Protocol of the Session on January 12, 2012

[Zurufe von der LINKEN – Zuruf von Ramona Pop (GRÜNE) – Uwe Doering (LINKE): Sie wissen doch, warum!]

Das ist nun wirklich keine glaubwürdige Kehrtwende in der Opposition. Das ist kein guter Start, da haben Sie vollkommen recht!

[Beifall bei der CDU und der SPD]

Herr Mutlu! Das ist doch ein gutes Stichwort! Die CDU war schon immer für die Abschaffung des Straßenausbaubeitragsgesetzes. Wir haben in den Koalitionsverhandlungen unseren Koalitionspartner davon überzeugt, dass dieses Gesetz zum Wohle der Bürgerinnen und Bürger abgeschafft wird.

[Udo Wolf (LINKE): Und über Czaja und das Nachtflugverbot reden wir auch noch!]

So macht man das und nicht wie die Linksfraktion!

[Beifall bei der CDU – Zurufe von der LINKEN]

Die Piraten sind mir eigentlich nicht unsympathisch. Der Kollege, den wir sonst in Interviews erleben, hat sich heute mit seiner Lebendigkeit, mit seinen Zwischenrufen präsentiert. Jetzt ist er gerade draußen. – Wir verfolgen Ihre Entwicklung mit wohlwollendem Interesse, denn Sie haben das Thema digitale Medien auf die Tagesordnung gesetzt, was bei den etablierten Parteien nicht aktuell war.

[Oh! von der LINKEN]

Der Senat hat reagiert. Er hat das Thema Netzpolitik etabliert, sogar beim Chef der Senatskanzlei.

[Zurufe von den GRÜNEN]

Ich sage aber auch, wenn Herr Kollege Claus-Brunner uns in seiner Hunderttagebilanz über Interview in der Tageszeitung „BZ“ wissen lässt, er sei „moralisch und seelisch am Ende“ – er klang vorhin noch ganz gesund, ich wünsche ihm gute Besserung bei der parlamentarischen Arbeit –, und wenn er sagt, er wisse nicht, ob er das fünf Jahre durchhalte: Wir fangen gerade erst an, wie soll das in den nächsten 100 Tagen noch werden?

[Beifall und Heiterkeit bei der CDU]

Lassen Sie mich abschließend festhalten: Wir alle lassen uns – das ist normal – von Wünschen und Vorstellungen leiten.

[Uwe Doering (LINKE): Von Euphorie ist ja überhaupt nichts zu sehen!]

Aber nicht das Wünschbare ist der Maßstab, wenn man regiert, sondern das Machbare. Demokratie ist Kompromiss, und Kompromiss bedeutet auch manchmal, dass man nicht das oder nicht alles bekommt, was man sich wünscht.

[Uwe Doering (LINKE): Da kann man ja mal ein bisschen euphorischer sein!]

Wir wollen die Stadt wirtschaftlich voranbringen. Wir wollen die Spitzenposition Berlins bei Kunst, Kultur, Tourismus, Wissenschaft und Forschung behalten. Und wir wollen die rote Laterne bei der Armut und Arbeitslosigkeit abgeben. Wir wollen die Menschen dabei mitnehmen, wir wollen ihnen Partner sein. Deshalb war es genau richtig, diese Koalition für diese Stadt zu bilden. Wir haben ein ambitioniertes Programm. Dafür bitten wir Sie um Unterstützung des Parlaments und der Öffentlichkeit. – Ich danke Ihnen!

[Anhaltender Beifall bei der CDU und der SPD]

Vielen Dank! – Für die Fraktion der Piraten hat jetzt der Abgeordnete Andreas Baum das Wort. – Bitte sehr!

Ich finde es bemerkenswert, dass die CDU mich mit Vorschusslorbeeren begrüßt

[Uwe Doering (LINKE): Würde mir zu denken geben!]

und dass Sie als Einzige bemerkt haben, dass wir hier eingezogen sind.

Aber wir reden hier nicht über die CDU, sondern über die Regierungserklärung von Herrn Wowereit. Da kann ich nur sagen: Uns ist aufgefallen, Sie kopieren uns. Ich finde das gut. In unserem Wahlprogramm steht:

Die Piraten Berlin begrüßen den Kiezcharakter, die bunte Vielfalt in dieser Stadt. Wir wollen diese erhalten und fördern, sehen sie aber bedroht von falschen politischen Impulsen.

Sie sagen in Ihrer Regierungserklärung, Berlin sei eine Stadt mit vielfältigen Kiezen und einer reichen Mischung von Menschen mit unterschiedlichen Einkommen und unterschiedlicher sozialer und kultureller Herkunft. – Kopieren finden wir gut – aber was folgt jetzt daraus?

[Zuruf von Lars Oberg (SPD)]

Eben haben Sie noch schulternzuckend erklärt, dass das so ist, dass der eine mehr Miete bezahlen kann als der andere. Aber wie das konkret aussehen soll, die Berliner Mischung beizubehalten, wissen Sie auch nicht. Aber wir Piraten helfen Ihnen da gerne aus, ganz konkret zu werden. Schauen Sie in unser Wahlprogramm! Schreiben Sie bei uns ab!

Wir gewährleisten Mietergemeinschaften Vorkaufsrecht beim Erwerb der von ihnen bewohnten Immobilien.

Das steht in unserem Wahlprogramm. Machen Sie sich das zu eigen, setzen Sie das um!

Mehr und bessere Arbeitsplätze! – Was sind das für Arbeitsplätze, deren Entstehung mit Steuermitteln gefördert wurde, die aber nicht ausreichen, um den Lebensunterhalt zu bestreiten, bei denen die Beschäftigten nach dem Gang zur Arbeit den Gang zum Jobcenter antreten müssen, um sich als Aufstocker die Differenz zum ALG II abzuholen? – Solche Arbeitsplätze sind nicht zum Nutzen der Berlinerinnen und Berliner, sondern zum Schaden. Verzichten Sie in Zukunft auf die Schaffung solcher Arbeitsplätze! Sorgen Sie in Zukunft dafür, dass Menschen in dieser Stadt von den Jobcentern nicht mehr dazu gezwungen werden, solche Hungerlohnjobs anzunehmen! Damit treten Sie ganz konkret Hungerlöhnen entgegen!

[Beifall bei den PIRATEN]

Die Piratenfraktion ist erfreut darüber, dass in der Senatskanzlei Netzpolitik zukünftig als eigenes Handlungsfeld wahrgenommen werden soll und netzpolitische Themen Einzug in den Koalitionsvertrag gefunden haben. Sie haben versprochen, keine landesgesetzlichen Befugnisse für Onlinedurchsuchungen zu schaffen, befürworten das Prinzip „Löschen statt Sperren“ und möchten sich auf Bundesebene für eine Änderung der sogenannten Störerhaftung einsetzen. Sie betrachten Netzpolitik als wichtige Säule für die Entwicklung der Informationsgesellschaft. Das finde ich gut. Damit tragen Sie allerdings auch die Verantwortung dafür, jetzt die richtigen Weichen zu stellen. Zwar haben Sie bereits mitbekommen, welche Themen von netzpolitischem Interesse sind, haben aber in vielen Punkten noch immer nicht verstanden, in welche Richtung die Wege im Sinne einer fortschrittlichen Informationsgesellschaft beschritten werden müssen.

[Beifall bei den PIRATEN]

So haben Sie beispielsweise erkannt, dass digitale Vielfalt, die Modernisierung des Urheberrechts und Netzneutralität Themen von zentraler Bedeutung für unser zukünftiges virtuelles Miteinander sind. In Ihrer Vorlage – zur Beschlussfassung – über die Billigung der Richtlinien der Regierungspolitik finden diese Begriffe allerdings lediglich Verwendung als medienwirksame Schlagwörter. Über die zentrale Frage zur Netzneutralität, nämlich ob Sie eine gesetzliche Festschreibung befürworten oder aber auf eine sogenannte Selbstregulierung der Märkte setzen, ist der Vorlage nichts zu entnehmen. Offen bleibt auch, was Sie sich unter einem modernen Urheberrecht vorstellen und in welche Richtung Sie diesbezüglich auf Landesebene gehen werden. Solange Sie keine konkreten Antworten und Lösungsansätze vorlegen, müssen wir davon ausgehen, dass Sie diese Themen auch weiterhin so rückständig und wenig nutzerfreundlich und freiheitsorientiert behandeln werden, wie es die SPD und die CDU in der Vergangenheit auch auf Bundesebene getan haben.

[Beifall bei den PIRATEN]

Wir freuen uns, wenn das anders wird – um das auch ganz klar zu sagen. Sie planen laut Koalitionsvertrag, an zentralen Orten der Stadt ein freies und gebührenfreies

WLAN zu starten. In Ihrer Vorlage gehen Sie einen Schritt weiter und sprechen von einem landesweiten gebührenfreien WLAN. Im „Tagesspiegel“ von heute sagt Ihr Staatskanzleichef Björn Böhning: Wir wollen ein Netz an zentralen Orten innerhalb des S-Bahnrings etablieren. – Zählen Sie denn alles außerhalb des S-Bahnrings nicht mehr zu Berlin?

[Heiterkeit und Beifall bei den PIRATEN]

Oder wissen Sie nicht so genau, wo der S-Bahnring endet, weil Sie nicht so viel S-Bahn fahren? – Klar wird an diesem Beispiel, dass Sie herumeiern und nicht so genau wissen, wohin die Reise gehen soll.

Wir werden mit großem Interesse verfolgen, welche Entwicklung dieses Projekt tatsächlich nehmen wird. Mit einer Beschränkung auf zentrale Orte handelt es sich ganz offenbar um nicht mehr als ein Symbolprojekt, statt dem tatsächlichen Willen der Menschen dieser Stadt, ein freies Netz zu Verfügung zu stellen, gerecht zu werden.

[Beifall bei den PIRATEN]

Sie selbst möchten einer digitalen Spaltung entgegenwirken. Dazu ist es jedoch erforderlich, freies WLAN eben nicht nur in vorwiegend touristisch und wirtschaftlich genutzten Innenstadtbereichen zu etablieren, sondern gerade auch in den Kiezen, nämlich dort, wo die Menschen leben und das soziale und kulturelle Miteinander stattfindet.

Des Weiteren möchten Sie die IT-Anwendungen der Berliner Justiz im Verbund mit anderen Ländern entwickeln und dabei prüfen, ob der kostengünstige Einsatz von Opensource-Software möglich ist. Das klingt nicht nach Begeisterung für freie Software und auch nicht nach der Motivation, diesbezüglich irgendetwas bewegen zu wollen. Sollten Sie tatsächlich anstreben, neu zu entwickelnde IT-Anwendungen unter freier und quelloffener Software laufen zu lassen, dann verschwenden Sie keine Zeit für unnötige Prüfungen! Das ist mit einfachsten Mitteln möglich, sofern wirklich ein Wille vorhanden ist.

[Beifall bei den PIRATEN – Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN]

Ergreifen Sie endlich die Initiative! Lassen Sie die Programme unter eine entsprechende Lizenz setzen! Die Stadt München hat hierzu bereits eine Vorreiterrolle eingenommen und stellt im Rahmen des Projekts LiMux sogar 80 Prozent aller Arbeitsplätze der städtischen Verwaltung auf freie Software um. Weshalb sich Ihre eventuellen Aktivitäten für Berlin dagegen auf den Bereich des Rechtswesens beschränken sollen, ist mir unverständlich.

[Beifall bei den PIRATEN – Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN]

In diesem Zusammenhang wäre es auch interessant zu erfahren, ob Ihr geplanter Ausbau und die technische Verbesserung der Plattform berlin.de auch mit einer Frei

gabe der Inhalte unter einer Creative-Commons-Lizenz einhergehen wird, wie es beispielsweise auch das Weiße Haus längst vorbildlich umsetzt, denn so würden die mit Steuergeldern erstellten Inhalte dem Bürger endlich auch für eine benutzerfreundliche Weiternutzung zur Verfügung stehen. Steigen Sie auf freies Kartenmaterial um, und geben Sie Bilder, Grafiken und Texte frei, wie es bereits das Bundesarchiv mit etwa 100 000 seiner Fotografien getan hat!

[Beifall bei den PIRATEN]

Das Land Berlin muss endlich erkennen, dass die Befreiung von öffentlichen Daten eine Voraussetzung für eine fortschrittliche Informationsgesellschaft darstellt. Das Projekt Berlin Open Data ist ein erster Schritt in die richtige Richtung.