Protocol of the Session on March 26, 2015

[Beifall bei der SPD – Lachen bei den GRÜNEN, der LINKEN und den PIRATEN – Hakan Taş (LINKE): Wenn Sie das als vernünftige Lösungen bezeichnen, Herr Zimmermann! – Zuruf von Dr. Klaus Lederer (LINKE)]

Um die organisierte Kriminalität zu bekämpfen, ist es für die Polizei schon eine Herausforderung, immer die richtigen Instrumente anzuwenden, besonders wenn diese organisierte Kriminalität grenzüberschreitend operiert. Wir haben im Laufe der letzten Jahre einige Regelungslücken im Polizeirecht erkannt, sie sind deutlich geworden. Diese Lücken schließen wir mit dieser ASOGNovellierung. Wir haben einen wirklich langen Abwägungsprozess durchlaufen, wir haben sehr sorgfältig geprüft, was wir machen, was wir nicht machen, wie wir es machen, wie genau die Eingriffsbefugnisse sein sollen. Ich kann Ihnen im Ergebnis sagen, Herr Lux: Diese Vorlage bedeutet keinen Abbau von Bürgerrechten,

[Steffen Zillich (LINKE): Was?]

sondern wir konstruieren nötige Instrumente für die Polizei unter vollständiger Wahrung der Grundrechte, wie sie das Bundesverfassungsgericht beschrieben hat. Deshalb ist diese Vorlage eine gute Vorlage.

[Beifall von Peter Trapp (CDU)]

Wir regeln den Einsatz im Ausland, meine Vorredner haben das gesagt. – Ich sehe gerade im Display „Zwischenfragen“. Ich würde gern erst einmal im Zusammenhang vortragen. – Wir regeln den Einsatz im Ausland, und da ist es nicht so, Herr Lux, dass wir jetzt hier eine Armee, die unter Parlamentsvorbehalt stehen müsste, ins Ausland schicken,

[Martin Delius (PIRATEN): Wir haben keine Armee in Berlin!]

sondern wir schaffen eine Rechtsgrundlage für Routinetätigkeiten, für Ermittlungstätigkeiten der Polizei im Ausland, die bislang fehlt.

[Benedikt Lux (GRÜNE): Das müssen Sie nicht!]

(Benedikt Lux)

Wir brauchen diese, wenn wir etwa bei Nacheile bei bestimmten Vorfällen der Polizei die nötigen Instrumente in die Hand geben wollen. Deshalb brauchen wir genau diese Rechtsgrundlage im ASOG. Wir haben sie so gefasst, dass selbstverständlich dieser Einsatz nur im Einvernehmen mit dem jeweiligen Land stattfinden kann und nicht etwa gegen es.

[Hakan Taş (LINKE): ] Ohne Parlament?]

Es muss im Einklang mit Völkerrecht und europäischem Recht sein. Es gibt überhaupt keinen Grund, hier an der Rechtmäßigkeit zu zweifeln.

Anders herum wollen wir die Möglichkeit haben, dass bei Spielen, ich habe es schon einmal gesagt, bei der Champions League oder Ähnlichem, wenn wir Hooligans aus anderen Ländern hier haben, die dortige Polizei sie begleiten kann. Dazu brauchen wir diesen Lückenschluss, damit die hier ihre Leute möglichst einkreisen oder notfalls auch greifen oder der Berliner Polizei helfen können, die friedlichen Spiele zu bewahren.

Wir haben eine präzise Rechtsgrundlage für das KfzScanning eingefügt, das hat Kollege Juhnke ausgeführt. Ich kann das alles unterstreichen. Ich will nur noch einmal hervorheben, dass es hier keine wirkliche Belastung von Unbeteiligten gibt. Wir haben eine glasklare Regelung, wenn ein Treffer vorliegt, dass dieses Datum, was erhoben wurde, weiter verarbeitet werden kann. Wenn aber in time kein Treffer vorliegt, sind diese durch das Kfz-Scanning erhobenen Daten sofort zu löschen. Es ist der Auftrag an die Polizei, dies tatsächlich umzusetzen. Das wird sie tun. Wir wissen, dass die Polizei dieses Instrument ohnehin äußerst zurückhaltend angewendet hat. Es ist gar kein neues Instrument,

[Zuruf von Uwe Doering (LINKE)]

es war eine alte Rechtsgrundlage, die nur zu unpräzise war, Kollege Juhnke hat das erläutert. Die haben wir jetzt präzisiert. Im Grunde ist sie für die Betroffenen normen- und rechtsklarer, als sie es vorher war. Es ist eher eine Verbesserung, als dass es eine Verschlechterung wäre. Jedenfalls wird auch hier nicht in unzulässiger Weise in Grundrechte eingegriffen, sondern wir haben es so konstruiert, dass es genauso wie vorher auch in der gleichen Grundrechtstiefe bleibt.

Der Unterbindungsgewahrsam ist der einzige Bereich, in dem tatsächlich eine weitere Belastung von möglicherweise Betroffenen stattfinden kann, von bisher zwei auf maximal vier Tage. Aber auch das ist schon gesagt worden vom Kollegen, dass es immer eine Verhältnismäßigkeitsprüfung braucht, und dass immer der Richtervorbehalt gilt. Die Polizei kann nicht Leute festsetzen, wie ihr das passt, sondern es muss nach Artikel 104 GG unverzüglich die richterliche Entscheidung eingeholt werden. Das gilt natürlich auch hier. Deswegen sind die Sicherungen für etwaige zu weitgehende Grundrechtseingriffe hier eingebaut. Diese Vorschrift bewegt sich im Rahmen des

Zulässigen und deswegen auch hier, Herr Kollege Lux: Keine Grundrechtseinbuße oder Ähnliches, sondern es bewegt sich in dem vom Verfassungsgericht vorgegebenen Rahmen.

Zu der Wegweisung haben meine Vorredner das Richtige gesagt. Das ist ein Lückenschluss, der zum Schutz der in der Regel bedrohten Frauen notwendig ist. Deswegen zusammenfassend: Wir haben hier eine zielgerichtete Aktualisierung und Präzisierung des Polizeirechts – nicht mehr und nicht weniger. Deswegen bitte ich um Zustimmung. – Herzlichen Dank!

[Vereinzelter Beifall bei der SPD und der CDU]

Vielen Dank, Kollege Zimmermann! – Für die Linksfraktion spricht jetzt Kollege Taş. – Ich erteile Ihnen das Wort, bitte sehr!

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Als Erstes möchte ich feststellen, dass es sich bei dieser Vorlage keinesfalls um geringfügige Änderungen handelt, wie es zu Beginn in der Begründung heißt. Für uns sind solche Intensivierungen und Verschärfungen von Grundrechtseingriffen nicht geringfügig und werden es auch niemals sein.

[Beifall bei der LINKEN und den PIRATEN]

Die Novellierung des ASOG wird die Berliner Polizei zu erheblichen Grundrechtseinschränkungen ermächtigen, Einschränkungen für jeden einzelnen Bürger dieser Stadt. Von der CDU ist nichts anderes zu erwarten, aber bei der SPD spricht es schon Bände, dass Sie das alles mittragen. In Ihrer Partei fassen Sie wohlfeile Beschlüsse, aber hier machen Sie CDU-Politik. Das bezeichnen Sie auch noch als vernünftige Politik, die Sie mit der CDU gemeinsam machen? Das ist nicht verständlich.

Sie können sich noch entscheiden. Wir stellen gemeinsam mit den Grünen und den Piraten einen Änderungsantrag zur Abstimmung, der die schlimmsten Punkte streicht und sogar noch konstruktive Verbesserungen vorsieht. Fangen wir einmal mit dem automatischen KennzeichenScanning an. Dieses Gesetz wird es künftig gestatten, an Straßen ohne jegliches Wissen und Wollen der Betroffenen sämtliche Kennzeichendaten zu erheben und mit anderen Daten zu vergleichen. Wie die Regelung dem Schutz vor der gegenwärtigen Gefahr für Leib und Leben dienen soll, ist für uns nicht nachvollziehbar. Auch die Vorstellung, dass das Kfz-Scanning bei der Suche nach suizidgefährdeten Menschen helfen soll, ist sogar einigermaßen absurd.

[Martin Delius (PIRATEN): Unfreiwillig komisch!]

(Frank Zimmermann)

Genau, richtig! – Bis Sie einen Treffer verifiziert haben, ist das Fahrzeug im Stadtverkehr schon längst nicht mehr auffindbar. Wie Sie damit eine unmittelbar bevorstehende Straftat oder einen Suizid verhindern wollen, ist mir ehrlich gesagt schleierhaft. Die Fakten sprechen für sich. Sie setzen das Instrument ja schon ohne Rechtsgrundlage ein, was schlimm genug ist. Aber genutzt hat es bislang wenig.

Wir haben in einer Schriftlichen Anfrage erfragt, wie viele Einsätze es im Zeitraum von 2010 bis 2014 gegeben hat. Acht Mal war die Antwort. In keinem Fall führte das Kfz-Scanning zur Verhinderung einer Straftat. Also, meine Damen und Herren, der tatsächliche Nutzen dieses Instruments ist mehr als fragwürdig. Aber der Preis, den wir alle mit der Datenerhebung zahlen, ist hoch.

[Beifall bei der LINKEN – Beifall von Benedikt Lux (GRÜNE)]

Die SPD-Fraktion verspricht übrigens in ihrem sogenannten innenpolitischen Programm vom letzten Jahr: Eine Evaluation dieser Regelung wird gesetzlich festgeschrieben. – Jetzt wollen Sie hier das Gegenteil beschließen, liebe Sozialdemokraten!

Kommen wir nun zum Unterbindungsgewahrsam! Die Verlängerung des Freiheitsentzugs auf maximal vier Tage ist die schwerwiegendste Verschärfung in diesem Gesetzentwurf

[Steffen Zillich (LINKE): Sozialdemokratische Grundposition!]

und aus unserer Sicht in diesem Ausmaß völlig unnötig.

[Beifall bei der LINKEN, den GRÜNEN und den PIRATEN]

Um die unmittelbar bevorstehende Begehung einer Straftat zu verhindern, ist es im höchsten Maße unverhältnismäßig, eine Person vier Tage der Freiheit berauben zu dürfen, ohne dass sie eine Straftat begangen, ja nicht einmal die Versuchsschwelle übertreten haben muss. Auch hier ist die Begründung dieses Grundrechtseingriffs abenteuerlich. Der 1. Mai, Fußballspiele, Staatsbesuche oder Versammlungen werden angeführt. Welcher 1. Mai dauerte vier Tage? Welches Fußballspiel dauerte vier Tage? Wollen Sie die Menschen wegsperren, wenn sie noch nicht einmal den Gedanken entwickelt haben, eine Straftat zu begehen? Ich muss gestehen, dass ich es außerordentlich witzig fand, dass sogar Kirchentage als Begründung herangezogen werden.

[Zuruf von Michael Dietmann (CDU)]

Wenn man sich dann aber vorstellt, dass davon dann tatsächlich Menschen betroffen sind, vergeht einem das Lachen wieder. Wir wollen das ersatzlos streichen und sind hier einer Meinung mit der Polizeivizepräsidentin Koppers. Auch sie hat gesagt: Die Verlängerung des Unterbindungsgewahrsams ist nicht notwendig, und dafür gibt es keinen Anlass.

[Beifall bei der LINKEN und den PIRATEN]

Deswegen zum nächsten Problem: Es ist ein weitgehend unbeschränkter Austausch von Beamten zwischen Berlin und anderen Staaten vorgesehen. Die alleinige Entscheidung darüber soll bei der Senatsverwaltung für Inneres liegen. Wir lehnen das ab. Solch eine Entscheidung muss einem Parlamentsvorbehalt unterliegen, denn solch bedeutungsvolle Entscheidungen bedürfen besonderer demokratischer Legitimation und Kontrolle. So ist es im Bund für die Bundespolizei geregelt, und so sollte es auch bei uns hier sein. Außerdem müssen wir bei der Verwendung Schranken setzen, sonst wird es uferlos. Diese soll für polizeiliche, aber nicht für militärische Aufgaben möglich sein. Es ist weder nötig noch angebracht, dass ausländische Kräfte in Berlin Schusswaffen gebrauchen dürfen.

Noch ein letzter, aber gravierender Punkt: Was Geheimdienste für einen verheerenden Schaden anrichten können, wurde und wird noch immer durch die Aufarbeitung der NSU-Morde vor aller Welt vorgeführt. Und nun sieht der Entwurf des Senats vor, dass Daten von potenziellen Straftätern, aber auch von Zeugen, Hinweisgebern, Kontaktpersonen usw. an die Geheimdienste übermittelt werden dürfen. Dadurch könnte der Geheimdienst auch Daten erhalten, die er auf legalem Weg nicht hätte erheben können. Es ist möglich, dass Daten jedweder Art von Personen, die objektiv nichts mit dem Tatgeschehen zu tun haben, an Geheimdienste übermittelt werden. Nicht nur der Datenschutzbeauftragte hat damit ein Problem. Sie weichen hier die Trennung zwischen Polizei und Geheimdiensten auf. Das kann nicht sein.

[Beifall bei der LINKEN und den PIRATEN]

Das waren nun die Gesetzesverschärfungen und Grundrechtseinschränkungen, die der Senat für geringfügig hält. Wir haben mit unserem Änderungsantrag einen bürgerrechtsfreundlichen Entwurf vorgelegt. Nun kann sich jede Fraktion entscheiden, auch Sie, liebe Sozialdemokratinnen und -demokraten, welchen Weg Sie unterstützen will. – Ich bedanke mich vielmals für die Aufmerksamkeit!

[Beifall bei der LINKEN, den GRÜNEN und den PIRATEN]

Vielen Dank, Kollege Taş! – Für die Piratenfraktion spricht jetzt der Kollege Dr. Weiß. – Bitte sehr!

Vielen Dank! – Meine Damen und Herren! Es ist vielleicht als Erstes geboten festzustellen, dass das, was wir jetzt abschließend diskutieren, wohl auch abschließend ohne Beteiligung des Innensenators, die einzige größere Beschlussvorlage aus dem innenpolitischen Bereich in dieser Legislaturperiode ist, was eigentlich schon traurig genug ist, wenn ich allein an den Bereich Verwal

(Hakan Taş)

tungsmodernisierung oder E-Government denke, was für den Senat eigentlich alles zu tun wäre.

[Beifall bei den PIRATEN – Beifall von Benedikt Lux (GRÜNE)]

Und das ist nur ein Beispiel von vielen.