Protocol of the Session on September 10, 2015

(Dirk Behrendt)

zuordnen war, die in Kontakt mit einer weiteren Person stand, die ein Motiv für die Tötung des Geschädigten hatte. Beide Rufnummern wurden mit den Telekommunikationsüberwachsungsmaßnahmen belegt. Darüber konnten Tatverdächtige ermittelt werden, die unterdessen rechtskräftig verurteilt sind. Es handelte sich um versuchten Mord, Herr Lauer und Herr Behrendt.

Fall fünf: Wieder ein kleines Eigentumsdelikt, Herr Lauer: Gegenstand des Verfahrens ist eine Serienbrandstiftung – Sie werden sich daran erinnern – an über 100 Pkw. Die Brandserie war damals durchaus auch hier ein Thema. Die Namhaftmachung des geständigen Täters ergab seine Handynummer. Durch einen späteren Abgleich mit den Funkzellendaten konnte sein Geständnis auf Belastbarkeit überprüft und er damit überführt werden.

Ein sechster Fall: Gegenstand des Verfahrens ist ein Raubmord. Das haben Sie wieder übersehen. Es war ein Student. Er wurde erst nach einer Woche tot in seiner Wohnung gefunden. Auf die Spur des Täters kam man allein durch Funkzellenauswertungen, da der Täter das Handy seines Opfers mitgenommen hatte und somit seine Spur nachzuvollziehen war.

Fall sieben: Der berühmte Pokerraub. Sie alle wissen, welchen ich meine. Er konnte nur durch die Maßnahmen der Funkzellenüberwachung aufgeklärt werden.

Ein achter Fall: Nachdem die Leiche des Opfers am Tatort am Freibad Lübars aufgefunden worden war – das sind alles keine Geheimnisse; es sind alles Fälle aus der Presse – war zunächst völlig unklar, wer der Täter sein konnte. Über die Funkzellenabfrage konnte ermittelt werden, dass sich der Freund der Getöteten sowie eine Mittäterin zur Tatzeit am Tatort aufhielten. Ferner konnte über die Funkzellenabfrage genau nachvollzogen werden, wann und wie die Täter in der Tatnacht kommuniziert haben. Dadurch konnte der Tatablauf minutengenau nachvollzogen werden. Ohne die Funkzellenabfrage wäre dieser Fall höchstwahrscheinlich nie aufgeklärt worden.

Ein letztes Beispiel:

[Benedikt Lux (GRÜNE): Das waren aber nur 10 von 500! Was ist mit den anderen 490?]

Ausgangspunkt der Ermittlungen war das Handy des getöteten Tatopfers. Im Zuge der Ermittlungen wurden die Verbindungsdaten zu diesem Handy ausgewertet, wodurch ein Handy ermittelt werden konnte, welches von einem der Täter genutzt wurde. Die Verbindungsdaten zu diesem Handy führten zu dem zweiten Täter. Durch die Auswertung der erhobenen Verbindungsdaten und der Funkzellendaten in Verbindung mit den tatrelevanten Örtlichkeiten und den Aufenthaltsorten der Angeklagten konnten die Täterhandys den Angeklagten zugeordnet werden. Ohne diese Maßnahmen wären die Ermittlungen der Täter nicht möglich gewesen.

Das sind nur neun Beispiele, die beeindruckend zeigen, wie wichtig dieses Instrument ist, um schwerste Straftaten aufklären zu können. Ihre Bedenken sind keinesfalls so stark, dass sie es rechtfertigten, darauf zu verzichten.

[Beifall bei der CDU]

Vielen Dank! – Jetzt hat der Kollege Lauer für eine Zwischenbemerkung das Wort. – Bitte schön, Herr Kollege!

Vielen lieben Dank! – Herr Präsident! Liebe Kollegen! Lieber Herr Rissmann! Ich zitiere mal zu Ihren Einzelbeispielen aus einem offiziellen Dokument des Senats, der Drucksache 17/12769. Da ging es auch um Überwachungsmaßnahmen und Einzelbeispiele. Da teilte der Senat, wahrscheinlich Ihr Innensenator, mit, die dargestellte Auffassung, dass über die Benennung von wenigen Beispielen hinaus eine differenzierte Betrachtung im Hinblick auf eine Gesamtbeurteilung möglich sei, teile der Senat nicht. Ich muss Ihnen mitteilen, dass auch für den Fall, dass Sie das hier möglicherweise für gewinnbringend hielten und Sie in mindestens einem Fall keine nicht individualisierte, sondern eine individualisierte Funkzellenabfrage genannt haben und ich erst mal bestreite, dass diese Fälle alle aus der Presse sind und Sie gerne noch mal erklären können, woher Sie diese Zusatzinformationen haben – – es ist Ihnen gegönnt, dass Sie als Koalitionspolitiker einen besseren Zugriff auf die Ressourcen des Senats haben als der Rest des Parlaments, das können Sie noch mal erklären.

Sie sagten, ideologischer Kampf gegen notwendige Ermittlungsmaßnahmen! Dem entgegne ich einfach: Entschuldigung! Es gibt noch keine Untersuchung, die in irgendeiner Art und Weise belegt, dass die nicht individualisierte Funkzellenabfrage in der Masse den Grundrechtseingriff, der dadurch millionenfach stattfindet, aufwiegt.

[Beifall bei den PIRATEN und der LINKEN]

Die gibt es nicht! Genauso könnte ich sagen: Kruzifixe haben eine gute strafverfolgende Wirkung, wir müssen mehr Kruzifixe aufhängen! – Dann würden Sie auch zu Recht sagen: Das geht doch nicht, das bringt doch nichts. – Dann würde ich sagen: Doch, doch, da gibt es eine tolle Bibelstelle, da steht: Der Herr wird dich beschützen.

[Heiterkeit bei den GRÜNEN]

Auf diesem Niveau führen wir die Debatte, Herr Rissmann. Der Grund, warum wir sie noch immer auf diesem Niveau führen, ist, dass Ihr Senator nicht geliefert hat. Das ist ganz einfach. Wir wollten – zum ersten Mal in einem Landesparlament in der Geschichte dieser Maßnahme – eine qualifizierte Debatte über die Maßnahme

(Sven Rissmann)

der Funkzellenabfrage führen. Das geht nicht, weil die Verwaltung keinen Bock hat, den Beschluss des Parlaments umzusetzen.

Ich möchte noch mal auf Folgendes hinweisen: Es könnte sogar sein, dass im Rahmen eines Berichts herauskommt, dass die nicht individualisierte Funkzellenabfrage eine effektive Maßnahme ist. Dann könnten wir, weil wir Gesetzgeber sind, trotzdem sagen: Nein, wir als Parlament wollen das nicht, weil wir der Meinung sind, dass so eine Massenüberwachung mit einer Demokratie nicht vereinbar ist.

[Beifall von Dr. Klaus Lederer (LINKE)]

Wer eine Funkzellenabfrage möchte, kann nach China oder Nordkorea ziehen, aber bitte nicht hier!

[Beifall bei den PIRATEN, den GRÜNEN und der LINKEN]

Das ist das, was wir als Parlamentarier oft vergessen: In der Politik geht es manchmal einfach darum, das zu tun, was man selbst als Parlament für richtig und verantwortbar hält, und nicht nur immer um das machbar Mögliche. – Vielen Dank!

[Beifall bei den PIRATEN, den GRÜNEN und der LINKEN]

Herr Rissmann? Keine weitere Wortmeldung? – Dann kommt jetzt Herr Dr. Lederer von der Fraktion Die Linke.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Lieber Herr Rissmann! Was Sie hier vorhin gemacht haben, ist unanständig und unredlich.

[Oliver Friederici (CDU): Das müssen Sie gerade sagen!]

Und es ist – nebenbei – auch am Thema vorbei.

[Beifall bei der LINKEN, den GRÜNEN und den PIRATEN]

Es ist unanständig und unredlich aus folgendem Grund: Wer so argumentiert, kann auch Folter rechtfertigen.

[Beifall bei der LINKEN, den GRÜNEN und den PIRATEN]

Ich muss nur sagen: Wer will eigentlich behaupten, dass die Anwendung von Folter auf Anordnung des Polizeipräsidenten den Jungen, der seinerzeit aus der Bankiersfamilie von Metzler entführt worden ist, nicht möglicherweise gerettet hätte, wenn er noch gelebt hätte? Das kann niemand behaupten. Und trotzdem ist es gut und richtig – und ich hoffe da sind wir uns einig, lieber Kollege Rissmann –, dass wir in einer rechtsstaatlichen Demokratie und bei einer rechtsstaatlichen Strafverfolgung auf Folter verzichten.

[Benedikt Lux (GRÜNE): Das weiß man bei Rissmann nicht! – Zurufe von der SPD und der CDU]

Das ist die Grundvoraussetzung. Ansonsten kommen wir an einen Punkt, an dem man nur genug Beispiele bringen muss, die am Stammtisch bestehen und die rührselig genug sind. Man kann den Einsatz jeder Ermittlungsmethode jederzeit rechtfertigen. Dann brauchen wir keine Strafprozessordnung mehr, wir brauchen kein Strafgesetzbuch mehr, wir brauchen kein Grundgesetz mehr, sondern wir sagen einfach: Die Polizei soll das Notwendige tun, um die Täter zu fassen. Punkt.

[Benedikt Lux (GRÜNE): Das will er doch!]

Dann können Sie auch die Gerichte abschaffen.

[Beifall bei der LINKEN und den PIRATEN]

Dass in einer Demokratie Gesetze und Recht auch Maß für staatliche Gewalt und für den Einsatz staatlicher Ermittlungsbefugnisse sind, sollte Ihnen, lieber Herr Kollege, als jemandem, der Jura studiert hat, der hoffentlich ein paar Staatsrechtsvorlesungen gehört hat, der eigentlich mal im Grundgesetz geschult worden ist und der die Wurzeln der Aufklärung und der modernen Gewaltenteilung kennt, klar sein.

[Beifall bei der LINKEN, den GRÜNEN und den PIRATEN]

Aber was machen Sie? – Sie zählen uns hier Beispiele auf – der Kollege Lauer hat völlig recht, woher haben Sie die Beispiele eigentlich? Wer sagt mir eigentlich, dass Sie sich die Beispiele nicht gestern Abend ausgedacht haben, so kurz vor dem Einschlafen, beim Herumsinnieren? Ich kann noch zehn weitere Beispiele erfinden. Woher haben Sie die Beispiele? Und wie bekommen wir die Beispiele, um nachzuvollziehen, dass Sie uns keine Märchen erzählen? – Mal nebenbei: Bestätigung des Geständnisses – seit wann ermitteln wir für die Bestätigung des Geständnisses?

[Beifall von Christopher Lauer (PIRATEN) und Andreas Baum (PIRATEN)]

Sagen Sie, das läuft doch nicht alles normal, das haut doch nicht alles hin mit Ihren Beispielen, oder?

[Beifall bei der LINKEN und den PIRATEN]

Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Rissmann?

Bitte schön!

(Christopher Lauer)

Herr Kollege Lederer! Ich gebe mir Mühe, nicht über jedes Stöckchen zu springen, aber ich will Ihnen die Möglichkeit geben, sich vor dem Auditorium dazu zu äußern, ob erstens die Funkzellenabfrage in der Strafprozessordnung gesetzlich geregelt ist, also eine gesetzliche Grundlage für sie vorhanden ist. Meine zweite Frage ist: Muss nicht bei allen Funkzellenabfragen eine richterliche Anordnung auf Antrag der Staatsanwaltschaft vorliegen? Ohne diese wird die Funkzellenabfrage nach meinem Kenntnisstand gar nicht durchgeführt. Sie wollen meine Ausführungen bewusst und in bösartiger Weise dahingehend missverstehen, dass ich Gerichte abschaffen wolle. Gerichte haben in jedem Einzelfall die Funkzellenabfragen angeordnet. Oder trifft das nicht zu?

[Oh! von den Grünen]