Protocol of the Session on January 12, 2012

Ja, diese Koalition steht für den Ausbau der Infrastruktur. Dies geschieht weitestgehend zur Entlastung der Menschen in den Wohngebieten. Auch das ist die Wahrheit. Es ist keine Belastung. Wir werden mit der Verlängerung der Autobahn A 100 beginnen, wenn die Voraussetzungen dafür geschaffen sind, und wir werden die Tangentialverbindung Ost voranbringen, damit Unternehmen beste Standortbedingungen vorfinden.

[Beifall bei der SPD und der CDU – Uwe Doering (LINKE): Durch die Wuhlheide oder was? – Zuruf von Wolfgang Brauer (LINKE)]

Selbstverständlich sind für den Senat nachhaltige Investitionen in den Ausbau des öffentlichen Nahverkehrssystems weiterhin ein politischer Schwerpunkt. Das ist auch keine Alternative. Wir wollen den Menschen Alternativen zum Individualverkehr bieten. Deshalb werden wir kräftig in unser öffentliches Nahverkehrssystem investieren. Das ist für uns selbstverständlich.

[Gerwald Claus-Brunner (PIRATEN) und Harald Moritz (GRÜNE): Wo denn?]

Das werden wir machen, im U-Bahnbau, im Straßenbau, in einer verbesserten Radwegeplanung usw. Dies ist fester Programmpunkt der Regierung. Daran werden wir festhalten, und dies werden wir unter Beweis stellen.

[Beifall bei der SPD und der CDU – [Martin Delius (PIRATEN): Autobahn! – Zuruf von den PIRATEN: Fahrradautobahn!]

Wir werden die BVG weiterhin zukunftsfähig gestalten und optimieren. Die S-Bahn muss ihre Probleme endlich in den Griff bekommen. Wir, Herr Müller und ich, haben mit der Vertretung der Bahn, Herrn Grube und Herrn Hombach, schon Verhandlungen über die Frage geführt, ob die Bahn AG bereit ist, die S-Bahn beispielsweise an das Land Berlin zu verkaufen, oder ob sie bereit ist, ihren Fahrzeugpark abzugeben.

[Uwe Doering (LINKE): Und?]

Wir haben deutlich das Interesse Berlins artikuliert, und mit Brief vom 11. Januar 2012 ist uns eine Antwort erteilt worden, in der die Bahn AG eindeutig sagt, dass sie es ablehnt, sich von ihrem Eigentum zu trennen

[Michael Schäfer (GRÜNE): Überraschung! – Zurufe von den GRÜNEN: Ach nee!]

und auch nicht vorhat, den Verkauf von Fahrzeugen vorzunehmen. Insofern ist diese Option, die vom Land Berlin durchaus in die engste Prüfung einbezogen worden ist, vom Tisch, weil die Bahn nicht bereit ist, sich von ihrem Eigentum an der S-Bahn zu trennen. Sie hat damit auch ein positives Bekenntnis zum Ausbau der S-Bahn gegeben.

[Oh! von den PIRATEN]

Wir müssen selbstverständlich von der S-Bahn nicht nur dieses Bekenntnis einfordern, sondern sie muss auch weiterhin alles tun, um reguläre Zustände zu schaffen und die Störanfälligkeit zu reduzieren.

Wir werden die Konsequenzen aus der Absage der Bahn zum Verkauf der S-Bahn in unsere Überlegungen einbeziehen. Aus meiner Sicht ist die Teilausschreibung der S-Bahn die Folge, die sich daraus ergibt. Darüber müssen wir in Kürze entscheiden, um zukunftsfähig zu sein.

Wir werden den Ausbau intelligenter Strom- und Gasnetze durch die Versorger unterstützen. Berlin braucht dreierlei: Versorgungssicherheit, bezahlbare Energiepreise sowie intelligente und zukunftsfähige Gas- und Stromnetze, die der Energiewende zum Erfolg verhelfen. Dafür setzt sich dieser Senat ein, denn wer Klimaschutz in einer Metropole sichern will, muss auch die Infrastruktur ausbauen.

Wir werden die Breitbandversorgung ausbauen und uns für ein kostenfreies WLAN-Netz einsetzen,

[Beifall bei der SPD und der CDU]

denn Infrastrukturpolitik heißt für eine Metropole im digitalen Zeitalter auch, den Zugang zum schnellen Internet zu sichern. Die Wirtschaft braucht es, und es ist unsere soziale Verantwortung, die digitale Spaltung zu verhindern.

(Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit)

[Beifall bei den PIRATEN]

Ich warte noch ein bisschen, damit alle Piraten klatschen können.

Bei der Infrastruktur gilt: Wir brauchen mehr Bürgerbeteiligung und -engagement auch bei wichtigen Bauvorhaben. Das muss natürlich rechtzeitig geschehen. Wir wollen die Ideen und Vorstellungen der Berlinerinnen und Berliner in unsere Zukunftspläne aufnehmen. Aber klar ist auch: Ohne verbindliche Entscheidungen und mit der Ablehnung jeglicher Baupläne gibt es Stillstand, und Stillstand kann sich Berlin nicht leisten. Bei aller Bürgerbeteiligung müssen – gerade in einer parlamentarischen Demokratie – die Entscheidungsträger ihre Verantwortung wahrnehmen und diese auch nach außen tragen. Man darf nicht alle Entscheidungen abgeben. Wir sind gefordert, deutlich zu sagen, was unsere Politik für Berlin ist.

[Beifall bei der SPD und der CDU]

Berlins Zukunft baut man nicht mit Kleinmut, sondern mit Tat- und Überzeugungskraft, mit politischer Führung.

[Özcan Mutlu (GRÜNE): Yes, we can!]

Dafür steht dieser Senat. Und damit Berlin in der Erfolgsspur bleibt, muss sich die Stadt verändern, Veränderung, die gute Arbeit schafft und sozialen Ausgleich fördert!

Wer wie dieser Senat den Aufholprozess Berlins fortsetzen will, muss den Haushalt weiter konsolidieren und den öffentlichen Sektor Berlins weiter modernisieren. Daran führt kein Weg vorbei. Unser Ziel ist ein Haushalt ohne Neuverschuldung spätestens im Jahr 2016.

[Ramona Pop (GRÜNE): Wie denn?]

Deshalb bleibt es dabei, dass der Landeshaushalt pro Jahr maximal um 0,3 Prozent wachsen wird. Wir sind damit in punkto finanzieller Solidität weiter Vorbild unter den Bundesländern. Bisher deutet alles darauf hin, dass wir das für 2016 gesetzte Ziel erreichen werden. Allerdings sind dazu strikte Disziplin und große Anstrengung notwendig. Selbstverständlich können nicht alle Wünsche erfüllt werden.

In einigen Bereichen, wo es verkraftbar ist, werden wir die Einnahmen des Landes verbessern. Denn solides Wirtschaften bedeutet auch, dafür zu sorgen, dass für wichtige Aufgaben das nötige Geld da ist. Die neue Koalition wird die Steuerfahndung und die Betriebsprüfung mit 75 zusätzlichen Stellen in der Steuerverwaltung verstärken.

[Beifall bei der CDU – Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Wir werden die Grunderwerbsteuer maßvoll ab dem 1. April 2012 von 4,5 auf 5 Prozent des Steuermessbetrags anheben. Und wir werden, wenn dies rechtlich möglich ist, eine City-Tax in Höhe von fünf Prozent der Übernachtungskosten für auswärtige Besucherinnen und Besucher einführen, die ab dem Jahr 2013 erhoben wer

den soll. Niemand erhöht gerne Steuern. Die Koalition hat sich diese Entscheidungen nicht leicht gemacht – es gab auch noch weitergehende Vorschläge –, aber es sind Entscheidungen mit Augenmaß. Die Lastenverteilung ist fair und gut vertretbar. Alle müssen ihren Beitrag leisten, damit Berlin auf eigenen Füßen stehen kann. Deshalb stehen wir voll hinter diesen Erhöhungsplänen.

[Beifall bei der SPD und der CDU]

Ich sage in diesem Zusammenhang auch an die Adresse mancher anderer Bundesländer – vor allem im Süden der Republik –: Niemand in Berlin will eine Dauerabhängigkeit vom Bundesfinanzausgleich oder anderen Ausgleichzahlungen der Länder. Im Gegenteil! Wir arbeiten seit Jahren mit einem harten Konsolidierungskurs an der Sanierung unserer Finanzen. Die Erfolge sind da, und sie sind in der Republik beispiellos. Darauf können wir stolz sein. Das ist uns nicht leicht gefallen, und wir werden das fortsetzen. Solange wir aber die Hilfe noch brauchen, nehmen wir das in Anspruch, was in unserer Verfassung vorgesehen ist. Das sind keine Sonderleistungen für Berlin, sondern sie stehen allen Ländern zu, die diese Hilfen nötig haben. Dazu zählen nicht nur Berlin und die ostdeutschen Länder, sondern auch andere. Das ist unser legitimes Recht.

Wir werden in der Legislaturperiode unsere Ausgaben annähernd einfrieren. Es ist daher kein Zufall, dass uns der Stabilitätsrat erst kürzlich bescheinigt hat, dass wir uns ambitionierte haushaltspolitische Ziele gegeben haben und strikte Konsolidierung walten lassen. Das wurde positiv vermerkt.

Wir werden dabei weiter unsere eigenen Schwerpunkte setzen, wie es alle anderen Länder auch tun. Die Beitragsfreiheit unserer Bildungseinrichtungen – von der Kita bis zur Hochschule – gehört dazu. Diese Entscheidung muss Berlin – unabhängig vom Länderfinanzausgleich – allein treffen. Es liegt in der Verantwortung des Senats und des Parlaments als Gesetzgeber, diese Entscheidung zu treffen. Das kann nicht in Baden-Württemberg geschehen.

[Beifall bei der SPD und der CDU]

Der neue Senat hält an der Beitragsfreiheit fest. Auch hier gilt die Losung, die von Werner von Siemens stammt: Für augenblicklichen Gewinn verkaufen wir die Zukunft nicht.

Berlin hat seine Wirtschaftsförderung in den letzten Jahren gebündelt und auf die besonderen Kompetenzfelder der Stadt ausgerichtet. Diese Strategie hat sich bewährt. Aus Wissen wird Arbeit. Das gilt für die Bereiche Verkehr und Mobilität, Medizintechnik, Biotechnologie und Biomedizin, Medienwirtschaft, Informations- und Kommunikationstechnik, für die optische Technologie, Mikrosystemtechnik und Energietechnik. Auf all diesen Feldern haben wir gemeinsam mit den Akteuren aus Wissenschaft und Wirtschaft Kompetenzen gebündelt, Netzwerke gebildet und den Standort profiliert.

(Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit)

Gegen Rückschläge, wie zuletzt speziell in der Solarindustrie, können wir uns in Zeiten globaler Märkte nicht abschotten. Aber wir können alles tun, um ein innovatives Klima zu schaffen, das die besten Köpfe anzieht. Wir geben den Universitäten volle Rückendeckung, um erfolgreich im Exzellenzwettbewerb zu bestehen. Wir wollen ein breites Ausbildungsspektrum haben, denn wir brauchen viele gut ausgebildete, junge Menschen. Wir sorgen auch in Zukunft für Planungssicherheit durch die Hochschulverträge. Wir unterstützen die Charité als Europas größtes Universitätsklinikum und als „Leuchtturm“ unseres Gesundheitsclusters. Wir hoffen, dass das angekündigte Engagement des Bundes bei der Charité durch die Zusammenarbeit mit dem Max-Delbrück-Centrum möglich sein wird. Dadurch eröffnen sich noch besserer Fördermöglichkeiten für die Hochschulmedizin und Forschung. Unser Anspruch muss sein, dass Berlin der herausragende Uni- und Forschungsstandort im Bereich Medizin sein wird. Wir müssen uns bundes- und europaweit messen können. Wir werden alles tun, um diesem Anspruch zu genügen.

[Beifall bei der SPD und der CDU]

Berlin verfügt über einmalige Potenziale für eine erfolgreiche Stadtentwicklung. Ein besonderes Augenmerk wird der Senat auf die Zukunftsorte der Stadt richten, um sie im Dialog mit der Bürgergesellschaft und im Interesse aller zu entwickeln. Wir werden das erprobte und erfolgreiche Modell Adlershof auf andere Zukunftsorte in Berlin übertragen, solides Wachstum fördern und so die Entstehung hochwertiger, guter Arbeitsplätze ermöglichen.

Wir haben die fantastische Chance, die bisherigen Flughafengelände in Tempelhof und Tegel modellhaft zu entwickeln. Die Tempelhofer Freiheit ist schon heute ein Besuchermagnet, bei Veranstaltungen wie der Modemesse „Bread and Butter“ ebenso wie an den Wochenenden, wenn zigtausend Kreuzberger, Neuköllner und Bürgerinnen und Bürger aus ganz Berlin die Weite des innerstädtischen Parks genießen.

Der Senat wird den Neubau der Zentral- und Landesbibliothek am Standort Tempelhof vorantreiben. Sie wird zur Quelle eines Quartiers des Wissens, der Kreativität und der Information. Stadtentwicklung, Bildung und Arbeitsplätze gehen hier Hand in Hand. Ja, es ist eine große Investition. Ich freue mich aber besonders, dass trotz aller technischen Entwicklungen die Bibliotheken ihre Aufgaben nicht verloren haben. Die Menschen strömen in die Bibliotheken, und deshalb brauchen wir eine starke Landesbibliothek. Es ist gut investiertes Geld für Bildung und Kultur, aber auch zur Förderung der Wirtschaft.

[Beifall bei der SPD und der CDU – Zuruf von Wolfgang Brauer (LINKE)]

Gleiches gilt für Tegel, wo der Flugbetrieb im Sommer eingestellt wird. Wir setzen dort auf Forschung, neue urbane Technologien und regenerative Energien, um

Arbeitsplätze mit Zukunft zu schaffen. Die zukunftsfähigste Metropole Europas zu werden bedeutet, neue Formen der Mobilität zu entwickeln und für neues Wachstum zu nutzen.

Der Senat wird alles daransetzen, dass Berlin den Zuschlag als nationales Schaufenster der Elektromobilität erhält. Berlin und Brandenburg bewerben sich gemeinsam mit einem Konzept, das alle Verkehrsträger umfasst: vom Lkw über den Bus und die Bahnen, über den Pkw bis zum Fahrrad. Wir wollen so den Einstieg in die CO2arme Mobilität beschleunigen und damit einen wichtigen Beitrag zum Klimaschutz leisten. Im Thema Mobilität liegt auch ein großes Potenzial für Berliner Forschung, für Berlin als Standort moderner Industrien und damit für gute Arbeitsplätze.

Ich begrüße es außerordentlich, dass sich viele Berliner Unternehmen in die Bewerbung um ein nationales Schaufenster einbringen und mit uns gemeinsam Berlin zum Standort der Elektromobilität entwickeln wollen. Hier hat eine außergewöhnliche Zusammenarbeit stattgefunden, und sie ist weit über die Berliner Bereiche hinausgegangen. Auch große Unternehmen, die ihre Schwerpunkte anderswo haben – nicht in Berlin –, unterstützen uns dabei. Das zeigt: Der Senat setzt auf Kooperationen statt Konfrontation mit der Wirtschaft – zur Stärkung des Wachstums.