ohnehin daneben; wir würden sie am liebsten streichen. Aber wenn ein Zustimmungsquorum jemals irgendeinen Sinn gemacht hat, dann doch gerade bei dieser Befragung! Es steht in Ihrem Gesetzentwurf: Sie wollen prüfen, ob eine breite Mehrheit der Berlinerinnen und Berliner hinter Olympia steht. Aber einmal angenommen, am 13. September sagen 15 Prozent Ja und 14 Prozent Nein. Halten Sie dann so ein Ergebnis ernsthaft für den Ausdruck von Olympiabegeisterung? Sieht so die breite Unterstützung aus, die Sie selbst immer wieder als notwendig benannt haben? Soll das dann Ihre Legitimation sein, einfach mal ein paar Milliarden zu verpulvern, die Berlin nicht hat?
Ich habe den Eindruck, es scheint nicht sehr weit her zu sein mit Ihrem Glauben an die Olympiabegeisterung der Stadt, wenn Sie sich nicht einmal zutrauen, ein Viertel der Wahlberechtigten Berlins von Ihrer Idee zu überzeugen.
Das kann ich auch verstehen; das ist ja auch die Katze im Sack: Sie lassen über Gefühle abstimmen, nicht über Politik – unverbindlich, versteht sich.
Es scheint auch nicht sehr weit her zu sein mit dem Vertrauen in die Überzeugungskraft Ihrer eigenen Argumente, wenn Sie bei Ihrem Gesetz nicht einmal einer Gegenposition Raum geben. Haben Sie solchen Schiss vor einer Klatsche?
Also: Senat, SPD und CDU versuchen nicht nur, die Verfassung zu umgehen – sie basteln sich auch noch ein Gesetz zusammen, das sie bei der Abstimmung klar bevorteilt. Sie reden von einer Stärkung der direkten Demokratie – doch in Wirklichkeit beerdigen Sie sie, indem Sie zweierlei Recht schaffen: keine Hürden für Senat und Koalition, hohe Hürden für die Bevölkerung.
Wir gehen mit unserem Vorschlag einen anderen Weg – einen, der die Verfassung nicht beschädigt und auch gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern mit einer anderen als der Senatsmeinung ein Mindestmaß an Fairness gewährleistet: Wir senken das Wahlalter auf 16; wir senken die Hürden für Volksbegehren und Volksentscheid; wir schaffen die Möglichkeit für ein Parlamentsreferendum, das alternative Vorschläge ebenfalls ermöglicht und verbindlich und rechtssicher ist. Wenn Sie das ernsthaft aufgreifen, statt einfach weiter alles auszusitzen, dann kann die Stadt am 13. September auch über Olympia abstimmen. Wir schaffen die Möglichkeit, dass Bürgerinitiativen aus sich heraus Stadtpolitik gestalten können.
Das ist dann in der Tat direkte Demokratie; das ist Bürgerbeteiligung. Ich kann Ihnen nur raten, das Angebot ernsthaft anzunehmen, statt weiter an Ihrem windigen Gesetz zu basteln.
Ich kann nur wiederholen, was wir von Anfang an gesagt haben: Lassen Sie einfach die Finger davon! Die Leute haben andere Sorgen als Ihr Wolkenkuckucksheim. Es fehlt an bezahlbarem Wohnraum, intakten Schulen und Sportstätten – wir reden ja nachher noch über Schultoiletten; da gab es auch wieder einen lustigen Tanz in der Koalition –, es fehlt an funktionierender S-Bahn und an Personal in den Berliner Verwaltungen. Sie selbst predigen uns seit Jahren, dass wir nicht wieder über unsere Verhältnisse leben dürfen. Aber bei Olympia gilt das alles plötzlich nicht mehr, denn das wird ja nachhaltig – nachhaltig wird allein der Kater sein, wenn irgendwann die Rechnung auf den Tisch kommt.
Es geht jetzt schon los: Plötzlich kostet der Umbau des Jahn-Sportparks, der für die Paralympischen Spiele gebraucht wird, nicht mehr 30 Millionen, sondern 150 Millionen Euro. Darüber kann man vielleicht ja noch reden. Aber vielleicht sorgen Sie erst einmal in der Breite dafür, dass die Sportstätten Berlins für Menschen mit Behinderung besser nutzbar werden.
Es fehlt an Personal, um die Sanierung der Bäder, der Straßen, der Brücken, der Sportstätten vernünftig zu organisieren, Bürgerämter offen zu halten, eine ausreichende Schul- und Kitaversorgung abzusichern. Und diese schon jetzt absolut am Limit ackernde Verwaltung soll sich über Jahre hinaus auch noch um die Olympiabewerbung kümmern?
Herr Müller! Herr Henkel! Ich kann Ihre Sorgen ja ein bisschen verstehen. Es läuft gerade nicht so richtig rund mit Olympia. Was haben Sie uns nicht alles versprochen, etwa ein transparentes, breit angelegtes Beteiligungsverfahren. Nur: Ich höre nichts davon. Wie viele Berlinerinnen und Berliner haben sich denn nun auf Ihrer berühmten Onlineplattform beteiligt? 3 000? 2 000? Oder noch weniger? – Warum ist das so? Ich kann es Ihnen sagen: Weil die Leute die Erfahrung gemacht haben, dass Sie sowieso nur das machen, was Sie für richtig halten. Es ist genau wie vor Tempelhof: Sie wissen selbstverständlich am besten, was der Stadt guttut und erlauben dem Volk bestenfalls noch gnädig, das zu ratifizieren – unverbindlich, versteht sich!
Wie bei Ihren Onlinebefragungen, wo die Berlinerinnen und Berliner eingeladen waren, sich zwischen Ja und Ja zu entscheiden.
Sie nehmen die Leute nicht ernst. Und nun sind es wieder Sticker – Herr Henkel trägt schon einen – und bunte T-Shirts, und das Brandenburger Tor wird als bonbonfarbene Werbefläche missbraucht. All das ist der beste Beweis, was von Ihren blumigen Ankündigungen und Versprechen zu halten ist, ein anderes, ein alternatives, ein ökologisches, ein nachhaltiges und bescheidenes – und was die Floskelgeneratoren Ihrer PR-Berater so alles noch hergeben – Olympiakonzept zu entwickeln.
Konzepte entwickeln, den Bau von Olympiahallen planen und überwachen? – Die Verwaltung ist doch schon jetzt mit den laufenden Geschäften überfordert. Wir sehen doch jetzt schon, wie das bei der U 5 und der Staatsoper abläuft – vom BER ganz zu schweigen. Noch bevor Sie all das geregelt haben, brummen Sie der Verwaltung schon wieder das nächste Megaprojekt auf – weil es das letzte Projekt ist, das Ihre Truppe noch beieinanderhält!
Damit komme ich zum Schluss und noch einmal zum Kern unserer Kritik an Ihren Olympiaplänen – ich lasse einmal die Kritik am IOC beiseite und tue so, als sei das ein Charity-Verein, der uns allen nur Gutes will: Das Grundproblem bleibt. Sie verhalten sich wie Graf Koks von der Gasanstalt. Sie bekommen es nicht hin, ein regelmäßiges Abendessen zu kochen, knapsen am Geld für Besteck und Geschirr, verschicken aber schon einmal die Einladung für ein gigantisches Galadiner in der Welt.
Sorgen Sie erst einmal dafür, dass die Vorratskammer gefüllt ist, statt die Substanz dieser Stadt aufzuzehren! Sorgen Sie dafür, dass diese Stadt vernünftig funktioniert! Und wenn Sie das geschafft haben, dann reden wir noch einmal ganz in Ruhe über Olympia – aber ganz in Ruhe und erst dann!
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Da schaut man dieser Tage doch neidisch nach Hamburg,
und zwar nicht, weil die ein so tolles Bewerbungskonzept hätten, sondern weil die eine politisch verantwortungsvolle Opposition haben
und sie es geschafft haben, die Frage der Olympiabewerbung nicht für parteipolitische Spiele zu missbrauchen, wie Sie es hier seit Monaten tun.
Die Linke hat es geschafft, auch in der vierten Olympiarederunde kein Wort sportpolitisch zu argumentieren. Sie nutzen diese Debatte als Opposition für nichts anderes als parteipolitische Spiele und zur Generalabrechnung mit der Regierung!
Hamburg hat viele wesentliche Fragen der Olympiabewerbung noch nicht beantwortet – nicht die nach den Kosten, nach der Realisierbarkeit, nach der Nachnutzung, noch nicht einmal die nach der auch dort gewünschten Bürgerbeteiligung.
Nein! – Aber Hamburg hat den Rücken breit gemacht. Die Politik dort hat Verantwortung übernommen – übrigens auch die grüne Opposition. Gemeinsam wird nach außen vertreten, dass man das kann und dass man das will, weil Olympia eine Chance ist.
Und dann hier diese kleinmütige Opposition! Die Grünen jagt die nackte Angst vor den Wählerinnen und Wählern, denen man sich nicht traut zu sagen, dass sie Olympia eigentlich doch für eine ganz gute Idee halten.
Die Linke ist in der Totalopposition angekommen. Da habe ich noch nicht mal etwas dagegen, aber Sie schaffen es mit Ihrer Position, die eigenen Erfolge von zehn Jahren Regierungspolitik in dieser Stadt auch noch kleinzureden.
[Beifall bei der SPD – Vereinzelter Beifall bei der CDU – Martin Delius (PIRATEN): Was ist denn mit der Sportpolitik?]
Allen Oppositionsparteien hier ist gemeinsam, dass sie statt über die Chancen Olympischer Spiele in Berlin
Ersatzdebatten führen wollen. Das Thema Olympia muss heute dafür herhalten, eine sehr allgemeine Debatte über direkte Demokratie in dieser Stadt zu führen.
Und ja, wahrscheinlich gibt es für mehr direkte Demokratie in diesem Parlament im Moment eine Mehrheit – in dieser Koalition vielleicht nicht –,