Auch hier setzt der Antrag der Linken an, denn es geht auch darum, wie Bürgerinnen und Bürger oder Organisationen materiell, ideell oder ganz praktisch unterstützt werden können, wenn sie im Rahmen der Städtepartnerschaft mit Moskau am Dialog mit NGOs oder Menschenrechtlerinnen und Menschenrechtlern arbeiten. Dass dies angesichts der Rechtslage in Russland schwierig und heikel ist, ist sicher allen hier bewusst und ein Teil des Problems.
Zu den Folgen von Verfolgung aus homophobem und transphobem Anlass haben wir Grüne auch mit den Linken zusammen den Blick längst geweitet. Wir haben gleich mehrere Veranstaltungen zu queeren Flüchtlingen auch mit den Linken gemacht. Unser gemeinsamer Antrag zu queeren Flüchtlingen ist im Geschäftsgang und durchaus auf Verständnis bei der Koalition und der Senatsverwaltung gestoßen. Herr Czaja wies darauf in der letzten Plenarsitzung hin. Ich war erfreut zu hören, dass Frau Kolat auf dem LSVD-Verbandstag den Bedarfen und der Unterbringung von lesbischen, schwulen und Transgender-Flüchtlingen einen längeren Abschnitt in ihrer Rede widmete. Dies betrifft eben leider auch Menschen aus Moskau und der gesamten russischen Föderation, die sich als queere Menschen in ihrer Heimat nicht mehr sicher fühlen, auch wenn ihre rechtlichen Chancen hier leider gering sind. Hier ist gerade Berlin als queere Metropole gefragt zu helfen.
[Beifall bei den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei den PIRATEN – Beifall von Carsten Schatz (LINKE)]
Ich glaube, wir sind uns hier alle einig, dass wir angesichts der weltpolitischen Lage nicht nur über die Menschenrechtsverletzungen an Lesben, Schwulen und Transgendern reden können, wenn es um Moskau und Russland geht. Die Lage zu den Menschenrechten und NGOs allgemein und im Speziellen ist dort in vielfacher Hinsicht bedrückend und besorgniserregend. Dies anzusprechen, auch einen Tag vor dem 8. Mai, wo wir Russland für die Befreiung Deutschlands von den Nazis dankbar sind, ist leider unvermeidlich.
Insofern – auch wenn Sie den Antrag der Linken gleich ablehnen werden – hoffe ich doch sehr, dass wir uns alle einig darin sind, dass der Senat, aber auch wir als Parlament gefragt sind, den zweiten Absatz des Antrags mit Leben zu füllen, wo es darum geht, konkrete Initiativen im Rahmen des städtepartnerschaftlichen Dialogs auf den Weg zu bringen, um gegen Diskriminierung aufzutreten, für Demokratie und Freiheit zu werben und auf Menschenrechtsverletzungen hinzuweisen. Im Antrag ist dies rückbezüglich auf Diskriminierung gegen Lesben, Schwule und Transgender gemeint. Das soll auch weiterhin gelten und ist im Übrigen immer dann besonders wirksam, wenn es durch heterosexuelle Menschen passiert. Ich würde für uns Grüne und hoffentlich alle hier im Hause bitten, den Kreis weiterzuziehen und tatsächlich jegliche Menschenrechtsverletzungen in den Blick zu nehmen. In diesem Sinne gibt es leider noch viel zu tun. – Vielen Dank!
Vielen Dank, Kollege Birk! – Für die CDU-Fraktion wird jetzt der Kollege Dr. Lehmann-Brauns das Wort ergreifen, und ich erteile ihm selbiges.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Antrag, der den Regierenden Bürgermeister auffordert, über spezifische Aktivitäten gegenüber der Partnerschaft mit Moskau zu berichten, hat sich eigentlich durch den Brief des Regierenden Bürgermeisters vom 16. März erledigt. Darin ist ganz konkret aufgeführt, dass der Regierende Bürgermeister die kritische Haltung Berlins gegenüber dem Gesetz gegen Homosexuellenpropaganda mehrfach zum Ausdruck gebracht hat, letztmalig in einem Gespräch 2014 mit dem russischen Botschafter. Auch künftig, so schreibt er, wird der Senat diese Auffassung gegenüber den Moskauer Behörden zum Ausdruck bringen. Das ist in Ordnung.
Aber der vorliegende Antrag unterschlägt und verkennt, dass sich die deutschen Beziehungen zu Russland auf internationaler Ebene verändert, vor allem abgekühlt haben. Nur noch 6 Prozent der Russen halten Deutschland für ein sympathisches Land. Vor ein paar Jahren waren es noch über 50 Prozent. Unter dieser Abkühlung leidet notwendigerweise auch die Partnerschaft BerlinMoskau. Zwar finden noch einige fachspezifische Begegnungen statt, aber der stadtpolitische Austausch ist so gut wie zum Stillstand gekommen. Es herrscht Sprachlosigkeit. Meine Fraktion gehört zu denen, die diese Entfremdung bedauern. Es gibt zwischen den beiden Völkern nämlich zu viele nicht nur historische Beziehungen. Insbesondere blicken beide Städte auf eine lange kulturelle Tradition zurück. Berlin gehört, wie wir wissen, zu den bevorzugten Aufenthaltsorten von Russen. Ihre hier lebende Zahl geht in die Zehntausende. So nah wir uns aber sind, so unterschiedlich sind manche unserer Empfindungen. Ich rede von der Nation, der Sicherheit und auch dem zwischenmenschlichen Bereich. Sie spielen in Russland eine andere Rolle als bei uns. Das müssen diejenigen, die an der Fortsetzung der Städtepartnerschaft interessiert sind, zur Kenntnis nehmen.
Meine Fraktion bezweifelt, dass Anträge wie der vorliegende irgendeine positive Annäherung zwischen den beiden Stadtgesellschaften bewirken können. Dieser Antrag ist unpolitisch. Er bewirkt bestenfalls gar nichts. Der Humboldt-Universitätsprofessor Barberowski fordert das Gegenteil. Die Deutschen sollten die Emotionen in Russland verstehen und hinnehmen, statt kritisch zu hinterfragen. Diese Auffassung ist nicht einmal politisch. Sie ist einfach nur anpasserisch und unterschlägt die Werte der Aufklärung. Mit uns ist so etwas nicht zu machen.
Wer den Fortschritt der beiderseitigen Beziehungen aber will, der darf weder die fruchtlose Pose wählen noch die pure Anpassung, sondern muss den Dialog suchen. Nach Auffassung meiner Fraktion verhält sich die Bundesregierung gegenüber Russland sowohl unmissverständlich als auch sensibel. Auch dort wird der Dialog bevorzugt. Den Kalten Krieg haben wir schon einmal kennengelernt. Dieses Muster ohne Wert brauchen wir heute nicht mehr. Ich nahm kürzlich an einer deutsch-russischen Konferenz von Wissenschaftlern und Politikern teil. Es bestand auf beiden Seiten Einigkeit, dass in der gegenwärtigen verhärteten Situation nur eine Sprache zählt, die Sprache der Kultur. Darauf setzt meine Fraktion. Der Antrag, der mit der Tür ins Haus fällt, verkennt das. Deshalb lehnen wir ihn ab. – Vielen Dank!
Danke, Kollege Dr. Lehmann-Brauns! – Für die Piratenfraktion erteile ich jetzt das Wort dem Kollegen Spies. – Bitte schön!
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Schön, dass wir nach 15 Monaten hier wieder über diesen Antrag reden können. Wir haben das neulich auch schon im Ausschuss getan. In einem Punkt, Herr Lehmann-Brauns, gebe ich Ihnen vollkommen recht: Das, was wir am wenigsten brauchen, ist ein neuer Kalter Krieg. Da müssen wir andere Lösungen finden.
Aber wir sind hier nicht im Deutschen Bundestag. Herr Zimmermann hat eine gute Bundestagsrede gehalten.
Ich korrigiere mich: Er hat eine inhaltlich dem Bundestag angemessene Rede gehalten, aber auch mit Aussagen, die ich durchaus teilen würde. Nur, wenn wir im Bundestag wären, würde ich wie neulich im Ausschuss Herrn Zimmermann an das Beispiel von Norbert Blüm erinnern, der als Arbeitsminister 1987 trotz Verbots der Bundesregierung nach Chile gefahren ist, weil Menschenrechte unteilbar sind. Für Menschenrechte muss man sich einsetzen. Da sind eben bestimmte diplomatische Rücksichten teilweise auch fehl am Platz. Aber wie gesagt, wir sind hier in Berlin und nicht im Bundestag und machen hier auch keine Außenpolitik. Das will ich unterstreichen. Insofern verstehe ich eben auch nicht ganz, wie von einigen Rednern in diesem Antrag der Fraktion Die Linke so große außenpolitische Forderungen hineininterpretiert wurden.
Aus meiner Sicht, und das habe ich auch schon im Ausschuss gesagt, bezieht er sich ja hauptsächlich auf den Bereich Städtepartnerschaften. Was ist eine Städtepartnerschaft? – Eine Städtepartnerschaft hat nur teilweise diese außenpolitischen Dimensionen. Sie ist vor allem ein Austausch von verschiedenen Best-Practice-Beispielen, wie man gerade bei großen Städten die Stadt organisiert usw. Auch wenn – und das ist bedauerlich – aufgrund der Gesamtsituation, und nicht nur wegen dieser Problematik des Gesetzes gegen die Homosexuellenpropaganda, diese Städtepartnerschaft zum Erliegen kommt, kann man den Senat doch auffordern, genau wie es hier im Antrag steht, darzulegen, wie er speziell dieses Problem auch im Rahmen dieser Städtepartnerschaft behandelt.
Dazu wurde mir jedenfalls von Senatsseite noch keine ausreichende Auskunft gegeben. Man kann auch sagen, okay, Menschenrechte sind uns nicht so wichtig; diplomatische Beziehungen sind wichtiger. Dann kann man das diskutieren im Einzelnen und genau gucken, wie man das in der Praxis ändern kann. Aber den Antrag einfach so auf eine andere Ebene zu schieben und zu sagen, ja, wir können hier nichts machen, weil die Großwetterlage gerade schlecht ist, halte ich für verkehrt. Wie gesagt, es lohnt sich immer, sich für Menschenrechte einzusetzen.
Vielen Dank, Kollege Spies! – Weitere Wortmeldungen liegen hier nicht vor. Zu diesem Antrag Drucksache 17/1406 empfiehlt der Fachausschuss mehrheitlich gegen die Oppositionsfraktionen die Ablehnung, auch mit geändertem Berichtsdatum „1. Juni 2015“. Wer dem Antrag dennoch zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind Linke, Grüne und Piraten. Wer dagegen stimmt, den bitte ich um das Handzeichen. – Das ist die Regierungskoalition. Gibt es Enthaltungen? – Das ist nicht der Fall. Die Gegenstimmen waren die Mehrheit. Damit ist der Antrag abgelehnt.
Bevor ich den Tagesordnungspunkt 10 aufrufe, nachdem 8 und 9 auf der Konsensliste stehen, wollte ich Ihnen nur kurz mitteilen, dass Frau Senatorin Scheeres das Haus verlassen musste, weil ihre Kinder erkrankt sind. Ich denke, dass wir dafür Verständnis haben, und wünschen den kleinen Menschen gute Besserung.
Beschlussempfehlung des Ausschusses für Bildung, Jugend und Familie vom 16. April 2015 Drucksache 17/2218
Beschlussempfehlung des Ausschusses für Bildung, Jugend und Familie vom 16. April 2015 Drucksache 17/2219
Es beginnt die Fraktion Die Linke. Kollegin Möller steht schon in den Startlöchern. Ich erteile ihr das Wort. – Bitte schön!
Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Die beiden vorliegenden Anträge zielen in dieselbe Richtung, leider vergebens. Beide wurden im Ausschuss abgelehnt, denn es geht wieder einmal darum, die Grundlagen für eine bedarfsgerechte Ausstattung der Bezirke mit Angeboten für Kinder, Jugendliche und Familien zu schaffen. Das kennen wir bei diesem Thema schon. Ein solider transparenter Förderplan, wie ihn die Grünen hier vorgeschlagen haben, wäre dafür ebenso hilfreich gewesen wie die Fortschreibung des jetzt zehn Jahre alten Jugendfreizeitstättenberichts. Damit hätten wir eine vernünftige Bestandsaufnahme als Grundlage für eine qualifizierte Planung für die überfällige Fortentwicklung der Angebote der allgemeinen Kinder- und Jugendförderung gehabt.
Aber nicht einmal dazu konnte sich die Koalition durchringen. Es war kein politischer Wille zu erkennen, auch keinen Änderungsantrag gab es, und das, obwohl in der fachpolitischen Debatte berlinweit Einigung darüber besteht, dass diese Angebote eigentlich ständig weiterentwickelt, mitunter neu strukturiert, auf jeden Fall aber mehr werden müssen. Das ist logisch – um einmal das neue Schlagwort zu bemühen –, da in einer wachsenden Stadt bis 2030 vermutlich 20 Prozent mehr Menschen in der Altersgruppe von 6 bis 18 als heute leben werden.
Im Land Berlin und auch in diesem Haus beklagen wir hingegen seit Langem den Rückgang und die qualitative Aushöhlung dieser Angebote wegen fehlender Mittel in den Bezirkshaushalten. Auch dafür gab es schon praktikable Lösungsvorschläge, und davon reichlich, mit denen alle Bezirke hätten leben können. Allein die maßgeblichen Haushälter in diesem Hause sind im Widerstand oder schlimmer noch, es ist ihnen egal, jedenfalls bewegt sich nichts. Den jüngsten Vorschlag haben alle Bezirksstadträte für Jugend Ende Februar 2015 parteiübergreifend beschlossen. Für 2016 sollten 14,1 Million Euro zusätzlich in das System der Kinder- und Jugendarbeit, um zumindest den derzeitigen Durchschnitt der Angebotsstunden zu halten. Noch nicht einmal um bedarfsgerechten Ausbau ging es da, nur um den Status quo. Dieses Geld sollte mit einer Zweckbindung versehen werden, um zu sichern, dass es auch wirklich bei den Kindern und Jugendlichen ankommt. Wie wir wissen, geht es in anderen Bereichen ohne Not.
Weiterhin schlugen sie vor, dass Bezirke finanziell nicht schlechter gestellt werden sollten, wenn sie kommunale Angebote vorhalten. Der Fehlanreiz, kommunale Einrichtungen aus Kostengründen an freie Träger zu übertragen, sollte gestoppt werden, indem die beiden Produkte Angebotsstunde beim freien Träger, Angebotsstunde beim kommunalen Träger getrennt budgetiert würden. Mit einer Mindestfinanzierungsquote und einem Plausibilitätskostensatz sollten zentrale Ergebnisse übernommen werden, die eine eigens eingesetzt Arbeitsgruppe der
Geschäftsstelle Produktkatalog zur Finanzierungssystematik in der Kinder- und Jugendarbeit entwickelt hat.
Was ist dabei herausgekommen? – Im Unterausschuss Bezirke des Hauptausschusses ging am Ende ein extrem zusammengeschrumpfter Vorschlag der Finanzverwaltung durch, nach welchem die Bezirke knapp 4,9 Millionen Euro zusätzlich für die sogenannten freiwilligen sozialen Leistungen zugewiesen bekommen, dies als Ausgleich – man höre – für die Steigerung der Transferkosten für übertragene Einrichtungen, wie es heißt. Das verkehrt das ursprüngliche Anliegen, nämlich weitere Übertragungen zu vermeiden, sogar ins Gegenteil. Das ist ignorant und entspricht in keiner Weise den Notwendigkeiten.
Wo, bitte schön, ist hier etwas bedarfsgerecht finanziert und gesichert worden, noch dazu, wenn den Bezirken durch die Normierung der Zuweisung mehr weggenommen wird, als die 4,9 Millionen Euro ausmachen? Das ist unglaublich angesichts der vielen Arbeit und Mühe, die sich in den vergangenen Jahren und Monaten viele kluge Köpfe in den Bezirken, beim Senat und in der Praxis vor Ort über die Parteigrenzen hinweg gemacht haben.
Mit dem Blick auf die wachsende Stadt hat der Senat … zwischenzeitlich eine finanzielle Sicherstellung der Angebote der allgemeinen Kinder- und Jugendförderung umgesetzt.
Das ist schon ein Hammer! – Denn nichts ist da mit einer Anpassung der Angebote an die Erfordernisse einer wachsenden Stadt, nichts mit einer Beendigung des Übertragungsdrucks, nichts mit einer Mindestfinanzierung für die Erhaltung kommunaler Angebote, nichts mit der Beendigung des ruinösen Preiswettbewerbs nach dem Motto besser, weil billiger. Und ob die Mittel bei den Kindern und Jugendlichen in den Bezirken ankommen, bleibt weiter dem bezirklichen Verteilungskämpfen vorbehalten. Es handelt sich für den Senat und die Koalition weiterhin um freiwillige Leistungen,