Protocol of the Session on June 11, 2015

Diskussion sehr wichtig ist. Ich will auch hinzufügen, dass es mir jetzt ganz besonders wichtig ist, auch nach der Rede von Frau Seibeld. Denn diese Rede hatte den Tenor: Alles ist gut, und wir müssen an dem Familienbild der letzten 2000 Jahre nichts verändern, und wir haben nichts zu diskutieren. – Das sehe ich völlig anders, Frau Seibeld.

[Starker Beifall bei der SPD, den GRÜNEN, der LINKEN und den PIRATEN]

Mir war völlig klar, nachdem wir schon am vergangenen Dienstag und an diesem Dienstag im Senat nicht ausdrücklich ein Abstimmungsverhalten festgelegt haben, dass es Spekulationen darüber geben wird, was das heißt, und Interpretationen, die entsprechenden Kommentare und Artikel, die dann auch alle gekommen sind, es gehe hier um die Machtfragen, um Parteitaktik, wer jetzt Gewinner und Verlierer sei, das war mir alles klar.

Ich wusste tatsächlich auch, was im Koalitionsvertrag steht.

[Heiterkeit von Martin Delius (PIRATEN)]

Das musste ich nicht nachlesen. Es ist so, dass ich ihn mitformuliert habe und mit unterschrieben habe. Wir haben darin eben die Formel verwandt und gefunden, die in Koalitionen üblich ist, dass es eben, wenn man zu keiner Einigkeit in Sachfragen kommt, auf Bundesratsebene dann zu einer Stimmenthaltung führt. Das ist richtig.

[Udo Wolf (LINKE): Aber Einigkeit stimmt doch nicht!]

Das ist eben auch in anderen Bundesländern üblich. Es ist auch in anderen Konstellationen in Berlin üblich. Die Linke, die CDU, die SPD haben in Regierungsverantwortung Erfahrung mit dieser Formel. Die Piraten, die Grünen werden, wenn sie dann mal regieren würden, die gleichen Erfahrungen machen.

[Zuruf von Ramona Pop (GRÜNE)]

Ich muss an der Stelle, Frau Pop, sagen, dass Sie dieses Thema so einfach wegwischen und sagen: Na ja, in Hessen gibt es das zwar auch, aber das ist ja eine ganz andere Konstellation, der, der vorne ist, gibt eben vor, dann muss man für eigene Positionen nicht kämpfen – das ist eigentlich ein Trauerspiel, was Sie uns hier gerade vorgeführt haben.

[Beifall bei der SPD und der CDU – Beifall von Dr. Wolfgang Albers (LINKE) und Fabio Reinhardt (PIRATEN)]

Ich weiß, wie man mit diesen Verträgen umgeht. Ich glaube, es ist auch bekannt, dass ich eben nicht spielerisch mit den Dingen und mit Koalitionsverträgen umgehe, die ich da unterschreibe,

[Zuruf von den PIRATEN: Aber!]

aber ich hoffe, es ist auch bekannt, dass es Themen gibt, die mir sehr wichtig sind, und ich mit den Themen und wie man mit denen umgeht, auch nicht spielerisch umgehe. Darum ging es bei mir in den gesamten letzten zehn Tagen. Es ging genau darum, welche Haltung wir bei diesem wichtigen Thema ausdrücken. Das wollte ich inhaltlich diskutieren. Wie halten wir es mit der Ehe für gleichgeschlechtliche Partnerschaften? Welche Haltung haben wir wirklich zur kompletten Gleichstellung und Gleichberechtigung? Wie halten wir es denn nun mit dem Satz, den alle Politiker hier schon gesagt haben und alle da oben schon aufgeschrieben haben: Niemand darf aufgrund seiner Herkunft, Religion, Hautfarbe, sexueller Orientierung diskriminiert und ausgegrenzt werden? Können wir nun an dieser Stelle eine gemeinsame Haltung dokumentieren? Das ist das, worum es mir ging.

Aber auf diese Frage ist eben leider in den letzten zehn Tagen nicht inhaltlich geantwortet worden, sondern es ist ausschließlich formal mit dem Koalitionsvertrag geantwortet worden, den man tatsächlich heranziehen kann. Aber es ist eben nur formal geantwortet worden mit dem Koalitionsvertrag bis hin zu der Androhung des Ausstiegs aus der Koalition, was ich in dieser Debatte absolut absurd finde.

[Beifall bei der SPD und den PIRATEN – Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN]

Ich will noch einmal fragen: Warum ist eigentlich keine inhaltliche Antwort zu einer Entschließung im Bundesrat möglich? Es ist eine Entschließung, Herr Kollege Lederer, nicht mehr und nicht weniger.

[Dr. Klaus Lederer (LINKE): Sagte ich!]

Ja, ist auch gar kein Widerspruch. – Es ist eine Entschließung mit einem hohen symbolischen Wert. Sie hat nicht sofort eine Konsequenz. Es ist eine Entschließung, wo man sagen kann, der Bundesrat fordert die Bundesregierung auf, die weiterhin bestehende Benachteiligung usw. zu beenden. Ich glaube, die Berlinerinnen und Berliner haben einen Anspruch darauf, inhaltlich eine Antwort zu hören, wie diese Koalition damit umgeht. Darum geht es.

[Dr. Klaus Lederer (LINKE): Die Enthaltung ist eine!]

Ich habe eben leider – und das ist mir wichtig, deswegen habe ich mich an der Stelle noch einmal zu Wort gemeldet – von der Landesspitze der Berliner CDU bis zum heutigen Tag darauf keine Antwort gehört.

[Canan Bayram (GRÜNE): Krass!]

Ich habe von Herrn Wegner, vom Generalsekretär der CDU, etwas gelesen,

[Evrim Sommer (LINKE): Kai Wegner! – Dr. Wolfgang Albers (LINKE): Wer ist das?]

der, ich glaube es war im „taz“-Interview, gesagt hat, diese Bundesratsinitiativen und Anträge dazu sind

(Regierender Bürgermeister Michael Müller)

Klamauk. In einem anderen Interview wurde dann aber gesagt, 62 Prozent der CDU-Mitglieder sind doch für die Gleichstellung, das wissen wir. – Wenn das so ist, dann frage ich: Wofür und warum wird eigentlich dieses Mitgliederbegehren, diese Befragung jetzt durchgeführt, wenn man doch weiß, dass 62 Prozent dafür sind?

[Beifall bei der SPD, den GRÜNEN, der LINKEN und den PIRATEN]

Wofür wird eigentlich geworben in diesem Mitgliederbegehren? Welche Position wird da eigentlich vertreten? Was wünscht man sich von der Landesspitze der CDU eigentlich, was dabei herauskommen soll? Dazu gibt es keine Antwort. Wird denn nach einem erfolgreichen Mitgliederentscheid oder einer Mitgliederbefragung eine Bundesratsinitiative, die von Senatorin Kolat erarbeitet wurde, vonseiten Berlins entsprechend unterstützt und eingebracht werden können? Werden denn im weiteren Verfahren die Berliner wenigstens die Chance haben, sich ganz eindeutig geschlossen positiv zu der Frage zu verhalten, die heute gerade diskutiert wird?

Das Einzige, das ich bisher an offizieller Stellungnahme von der Berliner CDU kenne, ist ein Vierzeiler, der letzte Woche bei mir eingegangen ist: Die Berliner CDU sieht keine Notwendigkeit für Bundesratsinitiativen zu diesem Thema. – Ist das immer noch die offizielle Haltung der Berliner CDU?

Das ist es, worum es hier eigentlich geht. Es geht um den Umgang mit diesem in unserer Gesellschaft tatsächlich wichtigen Thema. Es geht darum, wie wir mit Diskriminierung und Ausgrenzung von Menschen umgehen. Es geht auch darum, welche Signale wir in unserer Stadt bundesweit setzen. Auch darum geht es.

Ich glaube, es gibt viele Berlinerinnen und Berliner und viele Menschen, die Berlin kennen, die sich inzwischen fragen: Worüber reden die da eigentlich in Berlin?

[Martin Delius (PIRATEN): Allerdings!]

Die gesellschaftliche Debatte ist doch weitergegangen, und die Realität ist eine ganz andere. Wenn wir eine eindeutige Haltung zu dieser Initiative auf Bundesratsebene haben, wird heterosexuellen Paaren nichts weggenommen. Niemand muss vor irgendwas geschützt werden, wenn es eine Gleichstellung von homosexuellen Paaren gibt. Auch die Institution der Ehe, die immer herangezogen wird und als besonders schützenswert gilt wegen der Frage der Kinder, hat sich doch völlig verändert. Es gibt viele heterosexuelle Paare und Ehen, für die der Kinderwunsch und Kinder gar keine Rolle spielen, die ein ganz anderes Familienbild leben. Und umgekehrt gibt es genauso viele Beispiele, wie Kollege Lederer gesagt hat.

Ich glaube, es ist sonnenklar, diese Debatte hat sich in Deutschland weiterentwickelt, und sie ist längst geführt. Es gibt einen längst beschrittenen Weg hin zu einer kom

pletten Gleichstellung von gleichgeschlechtlichen Paaren. Ich glaube, es ist überfällig, dass dieser Weg auch endlich juristisch zu Ende gegangen wird, und darum geht es.

[Beifall bei der SPD, den GRÜNEN, der LINKEN und den PIRATEN]

Dieses Signal sollte aus meiner Sicht von Berlin ausgehen, von Berlin, der Stadt der Vielfalt und der Toleranz. Ich glaube, wer diesen Weg nicht mitgehen will, der hat Berlin auch nicht verstanden.

[Beifall bei der SPD, den GRÜNEN, der LINKEN und den PIRATEN]

Das Thema, um das es hier geht, ist kein Thema, auch wenn es einige gerne hätten, das SPD, Grüne, Linke und Piraten auf die Tagesordnung genommen haben, um jemanden zu ärgern, das ist nicht der Punkt, sondern es geht hier um das Anerkennen gesellschaftlicher Realitäten, um die Gleichstellung.

[Evrim Sommer (LINKE): Genau!]

Und diese Debatte hat tatsächlich durch die Entscheidung in Irland Fahrt aufgenommen. Das ist so. Das war noch mal ein starkes Signal in diese Richtung.

[Evrim Sommer (LINKE): Allerdings!]

Einige haben das sicherlich so nicht erwartet, ich auch nicht, aber auch dazu muss man sich verhalten und damit umgehen, dass die Iren uns vorgemacht haben, was geht und was nicht geht.

[Beifall bei der SPD, den GRÜNEN, der LINKEN und den PIRATEN]

Auch ich habe mich das tatsächlich gefragt – dieser hier heute schon viel zitierte Satz aus unserer Koalitionsvereinbarung: Wir werden konsequent die rechtliche Gleichstellung usw. vorantreiben und alles andere aktiv bekämpfen. – Was hat die Berliner CDU da gedacht, als sie das unterschrieben hat, worum es geht?

[Beifall bei der SPD, den GRÜNEN, der LINKEN und den PIRATEN]

Es geht genau darum, keine Spielchen und nichts Parteitaktisches, sondern es geht genau darum, endlich diese Gleichstellung konsequent voranzutreiben. Es geht nicht um Koalitionsende oder Koalitionsausstieg. Auch das ist völlig legitim und normal, dass die Opposition jetzt sagt: Ihr müsst aber. – Wir alle hier miteinander wissen, dass das Quatsch ist. Wir alle miteinander wissen, dass die weit überwiegende Mehrheit der Berlinerinnen und Berliner sagt: Wir wissen nicht, was ihr da eigentlich treibt. Wir sind viel weiter in der Debatte. Aber auf der anderen Seite seid ihr für fünf Jahre gewählt, und macht euren Job endlich ordentlich für Berlin! Da ist noch eine Menge zu tun.

[Beifall bei der SPD und der LINKEN – Zurufe von den GRÜNEN und der LINKEN]

(Regierender Bürgermeister Michael Müller)

Dass es den Wunsch gibt, deswegen die Koalition zu beenden, ist absurd.