Protocol of the Session on June 11, 2015

reits seit fünfzig Jahren diskutiert. Wir haben jetzt eine historische Chance, denn nach fünfzig Jahren der Diskussion hat sich der Bund bereit erklärt, ein großartiges Geschenk, das dem Land Berlin gemacht wurde – Berlin wurden die Sammlungen von drei bedeutenden Kunstsammlern geschenkt –, mit 200 Millionen Euro zu unterstützen.

[Beifall bei den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei den PIRATEN]

Diese 200 Millionen Euro werden dazu genutzt, ein neues Museum zu bauen, das sogenannte Museum der Moderne. Darüber können wir uns tatsächlich freuen, und dafür müssen wir dankbar sein.

Allerdings ist verständlich, dass die Sammler, die zum Teil ein schon recht hohes Alter erreicht habe, wünschen, dass das Museum möglichst schnell gebaut wird, damit sie es zu Lebzeiten noch besichtigen können. Niemand möchte also ein langwieriges oder ein kompliziertes Verfahren. Der Neubau ist allerdings nicht nur ein Gebäude. Er wird vielmehr eingefügt in die eingangs angesprochenen architektonischen Juwelen. Juwelen können aber nur strahlen, wenn man ihnen den Platz dafür lässt und ihnen nicht einfach ein neues Gebäude wie einen Umzugskarton vor die Nase knallt. Das wiederum heißt, dass wir die Chance nutzen müssen, nicht nur ein neues Gebäude, nicht nur ein neues Museum zu planen, sondern dieses auch dazu zu nutzen, dass das Kulturforum endlich ein Ort wird, dem Leben eingehaucht wird. Das schaffen wir nur auf eine Art und Weise, nämlich indem wir ein Verfahren wählen, bei dem nicht nur Architekten Gebäude planen, sondern bei dem die gesamte Umgebung mit betrachtet wird.

Deshalb, lieber Herr Geisel, lieber Senat, fordern wir Sie, aber natürlich auch den Bund auf, die städtebauliche Dimension in den in den nächsten Wochen ausgeschriebenen Ideenwettbewerb aufzunehmen. Weil das eventuell nicht reichen wird, fordern wir Sie darüber hinaus auf, die Ergebnisse dieses Wettbewerbs ausnahmsweise auch öffentlich zu präsentieren, denn – das ist etwas Besonderes –: Eine unserer Forderungen lautet, die Jury international mit erfahrenen Architekten zu besetzen. Jetzt scheint es aber so, dass Sie nicht einmal Architekten finden, die in die Jury wollen, weil alle an dem Wettbewerb teilnehmen wollen.

[Philipp Magalski (PIRATEN): Ach, da gibt es noch ein paar mehr!]

Ein Grund mehr, die Ergebnisse öffentlich zu machen.

Es wird natürlich nicht dazu kommen, dass der Bund das Geld sofort bereitstellt und die vielen großartigen Ideen, die die Architekten einreichen werden, sofort umzusetzen sind. Wer aber nicht sagt, was er will, der bekommt auch nichts. Deshalb ist es umso wichtiger, für die Zukunft des Masterplans, für die Zukunft des Kulturforums einen umfassenden Ideenwettbewerb auf den Weg zu bringen.

[Beifall bei den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei den PIRATEN]

Die berühmtesten Architekten in der Welt stehen bereits in den Startlöchern. Das ist eine einzigartige Chance, hier ein wirklich großartiges und innovatives Ergebnis zu erreichen. Wenn wir diese Chance gemeinsam nutzen, können wir beim Kulturforum vielleicht auch eine zweite Museumsinsel schaffen. – Herzlichen Dank!

[Beifall bei den GRÜNEN – Beifall von Philipp Magalski (PIRATEN)]

Vielen Dank, Kollegin Kapek! Von uns allen auch gute Besserung!

[Beifall bei den GRÜNEN und den PIRATEN]

Für die Fraktion der SPD spricht die Kollegin Haußdörfer.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Ohne semantische Spielereien betreiben zu wollen, aber es gibt einfach keinen „Unort“, und das Kulturforum hat es auch nicht verdient, als solche bezeichnet zu werden.

[Beifall bei der SPD und der CDU – Wolfgang Brauer (LINKE): Es gibt aber Untote!]

Berlin erlebt momentan einen äußerst spannenden und interessanten städtebaulichen Wettbewerb in der historischen Mitte der Stadt. Herr Senator Geisel hat heute über die 3 200 Bemerkungen und Kommentare des Onlinedialogs berichtet. Es folgen Fachkolloquien, Bürgerwerkstatt oder auch ein Theaternachmittag. Die öffentliche Beteiligung sucht hier seinesgleichen. Natürlich wäre es toll, wenn wir dieses auch für das Kulturforum erreichen könnten.

Da Sie schon die Expertenfrage angesprochen haben: Ich frage mich immer, wer eigentlich vor Ihren strengen Augen bestehen kann.

[Zuruf von Antje Kapek (GRÜNE)]

Jeder Architekt müsste eigentlich Angst haben, da haben Sie schon völlig recht, in die Jury zu gehen, denn: Wer immer es ist, er oder sie ist vielleicht nicht innovativ genug. Sie stellen die städtebauliche Frage für das Gesamtkonzept des Kulturforums und

[Antje Kapek (GRÜNE): Nein!]

wollen diese aber mit einem breiten und langwierigen Workshopverfahren beantworten. Das wird so nicht funktionieren, weil das Kulturforum eben nicht die historische Mitte ist. Beim Kulturforum haben wir auch nicht die Zeit, einen so langen Prozess zu durchlaufen, denn sonst gerieten die aktuelle Freiraumgestaltung und auch der

Museumsneubau in Gefahr. Sie haben recht: Wir sollten dem Bund dankbar sein, dass er mit 200 Millionen Euro in den Neubau des Museums der Moderne investiert. Wir haben heute aber auch gehört, dass 200 Millionen Euro durchaus für einen Neubau ausreichen, nicht aber für einen umfänglichen und kompletten Straßenneubau oder eine Straßenumgestaltung. Hier eröffnet sich eine Chance für die Kulturmetropole Berlin, aber auch eine Chance, das Kulturforum städtebaulich zu ergänzen und zu vervollständigen. Mitnichten ist es so, dass sich am Kulturforum aktuell keine Entwicklung vollzieht – vom wirklich gelungenen Gedenk- und Informationsort für die Opfer der nationalsozialistischen Euthanasiemorde bis hin zur Umgestaltung des Umfeldes der Philharmonie.

Die Tatsache, dass der Bund als Bauherr für den Neubau antritt, bedingt aber auch einige Konsequenzen. So kann das Land Berlin nicht allein über das Wettbewerbsverfahren entscheiden, sondern die Federführung liegt beim BKM und der SPK. Alleine deshalb bringt es nichts, hier im Abgeordnetenhaus mit einem Antrag das Workshopverfahren einleiten zu wollen.

Lassen Sie mich an dieser Stelle auch noch einmal auf unsere Ausschussbesprechung vom 6. Mai verweisen, in der sowohl der Senat als auch die Bundesregierung die Situation klar dargestellt haben. Der zeitliche Rahmen, der uns bleibt, ist begrenzt. Entsprechend wird auch das Wettbewerbsverfahren mit einem offenen Ideenwettbewerb begonnen. Dieser soll bereits die städtebaulichen Fragen mit aufnehmen und auch thematisieren, wie uns der Senator heute auf Nachfrage bestätigt hat. Ein schlüssiges Gesamtkonzept, das Sie in ihrem Antrag fordern, wird logischerweise auch aus diesem Ideenwettbewerb entstehen. Ich möchte hier noch einmal betonen, dass meine Fraktion und auch ich persönlich dieses Finanzierungsverfahren ÖPP zumindest für sehr fragwürdig halten. Wir würden es natürlich begrüßen, wenn in das Thema Finanzierung noch einmal Bewegung kommen würde, da die Erfahrung gezeigt hat, dass der Bau zwar manchmal schneller realisiert werden kann, doch die Kosten für künftige Nutzer völlig unklar als auch Folgekosten unabsehbar sind.

In der Realität wird die Umgestaltung am Kulturforum dort fortgesetzt, wo es Sinn macht. Ein offener Ideenwettbewerb wird eine qualitativ hochwertige Lösung für die Gesamtkonzeption Kulturforum finden. Das Kulturforum ist geprägt durch einen offenen Städtebau, bei dem gerade die Komposition von Solitärbauten den Ort ordnet und verortet. Der Neubau wird hier maßgeblich ergänzen und die Endfassung vorwegnehmen. Mit der Setzung des Neubaus entsteht die Gesamtkonzeption im Wesentlichen. Deshalb gibt es den Ausführungen Senator Geisels heute in der Fragestunde wenig hinzuzufügen. – Herzlichen Dank!

[Beifall bei der SPD]

(Antje Kapek)

Danke schön, Frau Kollegin Haußdörfer! – Frau Kollegin Kapek hat um eine ganz, ganz kurze Kurzintervention gebeten.

[Unruhe]

Ein ganz, ganz kurze. – Jetzt lassen wir sie auch reden!

Frau Haußdörfer! Es ist wirklich schnell gesagt, aber selten bin ich so falsch verstanden worden. Ich bin nicht gegen die gesamtstädtische Dimension, sondern ich möchte sie explizit. Ich glaube, Sie haben gerade zum Ausdruck gebracht, dass Sie meine Position total teilen. Das war das, was ich mir gewünscht habe, nämlich dass wir heute ein klares und deutliches Zeichen in Richtung all derjenigen setzen, die das Verfahren begleiten und ausschreiben, dass wir nicht nur über ein Gebäude sprechen wollen, sondern dass wir auch die gesamtstädtische Dimension im Sinne des Kulturforums mit bearbeitet haben möchten.

Danke schön! – Kollegin Haußdörfer? – Keine Erwiderung. – Für Die Linke spricht jetzt Kollege Brauer. – Bitte sehr!

[Beifall von Dr. Gabriele Hiller (LINKE) – Philipp Magalski (PIRATEN): Oh! Vorschusslorbeeren! Torsten Schneider (SPD): Das macht mich skeptisch, dass ihr euch alle einig seid! Das wird teuer!]

Tosender Applaus der eigenen Fraktion. – Bitte Herr Kollege!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Frau Kapek! Wenn man sozusagen so eine Vision realisieren will, muss man auch das Geld dafür in der Tasche haben, ansonsten wird es schwierig.

[Lars Oberg (SPD): Hat Schneider die Rede geschrieben?]

Warten Sie es doch ab! – Ich muss Ihnen in zwei Dingen widersprechen. Das Erste ist das „großartige Geschenk“ von 200 Millionen Euro. Ich weiß nicht, ob es ein Geschenk ist, ich weiß, der Bund geht in die Finanzierung mit 200 Millionen Euro. Er ging auch bei der Staatsoper mit 200 Millionen Euro in Finanzierung, und jetzt setze ich drei Punkte: … Schauen wir, was daraus wird, ich hoffe, das Projekt funktioniert.

Die vorhin schon von Frau Haußdörfer angesprochene ÖPP-Finanzierung lehnen auch wir strikt ab. Das ist irgendwie Voodoo und bestimmt nicht gut für die Stadt.

Zum Thema Unort: Das ist eine hübsche Diskussion, die Sie hier eben losgetreten haben. Ich darf einen der Vorgänger von Herrn Senator Geisel zitieren, der sorgte dafür, der seinerzeitige Senator für Stadtentwicklung, dass 30 Pflanzen namens Ailanthus altissima – schöner Name, nicht? –, Ailanthus altissima sind Götterbäume – dort in den märkischen Sand gesteckt wurden. Die siechen seitdem mehr oder weniger optimal vor sich hin und hoffen darauf, dass sie von ihrem irdischen Dasein erlöst werden. Das wird dann auch hoffentlich passieren.

[Philipp Magalski (PIRATEN):Na, na, na!]

Das wird hoffentlich passieren, denn die stehen genau auf diesem Baufeld an der Potsdamer Straße, das zur Untersuchung für das Museum der Moderne vorgesehen ist.

Damit zum Thema: Unort sicher nicht, aber wir haben hier einen vollkommen vermurksten Stadtraum vor uns, der seine eigene Geschichte hat, an die man ab und zu erinnern sollte. Erstens: Dieser Museums- und Kulturstandort – Philharmonie etc. – wurde seinerzeit im Schatten der Mauer gebaut. Die Mauer ist Gott sei Dank weg, aber entsprechend sieht das da von der Struktur her immer noch aus. Dann muss ich daran erinnern, wir haben hier im Saal solche Tangentenfreunde.

[Uwe Doering (LINKE): Genau!]

Genau, solche Tangentenfreunde. Im Schatten der Staatsbibliothek sollte einmal die Westtangente langegezogen werden, vierspurig. Die gibt es nun auch nicht, aber die Schneise existiert immer noch.

[Oliver Friederici (CDU): Sechsspurig!]

Ach, sechsspurig! Genau. – Jetzt habe ich einfach Probleme, darüber nachzudenken, da fehlt mir einfach die visionäre Kraft, wie Sie im Rahmen eines umfassenden Ideenwettbewerbes diesen merkwürdigen Standort aufhübschen wollen, ohne wirklich eine vierstellige Millionensumme in die Hand nehmen zu wollen

[Lars Oberg (SPD): Vierstellig? – Philipp Magalski (PIRATEN): Das ist ja schon fast eine Milliarde!]

Na ja, das dürfte es vielleicht kosten. Sagen wir einmal: einen entsprechenden Betrag in die Hand nehmen zu wollen, um dort diese ganzen Probleme zu lösen. Es geht nicht. Wir werden lediglich – und damit ist, glaube ich, schon eine ganze Menge gewonnen – uns in die Lage versetzt sehen, dort dieses Museum der Moderne – hoffentlich an der Potsdamer Straße – zu bauen, um dann in der Folge – entsprechend ist dieser Untersuchungsraum gefasst worden – das, was sich so verschämt Piazzetta nennt, aufzuwerten, sodass tatsächlich eine platzräumliche Struktur hergestellt wird für das Kulturforum, die den Namen Forum dann auch verdient. Damit wäre schon viel, viel gewonnen, wenn man das hinbekäme.

Was wir uns wünschen, ist eine große Transparenz im Verfahren von Anfang an. Hier schließen wir uns

durchaus den Intentionen der Grünen an, die schreiben, dass die eingehenden Wettbewerbsbeiträge des offenen Ideenwettbewerbs bereits vor der Jurierung möglichst öffentlich auszustellen sind und diskutiert werden sollten. Hier wird in vermutlich sehr kurzer Zeit ein weiterer Pfosten in den Stadtraum gesetzt, der lange Zeit stehen bleiben wird. Hier besteht seitens der Stadtgesellschaft durchaus der Anspruch, diese Veränderungen öffentlich zu diskutieren. Was dann daraus wird im Sinne der Zusammenführung der Sammlungen der Klassischen Moderne der Nationalgalerie Berlin, das muss man alles sehen.