Protocol of the Session on February 19, 2015

(Wolfgang Brauer)

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! „Oper ist eine hübsche Unterhaltung, die noch besser wäre, wenn nicht dabei gesungen würde.“ Das wusste schon Claude Debussy. In der Staatsoper Unter den Linden ist genau dieser Zustand jetzt erreicht. Jetzt singen stattdessen vielstimmige Chöre außerhalb der Staatsoper das Lied von einer umfassenden Aufklärung, von den Ursachen, Konsequenzen und Verantwortung für die Terminüberschreitungen und fordern die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses.

Ja, man muss konstatieren, dass das Thema Staatsoper schwierig ist. Das kann man nicht schönreden, und man muss es auch kritisch sehen. Kostensteigerungen von 239 Millionen Euro auf 389 sind kein Pappenstiel. Das muss kritisch hinterfragt werden. Ob das alles aber einen Untersuchungsausschuss rechtfertigt, wage ich zu bezweifeln.

Nun zu dem Wort Vernebelungstaktik: Ich habe selten erlebt, dass so viele Besichtigungen und Führungen über eine Baustelle stattgefunden haben. Wir wurden über alle Vorkommnisse, Bauzeitverlängerungen und Kostensteigerungen informiert. Es herrschte größtmögliche Transparenz.

[Zuruf von Sabine Bangert (GRÜNE)]

Dieser Teil der Fragen aus Ihrem Katalog ist bereits beantwortet. Auch die Fragen zu den Ausschreibungen wurden beantwortet, und diese Antworten sind öffentlich. Dazu habe ich zum Beispiel eine Pressemitteilung der Linksfraktion aus dem Jahr 2008, mit der sie die Entscheidung zugunsten des Denkmalschutzes für den Zuschauersaal begrüßt. Und diese Entscheidung hat ja zu einer erheblichen Verlängerung der Bauzeit geführt.

Die verehrte Opposition hat unglaublich viele Schriftliche Anfragen gestellt, die allesamt beantwortet wurden. Ich finde es deshalb unredlich, Fakten zu unterschlagen und zu behaupten, es gebe keine Bedarfsplanung. Es gibt das Bedarfsprogramm 2a, das allen Abgeordneten vorliegt und das 2007 in mehreren Stufen erstellt wurde.

Richtig ist allerdings auch, dass, wenn ein solches barockes Haus von Grund auf saniert wird, immer wieder unvorhergesehene Dinge auftauchen, die nicht eingeplant werden konnten. Auch das ist bekannt.

Natürlich haben wir auch Kritik. Ob bei einem barocken Bau das Dach um vier Meter angehoben werden muss, um die Nachhallzeit auf 1,6 Sekunden zu verlängern, damit Wagner besser gehört werden kann, darüber kann man trefflich streiten. Ob eine Mauer, die nicht zu sehen ist, nach denkmalschützerischen Gesichtspunkten wieder aufgebaut werden muss, kann man auch infrage stellen.

Nicht verstehen kann ich, dass die verehrte Opposition die schärfste Waffe im Parlament, nämlich die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses, bei dieser transparenten Faktenlage anwenden will. Das zeigt mir, dass es nicht darum geht, Lehren aus diesem Beispiel zu ziehen, nämlich für künftige Bauvorhaben Festlegungen zu treffen. Die Staatsoper ist ja nicht die Ausnahme, sondern ein Beispiel von vielen, wenn die öffentliche Hand baut. Es ist auch kein deutsches Problem. Bei neun von zehn öffentlichen Großprojekten werden die Kosten unterschätzt. Das ergibt eine Untersuchung der Universität Oxford. Und im Schnitt sind die Kosten anfangs um etwa 30 Prozent zu niedrig angesetzt. Das fällt uns dann als Nachtragsarbeit auf die Füße.

Diese Lehren können wir bereits jetzt aus diesem Debakel ziehen.

[Udo Wolf (LINKE): Gilt das auch für Olympia?]

Dafür brauchen wir keinen Untersuchungsausschuss. Erst zu Ende planen, die Kosten realistisch ansetzen, um öffentliche Akzeptanz werben und dann bauen!

[Udo Wolf (LINKE): Gilt das auch für Olympia?]

[Udo Wolf (LINKE): Nein?]

Ihnen geht es trotz bereits bekannter Vorgänge – das ist einfach so – betreffs Bauzeitverlängerung und Kostensteigerung darum, die ganze Sache zu skandalisieren. Wir werden dennoch diesen Untersuchungsausschuss konstruktiv begleiten, obwohl wir der Meinung sind, dass dieser Vorgang nicht die Substanz dafür hat.

[Beifall bei der SPD und der CDU]

Ich kann nur sagen: Schade um die vertane Zeit!

[Beifall bei der SPD und der CDU – Benedikt Lux (GRÜNE): Bei Ihrer Rede! – Wolfgang Brauer (LINKE): Es ist auch schade um die Redezeit!]

Vielen Dank, Frau Lange! – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat jetzt das Wort der Abgeordnete Schruoffeneger. – Bitte!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Frau Lange hat jetzt noch mal die Frage gestellt, warum es einen Untersuchungsausschuss geben soll, wo das alles doch schon seitenlang und stundenlang behandelt worden ist. Nein, Frau Lange, das ist es eben nicht. Die Verwaltung hat dem Parlament zwar Hunderte von Seiten Powerpoint-Präsentation zugeliefert, sie hat stundenlange Ausschussbegehungen mit den Ausschüssen vorgenommen, aber zur Klärung der politischen Fragen hat die Ver

waltung leider bisher überhaupt nichts beigetragen. Eine Ausschussbegehung, die sich im Wesentlichen mit den Fragen der Feuchtigkeit des Baugrundes befasst, gehört in ein geologisches Seminar. Auch eine Architektenfortbildung zu Fragen der Dachaufhängung hätte man hier gut machen können. Was das allerdings in einem Parlamentsausschuss zu suchen hat und was es dazu beiträgt, Verfahrensfehler in der Verwaltung und in den politischen Abläufen zu klären, ist mir bis heute schleierhaft geblieben.

[Torsten Schneider (SPD): Warum sind Sie denn alle hingegangen? Sie waren doch alle da!]

Die Verwaltung hat sich schlichtweg geweigert, sich den politischen Fragen und Verantwortlichkeiten zu stellen, und uns stattdessen mit interessanten Fragestellungen befasst, die aber nichts zur Wahrheitsfindung beitragen.

[Beifall bei den GRÜNEN, der LINKEN und den PIRATEN]

Ehrlich gesagt: Selbst das, was man uns aufgeschrieben hat, hat mich manchmal verwundert. Da steht z. B. in einer Vorlage etwas von den „unerwarteten Feuchtigkeitsschäden“ im Keller der Staatsoper. Ich selbst durfte im Jahr 2006 an einer Begehung teilnehmen, noch vor der Entscheidung zur Sanierung der Staatsoper. Da wurden an alle Ausschussmitglieder Gummistiefel verteilt, und wir durften dann gemeinsam durch das knöcheltiefe Wasser im Keller waten und haben dort lange Vorträge erhalten. Wie man dann zu dem Ergebnis kommen kann, dass es unerwartete Feuchtigkeitsschäden gibt, bleibt mir ein Rätsel.

[Beifall bei den GRÜNEN und den PIRATEN]

Frau Lange! Politik ist etwas anderes. Politik ist nicht Geologie und nicht Architektur, sondern betrifft andere Fragen.

Erst als der Untersuchungsausschuss mehr oder weniger durch die Opposition angekündigt war, kam Bewegung in die Sache, und es gab einen sichtbaren Strategiewechsel in der Verwaltung. Herr Geisel hat keine zwei Stunden nach seiner Wahl zum neuen Senator hier im Parlament erklärt – ich zitiere das mit Genehmigung –:

Dabei hat sich herausgestellt, dass es in Zukunft dringend erforderlich ist, wichtige Planungsschritte vor dem Bau abzuschließen.

[Beifall bei den GRÜNEN und den PIRATEN]

Diese Schlussfolgerung ist unbedingt zu ziehen. Wir hatten bei der Staatsoper die Situation, dass der Architekt in einem Wettbewerb 2009 gefunden wurde. 2010 ist schon mit den Bauarbeiten begonnen worden. Hintergrund des Ganzen ist der Wunsch nach einer Beschleunigung. Rückblickend muss man sagen, dass die Untersuchung des

Baugrundes und des Bauzustandes der Staatsoper offenbar noch nicht abgeschlossen war.

Das ist die Erkenntnis. Man hat also gebaut, bevor man überhaupt geplant und untersucht hat. Dazu sage ich nur: Da ist unsere Gesetzeslage eine andere. Und die Frage müssen wir klären: Wer hat hier wissentlich, unwissentlich, aus Schlamperei oder aus welchen Gründen auch immer entgegen allen Verfahrensrichtlinien und Gesetzen im Land Berlin gehandelt?

Herr Müller hat ebenfalls dann am 15. Januar in seiner Regierungserklärung zur Staatsoper Position bezogen und gesagt:

Wir sind alle nicht zufrieden mit dem Verlauf, aber wir versuchen seit 2011 die Fehler zu korrigieren, die in den Jahren zuvor gemacht wurden.

Seit 2011! – Wie hat das denn im Jahr 2011 ausgesehen? – Dazu empfehle ich das Interview mit dem Intendanten der Staatsoper vom 31. Oktober 2012 – also nach einjährigen Bemühungen zur Klärung. Da sagt Herr Flimm:

Kalkuliert waren auch Garderobenspiegel mit verschiedenen Lichtfarben. Wir sagten: Wir brauchen nur ganz normale Spiegel mit ganz normalem Licht.

Und die bekommen Sie jetzt?

Na ja, jetzt bekommen wir erst mal gar keine. Die Spiegel sind nämlich gar nicht kalkuliert. Also durch die Bauverzögerung von zwei Jahren fehlen dem Spielbetrieb der Staatsoper schon mal acht Millionen Euro … Und dann ist aber in dem neuen Haus noch kein Spind, kein Stuhl und kein Garderoben-Spiegel bezahlt.

Heißt das, der teure Umbau und der Umzug sind ohne Einrichtung kalkuliert?

Antwort von Herrn Flimm:

2008 war sie noch drin, genau 4,7 Millionen Euro. Dann ist der Posten verloren gegangen.

Ich nenne das nicht Lösung von Problemen, sondern ich nenne das Täuschung, Trickserei und Hintergehung des Parlaments.

[Beifall bei den GRÜNEN und den PIRATEN – Vereinzelter Beifall bei der LINKEN]

Hier ist bewusst versucht worden, Kosten herauszurechnen, obwohl man weiß, dass sie anfallen werden. Das waren also Ihre Methoden der Kostenklärung. Aber das war eigentlich nur eine Verschleierung vor der Wahl.