wichtig, wie unser Bundesland abstimmt, ob dafür oder eben nicht dafür. Eine Enthaltung bedeutet: nicht dafür – und es ist keine rein symbolische Frage, ob die Regenbogenhauptstadt hier Farbe bekennt oder nicht.
Der Gesetzentwurf wird dagegen erst einmal in die Ausschüsse überwiesen, erst später dann im Bundesratsplenum abgestimmt. Bis dahin wird sich unser Druck gelohnt, wird die CDU in einer Mitgliederbefragung zugestimmt haben. Die rechtliche Gleichstellung ist eine Frage der Zeit und unseres Drucks innerhalb und außerhalb des Parlaments, und wir werden dranbleiben. Fortschritt können wir nicht erwarten, wir müssen ihn erzwingen.
Die Geschichte schwul-lesbischer Emanzipation der letzten hundert Jahre hat bewiesen: Wir können das.
Damit beginnt im Übrigen auch eine andere Debatte. Es ist die Debatte um die Frage, ob die Privilegien der Ehe, etwa das Ehegattensplitting, weiter angemessen sind.
Die Öffnung des Rechtsinstituts der Ehe ist nur ein weiterer Schritt auf dem Weg in eine Zukunft der Wahlverwandtschaften. Und das wissen die Konservativen. Deshalb kämpfen sie verbittert um jeden Millimeter Rückschritt, kämpfen sie verbittert gegen jeden Millimeter Fortschritt.
[Heiterkeit bei der LINKEN, den GRÜNEN und den PIRATEN – Beifall bei der LINKEN – Vereinzelter Beifall den GRÜNEN]
Und da ist kein Angriff zu dumm und auch kein Argument zu dreist. Da rede ich noch nicht mal über Frau Kramp-Karrenbauers Schulhofehe oder über die putinschen Gespensterkarikaturen zum Kinderschutz. Frau Seibeld! Ist Ihnen eigentlich aufgefallen, wie nahe Sie in Ihrer Argumentation bei der Begründung Putins für das Gesetz gegen Homosexuellenpropaganda waren?
[Beifall bei der LINKEN, den GRÜNEN und den PIRATEN – Zurufe von den PIRATEN – Zuruf von Dr. Manuel Heide (CDU)]
Da wird dann von den Müttern und Vätern des Grundgesetzes schwadroniert. Und ganz nebenbei wird völlig vergessen, dass die Mütter des Grundgesetzes die Genehmigung ihrer Ehemänner brauchten, um beim Grundgesetz mitwirken zu dürfen.
Das war eine Zeit, in der schwule Männer nach dem Nazi-Paragrafen „Widernatürliche Unzucht“ für ihre Zärtlichkeit ins Gefängnis gesperrt wurden. Das war eine Zeit, nämlich 1957, in der das Bundesverfassungsgericht solche Strafen verfassungsrechtlich verlangte.
Diese Zeit ist – zum Glück – überwunden. Und wenn auch die Entschädigung und Rehabilitierung der Verurteilten noch immer aussteht – sie wird von denselben bekämpft, die uns die Rechte Heterosexueller vorenthalten wollen, von konservativ-reaktionärer Politik.
Da wird von christlich-abendländischer Tradition gefaselt. Welche hätten Sie denn gern? Die, bei der der Grundherr die Heiratserlaubnis zu erteilen hatte? Die, in der nur standesgemäß gefreit werden durfte, Bäuerin und Bauer, Adlige und Adliger? Oder meinen Sie die christlich-abendländische Tradition, in der dem Lehnsherrn das jus primae noctis, das Recht der ersten Nacht, zustand? Die, in der uneheliche Kinder als Auswurf galten und das außereheliche Gebären als Selbstmordmotiv? Oder, Frau Seibeld, meinen Sie die christlich-abendländische Tradition der Ehe, über die der Bundesgerichtshof noch 1966 geurteilt hat – ich verlese das mal:
Die Frau genügt ihren ehelichen Pflichten nicht schon damit, dass sie die Beiwohnung teilnahmslos geschehen lässt.
Wenn es ihr infolge ihrer Veranlagung oder aus anderen Gründen … versagt bleibt, im ehelichen Verkehr Befriedigung zu finden, so fordert die Ehe von ihr doch eine Gewährung in ehelicher Zuneigung und Opferbereitschaft und verbietet es, Gleichgültigkeit oder Widerwillen zur Schau zu tragen.
Meinen Sie diese christlich-abendländische Tradition, Frau Seibeld? – Wie abseitig Ihre Argumente sind!
Der Sprecher der Bundesregierung hatte vergangene Woche einige Mühe zu erklären, warum die Bundesregierung Widerstand gegen die Ehe für alle leistet und warum das keine Diskriminierung sei. „Discrimen“ heißt im Lateinischen „der Unterschied“. „Diskriminierung“ heißt, Dinge ohne sachliche Rechtfertigung unterschiedlich zu behandeln. Sie ist das Gegenteil von Gleichbehandlung.
Sie, die rückwärtsgewandten Konservativen, versuchen, diesen Unterschied zu konstruieren. Um Kinderkriegen gehe es, sagen die einen. Nun muss man nicht Frau Seibeld oder die Kanzlerin als Beispiel dafür heranziehen, warum das Unfug ist. Das ist schon lange nicht mehr der Fall.
Ich sage auch: Wer Kinder fördern will, der sollte das tun und nicht irgendwelche Rechtsinstitute mit besonderen Belohnungen versehen. Wer Kinder fördern will, der soll kein Betreuungsgeld zahlen, sondern Bedingungen schaffen, damit Kinder gut aufwachsen können.
Die Frage, die hier zu verhandeln ist, ist eine grundsätzlich bürgerrechtlich-menschenrechtliche Frage: Soll ein Rechtsinstitut, das sich immer im Wandel befunden hat und auch heute dem Wandel unterliegt, allen zugänglich sein, oder soll es das nicht? Für uns als Linke kann die Antwort nur lauten: Es soll, es muss! Die Ehe muss allen offenstehen, die das wollen. Alles andere ist Diskriminierung, weil es einen Unterschied macht zwischen der einen Liebe und der anderen Liebe. Und das ist gänzlich inakzeptabel.
Wer keine Homoehe will, die oder der sollte einfach darauf verzichten, einen homosexuellen Menschen zu heiraten. So einfach ist das.
Die CDU hat das im Übrigen im Koalitionsvertrag von 2011 unterscheiben, das ist hier mehrfach verlesen worden. Herr Lehmann-Brauns! Ich weiß nicht, ob der Sportsenator da gedopt war.
Ich weiß nicht, ob Sie vielleicht alle leicht einen sitzen hatten, als Sie darüber entschieden haben. Aber eine Frage stelle ich mir schon: Warum kommen Sie eigentlich nicht auf die Idee, eine Mitgliederbefragung zu machen, bevor Sie irgendwelche Dinge in den Koalitionsvertrag schreiben?
Und Frau Seibeld und Herr Lehmann-Brauns! Sie sind ja auch alle Juristen, es gibt diesen schönen Satz: Pacta sunt servanda. Der gilt übrigens auch für Sie! Und nur, weil Sie plötzlich feststellen, dass Ihnen ein Passus in dem – allein, dieser Koalitionsvertrag ist ja sowieso nicht so
richtig bindend für das, was Sie hier alle treiben – Koalitionsvertrag nicht gefällt, fangen Sie im Nachhinein an, eine Mitgliederbefragung über den Vertragsbruch zu veranstalten. Wie absurd, wie abenteuerlich ist das denn! Das ist doch keine Koalitionsfähigkeit, das ist doch keine Regierungsfähigkeit, sondern ein abenteuerlicher Vorgang!
[Beifall bei der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN und den PIRATEN – Andreas Baum (PIRATEN): Aktion ist das!]
Herr Henkel! Wie ist Ihnen denn so, der Sie damals mit einem Regenbogenschal durch Sotschi stolziert sind? Sind Menschenrechte nur in Russland ein Thema für Sie?
Herr Henkel! Herr Regierender Bürgermeister! Ich fordere Sie auf, ich appelliere an Sie: Stimmen Sie morgen im Bundesrat zu! Hören Sie auf, mit den Menschenrechten vieler Berlinerinnen und Berliner taktisch zu hantieren! Oder ziehen Sie Ihre Regenbogenfahnen ein und gestehen Sie zu: „So wichtig sind uns diese Rechte nicht, dass wir dafür verlässlich einstehen!“ – Wie aber wollen Sie eigentlich glaubhaft gegen Diskriminierung in der Gesellschaft vorgehen, wenn Sie doch selbst diskriminieren?
Die Enthaltung Berlins wäre das endgültige Eingeständnis, dass Regenbogenpolitik in Berlin keine Heimat mehr hat. Das wäre eine Schande für Sie, und das wäre eine Schande für Berlin.
Und lieber Herr Saleh! Wenn Ihnen die Grundwerte Ihrer Partei so wichtig sind, dann geben Sie hier heute die Abstimmung frei, und lassen Sie über unseren Antrag entscheiden!
Vielen Dank! – Meine Damen und Herren! Es hat sich jetzt der Regierende Bürgermeister zu Wort gemeldet. Ich erteile Ihnen, Herr Regierender Bürgermeister, hiermit das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe schon vorhin im Rahmen der Fragestunde etwas zum Abstimmungsverhalten morgen im Bundesrat gesagt. Gleichwohl möchte ich gerne auch noch einmal im Zusammenhang inhaltlich begründen können, was mir in den letzten Tagen sehr wichtig war und weiterhin in der
Diskussion sehr wichtig ist. Ich will auch hinzufügen, dass es mir jetzt ganz besonders wichtig ist, auch nach der Rede von Frau Seibeld. Denn diese Rede hatte den Tenor: Alles ist gut, und wir müssen an dem Familienbild der letzten 2000 Jahre nichts verändern, und wir haben nichts zu diskutieren. – Das sehe ich völlig anders, Frau Seibeld.