rede, denn ich komme noch dazu! Was war noch mal die zweite Frage?

[Lachen von Torsten Schneider (SPD) – Zurufe von der CDU – Sven Rissmann (CDU): Ob es eine Ermächtigungs- grundlage dafür gibt!]

Natürlich gibt es dafür eine Ermächtigungsgrundlage, und diese Ermächtigungsgrundlage spricht von schweren und schwersten Straftaten. Ich kann Ihnen eins sagen: Eierdiebstahl gehört nicht dazu. Punkt.

[Beifall bei der LINKEN und den PIRATEN]

Wie kommen Sie eigentlich dazu, mit solchen Fällen zu argumentieren, wenn selbst die lausigen Zahlen, die wir bekommen haben, die eigentlich das Papier nicht wert sind, auf dem sie stehen, besagen, dass die Straftaten, von denen Sie geredet haben, nur im absoluten Ausnahmefall überhaupt Gegenstand dieser Ermittlungsmethode waren? Sie müssen irgendwann mal anfangen, mit und über den Bericht zu diskutieren und nicht über irgendwas, das Sie gern dem Plenum erzählen wollen!

Kollege Lauer hat völlig recht, es ist eine politische, eine gesetzgeberische Entscheidung, welche Ermittlungsmethoden man einsetzt. Nicht alles, was eingesetzt werden kann, sollte in einem modernen Rechtsstaat auch eingesetzt werden. Das ist am Ende eine Abwägung zwischen Eingriffen auf der einen Seite und dem Nutzen bei der Strafverfolgung auf der anderen Seite. Wenn Sie jetzt sagen: Das mit der Überwachung ist doch völlig wurst, die Leute bekommen das doch gar nicht mit, und es interessiert sie auch nicht. – dann kann ich Ihnen an der Stelle mal sagen: Heimliche Grundrechtseingriffe sind schon per Definition des Bundesverfassungsgerichts schwere Eingriffe. Und die Nützlichkeit – den Beweis sind Sie uns schuldig geblieben, dass sie irgendetwas genützt haben. Wie gesagt, zur Bestätigung von Geständnissen brauche ich keine Funkzellenabfrage, das ist absurd. Da braucht man ordentliche Ermittlungsarbeit, dann bekommt man ein Geständnis.

Wir halten – das ist bekannt – diese Ermittlungsmethode für überflüssig, weil nicht dargelegt worden ist, dass der Nutzen angesichts der schweren Eingriffe in die Privatsphäre vieler Menschen – und es gibt eine fast flächendeckende Überwachung in dieser Stadt – tatsächlich deren Anwendung erfordert. Unabhängig davon haben wir in diesem Haus immer alle Anstrengungen unterstützt, um die Kriterien strikter zu fassen und die parlamentarische Kontrolle des Instruments zu verbessern, Transparenz herzustellen. Schon in seinem Bericht von 2012 – das sind nicht nur drei Jahre, Kollege Lauer, sondern fünf, wenn wir bis 2017 brauchen, um zu evaluieren – hat der Datenschutzbeauftragte gesagt: Rechtsstaatlichen Maßstäben genügt der Einsatz der Funkzellenabfrage hier in Berlin in keinem Fall. – Der Datenschutzbeauftragte ist nicht irgendwer. Danach haben wir begonnen zu diskutieren, danach haben wir versucht, Transparenz herzustellen und ein paar Korsettstangen einzuziehen. Ich erinnere mich noch an den hemdsärmeligen Herrn Raupach, der uns begeistert erzählt hat, wie man die Enkeltrickbetrüger mit der Funkzellenabfrage findet und dass parlamentarische Kontrolle sowieso eine ziemlich hinderliche und überflüssige Veranstaltung ist.

[Benedikt Lux (GRÜNE): Das war doch Herr Heilmann!]

Und jetzt reden wir über den Nichtumsetzungsbericht des Senats zu unserem einstimmigen Beschluss zur Erhebungsmatrix. Und das ist nun wirklich eine lausige Lieferung. Sie brauchen ein Dreivierteljahr für die Erkenntnis,

dass die vorhandene Software für die statistische Erhebung nicht geeignet ist. Wann haben Sie sich darum gekümmert, neue Softwarelösungen zu beschaffen? – Das war der Auftrag. Den haben Sie missachtet. Daraus folgt natürlich – Herr Lauer hat es gesagt –, dass wir frühestens 2017 hier ernsthaft darüber diskutieren können. Da sage ich an der Stelle: Für das bisschen Statistik, die das Minimum ist, was wir Abgeordneten zur Kontrolle der Exekutive erwarten dürfen, ist das lausig und ein bisschen zu wenig.

Die Ausführungen zum Pilotprojekt sind einfach nur dreist. Sie sagen, es geht um die Information von Menschen via SMS, da müssen wir mal ein bisschen prüfen. – Na, das ist doch keine Raketenwissenschaft, verdammt. Das erfordert eine Prüfung, aber Sie haben jetzt ein Dreivierteljahr geprüft, und jetzt teilen Sie uns mit, dass Sie immer noch weiter prüfen. So geht es nicht, Herr Heilmann!

[Beifall bei der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN und den PIRATEN]

Und was die gelieferten Daten anbetrifft: Cyber-Tommy jagt Eierdiebe! Wenn ich mir die Zahlen angucke, dann sind die aufbereiteten Zahlen noch weniger aussagekräftig geworden, als sie es im ersten Bericht waren. Man kriegt eigentlich gar nichts mehr wirklich aus diesen Zahlen raus. Das Einzige, was man feststellen kann: Die Zahl der Verfahren steigt. Sie steigt jedes Jahr aufs Neue. Das lässt vermuten, dass die Staatsanwaltschaft mit sinkender Hemmschwelle das Instrument einsetzt, wann es ihr passt. Die Behauptung, dass die Funkzellenabfrage nur bei schwersten Straftaten eingesetzt wird, lässt sich nicht aufrechterhalten. Das ist ein ziemlich dickes Ding. Dr. Dix hat völlig richtig festgestellt, dass hier eine rote Linie überschritten ist und dass hier weite Teile des Stadtgebiets unter permanente Beobachtung gestellt werden. Ich kann an der Stelle nur sagen: Massenhafte Ermittlungsbefugnisse und keinerlei Kontrolle, lieber Herr Rissmann, das kennzeichnet normalerweise nicht den demokratischen Rechtsstaat, sondern diktatorische Regimes. – Vielen Dank!

[Beifall bei der LINKEN, den GRÜNEN und den PIRATEN]

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

[Benedikt Lux (GRÜNE): Der Senator redet nur in der „Abendschau“! – Dr. Klaus Lederer (LINKE): Ja, der Senator redet dazu nur in der „Abendschau“!]

Die weitere Besprechung der vorliegenden Mitteilung – zur Kenntnisnahme – soll im Ausschuss für Verfassungs- und Rechtsangelegenheiten, Verbraucherschutz, Ge

schäftsordnung stattfinden. – Widerspruch höre ich nicht, dann verfahren wir so.

Ich rufe auf

lfd. Nr. 4.5:

Priorität der Fraktion der SPD

Tagesordnungspunkt 10

Gesetz zur Neuregelung der Stiftung Naturschutz Berlin

Vorlage – zur Beschlussfassung – Drucksache 17/2414

Erste Lesung

Ich eröffne die erste Lesung. In der Beratung beginnt die Fraktion der SPD. – Herr Kollege Buchholz, bitte schön, Sie haben das Wort.

Vielen Dank, Herr Präsident! – Meine Damen! Meine Herren! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Die SPDFraktion möchte heute mit Ihnen über den Entwurf zur Änderung des Gesetzes über die Stiftung Naturschutz Berlin diskutieren. Wir halten das für ein wichtiges Thema, denn die Stiftung Naturschutz Berlin, 1981 durch Beschluss des Abgeordnetenhauses gegründet, erfüllt wichtige Aufgaben im Bereich des Naturschutzes und des Artenschutzes in Berlin. Da ist als Hauptpunkt zu nennen, der auch am öffentlichkeitswirksamsten ist, der „Lange Tag der Stadtnatur“ mit x Veranstaltungen, die über ein ganzes Wochenende gehen und sichtbar die Berlinerinnen und Berliner daran erinnern, was alles an toller Naturschutzarbeit in Berlin gemacht wird, was möglich ist und was man alles an Natur in der Stadt entdecken kann.

Die Auslobung und Verleihung des Berliner Naturschutzpreises ist ebenfalls zu nennen, gerade erst vor drei Tagen. Senator Geisel hat die Laudatio gehalten, war auch bei der Verleihung des Berliner Naturschutzpreises dabei. Eine tolle Preisträgerin, die in diesem Jahr ausgezeichnet wurde! Wir können sehen, dass damit auch sichtbar Zeichen gesetzt werden für Leute, die sich ehrenamtlich im Bereich Natur- und Artenschutz engagieren und dass dort wichtige Arbeit gemacht wird.

Aber die Stiftung Naturschutz leistet noch viel mehr. Sie fördert mittelgroße und auch sehr kleine Projekte im Bereich Natur- und Artenschutz. Es gibt ein Bildungsforum Natur- und Umweltschutz, das es in dieser Form nicht noch einmal in Berlin gibt. Sie führt einen elektronischen Umweltkalender, in dem Informationen für alle, die sich mit diesem Themenbereich interessieren, im Internet sichtbar sind. Es gibt die Beratung für Projekte, für Initiativen. Und man vernetzt die ganzen Akteure aus diesen Bereichen.

(Dr. Klaus Lederer)

Ein weiterer großer Punkt ist für mich persönlich die ganze Zeit, die ich schon Abgeordneter und für Umweltpolitik zuständig bin, das freiwillige ökologische Jahr. Das organisiert die Stiftung Naturschutz in Berlin. Wir haben ganz bewusst als Parlament in den letzten Jahren, immer, wenn der Senat Kürzungen vorgesehen hatte, dafür gesorgt und immer wieder mächtig aufgestockt, dass wir bei den 300 Stellen für das freiwillige ökologische Jahr in Berlin bleiben. Dazu kommen jetzt noch die Buftis, wie sie neudeutsch nach dem Bundesfreiwilligendienst heißen, die ökologischen Buftis, die auch über die Stiftung organisiert werden. Außerdem ist sie zuständig für die Mittelverwaltung für die Jagdabgabe, Klimaabgabe, Mittelverwendung z. B. für Ausgleichsabgaben und Ersatzmaßnahmen, die bei großem Bauvorhaben wie beim Gleisdreieck notwendig sind. – Ich führe das aus, weil ich glaube, dass die Stiftung Naturschutz nicht immer jedem präsent ist und die Aufgaben, die wertvollen Aufgaben, die sie für die Stadt macht, nicht allen immer klar sind.

Das Gesetz über die Errichtung der Stiftung ist, wie gesagt, schon etwas älter. Es ist in kleineren Punkten novelliert worden, das ist aber auch schon fast zehn Jahre her. Wir haben zwei aktuelle Handlungsnotwendigkeiten, die wir auch als Parlament vor einiger Zeit festgestellt haben. Zum einen müssen wir uns über die dauerhafte Finanzierung der Stiftung ernsthaft Gedanken machen, denn das Stiftungskapital von gut 6 Millionen Euro reicht mit dem, was man im Augenblick an Zinsen, an Minimalzinsen, durch Kapitalanleihen bekommt, schlichtweg nicht aus, um den eigentlichen Aufgaben der Stiftung gerecht zu werden. Da müssen wir handeln. Das sehen wir auch. Es muss also eine deutliche Zuschussfinanzierung geben.

Wir haben auch erkannt – es gab vor einigen Jahren eine Anlageentscheidung, die nicht besonders glücklich war, die sich wie ein Bumerang bei der Stiftung gerächt hat, aber auch generell –, dass die Strukturen der Stiftung Naturschutz Berlin professionalisiert werden müssen. Und es ist notwendig, dass die Organe, die die Stiftung hat, in dem, was sie an Aufgaben haben, nicht bloß professionell unterstützt werden, sondern auch die Aufgaben klarer abgegrenzt und definiert werden.

Deswegen gibt es das Gesetz des Senats. Es ist auch im Gesetzentwurf genannt, und wir haben dort Anregungen gegeben, auch als Koalitionsfraktionen. Wir hatten im Parlament dazu schon Anhörungen und schon viele andere Diskussionen. Ich freue mich sehr, dass der Senator Geisel unsere Anregung aufgegriffen hat, dass wir gesagt haben, es kann nicht sein, dass die Umweltverbände, die Naturschutzverbände so weit rausgedrängt werden, dass sie nur noch eine Statistenrolle in einem Stiftungsrat für die Stiftung haben und wir darauf achten müssen, dass es dort eine andere Lösung gibt. Deswegen gibt es den Vorschlag vom Senat, dass es eine Drittelparität geben soll zwischen den Vertretern der Senatsverwaltung, die letzt

lich das Geld mitbringen – sage ich jetzt einmal im Namen des Parlaments –, einem Drittel Verbände und einem Drittel Fraktionen des Abgeordnetenhauses. Und das sind ja Vertreter von allen fünf Fraktionen. Ich glaube, wir müssen darauf achten, dass diese Drittelparität auch tatsächlich umgesetzt werden kann.

Aber ich kann auch schon sagen, dass wir das Gesetz, so wie es vorliegt, nicht in der vollständigen Ausformulierung direkt eins zu eins beschließen werden können, denn es geht nicht nur darum, dass § 1 nicht geändert wurde, wo noch steht: Wir errichten eine Stiftung. Da könnte man schreiben, es gibt eine Stiftung, sie soll ihre Arbeit weiter fortführen. Das wäre ein kleiner Punkt. Es gibt den großen Punkt, dass es, glaube ich, nicht sinnvoll ist, dass der Stiftungsrat so weit entmachtet wird, dass er auf ein reines Beratergremium zurückgestuft wird. Die Aufgabe, wie wir sie alle verstehen würden bei einem Stiftungsrat, wäre eine Aufsichtsratsfunktion: also den Vorstand beaufsichtigt und die wesentlichen Aufgaben in finanzieller, in organisatorischer und auch in inhaltlicher Hinsicht definiert, die der Vorstand und der Geschäftsführer/die Geschäftsführerin wahrnehmen sollen. Das ist uns wichtig, da werden wir auch zusammen noch einmal schauen müssen, welche Formulierung im Gesetz vernünftig ist. Denn ein reiner Statistenbeirat ist nicht notwendig. Ich glaube auch, verehrter Senator, dass es überflüssig wäre, wenn Sie oder der Staatssekretär Vorsitzender des Stiftungsrats eines Gremiums wären, das so wenig zu sagen hat.

[Beifall von Danny Freymark (CDU), Dr. Turgut Altug (GRÜNE) und Philipp Magalski (PIRATEN)]

Deswegen sollten wir den Stiftungsrat so definieren, dass er eine Aufsichtsfunktion hat, die eine Aufsichtsfunktion vernünftig abgrenzt, die grundlegenden Dinge der Stiftung festlegt, dass der Vorstand für die Führung der Geschäfte da ist und in der täglichen Umsetzung eine Geschäftsführung, ein Geschäftsführer oder eine Geschäftsführerin, jetzt unterstützt durch einen professionellen Prokuristen. Das ist eine sehr gute Lösung, wenn wir uns anschauen, dass wir damit die drei Zukunftsprobleme, die die Stiftung hat, auf einmal lösen können. Ich glaube, da ist der Senatsentwurf eine sehr gute Grundlage. Das Feintuning machen wir hier im Parlament. Ich freue mich auf die Beratung gemeinsam mit Ihnen, liebe Kolleginnen und Kollegen. – Herzlichen Dank!

[Beifall von Tom Schreiber (SPD) und Danny Freymark (CDU) – Zuruf von der CDU: Da klatscht nicht mal die SPD!]

Danke schön, Herr Buchholz! – Für die Grünen hat jetzt Herr Dr. Altug das Wort. – Bitte schön!

(Daniel Buchholz)

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Kollege Buchholz! Ich freue mich, von Ihnen Sachen zu hören, bei denen wir uns einig sind. Ich hoffe, dass wir uns in den Ausschussberatungen zusammen für die Zukunft der Stiftung Naturschutz einsetzen.

[Beifall bei den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei der LINKEN]